Inhalt der Printausgabe

Die PARTEI informiert


Martin Sonneborn (MdEP)
Bericht aus Brüssel
Folge 5

»Man soll nur von Europa sprechen, denn die deutsche Führung ergibt sich ganz von selbst.«

Außenpolitisches Amt der NSDAP

Brüssel, EU-Parlament

Das Parlament hat Humor. Das trostlose Café, in dem ich mit Büroleiter Dustin Hoffmann mittags zwischen lustig roten, gelben, grünen und blauen Stühlen beim Frühstück sitze, heißt »Micky Mouse Bar«, weil Margaret Thatcher das EP einmal hochachtungsvoll als »Micky-Mouse-Parlament« bezeichnet hat.


Sachdienlicher Hinweis der Rheinischen Post

RP Hat die EU eigentlich Humor?
MS Nur bedingt. Höchstens wenn sie Udo Voigt einen Sitzplatz zuweist, dessen Nummer auf 88 endet.


Ein guter Ort jedenfalls, um die umfangreiche Aufgabenliste für diesen Tag (1 Punkt) abzuarbeiten. Und die »Micky Mouse Bar« hat natürlich auch ihre guten Seiten. Nach einer aus EU-Mitteln finanzierten intensiven einwöchigen Recherche des Wahlsiegers der Hamburg-Wahl Alex Grupe gibt es hier das billigste Bier* von ganz Brüssel – eine sympathische Subvention und vermutlich eins der langlebigeren EU-Hilfsprogramme.

Alex Grupe, Landesvorsitzender der PARTEI Hamburg. Wahlkampfslogan »Too big to fail!«

Sachdienlicher Hinweis von »Info Radio«

Das EU-Hilfsprogramm für die durch das russische Embargo betroffenen Obst- und Gemüsebauern wurde schnell wieder gestoppt, da zu viele fragwürdige Anträge eingingen.


Sachdienlicher Hinweis von BW Agrar

Vor allem Polen hatte große Mengen angemeldet, die die üblichen Exportmengen deutlich übertrafen.


Sachdienlicher Hinweis der Sonntagszeitung (CH)

SZ Bei den Wahlen in Hamburg diesen Februar überholten Sie im Stadtteil St. Pauli die CDU.
MS Die PARTEI hatte dort einen häßlichen Blecheimer aufgestellt und forderte »Puff ab 16!«. Der Blecheimer bekam dann etwa so viele Stimmen wie die CDU.


Büroleiter Hoffmann nimmt einen Schluck, holt tief Luft und trägt die Agenda für diesen Tag vor: Die deutsche Cheflobbyistin der Firma Facebook hat angerufen. Es habe Beschwerden gegeben, wegen eines Posts, den ich nach der Oscar-Verleihung eingestellt hatte. Ein Ausdruck darin verstoße gegen die Richtlinien des Unternehmens. Das Gespräch sei freundlich und leicht bizarr verlaufen, fährt mein Büroleiter fort, weil die Dame den inkriminierten Ausdruck auf vielerlei Arten mehr oder weniger elegant zu umschreiben versuchte, ihn aber nicht nennen wollte. Diplomatisch lasse ich ihr ausrichten, daß ich den Begriff noch einmal sorgfältig überarbeiten werde. Feierabend!


Sachdienlicher Hinweis von Facebook

Martin Sonneborn Irre ich mich, oder fehlt bei den Oscar-Gewinnern die Kategorie »Bester Neger«?


Brüssel, Landesvertretung Hessen bei der EU

Ein paar hundert Lobbyisten, Politiker und Beamte stehen zur besten Abendbrotzeit in der 20 Millionen Euro teuren Residenz des Landes Hessen herum, bedienen sich an Buffets und gesponserten Bars. Vorsichtig nippe ich an irgend etwas Hochprozentigem mit gesundem Fruchtanteil, weil ich noch etwas mitgenommen bin vom gestrigen Empfang der Landesvertretung Hessen (Jahresmiete: 2,9 Millionen). Hier war ich ohne Vorwarnung auf den Anblick Volker Bouffiers getroffen, der zudem gerade neben Peter Altmaier stand, der sich gerade quer über einem runden Stehtisch liegend ein halbes Schwein mit Sahne einverleibte.

