Inhalt der Printausgabe

Die PARTEI informiert


Martin Sonneborn (MdEP)
Bericht aus Brüssel
Folge 9

»Man soll nur von Europa sprechen, denn die deutsche Führung ergibt sich ganz von selbst.«

Außenpolitisches Amt der NSDAP

Brüssel, Café Karsmakers

In den schweren Ledersofas des Cafés treffe ich auf einen deutschen EU-Spitzenpolitiker. Meine Frage, was jetzt politisch als nächstes anstehe, beantwortet er recht präzise: »Nichts.« Und weil er meinen fragenden Blick richtig interpretiert, klärt er mich auf. »Bis zum Brexit Ende Juni passiert gar nichts mehr, weil man den Briten vor ihrer Abstimmung keine Munition mehr liefern will. Danach ist Sommerpause. Und dann kommt schon bald Weihnachten. Das Jahr ist gelaufen.«

Ich trinke meinen Kaffee aus und mache mich auf den Weg, Weihnachtsgeschenke besorgen. Draußen bemerke ich einen »FCKAfD«-Aufkleber*, den offenbar jemand aus einer unserer Besuchergruppen hier verklebt hat, und ich überlege, ob im Weihnachtstrubel diesmal der Gebrauch von Schußwaffen als »Ultima Ratio« gerechtfertigt wäre.


Sachdienlicher Hinweis der Zeit

Im Fall eines gewaltsamen Grenzübertritts von Flüchtlingen hält der nordrhein-westfälische AfD-Landesvorsitzende Marcus Pretzell den Gebrauch von Schußwaffen als »Ultima Ratio« für gerechtfertigt. »Die Verteidigung der deutschen Grenze mit Waffengewalt als Ultima Ratio ist eine Selbstverständlichkeit«, sagte der umstrittene Europaparlamentarier. »Wenn man den ersten Schuß in die Luft abgibt, wird deutlich, daß wir entschlossen sind.« Er glaube aber nicht, daß man anfangen müsse, auf die Flüchtlinge zu zielen – »die Menschen sind ja vernunftbegabt.«


Brüssel, Parlament

Mit dem Mobiltelefon am Ohr laufe ich an der Cafeteria vorbei. Büroleiter Hoffmann ist bei einem Polizeikongreß in Berlin und berichtet mir gerade, daß ein PR-Mann von Heckler&Koch ihm ein Scharfschützengewehr in die Hand gedrückt und dieses mehrmals als »Meinungsverstärker« beworben habe. Während ich noch lache, läuft Marcus Pretzell an mir vorbei. Grüßend hebe ich die linke Hand, ziele mit dem Zeigefinger in die Luft und drücke zwei Mal ab. Pretzell grinst, legt mit der rechten direkt auf mich an, ruft: »Piff, paff!« Hält er mich für noch weniger vernunftbegabt als ich ihn?

Brüssel, Plenum

Der alte Le Pen (87) taumelt ins Plenum, schaut sich leicht verwirrt um, weiß offenbar nicht genau, wo er sich befindet, steuert dann zielstrebig auf die Sitzplätze von Marines rechtsradikaler Fraktion zu. Sofort stürzt von hinten ein Assistent herbei, redet beruhigend auf ihn ein, zieht ihn zurück zu den fraktionslosen Abgeordneten.

Kaum hat es sich der Alte in unserer Reihe einigermaßen bequem gemacht, da beginnt in seiner rechten Jackettasche ein Smartphone loszuröhren: Klingelton »Alte Hupe«, volle Lautstärke. Wer je eine Kernschmelze in der Zentrale eines Akws verfolgt hat, kennt die Situation. Zudem beginnt das Gerät Lichtblitze auszusenden. Ich überlege, ob das ganz normale Rentnereinstellungen sind oder ob Le Pen die Anrufe seiner Tochter damit markiert. Letzteres ist aber unwahrscheinlich, denn die Stimme, die anschließend bestens verständlich Französisches aus dem Gerät quäkt, ist noch rauher als die von Marine. Nach dem Telefonat kommen fünf oder sechs Parlamentarier und machen ihre Aufwartung: »Guten Tag, mein Präsident!«

