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Von AfD bis Zentrum – das passierte auf den Wahlpartys der Parteien

Während in Deutschland das Europaparlament gewählt wurde, zitterten die Parteimitglieder schon den ersten Hochrechnungen entgegen – denn vorher muss der Promillewert traditionell gefährlich niedrig gehalten werden. Doch dann gibt es kein Halten mehr: Sieger wie Verlierer beenden den zehrenden Wahlkampf der letzten Wochen mit einer knallenden Fete. Wie immer gilt dabei: Jeder Jacky ist anders. Ein Überblick der Partys vom Wahlabend:  

AfD
Lange Gesichter bei der NSDAP AfD – trotz deutlicher Zugewinne und Platz zwei unter den Parteien. Man hatte sich einfach mehr von russischen Bots wie Maximilian Krah versprochen. Gefeiert wurde trotzdem,  als wäre gerade ein frischer und fröhlicher Krieg ausgebrochen. Im Laufe des Abends küsst sich Beatrix von Storch noch mit Ulf Poschardt (FDP), Alice Weidel bringt Julian Reichelt "Sitz" und "Platz" bei und man singt gemeinsam die Internationalsozialistische. Zum Abschied bekommt jeder Gast einen Goodiekoffer von einem freundlichen russischen Geheimagenten.  

Bündnis Sahra Wagenknecht
Lange Guy-Fawkes-Masken beim BSW – wie sollen 6,2 Prozent genügen, um Putin zum Endsieg in Europa zu verhelfen? Die Stimmung unter den abgehalfterten Politgurken um Sahra Wagenknecht ist trotzdem gut. Immerhin sechs von ihnen werden die kommenden Jahre bestens versorgt sein. Ein anonymer Gönner hat für die Feier Borschtsch, Piroschki, Wodka und Musik von einer Balalaikaband spendiert, Sahra Wagenknecht tanzt mit einem Bären und zum Abschied bekommt jeder Gast ein "Stellenangebot" von einem nicht ganz so freundlichen russischen Geheimagenten.  

CDU
Lange, na ja, Gesichter bei der CDU – bis zur Bundestagswahl muss die AfD noch zulegen, sonst reicht es nicht für eine Koalition mit Zweidrittelmehrheit. Schuld am Wahldesaster, so rechnet Parteichef Friedrich Merz vor, sind die Grünen mit knapp 12 Prozent der Stimmen. Stimmen, die auch die AfD hätte bekommen können. Um die Party dennoch in Gang zu bringen, tröstet Ursula von der Leyen ihre Parteigenoss*innen mit aktuellen Abschiebestatistiken, Generalsekretär Linnemann kotzt in die Tuba von Philipp Amthor und gegen Mitternacht sind alle im Bett – schließlich ist Montag ein regulärer Werktag.  

CSU
Lange Biergesichter bei der CSU – 6,4 Prozent, soll das ein Witz sein? Hatte man zu Zeiten von Johann Strauss nicht stets die absolute Mehrheit? Der einzige Ausweg, da ist man sich immerhin einig, wäre noch mehr Agitation gegen Gendersprache und die Endlösung der Grünenfrage. Spitzenkandidat Manfred Weber nutzt die Gunst der Stunde, um zahlreiche Familienangehörige vorzustellen, die zukünftig für ihn tätig sein werden. Alexander Dobrindt vergeht sich versehentlich (Brille vergessen) am Spahnferkel und Markus Söder zieht zweimal am CBD-Joint von Andreas Scheuer, bevor er mit einem Hustenanfall in ein nahe gelegenes Krankenhaus eingeliefert wird, wo man bis in die frühen Morgenstunden um sein Leben kämpft.  

FDP
Lange Watschengesichter bei der FDP – wieso tut man es sich als Spross einer erfolgsverwöhnten Familie eigentlich an, in einer Fünf-Prozent-Partei Karriere zu machen? Ach ja: Wenn man zu doof für den freien Markt ist. Feiern ist trotzdem erlaubt, denn dagegen haben die Grünen noch kein Gesetz erlassen. Und die Party kann sich sehen lassen: Marie-Agnes Strack-Zimmermann gewinnt den Buchstabierwettbewerb mit lediglich zwei Fehlern beim Buchstabieren ihres eigenen Namens, Christian Lindners Hose unterliegt auf der Toilette im freien Spiel der Säfte und natürlich fliegt das Kokain in Strömen in die kaputten Kackschädel der FDP-Banditen.  

