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Glanz und Elend des Kurtchen Sahne. Ein Wochenend-Fortsetzungsroman (62)

(Was bisher geschah)

Behende griff Kurtchen nach dem Katalog, den er seit dreißig Jahren so streng und eng am Mann mit sich führte wie, vor hundert Jahren, deutsche Welt­kriegssoldaten Rilkes "Cornet" und der, längst dick und schwer wie ein randvoll gehefteter Leitzordner, überquoll von Filmschauspielerinnen, Ex-Kommilitoninnen, Freundinnen, Ex-Freundinnen, Freundinnen von Freun­dinnen und Freundinnen von Ex-Freundinnen und Ex-Freundinnen von Ex-Freundinnen, Straßenbahnbekanntschaften, Nachbarinnen, Sprechstunden­hilfen, Friseusen und Unterwäschemodels, in wechselnden Rollen als Kran­kenschwestern, Fahrlehrerinnen, GEZ-Beauftragte oder Parkplatzluder, und nicht ohne Wehmut erinnerte sich Kurtchen an Zeiten, als dieser Katalog seiner, Kurtchens, frisch erwachten Sammelleidenschaft noch offengestan­den hatte wie ein Scheunentor dem Erntewagen, als er, der heute seine Zeit mit achtelgaren Romanplänen vertat und für jede vage Idee eine Woche brauchte, in unablässigen, problemlos abrufbaren Phantasiexplosionen Geschichten im Dutzend bil­liger (und wirklich: billiger) erfand, wie ein Autor von Heftchenromanen die immergleichen Arrangements mit wechselnden Figuren besetzend, dabei, versteht sich, viel Standard (der allerdings immer ausreichte) hervorbring­end, aber auch echte Klasse- und Sahnegeschichten von überraschendem Zu­schnitt, die er über Wochen und Monate ausschmückte, variierte, über Kreuz und retour erzählte, und am Ende gab es niemanden, der nicht zufrieden und erleichtert die Bühne verließ.

Das stimmte freilich nicht, wie Kurtchen wohl wußte, denn der Vorhang fiel, und das Theater war leer, und Kurtchen erinnerte sich, wie er neulich im dummen Magazin der Süddeutschen Zeitung ein Interview mit dem Schrift­steller Domingo gelesen hatte, der gesagt hatte, Männer seien viel är­mer dran als Frauen, weil sie, die Männer, dieses Abfuhrproblem hätten, das hät­ten Frauen nicht, und da sollten sie, die Frauen, mal schön froh drüber sein.

Und das stimmte wohl.

Kurtchen hielt den Katalog in der Hand, ohne ihn zu öffnen; seine Lust dar­an schwand in dem Maße, wie er sich klarmachte, daß ihm dazu nichts mehr einfiel, und es war ein bißchen wie mit den Büchern des Schriftstellers Do­mingo, den er äußerst schätzte, ja: verehrte und der, seit gleichfalls dreißig Jahren, seine Geschichten aus den immergleichen Bausteinen solange hin- und her- und immer wieder umarrangiert hatte, daß es nicht mehr zu verheh­len war, daß die Geschichte doch immer dieselbe blieb. Das war, einerseits, vollkommen plausibel, denn es war nun mal immer dieselbe Geschichte, war es immer; andererseits war das eben das Problem, und Kurtchen reichte es, in seinen eigenen Redundanzen gefangen zu sein.

Gottseidank rief Gernolf an. (wird fortgesetzt)

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Glanz und Elend des Kurtchen Sahne. Ein Wochenend-Fortsetzungsroman (61)

(Was bisher geschah)