Zur Zeit fraktionslos im Europaparlament: Präsident Le Pen

Autobahn Brüssel-Straßburg

Für jeden Kilometer zwischen Brüssel und Straßburg beziehe ich Spritgeld. In Kombination mit Entfernungszulage und Zeitaufwandsvergütung** summiert sich das für Hin- und Rückfahrt auf über 700 Euro, steuerfrei. Büroleiter Hoffmann und die neue Assistentin Sarah, die uns vom EU-Parlament gestellt wird, erhalten deutlich weniger, deswegen fahren sie mit ihren Autos spritsparend in meinem Windschatten. Drei Leute, drei Autos, drei Pauschalen. Natürlich gibt es auch Limousinen, die ökonomisch sinnvoller besetzt sind. Einige Straßburg-Reisende bieten zwei bis drei Mitfahrgelegenheiten an, was dann noch mal 35 bis 40 Euro pro Person einbringen kann. Damit die Mitfahrer ihrerseits ebenfalls eine komplette Kostenpauschale geltend machen können, müssen sie eine Mautquittung aus Frankreich oder eine Tankquittung aus dem Transitland Luxemburg (1 Liter Benzin: knapp über 1 Euro) vorweisen. Da es bei derartigen Fahrgemeinschaften nicht genug Quittungen für alle Insassen gibt, hat sich ein übersichtlicher kleiner Markt für diese Art von Belegen entwickelt.

Straßburg, MEP-Bar

Mit einem Salatteller in der Hand steht ein älterer Herr an der Bar. Ich kenne ihn von einem PARTEI-Plakat, es ist Hans-Olaf Henkel (75). Weil alle anderen Plätze besetzt sind, bieten Hoffmann und ich ihm einen Stuhl an unserem Tisch an. »Herr Henkel, wir wollten sowieso mit Ihnen sprechen. Sie haben den Berliner PARTEI-Aktivisten Carl Willke wegen Beleidigung anzeigen lassen, nachdem er Sie bei einer AfD-Veranstaltung mit einem ›Heil Henkel!‹-Plakat begrüßt hatte. Die Klage wurde in erster Instanz abgewiesen, jetzt geht die Staatsanwaltschaft in Berufung. Wollen Sie den Strafantrag nicht lieber zurückziehen?« »Nein!« schnaubt Henkel abweisend und berichtet verbittert, er sei vor der Europawahl in Berlin mit Eiern beworfen und niedergeschrien worden. Auf den Einwurf meines Büroleiters, das sei nicht sonderlich überraschend nach dem Rechtsruck der AfD, zischt Henkel empört: »Vor der Europawahl gab es in der AfD doch noch gar keinen Rechtsruck!« Offenbar läuft Henkels Wahrnehmung nicht mehr ganz rund. Ich bitte ihn abschließend, sich das noch einmal zu überlegen; wir würden das schöne Geld aus der Parteienfinanzierung lieber in Plakate investieren als in Gerichtskosten. Als ich ihm das Storch-Plakat der PARTEI Bremerhaven in meinem Handy zeige, lacht Henkel auf: »Hahaha, das ist gut!« Dann tapert er seines Weges.***


Höflicher Hinweis aus der Bevölkerung

»Heute begegnet mir in Freiburg ein Plakat auf dem ich folgenden Text lese: ›Der Storch bringt die Kinder. Die Storch tötet sie.‹ Bei allem Verständnis für kreative Werbung, aber diese Aussage ist in meinen Augen voll daneben gegriffen. Eine unhaltbare Behauptung, die nur ein Ziel hat: Ihre Konkurrenz zu diffamieren und auszuschalten. Für wie dumm halten Sie die deutschen Wähler? Mit dieser Anzeige entlarvt auf jeden Fall ›Die Partei‹ sich und ihre Geisteshaltung.«

B. Heilmann


Straßburg, Plenum

Eine stellvertretende Vorsitzende der AfD kreuzt meinen Weg. Gerade zitieren sämtliche Medien genüßlich, sie sei mit ihrer Maus abgerutscht, als es auf ihrer Facebook-Seite um den Schußwaffengebrauch gegen Frauen und Kinder ging. »Das mit den Kindern geht zu weit, Frau von Strolch«, rufe ich ihr nach, »ich war selbst jahrelang Kind ...« Beatrix Amelie Ehrengard Eilika von Strolch dreht sich um, ungewöhnlich blaß, und entgegnet etwas kleinlaut: »Ja, ich weiß.«