Die Grünen
Kommt ein Pferd zur Wahlparty der Grünen und sagt: "Och, warum denn so’n langes Gesicht?" Die Enttäuschung in der Partei über die erlittenen Verluste ist so groß, dass selbst Hubert Aiwanger Mitleid bekommt. Wo sind denn die ganzen Wähler*innen hin? Gesoffen wird natürlich trotz der Niederlage, obwohl auch sehr viel gekifft, gezogen und gespritzt wird. Anton Hofreiter braut Bier für alle in seinem Magen und Winfried Kretschmann verteilt selbstgemachte vegane Aufstriche auf seinem Anzug. Am nächsten Morgen hat sich ein Drittel der Parteimitglieder freiwillig kompostiert, um dem Stimmenverlust Rechnung zu tragen.  

Die Linke
Linke Gesichter bei den Langen, Quatsch, umgekehrt natürlich. Nachdem sich der dümmste Teil der Partei dem Bündnis Sahra Wagenknecht angeschlossen hatte, muss man feststellen, dass der dümmste Teil der Wähler*innen ihm gefolgt ist. Damit es trotz 2,7 Prozent mit dem Sozialismus noch klappt, schickt man sich gegenseitig kapitalismuskritische Memes, gerät über Antisemitismus in Streit und spaltet sich noch während der Wahlparty in vier neue Parteien mit unzähligen Untergruppierungen, Arbeitskreisen und Plattformen auf, die nicht mehr miteinander reden, sondern nur noch gegenseitig Screenshots von Instagramstorys in ihren Instagramstorys kommentieren.  

SPD
Jubel bei der SPD – man ist zweistellig geblieben! Zur Feier des Tages veranstaltet man ein Ratespiel, was mit den Plakaten zur Europawahl gemeint war, und Olaf Scholz schiebt im Überschwang des Glücks Svenja Schulze nach Afghanistan ab. Spitzenkandidatin Katarina Barley trinkt Sauren Apfel mit Nachwuchshoffnung Kevin Kühnert (53) und kotzt anschließend in die Brieftasche von Karl Lauterbach, die zum Glück alles restlos aufsaugt. Zum Ausklang des Abends singt man gemeinsam "Europa den Europäern, kriminelle Ausländer raus" auf die Melodie der Internationale und überlegt sich neue Wege in die Bedeutungslosigkeit.  

Zentrumspartei
Die Zentrumspartei gibt es wirklich noch, sie trat jedoch bei der Europawahl nicht an. Gefeiert wurde auch nicht, denn alle Mitglieder sind steinalt und leben (geistig) im Heim. Eigentlich wurde die Partei in diesem Text nur erwähnt, um den Anschein von Vollständigkeit durch eine A-Z-Aufzählung zu erwecken, entschuldigen Sie bitte! 

Valentin Witt 

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Kontroverse um ARD-Doku geht weiter

Die Diskussionen um die ARD-Dokumentation über die "Kölner Schule" reißen nicht ab. Nachdem zuletzt Henning "dat Hohn" Krautmacher in mehreren Interviews die nach seiner Ansicht falsche und ehrabschneidende Darstellung seiner Band De Höhner kritisiert hat, legt Wolfgang Niedecken nun in einem Snapchat-Snap nach und beklagt sich bitterlich darüber, dass die Autorin der Doku, Irma Paulscher, ihn zwar mehrmals zu den Anfängen der Bewegung und seiner Rolle darin befragt, seine Analyse, "dat alles" sei "verdamp lang her", aber unabgesprochen und ohne jede nachvollziehbare Begründung aus der Doku heraus geschnitten habe. Insbesondere echauffiert sich der BAP-Frontmann über die Auswahl der Bands und Interpreten, die in der Geschichte (aktuell in der ARD-Mediathek verfügbar) vorkommen - oder auch nicht vorkommen. So wettert Niedecken gegen die Erdmöbel und The Screenshots, die in der Doku viel zu viel Redezeit bekämen und als einflussreiche Wegbereiter dargestellt würden, obwohl sie "jar net op Kölsch singe täte", während hingegen für die Bewegung zentrale und bedeutende "Kapellen, isch sare nor de Paveier, de Bläck Fööss, de Räuber, de Klüngelköpp, de Famillich, dat Kölsche Rattepack, de Vier Botze, Jot Drop, et fussich Julche, de Zwei Hillije, de Köbesse, de Flöckcher, Kuhl un de Gäng, de Blömcher un och et Klimpermännche", überhaupt keine Berücksichtigung fänden und totgeschwiegen würden. Das sei Etikettenschwindel und "effe Driss", aber für ihn keine Überraschung, denn Paulscher sei "jar net dobei jewesen". Niedecken gibt sich jedoch abschließend versöhnlich und beendet seinen Snap mit den Worten: "Ne schöne Jroos".