Ein Mann tritt auf mich zu und reißt mich aus meinen Gedanken. Er kommt vom Verband Deutscher Zeitschriftenverleger, ist TITANIC-Abonnent und freut sich, mich zu sehen. Ein britischer Kollege, der routinemäßig die Abgeordneten scannt, habe ihm erzählt, ich sei ein interessanter Mann: In einem Interview hätte ich angeregt, die 400 Millionen Euro, die sich ARD und ZDF durch die Einführung der Haushaltsabgabe zusätzlich ergaunerten, an Qualitätsprintmedien – FAZ, SZ, Spiegel und TITANIC – umzuverteilen. Ich erwidere, daß die Süddeutsche seit ihrem Rechtsruck in den vergangenen Monaten kein Qualitätsmedium mehr darstellt, und jetzt ein bißchen mehr Geld für TITANIC herausspringen sollte. Er lacht, dann wird er wieder ernst und warnt mich, daß die Sender gut aufgestellt seien in Brüssel und ihre Lobbyisten überall. Recht hat er, denke ich, als er in Richtung Buffet abgeht, denn zwei Interessenvertreter von ARD und ZDF hatten mich bereits in der ersten Sitzung des Kulturausschusses im kleinen Sitzungssaal des Parlamentes abgefangen und begrüßt. Wir hatten uns gegenseitig der großen Bedeutung des ZDF im Bereich bewegter Bilder versichert, dann waren wir als Freunde geschieden.

Straßburg

Die Straßburg-Woche beginnt wie üblich am Montagabend mit einem Kurzbesuch im Parlament. Im Vorraum des Plenarsaals trage ich mich in die Anwesenheitsbücher ein. Eine Nanosekunde lang staune ich dabei über meine eigene Unterschrift; nicht, weil sie dem Parlament 306 Euro Tagegeld** wert ist, sondern weil sie durch Überbeanspruchung in den vergangenen Monaten auf ein Kürzel geschrumpft ist. Zufrieden konstatiere ich, daß sich damit an Tagen, an denen die Unterschrift meine einzige Arbeitsleistung bleibt, mein Stundenlohn leicht verbessert hat. Ein Blick ins Plenum läßt mich stutzen – relativ viele Frauen sitzen im Saal. Allerdings nur, weil kaum Männer zugegen sind. Und auch nicht wirklich viele Frauen. Ach, ja, Aussprachen zur Gleichstellungsdebatte… Frau Steinruck spricht gerade, SPD: »Ich fordere den Rat auf, seine Blockadehaltung zu beenden. Frauen brauchen Schutz, genau wie neugeborene Kinder.« Ein interessanter protofeministischer Ansatz, der aber keinen der Anwesenden irritiert, weil fast alle mit ihren Mobiltelefonen beschäftigt sind. Ich setze mich dazu, starte mein I-Pad und beantworte Fragen auf Abgeordnetenwatch.


Sachdienlicher Hinweis von Abgeordnetenwatch

Frage von Gunter Grigo
Sehr geehrter Herr Sonneberg, wie steht Ihrer Partei zu den geplanten Handelsabkommen? Werden Sie CETA, TTIP, TISA zustimmen?
Antwort
Sehr geehrter Herr Gringo,
die PARTEI-Position ist folgende: Nach der Machtübernahme werden sämtliche Personen, die sich für TTIP eingesetzt haben, an die Wand gestellt.
Mit freundlichen Grüßen,
Martin Sonneborn, MEP


Sachdienlicher Hinweis aus dem Internet

Georg El-i Tete Ypsilon Was soll der Scheiß mit den politischen Inhalten?!
Wahlbetrug!


Straßburg, Plenum

12 Uhr, Abstimmungen. Ich bin pünktlich, im Gegensatz zu Marine Le Pen, die die ersten paar Abstimmungen verpaßt. Sie hat zugenommen und Probleme, durch die engen Passagen in ihren Parlamentssessel zu kommen. Das macht aber nichts, es geht heute überwiegend um den Bericht des Frauen-Ausschusses, und in bezug auf die Gleichstellung der Geschlechter sind die französischen Nationalisten schon recht weit.

Marine Le Peng

Die Abstimmungen machen mich nicht sonderlich nervös. Der »Ausschuß für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter« (FEMM) besteht aus 33 Frauen – und zwei Männern. Und da der Bericht heute offiziell von einem der Männer verantwortet wird, wird er schon in Ordnung sein. Aus dem Handgelenk stimme ich abwechselnd mit JA und NEIN, erledige nebenbei die Korrespondenz mit meinem Redenschreiber.