Schließlich, so hatte Kurtchen fix erkannt, ging es ja nicht an, Fred um ge­wissermaßen Erlaubnis zu fragen, ob eine Teilnahme seines, Kurtchens, bes­ten Freundes Gernolf erwünscht sei oder nicht, das hatte Fred, dachte Kurt­chen, doch auch gar nicht zu entscheiden; wie aber andererseits er, Kurt­chen, auch keine Lust hatte, in quasi provokatorischer Absicht in die Balan­ce des Nachmittags einzugreifen. Nichts gegen einen unterhaltsamen Streit, noch weniger gegen eine lautstarke, durch genügend große Alkoholtranchen befeuerte Auseinandersetzung coram publico, je schwach­sinniger, um so besser, und er erinnerte sich nur zu gerne an den Streit zwi­schen seinem Schweizer Kumpel Rudolf und Herrn Primero um die approxi­mative Anzahl Wochen bzw. Menge "Konstanzer Feuerwehrautos" (Prime­ro), die der Führer benötigt hätte, um „nach Interlaken durchzurauschen“ (Primero); aber derlei sollte man nicht planen, um so weniger, als Kurtchen es nicht litt, wenn zwischen Freunden echter Knies herrschte. Es war wie in Kästners Kindheit, wenn der nachmalige Asphaltdichter die Konkurrenz zwischen seinen Eltern auszuhalten hatte und an Weihnachten Tode starb, wenn es galt, die Liebe gleichmäßig zu verteilen und die Gaben gleichmäßig zu würdigen; und zwar war Gernolf Kurtchens bester, Fred vielleicht bloß Kurtchens viertbester Begleiter, aber Freundschaften konnte man ja schlecht in ein Ranking-Raster pressen (konnte man wahrscheinlich schon, nur Kurt­chen konnte nicht), und bedingungslose Solidarität war ohnehin Unsinn, So­lidarität verteilte sich nach Aktenlage. Und wer im Streit zwischen Gernolf und Fred nun recht, wer hier wessen Frau gefickt oder eben nicht gefickt hatte, war ja nicht einmal klar.

In der Zwischenzeit hatte Fred noch irgendwas erzählt, Kurtchen hatte nur in dem Maße zugehört, das nötig ist, um die "Hm-hmms" und "Verstehe" nicht an allzu sinnlosen Stellen zu plazieren, und schließlich legte Fred mit einer Wendung, von der Kurtchen sich fast sicher war, daß es sich um "Tschö mit ö" handelte, auf. Tschö mit ö. Freds Glück, daß Kurtchen Rankings haßte. Kurtchen legte seinerseits den Hörer weg und fand sich, noch vor dem ersten Kaffee und nicht einmal geduscht, in einer dieser Zwickmühlen, von denen er manchmal dachte, sie zermahlten sein ganzes Leben; oder wenigstens das halbe. Gernolf anrufen? Unbedingt, er war sein bester Freund. Gernolf nicht anrufen? Auch nicht schlecht, dann sparte Kurtchen sich unter Umständen ein Kästnersches Weihnachten, mindestens aber den Unmut Freds, den Mann, von dem er, Fred, zu glauben schien, er, der Mann, ficke seine, Freds, Frau, am selben Biertisch sitzen zu haben. Was hatte er, Kurtchen, eigentlich immer mit diesem Quatsch zu tun? Nichts und alles; vielleicht sollte er erst einmal onanieren, das half ja manchmal weiter. (wird fortgesetzt)

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Glanz und Elend des Kurtchen Sahne. Ein Wochenend-Fortsetzungsroman (60)

(Was bisher geschah)

Und also beschloß Kurtchen mitzukommen.

Fred hatte ihm diesen Entschluß erleichtert, indem er durchblicken ließ, daß es sich bei der so forsch "Ausflug" betitelten Unternehmung eher um aus­wärtiges Trinken bei Tageslicht handele, man wolle wohl bloß in ein Bierlo­kal in der Vorstadt, "weißt du doch, waren wir schon mal, als der Dings, na, der Primero seine Wiederaufnahme in die Anwaltskammer gefeiert hat, und die Gundula war mit ihrem Kommissar dabei, und der Primero, weil er halt natürlich auch schon wieder voll war, hat so getan, als käme er vom Bauern­hof, und hat dauernd erzählt, wie er als Kind immer die Bullen in den Arsch getreten hat, und immer am Schreien, 'die scheiß Bullen! die scheiß Bullen!', und der Kommissar hieß ja auch noch Ochs, und da hat der Primero gebrüllt: 'Ochsen, na klar, das sind halt Bullen ohne Eier!' Bullen ohne Eier! Den gan­zen Abend!"