DSch

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Platz 1 - Die Spitzenkolumne #12

Bei Zuckerberg ging vermutlich in der vergangenen Woche ’ne Lampe an – endlich wieder Aktivität bei Facebook. Es ging ab wie Schmitz’ Katze, die Gemüter waren erhitzt, es wurde palavert, es herrschte rege Aufregung, man hat die Tasten nur so glühen lassen. Denn es gab Besprechungsbedarf, wegen vor allem folgender Themen: Die Doku über die Hamburger Schule vom NDR, die “Tatort”-Absage von Christiane Rösinger, weil Flake von Rammstein auch mitspielen soll, der Messerangriff von Mannheim.

Themen, wie nur für Facebook gemacht! Und dies hier wäre nicht “Platz 1 – Die Spitzenkolumne”, wenn ich mir nicht die Top-Kommentare zu diesem Wahnsinn reingetan hätte.

Los geht’s: Während sich auf den Facebookprofilen angeblicher Akteure der Hamburger Schule die Leute die Fischköppe einschlagen, weil sie in der Doku nicht genug gewürdigt wurden, kürzt Leser Eric M. die Chose unter einem Deutschlandfunk-Beitrag, der fragt, was denn unser liebster Song der Epoche sei, ab: “Keiner”. Burn, abgehakt, niedergemetzelt, weiter!

Die Indiemusikerin, Autorin und Schauspielerin Christiane Rösinger will nicht mit einem Mitglied der Tätergruppe Rammstein vor einer Kamera stehen, so weit, so normal? NEIN! Finden die Top-Facebook-Männer. Hier zum Beispiel Detlef M. (sie heißen dann auch noch wirklich alle so) unter einem Bericht vom nd: “Intoleranz bis zum Moralerbrechen”. Hier muss man zugestehen, dass das Bild relativ stimmig ist – bei Unverträglichkeit, auch Intoleranz genannt, scheidet man ja schnell mal was aus. Ich hätte mich aber eher für Durchfall entschieden, ist gängiger – und es bissl umgedreht: Moraldurchfall durch Intoleranz. Weiter! Die Bunte kennt ihre Facebook-Pappnasen am besten. Sie postet: “Oliver Pocher fordert Abschiebung von Mannheimer Polizisten-Mörder” und schreibt außerdem dazu: “Seine Ex-Frau Sandy ergänzt, dass der Attentäter von Mannheim eine solche Tat in ihrer Wahlheimat Amerika nicht überlebt hätte: ‘Die Polizei schießt dich dann einfach tot.’” Den Top-Kommentar stellt sie, die Bunte, natürlich dann auch noch selbst, indem sie fragt: “Teilst du seine Meinung?” Super. Jetzt haben wir alle schlechte Laune. Zuckerberg, fackel den Scheißladen endlich ab!

Welche Menschen würden Sie gern TOT SEHEN? Schreiben Sie es in die Kommentare!

Platz 1 – die Spitzenkolumne von Paula „the one“ Irmschler erscheint jeden Samstag in voller Länge nur bei TITANIC.

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Fakt vs. Frage

Fakt: Der NDR richtet trotz des traditionell schlechten Abschneidens beim ESC auch weiterhin den deutschen Vorentscheid aus.

Frage: Müsste es nicht heißen: "richtet an"?

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Aus Eugen Egners Püppchenstudio


