Glanz und Elend des Kurtchen Sahne. Ein Wochenend-Fortsetzungsroman (59)
Kurtchen hätte am liebsten zurückgefragt, ob er das gleich wissen müsse, und automatisch drehte er das linke Handgelenk in den Blick, sah, daß er ja längst noch keine Uhr trug – die Uhr beim Schlafen nicht ablegen, das taten bloß behaarte Männer im Fernsehen, er hatte das als Kind, im Besitz einer frischgeschenkten Uhr, einmal probiert, es ging überhaupt nicht –, und blies erschöpft die Backen auf.
„Ich hab dich hoffentlich nicht geweckt“, sagte Fred, ohne im mindesten so zu klingen, als hoffe er das wirklich.
„Aber wo“, machte Kurtchen unbestimmt, suchte nach seiner Uhr und hätte am liebsten aufgelegt. Komplikationen, es hörte nicht auf.
„Wer kommt denn alles“, fragte er und ließ das Fragezeichen weg, so seine grundsätzliche Indifferenz, seinen basalen Ennui auszudrücken wie die Möglichkeit unterstreichend, auf diesen sogenannten Ausflug gar nicht angewiesen zu sein und ihn gegen die vielfältigen anderen Samstagsbeschäftigungen eines alleinstehenden Mannes in den besten Jahren (nichts, dann Sportschau) jedenfalls erst einmal antreten lassen zu müssen.
„Wer kommt denn alles“, wiederholte Fred und klang, fand Kurtchen, ein bißchen so, als koste es ihn Mühe, ihn, Kurtchen, nicht nachzuäffen. Was sich die Leute am frühen Morgen schon alles rausnahmen. „Weiß gar nicht so genau. Irgendwie-Heiner hat mich angerufen, der sitzt wohl mit dieser Petra schon beim Frühstück“ – Kurtchens Eingeweide spazierten ein bißchen Richtung Knie und drehten dann wieder um – „da hatten sie die Idee, und er hat gesagt, ich soll dich anrufen, ich hab schon zugesagt, warum auch nicht.“
Kurtchen fielen sofort tausend Gründe ein, und die meisten hatten damit zu tun, daß er keine Lust hatte, weitreichende Entscheidungen vor dem Frühstück zu treffen; und die anderen mit Petra. Er wollte über diese Sache erst nachdenken, und er war dankbar, daß Petra mit Irgendwie-Heiner frühstückte, warum auch immer, und nicht mit ihm, Kurtchen; er verzichtete nur ungern auf die Möglichkeit, sich die Möglichkeiten, die sich aus dem gestrigen Abend ergaben, eine Weile aufs Fensterbrett zu stellen. Andererseits, dachte er weiter, während er, den Hörer am Ohr, in die Küche stiefelte, um auf die Uhr zu sehen, und dabei in Abständen vor sich hin summte, um Fred das Gefühl zu geben, über seinen, Freds, Vorschlag werde nachdrücklich nachgedacht, konnte ihm doch eigentlich nichts Besseres passieren und böte ein in Gemeinschaft verbrachter Spaßnachmittag beste Gelegenheit, zwar ein bißchen auf Abstand zu halten, aber doch aus der Nähe. Auch wenn er Irgendwie-Heiner nicht gut ertrug. (wird fortgesetzt)
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