Inhalt der Printausgabe

Die PARTEI informiert


Martin Sonneborn (MdEP)
Bericht aus Brüssel
Folge 21

»Man soll nur von Europa sprechen, denn die deutsche Führung ergibt sich ganz von selbst.«

Außenpolitisches Amt der NSDAP

Das Parlament in Straßburg mit den Augen eines Pressefotografen gesehen (links: das Winston-Churchill-Gebäude)

Straßburg, EU-Parlament

Unser neues Büro liegt angenehm abgelegen im vierten Stock des »Winston Churchill«-Gebäudes, eines skurrilen 70er-Jahre-Baus aus solidem Asbest, durch einen Arm der Ill sorgsam getrennt vom modernen Hauptkomplex des Parlaments. Ich stehe im Erdgeschoss und warte auf einen der vier mittlerweile schon wieder futuristisch anmutenden Fahrstühle. Jedes Mal, wenn ich hier stehe, muss ich daran denken, dass die französische EP-Präsidentin Nicole Fontaine ihrerzeit die neun Stockwerke zu ihrem Büro lieber zu Fuß zurücklegte als in einem der berüchtigten Fahrstühle. Kling! Als sich die Fahrstuhltür öffnet, gibt sie überraschend den Blick frei auf die Frisur von Frau vonderLeyen, vonderLeyen selbst direkt darunter, dahinter eine kleine Entourage inklusive Leibwächter. Mir fällt nichts Lustiges ein, also nicke ich ihr zu und sage: »Frau vonder, ähem Leyen auf dem Weg nach unten?« vonderLeyen lacht und schüttelt abwehrend den Kopf: »Nein, nein!« »Doch, doch«, entgegne ich, »ich habe es ganz genau gesehen.« (Entourage ab)

→ Sachdienliche Hinweise von t-online

t-online: Sie haben von der Leyen mal als »völlig kenntnisfrei« und »inkompetent« bezeichnet. Es klingt, als sehen Sie das immer noch so?

MS: Ich glaube sogar, dass Frau von der Leyen eine Gefahr für die EU darstellt. So furchtbar wie Ex-Kommissionschef Jean-Claude Juncker mit seinen steuerpolitischen Entscheidungen in Luxemburg und seiner neoliberalen Ausrichtung in der EU gewesen ist: Er war doch jemand, der Typen wie Victor Orban kaltstellen konnte. Notfalls mit einer kleinen Ohrfeige. Das traue ich von der Leyen nicht zu. Wir wissen ja, dass sie mit Stimmen der Polen und Ungarn gewählt wurde, also durch illiberale Regierungen, und dass sie denen nun entgegenkommen muss.

t-online: Als eine vernünftige Entscheidung könnte der »Green Deal« der EU gesehen werden – oder was stört Sie am Klimaschutz?

MS: Ich glaube nicht, dass es einen echten »Green Deal« geben wird. Ich glaube, das ist eine Etikettierung, um Wirtschaftswachstum als Umweltschutz zu verkaufen. Aber das ist die falsche Richtung, »Die Partei« fordert eine Reduzierung des BIP auf sozialund umweltverträgliche 50 Prozent. Der »Green Deal« ist Augenwischerei.

Straßburg, MEP-Bar

Bei Kaffee & subventionierter Torte sichte ich PARTEI-Aktivitäten im Netz und freue mich über ein Plakat der PARTEI Freiburg: »Steuertricks verhindern: Bon-Pflicht für Cum-Ex-Deals!« Das wird Olaf Scholz nicht ge… »Mr. Sonneborn?« Ich blicke auf: »Wer will das wissen?« Zwei eher unseriös wirkende Herren stehen vor mir und lächeln mich sympathieheischend an: »Wir sind aus Aserbaidschan …« »Herzlichen Glückwunsch. Ich bin ein Bewunderer Ihrer autoritären Staatsform.« »Oh, ja, gut. Wir möchten Sie gern einladen, nach Baku.« Das überrascht mich, immerhin stehe ich seit unserer ersten Bergkarabach-Reise* auf Diktator Aliyevs Schwarzer Liste und vermeide bei Reisen Zwischenlandungen in Baku genauso wie in der Türkei. »Interessante Idee. Würde ich zurückkommen?« Die beiden Galgengesichter schauen sich an, grinsen vielsagend, dann sagt der eine: »Also, wenn es Ihnen soooooo gut gefällt, können Sie auch dort bleiben!« Ein guter Witz, finde ich, zumindest wenn man weiß, dass der Reise-Blogger Alexander Lapshin nach einem öffentlichkeitswirksamen Besuch in Bergkarabach von einer aserbaidschanischen Sondereinheit entführt und in Baku im Gefängnis fast zu Tode gefoltert wurde.

