Inhalt der Printausgabe

Die PARTEI informiert


Martin Sonneborn (MdEP)
Bericht aus Brüssel
Folge 23

»Man soll nur von Europa sprechen, denn die deutsche Führung ergibt sich ganz von selbst.«

Außenpolitisches Amt der NSDAP

Brüssel, Parlament

Der Irre vom Amazonas plant ein neues Agrargesetz, um weitere Flächen privatisieren, abholzen und -brennen zu können. Während die EU kritiklos am Mercosur-Abkommen festhält (Autos gegen Fleisch von CO2-pupsenden Rindern; Experten schätzen, dass das Abkommen die Entwaldung in Südamerika um fast 25 Prozent erhöhen wird), drohen Aldi, Migros, Marks & Spencer und knapp 40 weitere Handelsunternehmen Bolsonaro mit einem Boykott brasilianischer Waren. Was läuft hier eigentlich falsch, dass man sogar den Gebrüdern Aldi zutrauen muss, die EU verantwortungsbewusster zu führen als Frau vonder-Leyen?

Für die Aldi-Brüder hätte in Ankara wahrscheinlich auch eine angemessene Sitzgelegenheit bereitgestanden und kein Sofagate, wenn sie zusammen mit dem eitlen Ratspräsidenten Michel zu Besuch beim Irren vom Bosporus geweilt hätten. Bzw. wären sie natürlich nicht so dämlich gewesen, einem zunehmend aggressiven Kriegstreiber, der gerade die Frauenrechtskonvention des Europarates aufgekündigt und – auch für den Dümmsten unmissverständlich – die Reste der türkischen Demokratie (Oppositionspartei HDP, freie Presse) beerdigt hat, auch noch ihre Aufwartung zu machen.

Um das Fass zum Überlaufen zu bringen, hatte die EU-Kommission gerade Pläne veröffentlicht, »innovative Produkte mit verringertem Alkoholgehalt im Segment Wein« zu fördern. Hää, was, alkoholfreier Wein? Welche Gesellschaft soll das abbilden? Hatte Frau vonderLeyen nicht eine bürgernahe EU versprochen? Systemnuttenlüge.

→ Sachdienlicher Hinweis aus dem Netz

Martin Sonneborn: Was denkt Frau vonderLeyen hier wohl gerade?

  • Leck mich am Arsch, der Irre vom Bosporus!
  • Nichts
  • Sag ich zuerst Menschen-, Bürger- oder Frauenrechte?
  • Nächstes Mal bringe ich einen Klappstuhl mit…
  • EHM?! (Fachjargon: Europ. Hilfs Milliarden)
  • Isnogud

CAMPARI SODA: sie denkt? Warum ist sie dann dort?

ARSLAN: #vonderLeyen muss eben wissen wo ihr Platz ist! Das ist #Türkei!

Berlin, Mahnwache mit Bier vor 1 Gasthaus

Wir diskutieren gerade über die verfehlte Steuerpolitik der EU gegenüber Großunternehmen, da meldet sich überraschend Büroleiter Hoffmann. Aus Bergkarabach, er will sich dort ein Bild von den Folgen des Krieges machen. Gerade hat ihn an einem Kontrollpunkt ein gutmütig betrunkener Russe nach einigen Späßen passieren lassen. Unser Lieblingspub (der einzige) in Stepanakert steht zum Glück noch. Trotz des verlustreichen Krieges, in dem die Armenier modernster Waffentechnik türkischer, deutscher & israelischer Herkunft kaum etwas entgegenzusetzen hatten und einfach von unsichtbaren Drohnen abgeschossen wurden, ist ihnen der Humor geblieben. Als ein paar armenische Soldaten sehen, dass Hoffmann eine einfache Drohne benutzt, um Aufnahmen aus der Luft zu machen, bitten sie ihn, das Gerät einmal kurz in Richtung Waldrand zu schicken. Da sei gerade ein Kamerad von ihnen auf Holzsuche, den wollten sie ein bisschen erschrecken. Guter Witz, das.

