Inhalt der Printausgabe

Die PARTEI informiert


Abenteuer im EU-Parlament
Weltexklusiver Vorabdruck in TITANIC!
(Weil niemand anders wollte …)

Brüssel, Café Karsmakers

Büroleiter Hoffmann ruft an. Bundeskanzlerin Merkel kommt am Dienstag nach Straßburg, um ihre vermutlich letzte Rede vor dem Parlament zu halten. Einige politische Beobachter, der französische Publizist Alfred Grosser etwa, erwarten so etwas wie ihr verbales Testament. Ich nicht. Aber ich habe eigentlich auch gar keine Zeit, mich mit ihr zu beschäftigen, weil ich dringend das Manuskript zu diesem Buch fertigstellen muss, der Lektor schickt mir bereits Mails mit vielen Frage- und Ausrufezeichen. Außerdem sehe ich Merkel inzwischen wesentlich ambivalenter als in den vergangenen Jahren. Wenn man sich die nachfolgende Generation der CDU-Spitzenpolitiker ansieht, entsteht beim Anblick Merkels regelrecht Wehmut.

Hoffmann sagt: »Ich habe Generalsekretär Bordez in der Kantine getroffen. Er hat gesagt, du kannst die Minute Redezeit haben, die den Fraktionslosen zusteht.«

Ich muss lachen: »Aha, auf einmal! Udo Voigt wäre dem Parlament wohl nicht so lieb. Aber ich habe absolut keine Zeit, mich mit Merkel zu beschäftigen.«

»Du musst es machen. Sonst geht die Minute wirklich an die NPD!«

»Ich denke darüber nach.«

»Es gibt noch etwas. Auf meine Mahnung hin hat das Auswärtige Amt jetzt zumindest eine Auflistung aller Dokumente geschickt, die wir nicht erhalten können. Es sind 231 Dokumente, die allein die Wahlrechtsreform betreffen, insgesamt 2440 Seiten. Ich habe mal ein bisschen reingeschaut, es gibt interessante Gesprächsnotizen, zum Beispiel Bundespräsident Steinmeier/Tajani, ein paar Tage nach seinem Amtsantritt. Manfred Weber hat alle EU-Regierungschefs angeschrieben, die in der EVP sind. Und einen umfangreichen Austausch zwischen Jo Leinen und dem Auswärtigen Amt wegen seiner Presseerklärung: neun Seiten E-Mails!«

»Mein Gott, der Mann kann nicht einmal eine Presseerklärung schreiben!«

Straßburg, Plenum

Tajani begrüßt Merkel und erteilt ihr das Wort. Ich lese ein wenig Korrektur im Manuskript, das Buch ist so gut wie fertig, und höre mit einem Ohr die routiniert narkotisierende Rede der Kanzlerin. Sie thematisiert Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der EU. Und stimmt zum Schluss erstmals und lauthals ein in den Chor derjenigen, die eine eigene EU-Armee fordern: »Wir müssen eine europäische Eingreiftruppe schaffen, mit der Europa auch am Ort des Geschehens handeln kann. Wir sollten – das sage ich sehr bewusst auch aus der Entwicklung der letzten Jahre – an der Vision arbeiten, eines Tages auch eine echte europäische Armee zu schaffen. Dazu gehört dann im übrigen auch die gemeinsame Entwicklung von Waffensystemen innerhalb Europas. Dazu gehört auch – und das ist eine schwere Aufgabe, auch für die Bundesrepublik Deutschland –, dass wir eine gemeinsame Rüstungsexportpolitik entwickeln, weil wir auch sonst nicht einheitlich in der Welt auftreten können.«

Mit Zwischenrufen kann sie dabei gut umgehen. Als ein Front-National-Mann mehrfach mit anhaltenden »Buh!«-Rufen sein Missfallen kundtut und Tajani einschreiten will, winkt Merkel ab: »Schauen Sie, ich freue mich daran. Ich lasse mich doch nicht irritieren. Ich komme auch aus einem Parlament. Also!«

Beifall belohnt sie.

Vorbereitete Rede,
unvorbereitete Rede. Im linken Hintergrund scheitert Udo Voigt bei dem Versuch, ein Selfie zu machen.