Straßburg, Hotel

Entsetzen am Frühstücksbüfett. Gerade erreicht uns die Nachricht, daß es in der drittgrößten Fraktion im Parlament Streitigkeiten gibt. Die europakritische EKR, eine rechtspopulistische Gruppe in der u.a. die »Wahren Finnen« und die polnische PISS-Partei (Spaß) vertreten sind, hat die beiden verbliebenen AfD-Mitglieder wegen der Schießbefehl-Diskussion aufgefordert, die Fraktion bis zum 31. März zu verlassen – andernfalls werde man Mitte April über einen Ausschluß abstimmen. Büroleiter Hoffmann grinst mich an. »Dir ist hoffentlich klar, wenn die da rausfliegen, commen sie automatisch zu den 15 fraktionslosen Abgeordneten ...« Gute Güte, als ob unsere Gruppe nicht schon bizarr genug wäre! Schnell verfassen wir eine Presseerklärung, um der Sache einen Riegel vorzuschieben. Da sie sich gegen die AfD richtet, wird sie in deutschen Medien flächendeckend zitiert.


Sachdienliche Informationen aus dem Netz

Lena WiSt Das »von Strolch« finde ich unnötig – »Beatrix von Storch« ist auch so schon ein besonders lächerlicher Name.
Rolf Eicken Was für ein konservativer Laden ! Noch nix von »Inklusion« gehört?!
Clemens Torno Könnt ihr auch irgendwas anderes außer immer nur so ein Blödsinn zu verzapfen?
Michael Henschke »Unrasiert«? Ist das politisch korrekt und zeugt von Intelligenz? Wie geht ihr denn mit anderen Randgruppen um? Schwule, Lesben, Dicke, Dünne, Männer, Frauen, usw? Besser kann man Inkompetenz nicht ausdrücken! Dies gilt für Sonneborn und Hofmann – scheinbar habt ihr sonst nichts zu tun! Für mich seid ihr eine indiskutable Fehlbesetzung!


 

 

* Erhältlich im TITANIC-Internetshop, 10 Stück = 1 Euro

** »Die Dauer der Reise wird wie folgt berechnet: Dauer der Fahrt zwischen dem Wohnort und dem Arbeits- oder Sitzungsort mit einer Geschwindigkeit von 70 km/h.« 70 km/h? Kicher, Doppelsmiley!

*** Henkel hat seine Klage nicht zurückgezogen; eine Beleidigung konnte allerdings vom Richter auch in der zweiten Instanz nicht festgestellt werden. Ätsch!


Achtung, Durchsage: Dieser Bericht wurde aus Mitteln des Europäischen Parlamentes finanziert und zeigt möglicherweise ein Zerrbild desselben

ausgewähltes Heft

Aktuelle Cartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Ganz, ganz sicher, unbekannter Ingenieur aus Mittelsachsen,

dass Du Deine Verteidigungsstrategie nicht überdenken willst? Unter uns, es klingt schon heftig, was Dir so alles vorgeworfen wird: Nach einem Crash sollst Du einem anderen Verkehrsteilnehmer gegenüber handgreiflich geworden sein, nur um dann Reißaus zu nehmen, als der Dir mit der Polizei kommen wollte.

Die beim wackeren Rückzug geäußerten Schmähungen, für die Du nun blechen sollst, wolltest Du vor dem Amtsgericht Freiberg dann aber doch nicht auf Dir sitzen lassen. Weder »Judensau« noch »Heil Hitler« willst Du gerufen haben, sondern lediglich »Du Sau« und »Fei bitter«. Magst Du das nicht noch mal mit Deinem Rechtsbeistand durchsprechen? Hast Du im fraglichen Moment nicht vielleicht doch eher Deinen Unmut über das wenig höfische Verhalten des anderen Verkehrsteilnehmers (»Kein Ritter!«) geäußert, hattest Deinen im selben Moment beschlossenen Abschied von den sozialen Medien (»Bye, Twitter!«) im Sinn, oder hast gar Deiner verspäteten Freude über die olympische Bronzemedaille des deutschen Ruder-Achters von 1936 (»Geil, Dritter!«) Ausdruck verliehen?

