Glanz und Elend des Kurtchen Sahne. Ein Wochenend-Fortsetzungsroman (56)
Wenn Kurtchen hockte und verrichtete, war er in Sicherheit. Auf dem Klo zu sitzen war so ähnlich wie krankgeschrieben sein: eine unhintergehbare Abwesenheitsnotiz, eine Entschuldigung vor der Welt, an der teilzunehmen für heilige fünf Minuten nicht möglich war. Überdies empfand Kurtchen wenige Dinge als so tröstlich wie die Tatsache, daß er, bei allen Idiosynkrasien und Allergien und ermüdenden Wägereien, auf der sozusagen maschinellen Ebene so reibungslos funktionierte, daß es da kein Vertun und überdies so gut wie gar nichts gab, das, neben interessanterweise recht wechselhaften olfaktorischen Erlebnissen, derart verläßlich Wohlbefinden produzierte, Reinheit gar, als lasse er nicht nur das hinter sich, was da in ihm umgeschlagen worden war, sondern gewissermaßen alles irgendwie Belastende, Gestrige, Verstopfende. Kurtchen erinnerte sich an ferne Wochenendvormittage, an denen er, frisch erwacht, nach dem ersten morgendlichen Groß und Klein ins Bett zurückkroch und das dritte Reservoir im Unterbauch auch noch leerte, weniger aus Gründen der gerade morgens so quälend waltenden Sexualität, als um sich, dabei meist noch mal einschlafend, an der stofflichen Leere zu berauschen, die ihn hernach ausfüllte wie Gas den Ballon. Kurtchen hatte es, früher einmal, mit autogenem Training versucht, seine habituelle Nervosität und unentwegt irritierende Lebensdistanz per konzentrierter In- und Exhalation zu dämpfen; aber niemals hatte er dabei ein auch nur annähernd so gelöstes Gefühl verspürt wie nach den gleichwie rituellen Großen Leerungen. Aber bevor er einen einschlägigen Ratgeber hätte verfassen können ("Emptify Your Life: Die Leeren des Kurtchen Sahne") hatte er die Angewohnheit wieder aufgegeben, grundlos, so wie er auch nicht mehr mit Stiften in den Ohren bohrte, obwohl das wirklich nicht schlecht, ja sogar ziemlich super gewesen war.
Kaum daß er saß, griff Kurtchen in den Zeitungsstapel neben der Schüssel und zog das Kundenmagazin seines Fitneßclubs hervor, den er wegen eines alten Rückenleidens aufzusuchen gezwungen war und der allerdings ein paar echte Vorzüge bot. Erstens verfügte er über ein Dampfbad, in das sich Kurtchen nach getaner Gerätearbeit verzog, um sich hernach genauso gereinigt vorzukommen wie zu alten Sonntagszeiten; zweitens kam es in der Männerumkleide immer wieder zu entzückenden Zwischenfällen wie dem, als der srilankesische, längst aber sehr einheimische Möbelhausangestellte, der Kurtchen im Ruheraum mal aus nicht weiter ausgeführten Gründen um Nachhilfe in Sachen Shakespeare angegangen war (denn er, der srilankesische Möbelhausangestellte, lese "ja praktisch überhaupt net, warum auch"), einem anderen Sportfreund seinen Namen mitzuteilen sich bemühte. (wird fortgesetzt)
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