Sachdienliche SMS meines (depressiven) Redenschreibers

Dönitz wurde wegen Führens von Angriffskriegen und Kriegsverbrechen schuldig gesprochen und am 1. Oktober 1946 zu zehn Jahren Haft verurteilt, die er bis zum 1. Oktober 1956 vollständig verbüßte. Gar nicht so viel – willst Du nicht auch mal einen führen, einen so kleinen Angriffskrieg?


Plötzlich triumphiert neben mir der FPÖ-Kollege: »Ah! Jetzt haben Sie Böses getan! Mit uns gestimmt!« Ich schaue nach links bzw. rechts und stelle fest, daß wir oft simultan stimmen. Sollten die nationalen Kollegen mein System erkannt haben und für sich selbst nutzen? Um sie zu verwirren, stimme ich zwei-, dreimal hintereinander mit JA. Und senke damit ganz nebenbei die europäischen Kreditkarten- und EC-Gebühren, nichts zu danken, falls Sie Einzelhändler sind. Dann schreibe ich eine SMS an meinen Redenschreiber und gehe in die Mittagspause, die sich bis in den frühen Abend zieht.


Sachdienliche SMS meines Redenschreibers

Kein Problem: Böse ist das neue gut…


Straßburg, Empfang von ARD und ZDF

Fröhlich winkt mir ein Pärchen zu, als ich das Arte-Gebäude betrete. Sie stellen sich als Lobbyisten von ARD und ZDF vor, wir würden uns kennen, große Freude. Während hinter ihnen Elmar Brok, der seit 1980 im EU-Parlament sitzt und alles darf, das Buffet routiniert vorzeitig für sich eröffnet, stellen sie mir ihren Chef vor, den ZDF-Intendanten Thomas Bellut. Er betont, wie schade es sei, daß unsere Zusammenarbeit für die Zeit des Mandats leider auf Eis liege und daß ich etwas tun müsse, »damit die Marke Sonneborn nicht verblaßt in den nächsten fünf Jahren«. Höflicherweise entgegne ich nicht, daß er etwas tun muß, damit die Marke ZDF in den nächsten fünf Jahren nicht verblaßt.

Straßburg, Plenum

Im Arte-Wein war wohl Alkohol, ich schlafe etwas länger als gewöhnlich, dann bringt mich der Fahrdienst ins Parlament. Um Punkt 12 Uhr sitze ich an meinem Platz im Plenum und werde beim Abstimmen – ohne es zu merken – volle Kanne von Udo Voigt*** fotografiert.


Sachdienlicher Hinweis von Facebook

Udo Voigt Herr Martin Sonneborn von der Spaßpartei hat ausgeschlafen und ist soeben im Plenarsaal eingetroffen!!! Während unser Europaabgeordneter jeden Morgen sehr früh aufsteht, um seiner Arbeit im Parlament sehr gewissenhaft nachzugehen, erscheint Herr Martin Sonneborn von der Spaßpartei lediglich zu den Abstimmungen, und danach verschwindet er wieder.
Martin Sonneborn Voigt spinnt. Ich war gar nicht ausgeschlafen…


Nachdem ich Voigts Bemerkung geteilt habe, sammeln sich rund 1600 Kommentare, etwa zwei davon positiv.

Und positiv, überlege ich nachmittags auf der Rückfahrt nach Brüssel, dürften sich auch 35 Jahre Tätigkeit an EU-Buffets auf die Kontoauszüge von Elmar Brok auswirken. Zumal man ja pro Jahr rund 300 Euro Rentenanspruch erwirbt.

 

 

 

 


* 0,25 Liter Stella Artois für 1,50 Euro

** Gehaltserhöhung von 304 auf 306 Euro; vermutlich ein Deflationsausgleich.

*** Nazi. Bekannt aus »Bericht aus Brüssel«, Teil 3

ausgewähltes Heft

Aktuelle Cartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Hände hoch, Rheinmetall-Chef Armin Papperger!

Laut einem CNN-Bericht lagen deutschen und US-amerikanischen Geheimdiensten Hinweise zu russischen Plänen für einen Angriff auf Sie vor. So etwas nennt man dann wohl »jemanden mit seinen eigenen Waffen schlagen«!