Nach Merkel sprechen die Vorsitzenden der Fraktionen. Und dann erteilt Tajani mir das Wort. Ich stehe auf und entschuldige mich: »Vielen Dank, Präsident, Frau Bundes… ähm… kanzlerin, ich muss mich entschuldigen – ich habe gar keine Rede vorbereitet. Ich habe die Redezeit nur beantragt, weil sie sonst an Udo Voigt von der NPD gefallen wäre. Und ich …«

Anschwellender Applaus unterbricht mich, aus der gesamten CDU bis hinüber zu SPD und Grünen. Das muss ich schnell unterbinden: »Moooment! Lassen Sie mich ausreden. Und ich verachte unseriöse Kleinparteien unter ein Prozent.« Die NPD hatte bei der Bundestagswahl 0,4 Prozent, als Vertreter einer Einprozentpartei kann ich mir diesen Seitenhieb nicht verkneifen. »Insofern möchte ich gar nicht so viel sagen. Wir haben uns zum letzten Mal hier beim Abschied von Helmut Kohl gesehen. Jetzt sehen wir uns bei Ihrem Abschied. Ich möchte Ihnen mit auf den Weg geben: Sie werden mir immer sympathischer, je mehr ich Leute sehe, die Ihnen in der CDU folgen werden, in den nächsten Monaten und Jahren.«

Merkel zeigt keine Regung, sie kommt ja auch aus einem Parlament.

»Und ich möchte Sie bitten: Wenn Sie gehen, übergeben Sie unser Land besenrein. Das wäre nett! Und jetzt können Sie gehen. Vielen Dank!«

Ein unfreundliches Geraune setzt ein, »Oh«-, »Ah«-Laute, unverständliche Zwischenrufe erschallen, vornehmlich aus den Reihen von CDU/CSU.

→ Sachdienlicher Hinweis des Heute Journal

Merkel kriegt donnernden Applaus in Straßburg, eben weil es das Gefühl gibt, dass sie fehlen könnte. Nur der Clown im Europaparlament spricht es aus: »Ich bitte Sie, wenn Sie gehen, übergeben Sie unser Land besenrein. Und jetzt können Sie gehen. Vielen Dank!« Auch das steckt Merkel weg. So schnell lässt sie sich nicht abschreiben, noch ist sie die mächtigste Frau Europas.

→ Sachdienlicher Hinweis des »Stern«

Martin Sonneborn klaut der NPD Redezeit – für fragwürdige Abschiedsworte an Merkel
Nach Angela Merkels Rede nutzte er die Chance, um erst der NPD und dann der Kanzlerin einen mitzugeben.

→ Sachdienlicher Hinweis der »Stern-Leser«

Sidekick: Sonneborn = finanziert von unseren Gez Steuergelder. Das dumme Volk: fällt drauf rein und merkt nicht, dass er mit Merkel unter einer Decke steckt.

→ Sachdienlicher Hinweis aus dem Netz

M. Grosse-Brömer: Der Typ ist der peinlichste Totalausfall als Abgeordneter.

Grosse-Brömer, ist das nicht der Mann, der tatsächlich glaubt, ich wäre in der Lage, »allein Mehrheiten maßgeblich für Gesamteuropa« zu bestimmen? Aber der Name löst noch irgendeine andere Erinnerung aus … Genau, jetzt hatte ich es wieder: Das war doch der lustige CDU-Kerl aus der Harald-Schmidt-Show, den sich Ralf Kabelka ausgedacht hatte – Dr. Udo Grosse-Brömmer! Der gefakete CDU-Abgeordnete, der mit Slogans wie »Zukunft ist gut für alle!« warb. Jetzt ist er offenbar Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/ CSU-Fraktion im deutschen Bundestag. Und hat auch gleich im »Bericht aus Berlin« einen sehr lustigen Satz untergebracht: »Im Netz sind eine Menge Leute unterwegs, die destabilisieren wollen, die falsche Meinungen verbreiten, die manipulieren wollen, und da muss Politik mit umgehen, insbesondere vor Wahlkämpfen.« Falsche Meinungen? Das kann die CDU natürlich nicht wollen.