→ Sachdienlicher Hinweis aus dem Netz

Martin Sonneborn: Wegen nachhaltigen Marktmisserfolgs müssen wir #Amazon leider schließen. 2020 haben die Versager mit 44 Mrd. Rekordumsatz (EU) einen Verlust von 1,2 Mrd. erwirtschaftet (aber nur am Steuersitz Luxemburg, Smiley!). Steuerforderung: 0 Mrd.

Tom Hübner: Insolvenzverschleppung

Realthinks: Wo kann man spenden?

Andreas Burkert: Laut Finanzrecht handelt es sich dann um ein Hobby. @OlafScholz @GrueneBundestag @focusfinanzen

Büroleiter Hoffmann berichtet aus Arzach (Bergkarabach)

Erinnern Sie sich an die armenische Gelehrtenrepublik im Südkaukasus, die in Nachbarschaft zum autoritär regierten Aserbaidschan liegt? Zu Sowjetzeiten hat Stalin die mehrheitlich von Armeniern bewohnte Region den Aserbaidschanern zugeschlagen. Als die Union zerfiel und die Armenier nicht mehr dazugehören wollten, begannen die Aserbaidschaner den Landstrich ethnisch zu säubern und mit brutaler Gewalt gegen Zivilisten vorzugehen. Schon damals beschoss Aserbaidschan die Hauptstadt der Region ungezielt mit Raketenartillerie und Tränengas, um die Zivilbevölkerung zu terrorisieren. In einem langen Kampf konnten sich die Armenier widersetzen und die freie Republik Arzach gründen.

Aserbaidschan hat sich davon nie erholt und 27 Jahre lang über verlorene Gebiete und Vertriebene gejammert. Erst einen brutalen Krieg entfesseln und dann über eine Niederlage jammern? Aserbaidschan ist die Erika Steinbach unter den Nationen.

Präsident Aliyev hasst alles – auch die armenische Landschaft

Das Land hat daraus einen toxischen Nationalismus entwickelt. Die Säulen der aserbaidschanischen Gesellschaft sind Öl, Gas, Korruption, Autokratie und Hass auf Armenier. Durch Öl und Gas konnte der ansässige Erbdiktator Aliyev modernste Drohnen und Raketen aus der Türkei und Israel kaufen. Mit starker türkischer Unterstützung startete er am 27. September 2020 eine Großoffensive und eroberte dank der technologischen Überlegenheit und angeheuerter islamistischer Söldner in 44 Tagen wichtige Teile der Region. Die Rede ist von 10 000 Toten.

Das Regime in Baku ist eines der repressivsten der Welt: Es gibt keine Demokratie, keine Presse- und Wissenschaftsfreiheit. Das komplette Staatswesen dient nur dem Diktator. Der Einfluss Aliyevs reicht aber weit über die Staatsgrenzen hinaus, denn in Europa besticht das Regime im großen Stil Politiker. Deutsche Unionspolitiker lassen sich regelmäßig auf Luxusreisen nach Baku einladen, um danach mit positiven Statements über das Regime aufzufallen. Dissidenten hingegen leben gefährlich – in Aserbaidschan landen sie im Folterknast, im Ausland gibt es Morde und Mordversuche.

Um zu verstehen, wie ein solches Regime Krieg führt, bin ich im November nach dem Waffenstillstand nach Arzach gefahren: Ich habe bombardierte Schulen, Krankenhäuser, Feuerwehrstationen und Wohnhäuser vorgefunden. In großen Teilen der Hauptstadt sind Löcher im Asphalt, weil mitten im Zentrum Streumunition abgeworfen wurde.