Kurtchen, während Fred erinnerungssatt lachte, erinnerte sich freilich und lachte leise mit, obwohl er den Primero mitunter zu laut fand; andererseits war der Anwalt (wenn er es denn grad mal wieder war, Kurtchen war da nie ganz im Bilde) ein verläßlicher Garant für glänzende Ausschreitungen, und also fragte Kurtchen nicht, ob der Primero denn dabei sei, es war in beiden Fällen gut und akzeptabel.

Kurtchen, der in der Küche die Uhrzeit abgefragt hatte, überlegte, wie denn ein Kind einem Bullen in den Arsch treten könnte, umgekehrt wurde da ja wohl eher ein Schuh draus (und er mußte daran denken, wie er als Kind zu Besuch auf dem Bauernhof mal von einem Pony gejagt worden war, ohne daß er zuvor versucht hatte, dem Pony in den Arsch zu treten, der Gedanken war ihm, dem friedlichen Kind, gar nicht gekommen), bis er sich erinnerte, daß sich Primero das ja bloß ausgedacht hatte, und erkundigte sich gleich bei Fred nach den Modalitäten des avisierten Treffens; und war weniger über­rascht denn erleichtert, daß mit "Ausflug" tatsächlich bloß Saufen gemeint war, denn Pläne für eine gemeinsame Anfahrt gab es nicht, was sich aber auch nicht lohnte, es ging ja bloß um eine halbe Stunde S-Bahn oder Regio­nalzug oder was immer. "Wir sitzen da ab zwo", sagte Fred, ohne das wir zu präzisieren, "kommst halt dazu, aber es wird ja dann doch irgendwann kühl, und wir wollen ja draußen sitzen." Der letzte warme Tag, erinnerte sich Kurtchen. Einen Ausflug machen. Er hatte nichts gegens Trinken, schon gar nicht unter freiem Himmel, aber eben erschien es ihm, der eben noch froh gewesen war, nicht mit einer Gruppe unklarer Zusammensetzung durch die Pampa stiefeln zu müssen, als habe er irgend­wann einmal, früher, als es noch was zu gewinnen gab, unter einem Ausflug am letzten Sommertag et­was grundsätzlich anderes verstanden. Und sofort war ihm, als müßte er sich betrinken. Das war die Dialektik.

"Ist gut", sagte Kurtchen und wollte schon die Frage anschließen, ob er Ger­nolf noch anrufen solle, ließ es aber bleiben. (wird fortgesetzt)

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Glanz und Elend des Kurtchen Sahne. Ein Wochenend-Fortsetzungsroman (59)

Kurtchen hätte am liebsten zurückgefragt, ob er das gleich wissen müsse, und automatisch drehte er das linke Handgelenk in den Blick, sah, daß er ja längst noch keine Uhr trug – die Uhr beim Schlafen nicht ablegen, das taten bloß behaarte Männer im Fernsehen, er hatte das als Kind, im Be­sitz einer frischgeschenkten Uhr, einmal probiert, es ging überhaupt nicht –, und blies erschöpft die Backen auf.

„Ich hab dich hoffentlich nicht geweckt“, sagte Fred, ohne im mindesten so zu klingen, als hoffe er das wirklich.

„Aber wo“, machte Kurtchen unbestimmt, suchte nach seiner Uhr und hätte am liebsten aufgelegt. Komplikationen, es hörte nicht auf.

„Wer kommt denn alles“, fragte er und ließ das Fragezeichen weg, so seine grundsätzliche Indifferenz, seinen basalen Ennui auszudrücken wie die Mög­lichkeit unterstreichend, auf diesen sogenannten Ausflug gar nicht angewiesen zu sein und ihn gegen die vielfältigen anderen Samstagsbeschäf­tigungen ei­nes alleinstehenden Mannes in den besten Jahren (nichts, dann Sportschau) jedenfalls erst einmal antreten lassen zu müssen.