Mörderpointe von Titanic

 Diese Steilvorlage, Kristina Dunz (»Redaktionsnetzwerk Deutschland«),

wollten Sie nicht liegenlassen. Die Fußballnation hatte sich gerade mit der EM-Viertelfinalniederlage gegen Spanien angefreundet, der verlorene Titel schien durch kollektive Berauschtheit an der eigenen vermeintlich weltoffenen Gastgeberleistung sowie durch die Aussicht auf vier Jahre passiv-aggressives Gemecker über die selbstverständlich indiskutable Schiedsrichterleistung (»Klarer Handelfmeter!«) mehr als wiedergutgemacht, da wussten Sie einen draufzusetzen. Denn wie es Trainer Julian Nagelsmann verstanden habe, »eine sowohl fußballerisch als auch mental starke National-Elf zu bilden«, die »zupackt und verbindet«, hinter der sich »Menschen versammeln« können und der auch »ausländische Fans Respekt zollen«, und zwar »auf Deutsch« – das traf genau die richtige Mischung aus von sich selbst berauschter Pseudobescheidenheit und nationaler Erlösungsfantasie, die eigentlich bei bundespräsidialen Gratulationsreden fällig wird, auf die wir dank des Ausscheidens der Mannschaft aber sonst hätten verzichten müssen.

Versammelt sich lieber vorm Tresen als hinter elf Deppen: Titanic

 Augen auf, »dpa«!

»Mehrere der Hausangestellten konnten weder Lesen noch Schreiben« – jaja, mag schon sein. Aber wenn’s die Nachrichtenagenturen auch nicht können?

Kann beides: Titanic

 Du wiederum, »Spiegel«,

bleibst in der NBA, der Basketball-Profiliga der Männer in den USA, am Ball und berichtest über die Vertragsverlängerung des Superstars LeBron James. »Neuer Lakers-Vertrag – LeBron James verzichtet offenbar auf Spitzengehalt«, vermeldest Du aufgeregt.

Entsetzt, Spiegel, müssen wir feststellen, dass unsere Vorstellung von einem guten Einkommen offenbar um einiges weiter von der Deiner Redakteur/innen entfernt ist als bislang gedacht. Andere Angebote hin oder her: 93 Millionen Euro für zwei Jahre Bällewerfen hätten wir jetzt schon unter »Spitzengehalt« eingeordnet. Reichtum ist wohl tatsächlich eine Frage der Perspektive.

Arm, aber sexy: Titanic

 Wenn, Sepp Müller (CDU),

Bundeskanzler Olaf Scholz, wie Sie ihm vorwerfen, in einem »Paralleluniversum« lebt – wer hat dann seinen Platz in den Bundestagsdebatten, den Haushaltsstreitgesprächen der Ampelkoalition, beim ZDF-Sommerinterview usw. eingenommen?

Fragt die Fringe-Division der Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Beim Aufräumen in der Küche

Zu mir selbst: Nicht nur Roger Willemsen fehlt. Auch der Korkenzieher.

Uwe Becker

 Krasse Segregation

Wer bestimmten Gruppen zugehört, wird auf dem Wohnungsmarkt strukturell diskriminiert. Viele Alleinstehende suchen händeringend nach einer Drei- oder Vierzimmerwohnung, müssen aber feststellen: Für sie ist dieses Land ein gnadenloser Apartmentstaat, vor allem in den Großstädten!

Mark-Stefan Tietze

 Ein Lächeln

Angesichts der freundlichen Begrüßung meinerseits und des sich daraus ergebenden netten Plausches mit der Nachbarin stellte diese mir die Frage, welches der kürzeste Weg zwischen zwei Menschen sei. Sie beantwortete glücklicherweise ihre Frage gleich darauf selbst, denn meine gottlob nicht geäußerte vage Vermutung (Geschlechtsverkehr?) erwies sich als ebenso falsch wie vulgär.

Tom Breitenfeldt

 Der kästnerlesende Bläser

Es gibt nichts Gutes
außer: Ich tut’ es.

Frank Jakubzik

 Der kästnerlesende Kniebeuger

Es gibt nichts Gutes
Außer man Glutes.

Sebastian Maschuw

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
03.08.2024 Kassel, Caricatura-Galerie Miriam Wurster: »Schrei mich bitte nicht so an!«
04.08.2024 Frankfurt/M., Museum für Komische Kunst Die Dünen der Dänen – Das Neueste von Hans Traxler
04.08.2024 Frankfurt/M., Museum für Komische Kunst »F. W. Bernstein – Postkarten vom ICH«
09.08.2024 Bremen, Logbuch Miriam Wurster