Das wünscht man nicht mal den ärgsten Strebern aus der 10b

Einige Zivilisten, die nicht rechtzeitig fliehen konnten, wurden erschossen oder geköpft. Manchen wurden lebendig Ohren oder die Nase abgeschnitten. Die Kriegsverbrechen sind gut dokumentiert, weil die aserbaidschanischen Soldaten ihre Gräueltaten selbst filmen und auf TikTok damit prahlen. Ein an der Enthauptung eines Zivilisten beteiligter Soldat wurde inzwischen mit einer Medaille geehrt. Tausende Soldaten sind gefallen, noch immer sind über 200 Armenier in Kriegsgefangenschaft. Diejenigen, die aus der Gefangenschaft zurückkehren, berichten über schwerste Misshandlungen und Folter.

Aserbaidschan war und ist ein Terrorstaat. Statt das Regime in seine Grenzen zu weisen, wurde gerade erst eine Pipeline eröffnet (danke, Oettinger!), die aserbaidschanisches Diktatorengas nach Italien liefert. Unter deutscher Führung – und um Merkels Flüchtlingsdeal mit der Türkei nicht zu gefährden – macht sich die EU mitschuldig an diesen Staatsterrorismus. Not in my name.

Berlin, Europabüro

Ich lache gerade über ein Plakat zum Mietendeckel in Berlin, da stürmt, ohne anzuklopfen, meine Europapolitische Beraterin herein. »Ich hasse die Grünen! Jahrelang haben sie mit Hunderttausenden gegen Freihandelsabkommen wie TTIP und CETA demonstriert. Und jetzt im neuen Wahlprogramm sind sie nicht nur für CETA, sondern sie verschleiern das auch noch. Willkommen im politischen Establishment!«

»Na ja, als dritte Regierungspartei, derzeit noch inoffiziell, gehört man schon ein bisschen zu den etablierten Par…«

»Die ungebetene dritte Fee auf der Regierungsbank! Bei der Abstimmung zum doofen Infektionsschutzgesetz hat sich die gesamte Fraktion enthalten. Eine Partei, die regieren will! Deshalb kann die dämliche AfDP jetzt ehrbare Opposition spielen, wenn es um Bürgerrechte geht!«

»Was war noch mit CETA? Die EU hat’s durchgewunken, und jetzt wird es vorläufig angewend…«

»Sie sind plötzlich für CETA und stützen damit genau die Strukturen, die zu bekämpfen sie angetreten waren. Und das zweite ist: Sie vertreten das noch nicht einmal offen. Sie verstecken es hinter nichtssagenden politischen Phrasen, die man erst einmal entschlüsseln muss. Nur wer die Zusammenhänge kennt, kann verstehen, was für ein Prinzipienverrat sich dahinter verbirgt. Auf der Webseite der Bundestagsfraktion steht: ›Wir lehnen CETA ab.‹ Und im Wahlprogramm ›Am CETA-Abkommen haben wir erhebliche Kritik. Wir wollen daher das CETA-Abkommen in seiner derzeitigen Fassung nicht ratifizieren, sondern es bei der Anwendung der derzeit geltenden Teile belassen.‹ Die derzeit geltenden Teile sind aber ALLE, ausgenommen die Schiedsgerichte.«

»Das alles ist sicherlich nur ein schrecklicher Irrtum und die vertreten weiterhin ihre Ideale und …«

»Unsinn. Foodwatch und Attac kritisieren, dass die Grünen die weitere Anwendung eines Handelsabkommens unterstützen, das die parlamentarische Kontrolle abschafft, dem Gemeinwohl, dem Gesundheits- und Verbraucherschutz schadet, Transparenz verhindert und Konzerninteressen freie Bahn lässt. Über den Import von Fleisch, bei den Sozial- und Sicherheitsstandards, bei pestizidverseuchtem Soja entscheiden Bürokraten aus Kanada und der EU-Kommission, unter Ausschluss der Öffentlichkeit, eine demokratische Kontrolle findet nicht mehr statt …«

»Kontrolle, Kontrolle … Ich hab sowieso keine Zeit, zu kontrollieren, ich muss unseren Dortmundern gratulieren. Da ist die Tür!«

In der Dortmunder Innenstadt soll der Platz am Europabrunnen einen neuen Namen bekommen, und die ideenarme CDU will ihn nach dem spätgotischen Maler Conrad von Soest benennen. Bettina Neuhaus, für die PARTEI in der Bezirksvertretung, kritisiert, dass damit »wieder nur alte weiße Männer verewigt« würden und macht einen prägnanten Gegenvorschlag, für den in einer Umfrage von Ruhr 24 über 78 Prozent der Dortmunder stimmen.