→ Sachdienliche Rede von Udo Voigt auf dem NPD-Parteitag in Büdingen

»Verehrte Freunde! Für Frau Merkel ist jeder, der in Deutschland lebt, mittlerweile ein Deutscher! Wenn der sagt, ich möchte hierbleiben, ich lass mich integrieren, dann ist das völlig egal, ob er einen Pass hat, ob er eine Einreisegenehmigung hat, jeder, der es irgendwie geschafft hat, nach Deutschland zu kommen, ist ein sogenannter Merkel-Deutscher. Verehrte Freunde, ich wollte genau dies Frau Merkel vorwerfen, als sie Anfang der Woche in Straßburg im Europaparlament gewesen ist. Da muss man mal erzählen, wie man ein Rederecht bekommt. Man bekommt ein Rederecht, als fraktionsloser Abgeordneter, mal 60 Sekunden, mal 90 Sekunden. Und unter den Fraktionslosen muss man sich dann einigen, wer reden darf. Und am Allgemeinen wenn ein Staatschef anwesend ist, dann heißt das, dass der Betreffende unter den Fraktionslosen natürlich Rederecht hat, der aus dem Land kommt, wo die Staatschefin herkommt.« Voigt klopft auf das Pult vor ihm.

»Also habe ich mich darum beworben. Und, ähem, es gibt zwei Deutsche unter den Fraktionslosen. Einer ist der Manfred Sommer… Sonneborn von der … Spaßpartei, also ein Hofnarr … in Europa … Und der andere … (Voigt scheint kurz zu überlegen) … bin ich. Der Vorsitzende der Fraktionslosen hat sich geweigert, mir das Rederecht zu geben! Und dann kamen … die 60 Sekunden für den Herrn Sonneborn. Was macht der? Der geht nach vorne ans Rednerpult, sagt der: Wisst ihr, eigentlich interessiere ich mich ja nicht für … Politik. Frau Merkel, ich hab gar keine Frage, ich hab gar keine Rede an Sie! Ich habe nur … (Voigt stochert vorwurfsvoll mit dem Zeigefinger in der Luft) … um das Rederecht gekämpft, damit der von der NPD, (ab jetzt sichtbar stolz) der Herr Voigt das Rederecht nicht bekommt! (Unmutsäußerungen im Publikum) Verehrte Freunde! (Lauthals) KANN MAN EIGENTLICH BESSER GEADELT WERDEN, ALS DASS SIE EINEN HOFNARREN BRAUCHEN, UM MICH DAVON ABZUHALTEN, FRAU MERKEL FRAGEN ZU STELLEN?!« (Applaus brandet auf, Voigt schaut staatsmännisch und zufrieden)

Brüssel, Café Karsmakers

Staatsmännisch und zufrieden schaue auch ich gerade. Das Manuskript ist fertig bis auf die letzte Seite. Und gerade hat mich eine Nachricht von »Telepolis« erreicht. Andrea Nahles, Ministerin für Gekreisch und schlichtes Schauspiel, hat bei Abgeordnetenwatch.de dementiert, die Sperrklausel noch vor der EU-Wahl 2019 einführen zu wollen.

Die Grünen haben auf hartnäckiges Betreiben von Sven Giegold auf ihrem Leipziger Parteitag beschlossen, die Wahlrechtsreform im Bundesrat nicht mitzutragen. Und die Große Koalition hat irgendwann verstanden, was das bedeutet.

Von (geistigem) Adel: Manfred Voigt (NPD)

→ Sachdienlicher Hinweis von Dr. Sebastian Roßner

Da hat die Bundesregierung in Brüssel alle anderen Mitgliedsstaaten zur #Sperrklausel für das #EP genötigt und nun schauen sie ins GG und stellen fest, dass man in Deutschland eine 2/3-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat braucht

→ Sachdienlicher Hinweis von »Telepolis«

Mit einem hinreichend komfortablen Wahlergebnis darf der Abgeordnete der PARTEI, Martin Sonneborn rechnen, der den Rückzieher der Genossen gegenüber Telepolis wie folgt kommentiert: »Wir begrüßen die Entscheidung von Andrea Nahles. Ich vermute, dass sie nicht ganz uneigennützig zustande kam, denn bei einer Fünfprozenthürde wäre möglicherweise auch die SPD nicht mehr im nächsten Europaparlament vertreten. Ein bisschen enttäuscht hat mich, dass wir gerade Unterlagen aus dem Auswärtigen Amt entnehmen mussten, dass auch Steinmeier sich aktiv in das Geschehen eingemischt hat – in seiner Zeit als Bundespräsident, in der er eigentlich parteipolitisch neutral zu agieren hätte. Aber die unseriöse Wahlrechtsgeschichte ist natürlich nur eine von mehreren Auseinandersetzungen die wir mit der Groko Haram führen. Wenn wir jetzt den »Geld«-Prozess gegen Schäuble auch in der letzten Instanz noch gewinnen –, das wäre ein Hattrick! – sehen Sie uns strahlen wie die Grünen!«