»Wir können gerne in Brüssel darüber sprechen, bitte mailen Sie einfach meinem Assistenten.« Dann widme ich mich wieder meiner Torte und denke noch ein wenig über die Einladung nach. Wahrscheinlich geht es ja doch eher um Bestechung als um eine handgreifliche Revanche für unseren Arzach-Besuch, eine geschmackvolle Gucci-Herrenhandtasche voller Geld vielleicht. Ich sollte mich mal mit Karin Strenz von der CDU austauschen, im Europarat genießt die hochkorrupte CDU-Bundestagsabgeordnete aus Mecklenburg-Vorpommern zwar längst lebenslanges Hausverbot, der Deutsche Bundestag aber hat bisher keinerlei Sanktionen gegen sie erlassen.

Brüssel, Café Belga

Büroleiter Hoffmann ruft an und berichtet, dass er nach einer öffentlichen Sitzung des Auswärtigen Ausschusses (AFET) mit einer Bekannten von einer armenischen NGO Kaffee getrunken habe, weil Bergkarabach uns als offizielle Beobachter zu den Wahlen Ende März eingeladen hat. Beim Abschied sei ihm eine junge Frau aufgefallen, die vorher auch im AFET gesessen habe. Und die habe ihn dann recht offensiv angesprochen, um ihm zu erklären, dass Aserbaidschan viel schöner sei als Armenien. Die Aserbaidschaner seien auch die besseren Menschen, er solle sich das Land mal ansehen; solange er nicht auf der Blacklist stehe, sei das kein Problem. Das I-Phone, das sie in der Hand hielt, sei im Aufnahmemodus gewesen.

Brüssel, Büro

Chris Schiller, neuer Parlamentarischer Assistent in meinem Büro, will einen Vortrag technisch vorbereiten, den ich gleich vor einer Schülergruppe halten soll. »Dustin, wie logge ich mich am Parlamentscomputer im Besucherbereich ein?« »Mit dem Parlamentsaccount. Das Passwort ist ›Welcome 2008‹. Steht da aber auch auf der Tastatur.« Großer Lacher.

Einem Bericht meines Lieblingsfernsehsenders Phoenix entnehme ich, dass die überalterten Volksparteien CDU und SPD permanent viele Mitglieder verlieren. Als drittstärkste Partei bei den Erstwählern dürfte die Biologie langfristig auf unserer Seite sein, denke ich. Bis ich lesen muss, dass in Köln ein 72jähriger CDU-Lokalpolitiker unter Alkoholeinfluss mit einem scharfen Revolver einem 20jährigen in die Schulter geschossen hat.

→ Sachdienliche Hinweise aus dem Netz

MS: Ich möchte die Kollegen von der @CDU nachdrücklich bitten, nicht weiter auf Erstwähler zu schießen… ZwinkerSmiley! #niewiederCDU

Die PARTEI Karlsruhe retweetet unterdessen eine lustige Auseinandersetzung zwischen den Twitter-Accounts der AfD und der Russischen Botschaft.

→ Sachdienliche Hinweise aus dem Netz

Alice Weidel: Vor 75 Jahren flohen 2,5 Millionen Deutsche vor der vorrückenden Roten Armee, völlig überhastet nur mit dem Notwendigsten auf Pferdewagen oder mit Schubkarren in den minus 20 Grad kalten Winter. Heute gedenken wir der Opfer von Flucht und Vertreibung #AfD

Botschaft der Russischen Föderation: Da sollte man sich vielleicht auch daran erinnern, weswegen die Rote Armee vorrücken musste

Lustigerweise hat die Antwort der Russen schon deutlich mehr Likes als der ursprüngliche Tweet. Um die Ulknudel der AfD ein wenig zu ärgern, antworte ich ihr ebenfalls, mit einem freundlich angemessenen #HitlerbärtchenSmiley. Wenig später liegt Weidel auf einem ehrenvollen dritten Platz, die Zahlen der Likes unter beiden Antworten steigen derart schnell an, dass die AfD-Tussi einfach alles komplett löscht.

Auch andere schwelgen dieser Tage in Erinnerungen. Eine Woche später ist in der Botschaft der Vereinigten Staaten in Dänemark zum Jahrestag der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz Gedenken angesagt.

→ Sachdienliche Hinweise aus dem Netz

U.S. Embassy Denmark: Heute ist der Internationale Holocaust-Gedenktag. Vor 75 Jahren befreiten amerikanische Soldaten das Lager Auschwitz-Birkenau. #WeRemember

Schlag Sahne: #WeCantRemember

Rob_Frantic: Westfront, Ostfront, dies das. Ist ja auch schon 75 Jahre her …

Hajo Thelen: Die Kurden haben auf jeden Fall nicht geholfen !!!111111elf

Hermes Shollock: Ist sowas damit gemeint, wenn man sagt, dass die Sieger die Geschichtsbücher schreiben?