Abbilder

Als ich an jenem Abend mein Badezimmer betrat, machte ich eine verblüffende Entdeckung. Im Licht der Deckenlampe warfen einige über der Armlehne eines Korbsessels hängende Handtücher und Kleidungsstücke am Fußboden einen Schatten, der die perfekte Form einer menschlichen Silhouette hatte. Mir war unbegreiflich, wie auf diese Weise ein so wohlgeformtes Profil entstehen konnte. Es wirkte für mein Empfinden sowohl geschlechts- als auch alterslos und entzog sich einer genaueren ethnischen Zuordnung. Nach längerem bewegungslosen Anstarren der wundersamen Erscheinung glaubte ich, eher weibliche denn männliche Gesichtszüge zu erkennen. Etwas irgendwie „Archaisches“ und möglicherweise „Kriegerisches“ schienen sie zu besitzen, das mich ebenso an alte Kulturen des Mittelmeerraums – oder des Vorderen Orients? – denken ließ wie an amerikanische Ureinwohner. Typisch nordeuropäische und afrikanische Merkmale meinte ich nicht zu erkennen.
Obwohl mir klar war, daß es keinerlei Beweiskraft haben würde, verspürte ich den Wunsch, diese sehr ungewöhnliche Angelegenheit irgendwie zu dokumentieren – wenigstens für mich selbst. Nur wie? Einfach einen Papierbogen auf den Schatten zu legen und dessen Umrisse mit einem Bleistift nachzuziehen, war leider ungeeignet, weil der perfekte Eindruck des Profils nur unter einem bestimmten Blickwinkel entstand. Ein Photo aus eben dieser Perspektive wäre das Mittel der Wahl gewesen, doch ich besaß keine Kamera. Den Schatten aus besagtem Blickwinkel wirklich präzise abzuzeichnen, traute ich mir keinesfalls zu. So stand ich weiterhin wie festgebannt da und wußte nicht, was ich tun sollte.
Plötzlich erhob sich der Schatten, der nun von einem ganzen Körper geworfen zu werden schien, glitt über die Wand zum Waschbecken und verschwand in dem darüber hängenden Spiegel. Handtücher und Kleidungsstücke hingen über der Sessellehne, als wäre nichts geschehen, und verursachten jetzt eine amorphe dunkle Fläche auf dem Fußboden. Sobald ich mich wieder rühren konnte, ging ich wie betäubt zum Waschbecken und schaute, nicht ohne Furcht, den Spiegel an. Die gesamte Glasscheibe war von einem feinen Netz aus Rissen durchzogen. Unfähig, mir das soeben Erlebte zu erklären, ging ich ins Wohnzimmer, füllte ein großes Glas mit Cognac und leerte es zügiger als üblich. Irgendwann schlief ich auf dem Sofa ein.
Am nächsten Morgen fand ich den Spiegel über dem Waschbecken äußerlich intakt vor. Sämtliche Risse im Glas waren verschwunden. Unwillkürlich, ohne über eventuelle Konsequenzen nachzudenken, warf ich einen Blick hinein. Was ich sah, war großenteils mein gewohntes seitenverkehrtes Abbild, doch die rechte Gesichtshälfte bestand aus einer anatomisch gut passenden Parklandschaft.

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Müters Söhne #9

Eigenheiten

"Der Kaffee mundet mir nicht!"

Gideon ist 16 Jahre alt. Seine Mutter Viola Müter schreibt hier im wöchentlichen Wechsel über ihn und ihre anderen zwei Söhne im Alter von 5 und 12 Jahren. Die Mutter nennt sie liebevoll ihre "Mütersöhnchen“.

Gideon besitzt eine eigene Siebträgermaschine. Nichts Aufregendes. Ein Gerät, das preislich im unteren vierstelligen Bereich liegt. Eigentlich steht sie bei uns in der Küche. Nun ist Gideon aber von zuhause abgehauen und hat die Espressomaschine mitgenommen. Er wohnt für ein paar Tage bei meinem Mann, der aktuell in einem Vier-Sterne-Hotel übernachtet. Weil er noch immer Abstand brauche, seitdem ich ihm gebeichtet habe, dass nicht er der biologische Vater unseres jüngsten Sohnes ist, sondern der Mentalist Stefan.

Gideon hat die Wohnung nicht ohne Pathos verlassen. Das ist nicht unüblich. Es gibt Phasen, da kommen ihm die Tränen, wenn er sich in die Küche verabschiedet, um dort seine Lieblingsmeeresfrüchte anzubraten. Dieses Mal erinnerte mich sein Monolog jedoch an seine Hamlet-Darbietung in einer seiner Schultheateraufführungen.

Warum? Ich hatte zwischendurch wieder das Gefühl, ins Koma zu fallen. Auf die schlechte Art. "Aus diesen Gründen erdulde ich dein Verhalten nicht mehr", waren Gideons letzte Worte. "Dir ist der Bezug zur Realität verloren gegangen. Ich kehre zurück, wenn du dich schuldig bekennst." In diesen Momenten bereue ich, dass wir ihn katholisch getauft haben.

Mir fiel es schwer, Gideon in diesem Moment ernst zu nehmen. Wie er mir vorwarf, fernab der Realität zu leben, während er mit beiden Händen seine Siebträgermaschine durch die Tür trug. Ich glaube kaum, dass es im Vier-Sterne-Hotel keine ordentliche Kaffeemaschine gibt. "Der Kaffee mundet mir nicht", beklagte er sich schon als Sechsjähriger, nachdem er zum ersten Mal im Robinson Club am braunen Gold nippen durfte.

Generell muss ich mir nie Sorgen um Gideon machen. Außer, dass er ein Arschloch wird. Die Art von Arschloch, das die Espressomaschine sogar in der Schulcafeteria aufstellt. Und wenn ihm das untersagt wird, mit seinen Freunden in den Hungerstreik geht. Mahlgrad: Pathos. Mal wieder.