→ Sachdienlicher Hinweis der »Westdeutschen Allgemeine Zeitung«

»Die Partei« ist für Gabriel eine »Verächtlichmachung von Politik«

Ex-SPD-Chef Sigmar Gabriel sprach vor 200 Schülern des Essener Humann-Gymnasiums

Schließlich geht es um Europa, das Fehlen der Fünfprozenthürde im EU-Parlament, eine Schülerin spricht von der Satirepartei »Die Partei«, worauf Gabriel relativ ungehalten davon spricht, dass er die »Partei« für eine »Verächtlichmachung von Politik und die Arbeit eines demokratischen Parlaments« hält. »Fragen Sie mal jemanden, der keine Demokratie in seinem Land hat, wie er das fände, wenn Satiriker und Kabarettisten ins Parlament einziehen.«

→ Sachdienlicher Hinweis des (unseriösen) Marktforschungsinstitutes INSA vom 1. Februar

Sonntagsfrage Europawahl INSA/BILD: CDU/CSU 30 % | GRÜNE 17 % | SPD 15 % | AFD 12 % | DIE LINKE 8 % | FDP 8 % | FREIE WÄHLER 3 % | Tierschutzpartei 1 % | PIRATEN 1 % | Sonstige 3 % | DIE PARTEI 2 %

 


»Herr Sonneborn geht nach Brüssel. Abenteuer im EU-Parlament« (KiWi) erscheint am 7. März. Bitte im Buchhandel erwerben; 100 signierte Exemplare sind versandkostenfrei ab dem 1.3. über die Homepage der PARTEI zu bestellen. Ansonsten gilt: Bitte den amazonfreien Mittwoch beachten!

Martin Sonneborn

ausgewähltes Heft

Aktuelle Cartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Ach, welt.de!

Die Firma Samyang stellt offenbar recht pikante Instant-Ramen her. So pikant, dass Dänemark diese jetzt wegen Gesundheitsbedenken vom Markt genommen hat. Und was machst Du? Statt wie gewohnt gegen Verbotskultur und Ernährungsdiktatur zu hetzen, denunzierst Du Samyang beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, wo Du fast schon hämisch nachfragst, ob das Produkt vielleicht auch hierzulande verboten werden könne.

Das Amt sekundiert dann auch sogleich bei der Chilifeindlichkeit und zählt als angebliche »Vergiftungssymptome« auf: »brennendes Gefühl im (oberen) Magen-Darm-Trakt, Sodbrennen, Reflux bis hin zu Übelkeit, Erbrechen und Schmerzen im Bauch- und Brustraum. Bei hohen Aufnahmemengen können zudem Kreislaufbeschwerden auftreten – beispielsweise Kaltschweißigkeit, Blutdruckveränderungen und Schwindel«. Hallo? Neun von zehn dieser »Nebenwirkungen« sind doch der erwünschte Effekt einer ordentlich scharfen Suppe! Erbrechen müssen wir höchstens bei so viel Hetze!

Feurig grüßt Titanic

 An Deiner Nützlichkeit für unsere Knie, Gartenkniebank AZBestpro,

wollen wir gar nicht zweifeln, an Deiner Unbedenklichkeit für unsere Lungen allerdings schon eher.

Bleibt bei dieser Pointe fast die Luft weg: Titanic

 Gesundheit, Thomas Gottschalk!

In Ihrem Podcast »Die Supernasen« echauffierten Sie sich mit einem fast schon dialektischen Satz zu Ihrer eigenen Arbeitsmoral über die vermeintlich arbeitsscheuen jungen Leute: »Es gab für mich nie eine Frage – ich war nie in meinem Leben krank, wenn ich im Radio oder im Fernsehen aufgetreten bin. Ich habe oft mit Schniefnase irgendwas erzählt.«

Das hat bei uns zu einigen Anschlussfragen geführt: Wenn Sie »nicht krank«, aber mit Schniefnase und im Wick-Medinait-Delirium vor einem Millionenpublikum zusammenhanglose Wortfetzen aneinandergereiht haben – war das nicht eine viel dreistere, weil höher bezahlte Form der Arbeitsverweigerung als eine Krankmeldung?