„Wer kommt denn alles“, wiederholte Fred und klang, fand Kurtchen, ein bißchen so, als koste es ihn Mühe, ihn, Kurtchen, nicht nachzuäffen. Was sich die Leute am frühen Morgen schon alles rausnahmen. „Weiß gar nicht so genau. Irgendwie-Heiner hat mich angerufen, der sitzt wohl mit dieser Petra schon beim Frühstück“ – Kurtchens Eingeweide spazierten ein bißchen Richtung Knie und drehten dann wieder um – „da hatten sie die Idee, und er hat gesagt, ich soll dich anrufen, ich hab schon zugesagt, warum auch nicht.“

Kurtchen fielen sofort tausend Gründe ein, und die meisten hatten damit zu tun, daß er keine Lust hatte, weitreichende Entscheidungen vor dem Früh­stück zu treffen; und die anderen mit Petra. Er wollte über diese Sache erst nachdenken, und er war dankbar, daß Petra mit Irgendwie-Heiner frühstück­te, warum auch immer, und nicht mit ihm, Kurtchen; er verzichtete nur un­gern auf die Möglichkeit, sich die Möglichkei­ten, die sich aus dem gestrigen Abend ergaben, eine Weile aufs Fensterbrett zu stellen. Anderer­seits, dachte er weiter, während er, den Hörer am Ohr, in die Küche stiefelte, um auf die Uhr zu sehen, und dabei in Abständen vor sich hin summte, um Fred das Ge­fühl zu geben, über seinen, Freds, Vorschlag werde nach­drücklich nachge­dacht, konnte ihm doch eigentlich nichts Besseres passieren und böte ein in Gemeinschaft verbrachter Spaßnachmittag beste Gelegen­heit, zwar ein biß­chen auf Abstand zu halten, aber doch aus der Nähe. Auch wenn er Irgend­wie-Heiner nicht gut ertrug. (wird fortgesetzt)

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Glanz und Elend des Kurtchen Sahne. Ein Wochenend-Fortsetzungsroman (58)

(Was bisher geschah)

Kurtchen legte den Dreck zurück, kratze sich in Bauchhöhe seinen aufgrund mangelnden Nuß- und Bananenverzehrs bloß mäßig attraktiven Body und kramte das lokale Anzeigenkäseblatt hervor, auf der Suche nach kalmierendem Unrat, und siehe, aus einer Selbstanzeige, die eine Lücke im Inserateteppich füllte, fiel er schon heraus:

"Werbung macht Sinn(e)!"

Bravo. Bzw. kam das an den Sinnlos-Evergreen "Döner is(s)t lecker" schon ziemlich nah heran; tröstlich doch, daß derlei nie starb. Die Nachbarschafts-Dönerbude warb neuerdings mit dem Aushang "Original Dönerfleisch", was immer das nun wieder bedeuten mochte; es sauste quasi sphärisch alles. Und was war das im Westfälischen noch gleich gewesen, als Slogan eines Türenfachmarkts, von ihm, Kurtchen, durch das Fenster einer Regionalbahn aufgeschnappt:

"Gesichter einer Tür" – ?

Nein, er hätte Provinzwerbefachmann werden sollen. Konnte er natürlich immer noch.

Kurtchen, kaum hatte er sich an einem ungelenken und insgesamt recht fehlerhaften Bericht über die Aktivitäten der örtlichen Glasreinigerinnung festgelesen, hörte, wie schon wieder das Telefon ging, ihm die Brüchigkeit seines Exils vor Ohren zu führen; und er sagte, weil Erkenntnis ausgesprochen zu werden wünscht, "Scheiße" und beendete, auch wenn er den Anrufbeantworter nicht einholen würde, seine Sitzung und nahm's als Zeichen, daß es kein Ausweichen gab und daß er es mit seinen ewigen Ausweichversuchen, mit diesem habituellen Schlingern nicht besser machte, schon eher im Gegenteil.