Nein? Du bleibst dabei? Und würdest dafür sogar ins Gefängnis gehen (»Fein, Gitter!«)?

Davor hat fast schon wieder Respekt: Titanic

 Sie, Romancier Robert Habeck,

Sie, Romancier Robert Habeck,

nehmen Ihren Nebenjob als Wirtschaftsminister wohl sehr ernst! So ernst, dass Sie durch eine Neuauflage Ihres zusammen mit Ihrer Ehefrau verfassten Romans »Der Tag, an dem ich meinen toten Mann traf« versuchen, fast im Alleingang dem darniederliegenden Literaturmarkt auf die Sprünge zu helfen. Könnten Sie sich als Nächstes das Zeitschriftensterben vorknöpfen?

Fragt Titanic

 Huhu, »HNA« (»Hessische/Niedersächsische Allgemeine«)!

Mit großer Verblüffung lesen wir bei Dir in einem Testbericht: »Frischkäse ist kaum aus einem Haushalt in Deutschland wegzudenken.«

Och, Menno! Warum denn nicht? Und wenn wir uns nun ganz doll anstrengen? Wollen wir es denn, HNA, einmal gemeinsam versuchen? Also: Augen schließen, konzentrieren und – Achtung: hui! – weg damit! Uuuund: Futschikato! Einfach aus dem eigenen Haushalt weggedacht. Und war doch überhaupt nicht schlimm, oder?

Es dankt für die erfolgreiche Zusammenarbeit und hofft, einen kleinen Denkanstoß gegeben zu haben, wenn nicht gar einen Wegdenkanstoß: Titanic

 Damit hast Du nicht gerechnet, »Zeit online«!

Als Du fragtest: »Wie gut sind Sie in Mathe?«, wolltest Du uns da wieder einmal für dumm verkaufen? Logisch wissen wir, dass bei dieser einzigen Aufgabe, die Du uns gestellt hast (Z+), erstens der zweite Summand und zweitens der Mehrwert fehlt.

Bitte nachbessern: Titanic

 Keine Übertreibung, Mathias Richling,

sei die Behauptung, dass die Ampel »einen desaströsen Eindruck bei jedermann« hinterlasse, denn in den vielen Jahren Ihrer Karriere, so schilderten Sie’s den Stuttgarter Nachrichten, hätten Sie es noch nie erlebt, »dass ohne jegliche pointierte Bemerkung allein die bloße Nennung des Namens Ricarda Lang ein brüllendes Gelächter auslöst«.

Aber was bedeutet das? »Das bedeutet ja aber, zu Mitgliedern der aktuellen Bundesregierung muss man sich nichts Satirisches und keinen Kommentar mehr einfallen lassen.« Nun beruhigt uns einerseits, dass Ihr Publikum, das sich an Ihren Parodien von Helmut Kohl und Edmund Stoiber erfreut, wohl immerhin weiß, wer Ricarda Lang ist. Als beunruhigend empfinden wir hingegen, dass offenbar Sie nicht wissen, dass Lang gar kein Mitglied der aktuellen Bundesregierung ist.

Muss sich dazu nichts Satirisches und keinen Kommentar mehr einfallen lassen: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 3:6, 6:7, 0:6

Der Volontär in der Konferenz der Sportredaktion auf die Bitte, seine Story in drei Sätzen zu erzählen.

Ronnie Zumbühl

 Dilemma

Zum Einschlafen Lämmer zählen und sich täglich über einen neuen Rekord freuen.

Michael Höfler

 Hellseherisch

Morgen ist einfach nicht mein Tag.

Theo Matthies

 Süße Erkenntnis

Für jemanden, der Pfirsich liebt, aber Maracuja hasst, hält die Welt viele Enttäuschungen bereit.

Karl Franz

 Nachwuchs

Den werdenden Eltern, die es genau mögen, empfehle ich meinen Babynamensvorschlag: Dean Norman.

Alice Brücher-Herpel

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
29.11.2023 Stuttgart, Theaterhaus Max Goldt
30.11.2023 Erfurt, Franz Mehlhose Max Goldt
30.11.2023 Friedrichsdorf, Forum Friedrichsdorf Pit Knorr & Die Eiligen Drei Könige
01.12.2023 Hamburg, Centralkomitee Hauck & Bauer