Inhalt der Printausgabe

Die PARTEI informiert


Martin Sonneborn (MdEP)
Bericht aus Brüssel
Folge 25

»Man soll nur von Europa sprechen, denn die deutsche Führung ergibt sich ganz von selbst.«

Außenpolitisches Amt der NSDAP

Brüssel, Büro

Feierstimmung in der EU: Die alljährlichen Reden zum »State of the Union« stehen an. Ich bitte meinen (depressiven) Redenschreiber um ein paar Sätze zur allgemeinen Situation. Dann notiere ich in Gedanken vorsorglich schon mal, was Kommissionspräsidentin vonderLeyen uns vor ihrer Wahl alles versprochen hat: Geostrategische Autonomie, ein Initiativrecht für das EU-Parlament, die transparenteste Kommission aller Zeiten …

Weiter komme ich nicht, Büroleiter Hoffmann meldet sich telefonisch aus Berlin (bei Polen). Vor dem Landesverfassungsgericht wird gerade die Klage der PARTEI auf Wiederholung der Abgeordnetenhauswahl verhandelt. Die Eröffnung der Richter ist überraschend deutlich: Bis weit nach 20 Uhr geöffnete Wahllokale, vielerorts fehlende Wahlzettel, die entweder durch Kopien ersetzt (ungültig) oder aus Nachbarbezirken herangeschafft wurden (ungültig), und Wahlbezirke mit einer Wahlbeteiligung von bis zu 159 Prozent führen zu der Ankündigung, dass sie die Wahl wohl für komplett ungültig erklären werden.

Eine schöne Entscheidung, wenn man bedenkt, welchen Wert Väter & Mütter des Grundgesetzes der Stimmabgabe in unserer Demokratie noch beigemessen hatten. Außerdem eröffnet sie uns ganz neue strategische Möglichkeiten: Ab sofort werden wir alle Wahlen, die wir verlieren, einfach wiederholen lassen. Dass wir die Berliner im kommenden Februar von der Brandenburger Trulla Frau »Dr.« Giffey befreien können, ist ein schöner Nebeneffekt.

→ Sachdienliche Hinweise aus dem Ordner »Ungehaltene Reden III«

Hier ein paar lose Ideen, Chef:

1) Sehr geehrte Generalstabs-, äh: Kommissions-Chefin vonderLeyen, ich hoffe, Sie hatten einen schönen Urlaub im 5-Sterne-Hotel in Südtirol. Lassen Sie mich Ihnen ein kurzes Update darüber geben, was im Sommer so passiert ist: Der russische Öl- und Gaskonzern Gazprom hat gerade 1 Rekordgewinn von 42 Milliarden Euro vermeldet, mehr als im gesamten Jahr 2021. Dazu eine Frage: Welche Sanktionen gegen Russland planen Sie, um Gazprom auch im zweiten Halbjahr einen Rekordgewinn zu sichern? Und könnten Sie die Millionen Armen in Deutschland, den Mittelstand und mich auch mit Sanktionen belegen?

2) Inklusion ist natürlich eine lobenswerte Sache, aber wenn man eine behandlungsbedürftige Irre auf den obersten Posten der Exekutive setzt, dann läuft es insgesamt doch eher auf Exklusion hinaus.

3) Gewähren Sie mir überdies noch eine persönliche Beileidsbekundung: Mit Bestürzung habe ich gelesen, dass Ihr Pony »Dolly« gerissen wurde. Können Sie schon mit Sicherheit sagen, dass es sich beim Täter um einen Wolf handelte – oder war es möglicherweise doch ein armutsbetroffener EU-Bürger, der sich sein Essen nicht mehr leisten konnte?

4) Laut der EU-Verträge dürfen Rüstungsprojekte nicht aus dem Haushalt finanziert werden. Selbstredend werfen wir trotzdem mindestens 3 Milliarden Euro an die Ostfront. Lustigerweise heißt der für kriegerische Zwecke konstruierte Schattenhaushalt »Europäische Friedensfazilität«. George Orwell wäre stolz auf uns.

5.) Sehr geehrte Generalstab-, äh: Kommissionschefin: Europa ist kein Ponyhof.

Straßburg, Plenum

Russland, Ukraine, Russland, Ukraine … – vonderLeyens Rede zur Lage der EU dreht sich fast ausschließlich um den Krieg im Osten. Nach ihren 60 Minuten habe ich 60 Sekunden, um die Situation zumindest etwas zu erden. Vom Rednerpult werfe ich einen Kontrollblick auf das kanariengelbe Jackett der Präsidentin drei Meter rechts von mir. Dann spreche ich sie direkt an:

»Sehr geehrte Frau vonderLeyen, mit Karl Kraus zu sprechen: Mir fällt zum Zustand der EU nichts ein. Um uns von einem Gas-Lieferanten zu lösen, der einen brutalen Angriffskrieg führt – PUTIN –, haben Sie uns einen gesucht, der einen brutalen Angriffskrieg führt: ALIYEV. Auch wenn viele deutsche Medien schweigen – derzeit überfällt die Öldiktatur, die Sie zum ›vertrauenswürdigen Partner‹ erklären, das demokratische Armenien. Respekt für Ihre Wahl, immerhin liegt unser neuer bester Kumpel Aserbaidschan in Sachen Demokratie, Presse und bürgerliche Freiheiten noch weit hinter Russland. Nur bei der Bestechung korrupter CDU-Honks ist Aliyev ganz vorn.