→ Sachdienlicher Hinweis von Ruhr 24

Platz in der Innenstadt soll »Unser Omma ihr Platz« heißen
Die Begründung? »Wer hat uns Bütterkes geschmiert? Wer hat dafür gesorgt, dass Generationen versorgt wurden? Unsere Ommas«, schreibt Neuhaus. Die Vorteile liegen für sie auf der Hand: Der Name spiegle eine ganze Generation wichtiger Personen wider, die viel zu wenig geehrt würden. Außerdem bekommt der Platz mit diesem Namen mit jeder Generation quasi ein automatisches Update. Sobald man also Omma ist, wird man somit umgehend geehrt.

Klar, dass die CDU auf ihrem Vorschlag beharrt. Klar aber auch, dass der Platz zumindest bei Google Maps zeitweise korrekt heißt. Und dass jetzt jeder PARTEI-Ortsverband versuchen wird, in seiner hässlichen Kleinstadt einen »Omma-Platz« zu benennen. Für unse’ Ommas!

Die Tür fliegt auf. »Ich hasse die Grünen noch mehr!« Die Europapolitische Beraterin lässt mich gar nicht zu Wort kommen. »In Hessen haben sie gerade zusammen mit der CDU einen Antrag auf Offenlegung der NSU-Akten zurückgewiesen, über 125 000 Bürger hatten eine Petition unterschrieben.« ‒ »Jetzt sei mal nicht undankbar, der Verfassungsschutz hatte die Akten auf 120 Jahre sperren lassen, inzwischen ist die Sperrfrist immerhin auf 30 Jahre runtergesetzt.« – »AGAB, All Greens Are Bastards! In Le Monde stand heute, dass die französischen Grünen – die ihrem Ursprung wesentlich näher sind als unsere deutschen Hanseln, die sind viel weiter links – ihre Rechtskonservativen als ›Vert allemand‹ beschimpfen: als ›deutsche Grüne‹ …« – »Hahaha, was für eine Beleidigung. Immer mitten in die Fresse rein, das wäre die einzige angemessene Antwort.«

Brüssel, Cafe Belga

Im Netz sehe ich Großplakate aus Berlin: »Am 27.9. werden wir Corona beenden. Ehrenwort. Die PARTEI« Das ist gut gedacht, denn parallel zur Bundestagswahl am 26. September findet auch die Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus statt. Und die wird spannend: In Berlin hatten wir in der EU-Wahl 4,8 Prozent, und das Berliner Meinungsforschungsinstitut »Wahlprognose« – das praktisch als einziges in Umfragen die Nennung der PARTEI mit aufnimmt – weist für uns hier seit Monaten 5 oder 6 Prozent aus (während bei anderen Instituten der Balken der »Sonstigen« teilweise größer wird als der der FDP). In Friedrichshain-Kreuzberg sind wir mit nordkoreanesken 11,5 Prozent dabei, die SPD zu überholen. Mit anderen Worten: Wir beenden das Projekt PARTEI. (SPASS!)

→ Sachdienliche Hinweise des Spiegel

Spiegel: Ein ironisches Ziel Ihrer Partei war bisher immer das Scheitern. Wird es nun doch ernst?

Martin Sonneborn: Damit sind wir gescheitert, Smiley. Früher habe ich gesagt: Mandate sind Betriebsunfälle, die uns helfen, Strukturen aufzubauen. Unser Kernauftrag ist es, komische Kritik zu üben, junge Menschen zu politisieren, die (verfickte) AfD zu ärgern und schließlich: Grüne, Linke und SPD mit Utopien zu konfrontieren, zur Not mit ihren eigenen. Politik betreiben wir mit den Mitteln, die uns zur Verfügung stehen – und das sind Satire, Polemik, Nonsens.