Mein Mann und ich haben uns immer gerne hinter Gideons Rücken über seine Eigenarten lustig gemacht. Ich glaube, das Lästern hat uns auch in schwierigen Zeiten daran erinnert, was uns zusammenhält. Als mein Mann seiner Schwiegermutter während Thorbens Gender-Reveal-Party ein erotisches Foto von sich per AirDrop schickte, konnten wir uns im Anschluss immerhin darüber lustig machen, dass Gideon eine allzu gefühlvolle Rede darüber gehalten hatte, dass Gender-Reveal-Partys stereotype Geschlechterrollen förderten.

Ein paar Tage, nachdem Gideon mich verlassen hat, rufe ich meinen Mann an. Erstmal, um ihn zu fragen, ob Gideon tatsächlich bei ihm ist und nicht in irgendeinem Museum übernachtet hat. Seine Antworten sind kühl. Ich wage einen Annäherungsversuch und frage meinen Mann, ob Gideon seine private Siebträgermaschine im Frühstücksraum des Hotels aufgestellt hat. Es wäre nicht das erste Mal. Ich vernehme ein leises Lachen. Es gibt noch Hoffnung.

Die Kolumne von Viola Müter erscheint jeden Donnerstag nur bei TITANIC.

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Fascholand - Ein Kurzroman von Christian Krass

Fascholand  

Ein Kurzroman von Christian Krass  

Seit den rechtsextremen Gesängen von Sylt hat sich unser Blick auf die Oberschicht verändert. Hat sie am Ende gar nicht das Beste für alle im Sinn? Unser Autor, selbst aus gutem Hause (Schloss Einstein), unternimmt einen Kurztrip durch Deutschland, um sich mal wieder so richtig abfucken zu lassen.  

Also, es fängt damit an, dass ich bei Pony in Kampen auf Sylt stehe und ein Hasseröder trinke. Das Pony ist so wahnsinnig berühmt, weil die Cocktails auf der Karte dort früher alle nach verschiedenen Nazigrößen benannt waren. Dann hat der Spiegel eine Story darüber gebracht und nach einigem Hin und Her hat man die Cocktails schließlich nach berühmten Rennpferden benannt: Adolf, Hermann, Joseph, Wilhelm, Rudolf usw. Draußen wird laut gesungen, also gehe ich vor die Tür, um nachzusehen, wer da so lustig ist. Und da stehen der M., die E., der C. und ein paar andere und sie singen auf die Melodie von "L’amour Toujours" von Gigi D’agostino "Deutschland den Deutschen, Ausländer raus". Der M. hält sich zwei Finger wie einen Chaplin-Bart vor die Lippe und deutet mit dem rechten Arm einen Hitlergruß an und sieht dabei unglaublich blöd aus. Mir ist die Situation ein bisschen peinlich, und ich muss an die Geschichte von Wolfgang Borchert denken, in der ein deutscher Maschinengewehrschütze im russischen Schnee steht und Weihnachtslieder singt im Februar, weil es so still ist und der Feind überall sein könnte. Der Borchert hat jetzt ein Restaurant in Berlin und es geht ihm ganz gut, glaube ich. Also, in der Geschichte von ihm heißt es jedenfalls: "Laut sang er, dass er die Angst nicht mehr hörte." Ich frage mich, ob jetzt alle singen in Deutschland, die vor etwas Angst haben, oder nur die, die mit Cryptotrading und Werbung für Periodenunterwäsche zu ein bisschen Geld gekommen sind, mit dem sie ihr üppiges Erbe aufstocken können. Ich zünde mir eine Zigarette an und denke, es ist Zeit zu gehen, bevor die Ausländer kommen und den Gästen des Pony ihre Ausweise und ihr Nazigold wegnehmen. 
Ich merke, dass ich ziemlich betrunken bin, also lasse ich meinen Triumph stehen und nehme den Mercedes von E., von der ich mir bei der Begrüßung den Schlüssel aus der Handtasche geborgt habe. Dieses SUV-Coupé ist eine riesige Schweinerei, wie es sich nur die allergrößten Nazis für ihre Nazikundschaft ausgedacht haben können, denke ich. Ich fühle mich in dem Auto wie in einer riesigen Styroporverpackung für Militärabzeichen, während ich wie auf Schienen Richtung Westerland gleite, und ich schlafe ein bisschen ein, weil man wegen der brütenden Regenpfeifer auf Sylt nicht schneller als 120 fahren darf. Als ich aufwache, bin ich gegen den einzigen Baum weit und breit gekracht, und ich habe gegen die Windscheibe und auf den Airbag gekotzt und auf mein weißes Sakko von Winsor & Newton. Die Flecken auf dem Sakko lassen sich nicht wieder auswaschen, das sehe ich sofort. Also zünde ich es an und ziehe es dann aus, bevor ich aus dem Wagen steige und zum Flughafen gehe, der zum Glück nicht weit entfernt ist. Ich fühle mich irgendwie verdammt glücklich, wie ich so über die Heide zum Flughafen hinstolpere, und bekomme so ein ganz blödes Grinsen im Gesicht, während hinter mir das Sakko brennt im Auto von E. drin, wo gleich alles lichterloh in Flammen stehen wird. 