Als Sie Ihren Dienst hier antraten, dachte ich, Sie seien lediglich unfähig und ein bisschen kriminell, inzwischen weiß ich, dass Sie auch beeindruckend moralfrei sind: An den Außengrenzen sterben täglich Flüchtlinge, Fracking-Gas und Atomkraft sind auf einmal nachhaltig, und Sie löschen routiniert Ihre SMS zu den Milliarden-Zahlungen an Pfizer. Mir fällt zur EU nichts mehr ein. Außer: Wir sollten Europa nicht den Leyen überlassen!«

→ Sachdienlicher Hinweis vom Redaktionsnetzwerk Deutschland

Von der Leyen saß während Sonneborns Standpauke nahezu regungslos da und blickte überwiegend auf ihren Tisch.

→ Sachdienliche Hinweise aus dem Netz

Antitroll Hans Müller
Sie haben so was destruktives. Gibt’s da noch was konstruktives, oder wars das?

The Ernest
Danke für die klaren Worte. Ich hätte mindestens 63 Sekunden gebraucht

Straßburg, Büro

Komisch, ein paar Bedenken hatte ich schon gehabt, als ich nachts versuchte, meine Kritik an vonderLeyen auf homöopathische 60 Sekunden zu reduzieren. Und bei den Vorwürfen »kriminell« und »moralfrei« wäre ich auch über eine Reaktion von Parlamentspräsidentin Metaxa oder konservativeren Kollegen nicht erstaunt gewesen. Als ich mir die Rede interessehalber in einigen der anderen 23 Amtssprachen der EU anhöre, wird mir der Grund klar: Die Ausländer im Parlament haben eine leicht reduzierte Rede gehört.

Natürlich ist die simultane Übersetzung extrem schwierig und der letzte Satz für einen Dolmetscher kaum adäquat zu übersetzen – aber für die Worte »kriminell« und »moralfrei« sollte es auch im Englischen Entsprechungen geben. Ebenso hätte der Hinweis »An den Außengrenzen sterben täglich Flüchtlinge« meines Erachtens nicht simultan unverdolmetscht bleiben müssen.

Die Franzosen müssen genau wie Griechen und Tschechen auf den Verweis zur Korruption der CDU-Honks verzichten, ebenso wie auf den Hinweis zur wundersamen Grünwerdung der Atomkraft.

Meine Lieblingsübersetzung liefert der tschechische Dolmetscher:

»Um uns vom Gaslieferanten zu lösen, der … äh ... der einen brutalen (schluckt) Krieg führt, haben wir einen neuen Verbündeten, genauso brutal, Aliyev. (Pausiert kurz, hört zu) Das ist eigentlich Armenien. Auch unser bester Kamerad Aserbaidschan, der ein ausgezeichnetes Beispiel ist für Freiheit und Medien, Demokratie und so weiter.«

 

Achtung, Durchsage:
Neuer »Bericht aus Brüssel« (28 Min; beinhaltet 1 Rede zum »State of da Union«) auf YouTube: www.fckaf.de/h4d

 

 


 

Achtung, Durchsage: Dieser Bericht wurde aus Mitteln des Europäischen Parlamentes finanziert und zeigt möglicherweise ein Zerrbild desselben.

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Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Diese Steilvorlage, Kristina Dunz (»Redaktionsnetzwerk Deutschland«),

wollten Sie nicht liegenlassen. Die Fußballnation hatte sich gerade mit der EM-Viertelfinalniederlage gegen Spanien angefreundet, der verlorene Titel schien durch kollektive Berauschtheit an der eigenen vermeintlich weltoffenen Gastgeberleistung sowie durch die Aussicht auf vier Jahre passiv-aggressives Gemecker über die selbstverständlich indiskutable Schiedsrichterleistung (»Klarer Handelfmeter!«) mehr als wiedergutgemacht, da wussten Sie einen draufzusetzen. Denn wie es Trainer Julian Nagelsmann verstanden habe, »eine sowohl fußballerisch als auch mental starke National-Elf zu bilden«, die »zupackt und verbindet«, hinter der sich »Menschen versammeln« können und der auch »ausländische Fans Respekt zollen«, und zwar »auf Deutsch« – das traf genau die richtige Mischung aus von sich selbst berauschter Pseudobescheidenheit und nationaler Erlösungsfantasie, die eigentlich bei bundespräsidialen Gratulationsreden fällig wird, auf die wir dank des Ausscheidens der Mannschaft aber sonst hätten verzichten müssen.

Versammelt sich lieber vorm Tresen als hinter elf Deppen: Titanic

 Kleiner Tipp, liebe Eltern!

Wenn Eure Kinder mal wieder nicht draußen spielen wollen, zeigt ihnen doch einfach diese Schlagzeile von Spektrum der Wissenschaft: »Immer mehr Lachgas in der Atmosphäre«. Die wird sie sicher aus dem Haus locken.