Wünscht Ihnen nachträglich gute Besserung: Titanic

 Nachdem wir, »Spiegel«,

Deine Überschrift »Mann steckt sich bei Milchkühen mit Vogelgrippe an« gelesen hatten, müssen wir selbst kurz in ein Fieberdelirium verfallen sein. Auf einmal waberte da Schlagzeile nach Schlagzeile vor unseren Augen vorbei: »Affe steckt sich bei Vögeln mit Rinderwahnsinn an«, »Vogel steckt sich bei Mann mit Affenpocken an«, »Rind steckt sich bei Hund mit Katzenschnupfen an«, »Katze steckt sich bei Krebs mit Schweinepest an« und »Wasser steckt sich bei Feuer mit Windpocken an«.

Stecken sich auf den Schreck erst mal eine an:

Deine Tierfreund/innen von Titanic

 Wenn, Sepp Müller (CDU),

Bundeskanzler Olaf Scholz, wie Sie ihm vorwerfen, in einem »Paralleluniversum« lebt – wer hat dann seinen Platz in den Bundestagsdebatten, den Haushaltsstreitgesprächen der Ampelkoalition, beim ZDF-Sommerinterview usw. eingenommen?

Fragt die Fringe-Division der Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Verabschiedungsrituale

Wie sich verabschieden in größerer Runde, ohne dass es ewig dauert? Ich halte es so: Anstatt einen unhöflichen »Polnischen« zu machen, klopfe ich auf den Tisch und sage: »Ich klopf mal, ne?«. Weil mir das dann doch etwas unwürdig erscheint, klopfe ich im Anschluss noch mal bei jeder Person einzeln. Dann umarme ich alle noch mal, zumindest die, die ich gut kenne. Den Rest küsse ich vor lauter Verunsicherung auf den Mund, manchmal auch mit Zunge. Nach gut zwanzig Minuten ist der Spuk dann endlich vorbei und ich verpasse meine Bahn.

Leo Riegel

 Der kästnerlesende Kniebeuger

Es gibt nichts Gutes
Außer man Glutes.

Sebastian Maschuw

 Lifehack von unbekannt

Ein Mann, der mir im Zug gegenüber saß, griff in seine Tasche und holte einen Apfel heraus. Zu meinem Entsetzen zerriss er ihn mit bloßen Händen sauber in zwei Hälften und aß anschließend beide Hälften auf. Ich war schockiert ob dieser martialischen wie überflüssigen Handlung. Meinen empörten Blick missdeutete der Mann als Interesse und begann, mir die Technik des Apfelzerreißens zu erklären. Ich tat desinteressiert, folgte zu Hause aber seiner Anleitung und zerriss meinen ersten Apfel! Seitdem zerreiße ich fast alles: Kohlrabi, Kokosnüsse, anderer Leute Bluetoothboxen im Park, lästige Straßentauben, schwer zu öffnende Schmuckschatullen. Vielen Dank an den Mann im Zug, dafür, dass er mein Leben von Grund auf verbessert hat.

Clemens Kaltenbrunn

 Liebesgedicht

Du bist das Ästchen,
ich bin der Stamm.
Du bist der Golo,
ich Thomas Mann.
Du bist Borkum,
ich bin Hawaii.
Du bist die Wolke,
ich bin gleich drei.
Du bist das Würmchen,
ich bin das Watt.
Du bist die Klinke,
ich bin die Stadt.
Du bist das Blättchen,
ich jetzt der Ast.
Sei still und freu dich,
dass du mich hast.

Ella Carina Werner

 Reifeprozess

Musste feststellen, dass ich zum einen langsam vergesslich werde und mir zum anderen Gedanken über die Endlichkeit allen Lebens mache. Vor meiner Abreise in den Urlaub vergaß ich zum Beispiel, dass noch Bananen in meiner Obstschale liegen, und dann dachte ich zwei Wochen darüber nach, wie lange es wohl dauert, bis die Nachbarn wegen des Geruchs und der Fliegen aus meiner Wohnung die Kripo alarmieren.

Loreen Bauer

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
03.08.2024 Kassel, Caricatura-Galerie Miriam Wurster: »Schrei mich bitte nicht so an!«
04.08.2024 Frankfurt/M., Museum für Komische Kunst Die Dünen der Dänen – Das Neueste von Hans Traxler
04.08.2024 Frankfurt/M., Museum für Komische Kunst »F. W. Bernstein – Postkarten vom ICH«
09.08.2024 Bremen, Logbuch Miriam Wurster