Anders als die Nazischweine aus dem Pony brauche ich nicht die Kreditkarte meines Vaters für ein eigenes Flugzeug: Ich entriegele den Tankdeckel des zweimotorigen Diamond von Friedrich Merz mit meiner eigenen Kreditkarte und krieche durch den Spritschlauch ins Cockpit. Vollkommen high von den Kerosindämpfen hebe ich ab und steuere auf Sicht Richtung Hamburg. Leider habe ich nie gelernt zu landen, deshalb setze ich das Flugzeug über Pinneberg in Brand und springe mit dem Fallschirm ab wie weiland Rudolf Heß über Schottland, nur dass mein Fallschirm von Barbour ist und mehr gekostet hat als die ganze Messerschmitt von Heß damals. 


Im Mojo-Club in Hamburg stehen die Agentur-Hipster mit ihren blöden durchsichtigen Brillengestellen verkniffen nebeneinander und trinken Bionade oder Fritz Mate und wiegen sich wie müde Bambushalme im Wind zum Jazzgedudel einer Liveband hin und her. Ab und zu verschwindet einer auf die Toilette, und wenn er wiederkommt, schwanken seine Knie und er gibt seinem Nebenmann eine Spritze weiter. Ich habe mir nie viel aus Heroin gemacht, und die Leute hier wirken, als ginge es ihnen ähnlich und als müssten sich erst noch daran gewöhnen, um den Jazz ertragen zu können. Mir hat mal ein Bekannter erklärt, dass es im Mojo das Heroin tatsächlich zu kaufen gibt, und das Spritzenteilen gehört als Reminiszenz an die 80er auch dazu. Alles ist Fair Trade und nach Demeter-Standard zertifiziert, und man muss einen Aids-Test machen, bevor sie einem die Spritze und das H geben. Irgendwie ist es dann doch nicht dasselbe wie damals, denke ich mir, und bestelle ein Glas Bio-Champagner. Ich nehme einen Schluck und spucke das Zeug sofort auf die Theke. Nicht, weil der Champagner schlecht ist, sondern weil ich die Leute hier so hasse mit ihrem aufgeklärten Faschismus, der sich von dem der Nazis am Ende nur dadurch unterscheidet, dass auch Schwarze und Behinderte mitmachen dürfen, wenn sie Fachkräfte sind und Steuern zahlen, und dass im KZ an der Rampe gegendert wird. 

Das Live-Set ist inzwischen vorbei und ein DJ mit grünen Haaren, pinker Krawatte und tätowierten Arschbacken spielt Jazz-Remixe von alten Hip-Hop-Liedern. Die Gäste scheinen plötzlich wach geworden zu sein, jedenfalls fangen immer mehr von ihnen an über "All Eyez on Me" von Tupac "All eyes on Rafah" zu singen, nach dieser Storyvorlage von der Hamas neulich, die auf Instagram so wahnsinnig oft geteilt wurde.  

Ich zünde mir eine Zigarette an und werde gleich böse angeguckt. Ein unrasierter Mann mit Dutt eilt zu mir hin und erklärt mir aufgeregt, dass ihn selbst das Rauchen ja nicht stören würde, aber seine Frau sei wahrscheinlich schon schwanger, und wenn ich die Zigarette nicht ausmache, muss er leider die Polizei rufen. Ich habe ohnehin genug davon, wie die linken Werberdeppen hier gegen ihren eigenen Bedeutungsverlust angrölen, statt mal eine richtige Revolution gegen Leute wie mich anzuzetteln oder wenigstens so zu tun, als würden sie sich für etwas anderes interessieren als sich selbst. Ich gebe der Thekenfrau noch ein paar Hunderter für ein Gramm Heroin, die daraufhin ganz aus dem Häuschen ist, weil sie anscheinend noch nie so viel Geld auf einmal gesehen hat von ihrer geizigen Spießerkundschaft, und nehme ein Taxi nach München. 