Spiegel: Alles keine Mittel, mit denen sich in Verantwortung reale Politik machen lässt, oder?

Martin Sonneborn: Was zu beweisen wäre... Bisher haben wir das ja niemals angestrebt. Aber bei den neuesten Umfragewerten von sechs Prozent für »Die Partei« in Berlin könnte sich die Frage im Herbst stellen. Und in den darauffolgenden fünf Jahren beantworten.

Die Abgeordnetenhauswahl könnte die PARTEI in der Tat vor eine existenzielle Frage stellen: Sind wir in der Lage, eine Politik mit satirischen Mitteln, wie wir sie in Brüssel betreiben, auch auf Landesebene zu praktizieren? Ich denke, es käme auf einen Versuch an. Nachdem der Bundesvorstand mich gebeten hat, gute Köpfe vorzuschlagen, habe ich zwölf Kandidaten ausgesucht, die der Aufstellungsparteitag der PARTEI Berlin mit 97 Prozent auf die Landesliste gewählt hat. Junge Frauen & alte Männer, strikt nach dem PARTEI-Motto »Mandate nur für Leute, die absolut keine Mandate wollen!«. Wenn wir die Fünfprozenthürde überwinden – und die FDP auch, Smiley! (vgl. Überhangs- und Ausgleichsmandate) –, dürfen wir mit zehn bis zwölf Mandaten rechnen. Dann geht der Spaß in der Hauptstadt erst richtig los! Ehrenwort.

 

 


 

Achtung, Durchsage: Dieser Bericht wurde aus Mitteln des Europäischen Parlamentes finanziert und zeigt möglicherweise ein Zerrbild desselben.

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Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Gesundheit, Thomas Gottschalk!

In Ihrem Podcast »Die Supernasen« echauffierten Sie sich mit einem fast schon dialektischen Satz zu Ihrer eigenen Arbeitsmoral über die vermeintlich arbeitsscheuen jungen Leute: »Es gab für mich nie eine Frage – ich war nie in meinem Leben krank, wenn ich im Radio oder im Fernsehen aufgetreten bin. Ich habe oft mit Schniefnase irgendwas erzählt.«

Das hat bei uns zu einigen Anschlussfragen geführt: Wenn Sie »nicht krank«, aber mit Schniefnase und im Wick-Medinait-Delirium vor einem Millionenpublikum zusammenhanglose Wortfetzen aneinandergereiht haben – war das nicht eine viel dreistere, weil höher bezahlte Form der Arbeitsverweigerung als eine Krankmeldung?

Wünscht Ihnen nachträglich gute Besserung: Titanic

 Gemischte Gefühle, Tiefkühlkosthersteller »Biopolar«,

kamen in uns auf, als wir nach dem Einkauf Deinen Firmennamen auf der Kühltüte lasen. Nun kann es ja sein, dass wir als notorisch depressive Satiriker/innen immer gleich an die kühlen Seiten des Lebens denken, aber die Marktforschungsergebnisse würden uns interessieren, die suggerieren, dass Dein Name positive und appetitanregende Assoziationen in der Kundschaft hervorruft!

Deine Flutschfinger von Titanic

 Mmmh, Futterparadies Frankfurt a. M.!

Du spielst in einem Feinschmecker-Ranking, das die Dichte der Michelin-Sterne-Restaurants großer Städte verglichen hat, international ganz oben mit: »Laut einer Studie des renommierten Gourmet-Magazins Chef’s Pencil teilen sich in der hessischen Metropole 77 307 Einwohner ein Sterne-Restaurant.«

Aber, mal ehrlich, Frankfurt: Sind das dann überhaupt noch echte Gourmet-Tempel für uns anspruchsvolle Genießer/innen? Wird dort wirklich noch köstlichste Haute Cuisine der allerersten Kajüte serviert?

Uns klingt das nämlich viel eher nach monströsen Werkskantinen mit übelster Massenabfertigung!