Tatsächlich lief der Anrufbeantworter schon, aber wie zur Bekräftigung eines Entschlusses, der sich gleichwie von selbst getroffen hatte, unterbrach Kurtchen, mit offenem Gürtel, die dämliche Ansage auf Höhe des "Crême fraiche" und sagte "Ja bitte", wie er es immer tat, weil er aus Gründen, die er hoffentlich vergessen hatte, auf die landestypische Sitte, beim Abheben des Hörers den Namen zu nennen, verzichtete. Fakt war: Zu mehr Rebellion hatte es nie gelangt. Wenn nicht Klempnern schon eine war. Wenigstens für ein Akademikerkind. Gas, Wasser, Scheiße. Scheiße.

"... um zwei oder wann los, wir nehmen die Bahn, vielleicht ist heute der letzte warme Tag. Bock?"

Kurtchen merkte, daß er den Anfang des Satzes vor lauter Bewußtseinsstromerei gar nicht mitgekriegt hatte, und erst das ironische Zittern, das dem juvenilen Bock beigegeben war, weil Fred halt auch schon auf die fünfzig ging, katapultierte ihn schlagartig in die Wirklichkeit zurück. Kurtchen überlegte, wo er sein Notizbuch hatte. Wenn seine Autobiographie, was zu befürchten stand, zu langweilig wurde, konnte er immer noch ein Buch schreiben, das aus verkommenen, trotzdem im Umlauf befindlichen Sätzen bestand. (wird fortgesetzt)

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Glanz und Elend des Kurtchen Sahne. Ein Wochenend-Fortsetzungsroman (57)

(Was bisher geschah)

"Suppayya Paramu Thamilselva heiß isch."

"Okay", machte der Sportfreund.

"Suppaya, wie Suppe, aber ohne e."

"Okay."

"Dann a."

"Okay."

"Dann zweimaa y."

"Okay."

"Dann nochemaaa a."

"Okay."

"Suppaya."

"Okay."

Usw., den ganzen langen Namen lang, und nie zuvor war Kurtchen die paradoxe Funktion des populären Okay als semantisch hochbrisante, der kopflosen Wurschtigkeit der Zeit perfekt angemessene Mischung aus interessant und scheißegal so eindrücklich vorgeführt worden:

"Dann groß P."

"Okay."

"Dann ara, wie der Papagei."

"Okay."

"Dann mu. Wie Muschi!"

"Okay!"

Und drittens verteilte der Laden ein Kundenmagazin, das Kurtchen, der seine dreieinhalb Semester Soziologie in der Hauptsache mit den üblichen Frankfurter Verdächtigen zugebracht hatte, ebenso erheiterte wie freilich deprimierte: "Mitglieder-Ansichten: Ingelore Brust (48). Die Pressesachbearbeiterin und Buchautorin trainiert seit 2007 im Bayreuther Fitnessclub. Ihr Trainingstip: Konzentriert trainieren und dabei jede einzelne Bewegung bewußt genießen." Es war zum Lachen, und es war entsetzlich, und Kurtchen fand, daß alles, was man gegen die Welt, in der ja auch er weste, einwenden konnte, in diesem Abgrund von einem Satz konzentriert war. "Ihr Ernährungstip: Bananen und Nüsse – weil Vitaminbomben und der ideale Snack ohne Reue. Ihre Herausforderungen: Mit einem schönen Body stets attraktiv und sexy zu bleiben." Wie kaputt die Menschen waren, und sie schienen damit sehr einverstanden. (wird fortgesetzt)

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Glanz und Elend des Kurtchen Sahne. Ein Wochenend-Fortsetzungsroman (56)

(Was bisher geschah)