Der Taxifahrer ist ein richtiger Nazi, das sehe ich sofort. Nicht nur an seiner Jeans von Edwin und dem Hemd von Camp David, sondern auch an den SS-Runen auf seinem kahlrasierten Hinterkopf. Zum Glück will er gar nicht reden, sondern dreht gleich die Musik auf. Während Britney Spears aus den Boxen dröhnt, singt der Taxifahrer mit so einer richtig blöden hohen Teenagerstimme jedes Mal über den Refrain "Hitler, baby, one more time". Wie sich bald herausstellt, ist es das einzige Lied in seiner Playlist. Zum Glück habe ich noch das Heroin bei mir, denke ich, also schnupfe ich davon so viel ich kann auf einmal und wache erst wieder auf, als wir in München vor dem P1 halten. Ich zünde mir eine Zigarette an und sehe zwei Polizisten, die versuchen, einen Ausländer zum Singen zu bringen. Wahrscheinlich hat er versucht, den Faschisten im P1 ihre Ausweise und ihr Nazigold abzunehmen, denke ich, aber das ist eine andere Geschichte, und die erzähle ich ein anderes Mal, denn ich habe mir in die Hose geschissen.                       

Valentin Witt

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Du wiederum, »Spiegel«,

bleibst in der NBA, der Basketball-Profiliga der Männer in den USA, am Ball und berichtest über die Vertragsverlängerung des Superstars LeBron James. »Neuer Lakers-Vertrag – LeBron James verzichtet offenbar auf Spitzengehalt«, vermeldest Du aufgeregt.

Entsetzt, Spiegel, müssen wir feststellen, dass unsere Vorstellung von einem guten Einkommen offenbar um einiges weiter von der Deiner Redakteur/innen entfernt ist als bislang gedacht. Andere Angebote hin oder her: 93 Millionen Euro für zwei Jahre Bällewerfen hätten wir jetzt schon unter »Spitzengehalt« eingeordnet. Reichtum ist wohl tatsächlich eine Frage der Perspektive.

Arm, aber sexy: Titanic

 Mmmh, Futterparadies Frankfurt a. M.!

Du spielst in einem Feinschmecker-Ranking, das die Dichte der Michelin-Sterne-Restaurants großer Städte verglichen hat, international ganz oben mit: »Laut einer Studie des renommierten Gourmet-Magazins Chef’s Pencil teilen sich in der hessischen Metropole 77 307 Einwohner ein Sterne-Restaurant.«

Aber, mal ehrlich, Frankfurt: Sind das dann überhaupt noch echte Gourmet-Tempel für uns anspruchsvolle Genießer/innen? Wird dort wirklich noch köstlichste Haute Cuisine der allerersten Kajüte serviert?

Uns klingt das nämlich viel eher nach monströsen Werkskantinen mit übelster Massenabfertigung!

Rümpft blasiert die Nase: die Kombüsenbesatzung der Titanic

 An Deiner Nützlichkeit für unsere Knie, Gartenkniebank AZBestpro,

wollen wir gar nicht zweifeln, an Deiner Unbedenklichkeit für unsere Lungen allerdings schon eher.

Bleibt bei dieser Pointe fast die Luft weg: Titanic

 Cafe Extrablatt (Bockenheimer Warte, Frankfurt)!

»… von früh bis Bier!« bewirbst Du auf zwei großflächigen Fassadentafeln einen Besuch in Deinen nahe unserer Redaktion gelegenen Gasträumlichkeiten. Geöffnet hast Du unter der Woche zwischen 8:00 und 0:00 bzw. 01:00 (freitags) Uhr. Bier allerdings wird – so interpretieren wir Deinen Slogan – bei Dir erst spät, äh, was denn überhaupt: angeboten, ausgeschenkt? Und was verstehst Du eigentlich unter spät? Spät in der Nacht, spät am Abend, am Spätnachmittag oder spätmorgens? Müssen wir bei Dir in der Früh (zur Frühschicht, am frühen Mittag, vor vier?) gar auf ein Bier verzichten?

Jetzt können wir in der Redaktion von früh bis Bier an nichts anderes mehr denken. Aber zum Glück gibt es ja die Flaschenpost!

Prost! Titanic

 Grüß Gott, Markus Söder!

Weil der bayerische AfD-Chef Sie wiederholt »Södolf« genannt hat und Sie ihn daraufhin anzeigten, muss dieser Ihnen nun 12 000 Euro wegen Beleidigung zahlen. Genau genommen muss er den Betrag an den Freistaat Bayern überweisen, was aber wiederum Ihnen zugutekommt. Ebenjener zahlt Ihnen ja die Honorare für freie Fotograf/innen, von denen Sie sich bei öffentlichen Anlässen gern begleiten und ablichten lassen. Im Jahr 2022 sollen sich die Kosten auf stolze 180 000 Euro belaufen haben.