Rümpft blasiert die Nase: die Kombüsenbesatzung der Titanic

 Oha, »Siegessäule«!

Als queeres und »Berlins meistgelesenes Stadtmagazin« interviewtest Du anlässlich der Ausstellung »Sex. Jüdische Positionen« im Jüdischen Museum Berlin die Museumsleiterin und die Kuratorin und behelligtest die beiden unter anderem mit dieser Frage: »Linke, queere Aktivist*innen werfen dem Staat Israel vor, eine liberale Haltung gegenüber Homosexualität zu benutzen, um arabische und muslimische Menschen zu dämonisieren. Diese Aktivist*innen würden Ihnen wahrscheinlich Pinkwashing mit der Ausstellung unterstellen.«

Nun ist das Jüdische Museum Berlin weder eine Außenstelle des Staates Israel, noch muss man als Journalist/in irgendwelchen »Aktivist*innen« ihre antisemitischen Klischees, dass letztlich doch alle Jüdinnen und Juden dieser Welt unter einer Decke stecken, im Interview nachbeten. So können wir uns aber schon mal Deine nächsten Interviewfragen ausmalen: »Frau Pastorin Müller, Sie bieten einen Gottesdienst zum Christopher Street Day an. Betreiben Sie damit Pinkwashing für den Vatikanstaat?« oder »Hallo Jungs, ihr engagiert euch in einem schwulen Verein für American Football. Betreibt ihr damit nicht Pinkwashing für Donald Trump?«

Wird diese Artikel allerdings nicht mehr lesen: Titanic

 Du wiederum, »Spiegel«,

bleibst in der NBA, der Basketball-Profiliga der Männer in den USA, am Ball und berichtest über die Vertragsverlängerung des Superstars LeBron James. »Neuer Lakers-Vertrag – LeBron James verzichtet offenbar auf Spitzengehalt«, vermeldest Du aufgeregt.

Entsetzt, Spiegel, müssen wir feststellen, dass unsere Vorstellung von einem guten Einkommen offenbar um einiges weiter von der Deiner Redakteur/innen entfernt ist als bislang gedacht. Andere Angebote hin oder her: 93 Millionen Euro für zwei Jahre Bällewerfen hätten wir jetzt schon unter »Spitzengehalt« eingeordnet. Reichtum ist wohl tatsächlich eine Frage der Perspektive.

Arm, aber sexy: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Der kästnerlesende Kniebeuger

Es gibt nichts Gutes
Außer man Glutes.

Sebastian Maschuw

 Feuchte Träume

Träumen norddeutsche Comedians eigentlich davon, es irgendwann mal auf die ganz große Buhne zu schaffen?

Karl Franz

 Krasse Segregation

Wer bestimmten Gruppen zugehört, wird auf dem Wohnungsmarkt strukturell diskriminiert. Viele Alleinstehende suchen händeringend nach einer Drei- oder Vierzimmerwohnung, müssen aber feststellen: Für sie ist dieses Land ein gnadenloser Apartmentstaat, vor allem in den Großstädten!

Mark-Stefan Tietze

 Beim Aufräumen in der Küche

Zu mir selbst: Nicht nur Roger Willemsen fehlt. Auch der Korkenzieher.

Uwe Becker

 Verabschiedungsrituale

Wie sich verabschieden in größerer Runde, ohne dass es ewig dauert? Ich halte es so: Anstatt einen unhöflichen »Polnischen« zu machen, klopfe ich auf den Tisch und sage: »Ich klopf mal, ne?«. Weil mir das dann doch etwas unwürdig erscheint, klopfe ich im Anschluss noch mal bei jeder Person einzeln. Dann umarme ich alle noch mal, zumindest die, die ich gut kenne. Den Rest küsse ich vor lauter Verunsicherung auf den Mund, manchmal auch mit Zunge. Nach gut zwanzig Minuten ist der Spuk dann endlich vorbei und ich verpasse meine Bahn.

Leo Riegel

Vermischtes

Erweitern

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Titanic unterwegs
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