Glanz und Elend des Kurtchen Sahne. Ein Wochenend-Fortsetzungsroman (105)
Petra schien auf einer Fortsetzung ihres Disputs nicht zu bestehen, und weil er keine Lust hatte, seine Erinnerungen auf ihre Klassifizierbarkeit als gute oder schlechte zu prüfen, dachte er sich in eine kleine Verachtung hinein, die sich daran entzündete, daß selbst eine Frau ohne Brüste eine bessere Adoleszenz gehabt haben sollte als er: ein Feuerwerk aus Stelldicheinen und Engtanzweltrekorden, dann im Mondschein vom Stufenschwarm defloriert und ein Bündel süßer Erinnerungen für die Ewigkeit. Er dagegen: letzter beim Schwanzvergleich im Landschulheim, zwei Jahre später von Birgit Slomka auf dem Schulfest geohrfeigt. Dann Suff bis zum Abitur und überstürzte Heiraten mit absehbarem Ergebnis. Er hatte sich angewöhnt, das für romantisch zu halten; gerade ging das aber nicht.
Der Lärm schwoll wieder, Mädchen kreischten, die Party schien in vollem Gang, und zu Kurtchens ehrlichem Mitleid gesellte sich Argwohn, das Gefühl, hier amüsiere sich wer auf seine Kosten.
"Wobei", Petra sah ihn von der Seite an. "Ob ich es noch mal bräuchte, das alles, wüßte ich jetzt auch nicht. Vorbei ist halt schon irgendwie vorbei. Ich meine", sie strich sich Haar hinters Ohr und sah wieder geradeaus, wie um die Gültigkeit ihrer Aussage zu unterstreichen, "wollte man im Ernst noch mal Abitur machen? Oder Führerschein? Noch mal Pickel haben und um zwölf zuhause sein müssen? Vom ewigen Liebeskummer mal zu schweigen."
"Sag ich ja", sagte Kurtchen, froh, daß er einverstanden sein durfte. Bis zur nächsten Station schwiegen sie, geradezu traut.
"Stimmt das eigentlich, daß du schon zweimal verheiratet warst?" Jetzt sah sie ihn wieder an, er hatte sie im Augenwinkel, er war ganz starr vor Überraschung; entspannte sich aber, als ihm einfiel, daß das irgendwann sowieso zur Sprache kommen mußte, und warum auch nicht, gab es ihm doch das Air eines Mannes, der das Leben kannte, und verdammt noch mal, er kannte es. Er wandte den Kopf, schmunzelte.
"Gut, was?" Eine vergleichsweise schwache Antwort, gemessen am Ausmaß seiner Lebenserfahrung; aber geschieden zu sein, und sei es doppelt, war nun mal keine Leistung an sich. Immerhin hatte er die Ehen überstanden, vielleicht zählte das.
"Du bist doch noch nicht mal vierzig, oder?"
"Früh gefreit, extrem bereut", erklärte Kurtchen munter. Das war sicheres Terrain und verschaffte ein wenig Abstand, war als Gegenstand aber intim genug, um die Spannung zu halten. "Na ja, so früh war's gar nicht. Es hielt immer nicht lange. Ich weiß auch gar nicht mehr genau, warum ich geheiratet habe."
"Die große Liebe." Petra ließ das Fragezeichen hörbar weg, es wäre auch zu sinnlos gewesen. (wird fortgesetzt)