Vorschlag: Wenn es Ihnen gelingt, die Prasserei für Ihr Image komplett durch Klagen gegen AfD-Mitglieder querzufinanzieren, stoßen wir uns weniger an Ihrem lockeren Umgang mit öffentlichen Geldern.

Drückt vorauseilend schon mal beide Augen zu: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Reifeprozess

Musste feststellen, dass ich zum einen langsam vergesslich werde und mir zum anderen Gedanken über die Endlichkeit allen Lebens mache. Vor meiner Abreise in den Urlaub vergaß ich zum Beispiel, dass noch Bananen in meiner Obstschale liegen, und dann dachte ich zwei Wochen darüber nach, wie lange es wohl dauert, bis die Nachbarn wegen des Geruchs und der Fliegen aus meiner Wohnung die Kripo alarmieren.

Loreen Bauer

 Liebesgedicht

Du bist das Ästchen,
ich bin der Stamm.
Du bist der Golo,
ich Thomas Mann.
Du bist Borkum,
ich bin Hawaii.
Du bist die Wolke,
ich bin gleich drei.
Du bist das Würmchen,
ich bin das Watt.
Du bist die Klinke,
ich bin die Stadt.
Du bist das Blättchen,
ich jetzt der Ast.
Sei still und freu dich,
dass du mich hast.

Ella Carina Werner

 Dialog auf Augenhöhe

Zu meinen Aufgaben als Marketingexperte in einem modernen Dienstleistungsunternehmen gehört es unter anderem, unzufriedene Kunden zu beschwichtigen. Vor kurzem beschwerte sich einer von ihnen darüber, dass wir in unseren Texten immer dieselben Bausteine verwenden. Die Mail ließ mich ganz irritiert zurück. Ein Glück, dass wir für genau solche Anfragen gleich fertige Antworten haben.

Andreas Maier

 Guesslighting

Um meine Seelenruhe ist es schlecht bestellt, seit mich ein erschütternder Bericht darüber informierte, dass in Hessen bei Kontrollen 70 Prozent der Gastronomiebetriebe widerlichste Hygienemängel aufweisen (s. Leo Riegel in TITANIC 07/2022). Neben allerhand Schimmel, Schleim und Schmodder herrscht allüberall ein ernsthaftes Schadnagerproblem, die Küchen sind mit Mäusekot nicht nur kontaminiert, sondern praktisch flächendeckend ausgekleidet. Vor lauter Ekel hab ich sofort Herpes bekommen. Nun gehe ich vorhin in meine Küche, und auf der Arbeitsplatte liegen grob geschätzt 30 kleine schwarze Kügelchen. Ich bin sofort komplett ausgerastet! Zehn hysterische Minuten hat es gedauert, bis mir klar wurde, dass der vermeintliche Kot die Samen eines dekorativen Zierlauchs waren, der einen Blumenstrauß krönte, den eine liebe Freundin mir geschenkt hat. Ich hätte ihn einfach nicht noch einmal anschneiden sollen … Hysterie off, Scham on.

Martina Werner

 Lifehack von unbekannt

Ein Mann, der mir im Zug gegenüber saß, griff in seine Tasche und holte einen Apfel heraus. Zu meinem Entsetzen zerriss er ihn mit bloßen Händen sauber in zwei Hälften und aß anschließend beide Hälften auf. Ich war schockiert ob dieser martialischen wie überflüssigen Handlung. Meinen empörten Blick missdeutete der Mann als Interesse und begann, mir die Technik des Apfelzerreißens zu erklären. Ich tat desinteressiert, folgte zu Hause aber seiner Anleitung und zerriss meinen ersten Apfel! Seitdem zerreiße ich fast alles: Kohlrabi, Kokosnüsse, anderer Leute Bluetoothboxen im Park, lästige Straßentauben, schwer zu öffnende Schmuckschatullen. Vielen Dank an den Mann im Zug, dafür, dass er mein Leben von Grund auf verbessert hat.

Clemens Kaltenbrunn

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
03.08.2024 Kassel, Caricatura-Galerie Miriam Wurster: »Schrei mich bitte nicht so an!«
04.08.2024 Frankfurt/M., Museum für Komische Kunst Die Dünen der Dänen – Das Neueste von Hans Traxler
04.08.2024 Frankfurt/M., Museum für Komische Kunst »F. W. Bernstein – Postkarten vom ICH«
09.08.2024 Bremen, Logbuch Miriam Wurster