Gern geschehen!

Eure Titanic

 Augen auf, »dpa«!

»Mehrere der Hausangestellten konnten weder Lesen noch Schreiben« – jaja, mag schon sein. Aber wenn’s die Nachrichtenagenturen auch nicht können?

Kann beides: Titanic

 Du, »MDR«,

gehst mit einer Unterlassungserklärung gegen die sächsische Linke vor, weil die im Wahlkampf gegen die Schließung von Kliniken plakatiert: »In aller Freundschaft: Jede Klinik zählt.« Nun drohen juristische Scharmützel nebst entsprechenden Kosten für beide Seiten. Wie wäre es, wenn die Linke ihr Plakat zurückzieht und im Gegenzug nur eine einzige Klinik schließt? Die Ersparnisse dürften gewaltig sein, wenn die Sachsenklinik erst mal dichtgemacht hat.

Vorschlag zur Güte von Deinen Sparfüchsen von Titanic

 Also echt, Hollywood-Schauspieler Kevin Bacon!

»Wie wäre es eigentlich, wenn mich niemand kennen würde?« Unter diesem Motto verbrachten Sie mit falschen Zähnen, künstlicher Nase und fingerdicken Brillengläsern einen Tag in einem Einkaufszentrum nahe Los Angeles, um Ihre Erfahrungen als Nobody anschließend in der Vanity Fair breitzutreten.

Die Leute hätten sich einfach an Ihnen vorbeigedrängelt, und niemand habe »Ich liebe Dich!« zu Ihnen gesagt. Als Sie dann auch noch in der Schlange stehen mussten, um »einen verdammten Kaffee zu kaufen«, sei Ihnen schlagartig bewusst geworden: »Das ist scheiße. Ich will wieder berühmt sein.«

Das ist doch mal eine Erkenntnis, Bacon! Aber war der Grund für Ihre Aktion am Ende nicht doch ein anderer? Hatten Sie vielleicht einfach nur Angst, in die Mall zu gehen und als vermeintlicher Superstar von völlig gleichgültigen Kalifornier/innen nicht erkannt zu werden?

Fand Sie nicht umsonst in »Unsichtbare Gefahr« am besten: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Beim Aufräumen in der Küche

Zu mir selbst: Nicht nur Roger Willemsen fehlt. Auch der Korkenzieher.

Uwe Becker

 Claims texten, die im Kopf bleiben

Ist »Preissturz bei Treppenliften« wirklich eine gute Catchphrase?

Miriam Wurster

 Verabschiedungsrituale

Wie sich verabschieden in größerer Runde, ohne dass es ewig dauert? Ich halte es so: Anstatt einen unhöflichen »Polnischen« zu machen, klopfe ich auf den Tisch und sage: »Ich klopf mal, ne?«. Weil mir das dann doch etwas unwürdig erscheint, klopfe ich im Anschluss noch mal bei jeder Person einzeln. Dann umarme ich alle noch mal, zumindest die, die ich gut kenne. Den Rest küsse ich vor lauter Verunsicherung auf den Mund, manchmal auch mit Zunge. Nach gut zwanzig Minuten ist der Spuk dann endlich vorbei und ich verpasse meine Bahn.

Leo Riegel

 Lifehack von unbekannt

Ein Mann, der mir im Zug gegenüber saß, griff in seine Tasche und holte einen Apfel heraus. Zu meinem Entsetzen zerriss er ihn mit bloßen Händen sauber in zwei Hälften und aß anschließend beide Hälften auf. Ich war schockiert ob dieser martialischen wie überflüssigen Handlung. Meinen empörten Blick missdeutete der Mann als Interesse und begann, mir die Technik des Apfelzerreißens zu erklären. Ich tat desinteressiert, folgte zu Hause aber seiner Anleitung und zerriss meinen ersten Apfel! Seitdem zerreiße ich fast alles: Kohlrabi, Kokosnüsse, anderer Leute Bluetoothboxen im Park, lästige Straßentauben, schwer zu öffnende Schmuckschatullen. Vielen Dank an den Mann im Zug, dafür, dass er mein Leben von Grund auf verbessert hat.

Clemens Kaltenbrunn

 Krasse Segregation

Wer bestimmten Gruppen zugehört, wird auf dem Wohnungsmarkt strukturell diskriminiert. Viele Alleinstehende suchen händeringend nach einer Drei- oder Vierzimmerwohnung, müssen aber feststellen: Für sie ist dieses Land ein gnadenloser Apartmentstaat, vor allem in den Großstädten!

Mark-Stefan Tietze

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
03.08.2024 Kassel, Caricatura-Galerie Miriam Wurster: »Schrei mich bitte nicht so an!«
04.08.2024 Frankfurt/M., Museum für Komische Kunst Die Dünen der Dänen – Das Neueste von Hans Traxler
04.08.2024 Frankfurt/M., Museum für Komische Kunst »F. W. Bernstein – Postkarten vom ICH«
09.08.2024 Bremen, Logbuch Miriam Wurster