Wenn Kurtchen hockte und verrichtete, war er in Sicherheit. Auf dem Klo zu sitzen war so ähnlich wie krankgeschrieben sein: eine unhintergehbare Abwesenheitsnotiz, eine Entschuldigung vor der Welt, an der teilzunehmen für heilige fünf Minuten nicht möglich war. Überdies empfand Kurtchen wenige Dinge als so tröstlich wie die Tatsache, daß er, bei allen Idiosynkrasien und Allergien und ermüdenden Wägereien, auf der sozusagen maschinellen Ebene so reibungslos funktionierte, daß es da kein Vertun und überdies so gut wie gar nichts gab, das, neben interessanterweise recht wechselhaften olfaktorischen Erlebnissen, derart verläßlich Wohlbefinden produzierte, Reinheit gar, als lasse er nicht nur das hinter sich, was da in ihm umgeschlagen worden war, sondern gewis­sermaßen alles irgendwie Belastende, Gestrige, Verstopfende. Kurtchen erinnerte sich an ferne Wochenendvormittage, an denen er, frisch erwacht, nach dem ersten morgendlichen Groß und Klein ins Bett zurückkroch und das dritte Reservoir im Unterbauch auch noch leerte, weniger aus Gründen der gerade morgens so quälend waltenden Sexualität, als um sich, dabei meist noch mal einschlafend, an der stofflichen Leere zu berauschen, die ihn hernach ausfüllte wie Gas den Ballon. Kurtchen hatte es, früher einmal, mit autogenem Training versucht, seine habituelle Nervosität und unentwegt irritierende Lebensdistanz per konzentrierter In- und Exhalation zu dämpfen; aber niemals hatte er dabei ein auch nur annähernd so gelöstes Gefühl verspürt wie nach den gleichwie rituellen Großen Leerungen. Aber bevor er einen einschlägigen Ratgeber hätte verfassen können ("Emptify Your Life: Die Leeren des Kurtchen Sahne") hatte er die Angewohnheit wieder aufgegeben, grundlos, so wie er auch nicht mehr mit Stiften in den Ohren bohrte, obwohl das wirklich nicht schlecht, ja sogar ziemlich super gewesen war.

Kaum daß er saß, griff Kurtchen in den Zeitungsstapel neben der Schüssel und zog das Kundenmagazin seines Fitneßclubs hervor, den er wegen eines alten Rückenleidens aufzusuchen gezwungen war und der allerdings ein paar echte Vorzüge bot. Erstens verfügte er über ein Dampfbad, in das sich Kurtchen nach getaner Gerätearbeit verzog, um sich hernach genauso gereinigt vorzukommen wie zu alten Sonntagszeiten; zweitens kam es in der Männerumkleide immer wieder zu entzückenden Zwischenfällen wie dem, als der srilankesische, längst aber sehr einheimische Möbelhausangestellte, der Kurtchen im Ruheraum mal aus nicht weiter ausgeführten Gründen um Nachhilfe in Sachen Shakespeare angegangen war (denn er, der srilankesische Möbelhausangestellte, lese "ja praktisch überhaupt net, warum auch"), einem anderen Sportfreund seinen Namen mitzuteilen sich bemühte. (wird fortgesetzt)

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Bssssssssssssss, Bienen!

Bssssssssssssss, Bienen!

In den USA ist gerade ein Impfstoff für Euch freigegeben worden, nämlich gegen die Amerikanische Faulbrut, die Euch seit einer Weile dahinrafft. Nun wollten wir schon höhnen: »Haha, jetzt wird zurückgestochen! Da merkt Ihr mal, wie unangenehm das ist«, doch dann lasen wir die entsprechende Meldung genauer und erfuhren, dass das Vakzin gar nicht injiziert, sondern dem Gelée Royale für Eure Königinnen beigemengt wird. Erschreckend, wie sich wieder einmal die Impfgegner/innenlobby durchgesetzt hat!

Zeichnet somit erst mal keine Beeontech-Aktien: Titanic

 Nice one, Ted Cruz!

Sie sind US-Senator und mittlerweile auch hierzulande als rechter Hardliner und Schwurbelkopf der Republikaner halbwegs bekannt. Derzeit setzen Sie sich für die Begrenzung auf zwei Amtszeiten für Senator/innen ein. Und wollen gleichzeitig für eine eigene dritte kandidieren.

Diesen Ansatz finden wir sehr vielversprechend, um die Anliegen Ihrer Partei durchzubringen. Sie sollten ihn unbedingt auch auf andere Themen anwenden! Unsere Vorschläge: Waffenniederlegungen gegen schärfere Waffengesetze, Abtreibungskliniken gegen Abtreibungen und offene Grenzen gegen Einwanderung.

Für weitere Tipps stehen jederzeit zur Verfügung:

Ihre Snowflakes von Titanic

 Hallo, Literaturkritik!

Was ist los mit Dir? Alt geworden? Müde? Wir waren doch so gut aufeinander eingespielt: Du liest ein neues Werk von Raphaela Edelbauer (»Das flüssige Land«, 2019 / »Dave«, 2021), gerätst aus dem Häuschen, schreibst irgendwas wie »sprachlich souverän« und »Raffinesse« und »Kafka« und »enorme Sprachmächtigkeit« und abermals »Kafka«, und wir schauen uns das schwergelobte Werk etwas genauer an und finden lauter wundersame Stellen, die Du wahrscheinlich überlesen hast: »Der ganze Raum zitterte glückselig vor Neid wie ein trotziger Block Aspik« zum Beispiel. Oder: »Selbst wenn jemand bloß geschäftig und zielgerichtet den Gang hinunterging, war sein Streben vom Habitus eines Handgemenges«. Oder: »Da richtete sich Pawel jäh auf, und die Lider waren wie von transparenten Seilen an der Stirn aufgerafft.«

So weit, so gewohnt. Aber jetzt? Erscheint »Die Inkommensurablen«, Edelbauers dritter Roman in knapp dreieinhalb Jahren – und Du, Literaturkritik, versagst plötzlich. Mäkelst rum! Erstmalig! Hältst das zwar alles weiterhin für »glänzend« und »klaren Stil«, meinst aber, dass sich »da und dort kleine Fehler eingeschlichen« hätten; findest das Buch stur »faszinierend«, aber auch »faszinierend misslungen«; attestierst auf einmal »Manierismus«, ja stellst (mit dem Spiegel) die ganz großen bangen Fragen: »Mist oder Musil?«

Heißt das, dass Dir allmählich was schwant? Dass Du Lunte gerochen hast? Verdacht schöpfst? Dass Dir an Sätzen wie »Dessen Reaktion produzierte eine ungeheure Diskrepanz« oder »Junge Charmeure in Militäruniform liefen ein paar Mädchen nach, die sich beim Kaufen einer Brezel aus der Auslage eines groben Böhmen kokett umdrehten« irgendwas auf-, irgendwas missfällt – Du weißt nur noch nicht, was genau?

Und also R. Edelbauer bloß noch sieben oder acht Romane schreiben muss, bist Du in zehn oder elf Jahren auf dem Laufenden bist, was die Sprachmächtigkeit dieser Art von Literatur betrifft?

Na dann – durchhalten!

Wünscht Titanic

 Gute Idee, Porsche-Vorständin Barbara Frenkel …

Sie haben Ihre Erwartung zum Ausdruck gebracht, dass die Regierung das (zufälligerweise auch von Porsche produzierte) synthetische Benzin, also E-fuels, subventionieren und somit billiger machen müsse. Denn: »Der Kraftstoff, den wir herstellen, ist viel zu teuer, als dass wir ihn so verwenden könnten.«

Dieser Superidee schließen wir uns gerne an: Wir tippen jetzt jedes Heft auf unseren eigens entwickelten »E-tools« (Kryptotinte), aber weil das doch aufwendiger ist als die Arbeit am PC, fordern wir dann gemeinsam mit Porsche Geld vom Staat, um die Heftkosten zu drücken, ja? Nein? Dann sehen Sie bitte endlich ein, dass Sie sich mit Ihrer ineffizienten Deppentechnologie auf dem Markt nicht durchsetzen werden, und sagen Sie Ihren peinlichen Brummbrumms Lebewohl.

Wünscht Ihnen keine gute Fahrt: Titanic

 Ach, »Welt«,

wohl mangels Materials bewarbst Du online einen sieben Jahre alten Artikel aus dem Archiv, und zwar mit den Worten: »Wenn ihr diese Wörter benutzt, wirkt ihr intelligenter.« Dazu ein wahlloses Foto einer jungen Frau.

Nun wollen wir Dich nicht enttäuschen, müssen aber doch auf einen wichtigen Umstand hinweisen, der Dir anscheinend entgangen ist. Man muss nämlich nicht nur bestimmte Wörter benutzen, um intelligent zu erscheinen, sondern diese auch noch in eine komplizierte Reihenfolge bringen, die oft ganz entscheidend ist.

Dumm für oft Welt hält Journalist/innen: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Marktregeln

Leuten, denen es in der Supermarktschlange nicht schnell genug geht und die deshalb eine unschuldige Mitarbeiterin ankeifen, fehlt das nötige Kassenbewusstsein.

Viola Müter

 Post vom Mediator

Beigelegt: ein Streit.

Andreas Maier

 Beim mittelmäßigen Zahnarzt

»Bitte weit aufmachen! Nicht erschrecken, meine Mundhöhlentaschenlampe ist mir vorhin ins Klo gefallen, ich muss eine Wunderkerze benutzen.«

Torsten Gaitzsch

 It’s not a Bug

Als Gregor Samsa, Programmierer, eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett erfreulicherweise zu einem ungeheueren Feature verwandelt.

Christian Kroll

 Medienkritik

Ich kann diese Parfum-Influencer auf Youtube einfach nicht riechen.

Fabian Lichter

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

  • 24.02.:

    Die Deutsche Welle über das Krieg-Spezial im aktuellen Heft und andere themenverwandte Titel (Artikel in russisch, aut. Übersetzung).

  • 10.02.:

    Spiegel berichtet: "EU-Untersuchung Russland soll Fake-'Titanic'-Titelseiten verbreitet haben"

  • 10.01.: "Der Teufel vom Dachboden" – Eine persönliche Pardon-Geschichte in der Jungen Welt von Christian Y. Schmidt.
  • 13.12.:

    Anlässlich des 85. Geburtstages Robert Gernhardts erinnert Christian Y. Schmidt in der Jungen Welt an den Satiriker und Vermieter.

  • 26.10.:

    Chefredakteurin Julia Mateus spricht über ihren neuen Posten im Deutschlandfunk, definiert für die Berliner-Zeitung ein letztes Mal den Satirebegriff und gibt Auskunft über ihre Ziele bei WDR5 (Audio). 

Wenzel Storch: "Die Filme" (gebundene Ausgabe)
Renommierte Filmkritiker beschreiben ihn als "Terry Gilliam auf Speed", als "Buñuel ohne Stützräder": Der Extremfilmer Wenzel Storch macht extrem irre Streifen mit extrem kleinen Budget, die er in extrem kurzer Zeit abdreht – sein letzter Film wurde in nur zwölf Jahren sendefähig. Storchs abendfüllende Blockbuster "Der Glanz dieser Tage", "Sommer der Liebe" und "Die Reise ins Glück" können beim unvorbereiteten Publikum Persönlichkeitstörungen, Kopfschmerz und spontane Erleuchtung hervorrufen. In diesem liebevoll gestalteten Prachtband wird das cineastische Gesamtwerk von "Deutschlands bestem Regisseur" (TITANIC) in unzähligen Interviews, Fotos und Textschnipseln aufbereitet.
Zweijahres-Abo: 117,80 EURSonneborn/Gsella/Schmitt:  "Titanic BoyGroup Greatest Hits"
20 Jahre Krawall für Deutschland
Sie bringen zusammen gut 150 Jahre auf die Waage und seit zwanzig Jahren die Bühnen der Republik zum Beben: Thomas Gsella, Oliver Maria Schmitt und Martin Sonneborn sind die TITANIC BoyGroup. In diesem Jubiläumswälzer können Sie die Höhepunkte aus dem Schaffen der umtriebigen Ex-Chefredakteure noch einmal nachlesen. Die schonungslosesten Aktionsberichte, die mitgeschnittensten Terrortelefonate, die nachdenklichsten Gedichte und die intimsten Einblicke in den SMS-Speicher der drei Satire-Zombies – das und mehr auf 333 Seiten (z.T. in Großschrift)!
Titanic unterwegs
21.03.2023 Koblenz, Ganz Ohr Max Goldt
23.03.2023 Köln, Comedia Max Goldt
23.03.2023 Neuruppin, Kulturhaus Martin Sonneborn mit Gregor Gysi
25.03.2023 Meinerzhagen, Stadthalle Martin Sonneborn