Walter Ruhetag: Haben die beim »Spiegel« abgeschrieben?

Tatsächlich, ein Kontrollblick auf Twitter zeigt, der »Spiegel« hatte im Netz vermeldet: »Auschwitz war das größte Vernichtungslager der Nazis. Vor 75 Jahren wurde es von der amerikanischen Armee befreit«, damit noch 576 Likes sowie 122 Retweets kassiert und sich dann umgehend entschuldigt. Da die dänische US-Botschaft vermutlich nicht zu den verbliebenen Spiegel-Abonnenten zählt, vermute ich hinter dem Tweet eine weitere Ausprägung des in Europa zurzeit um sich greifenden geschichtsrevisionistischen Aktionismus. Auch die Präsidenten von EU-Parlament, -Rat und -Kommission, Sassoli, Michel und vonderLeyen hatten gerade offiziell & feierlich erklärt, »alliierte Truppen« hätten Auschwitz befreit. Zum 70. Jahrestag unter EP-Präsident Chulz waren es immerhin noch russische Truppen gewesen, zum 75. sind es alliierte, in der Mehrzahl.

Dann aber belehrt mich eine einfache Google-Recherche eines Besseren: Die US-Botschafterin in Dänemark heißt Carla Sands und hat weder ihr Kunststudium in Pennsylvania abgeschlossen noch den Pre-Med-Kurs, der auf ein (tier-)ärztliches Studium vorbereiten soll. Nach einer Handvoll Gastauftritten in der Soap »Reich und schön« war ihr größter beruflicher Erfolg eine Hauptrolle in dem Film »Deathstalker and the Warriors from Hell«, dritter Teil einer Fantasy-Serie, »die sich wie ihre Vorgänger durch mystischen Firlefanz, martialisches Schwertergerassel und unfreiwillige Komik auszeichnet« (Lexikon des internationalen Films). Wenig später heiratete sie den 150 Millionen Dollar schweren Immobilienhändler Fred, beförderte sich nach dessen Tod zum CEO seiner Firma und spendete rund 350 000 Dollar an Donald Trump. Der ernannte sie im Gegenzug zur Botschafterin in Kopenhagen. Unter Dänen war sie bisher nur mit ein paar ungeschickteren Äußerungen aufgefallen sowie der lauthals propagierten Forderung, das Land sollte gefälligst mehr amerikanische F-35-Kampfjets kaufen.

»Kassieren eigentlich diese dämlichen US-Botschafter Provisionen, wenn sie den Verkauf amerikanischer Rüstungsgüter ankurbeln?« frage ich meine Europapolitische Beraterin. »Dieser fiese Grenell in Berlin befiehlt der Bundesregierung doch auch ständig die Erhöhung der deutschen Rüstungsausgaben.« Sie zuckt mit den Schultern: »Na und? Es regt ja auch niemanden mehr auf, was Trump im Zuge von Erdogans Invasion in Syrien gesagt hat: Er habe seine Truppen abgezogen außer denen, die die Ölquellen unter Kontrolle haben. Er hat mehrfach getönt ›But we have the oil!‹«

»Heee, Moment, Öl scheint wichtig zu sein heutzuta… «

»Und dass viele US-Soldaten neu in Saudi-Arabien stationiert wurden, obwohl sie eigentlich aus der Region abgezogen werden sollten. Trump hat wörtlich gesagt: ›We’re sending more troops to Saudi Arabia, and Saudi Arabia is paying us for it … they’re paying us. They’ve already deposited $1 billion in the bank.‹ Man darf die US Forces jetzt offiziell eine Söldner-Armee nennen, Trump selbst sagt, dass man sie kaufen kann. Man kann sie mieten, wenn man es sich leisten kann. Zum Kindergeburtstag. Vor 20 Jahren wäre das noch eine Schlagzeile gewesen, aber heute?«

Straßburg, Plenarsaal

Wegen einer emotionalen Debatte um die kleinen Nationalflaggen auf den Tischen von Osteuropäern und Lega-Nord-Italienern verzögern sich die Abstimmungen. Egal, lese ich noch ein bisschen im Netz herum. Und habe gleich bessere Laune, als ich im »Tagesspiegel« sehe, dass über 100 Beamte der Staatsanwaltschaft diverse Räumlichkeiten von MdB Karin Strenz und ihrem Kompagnon Eduard Lintner, ehemals Bundestagsabgeordneter der CSU, durchsucht haben. Lintner, der den Aserbaidschanern als Leiter einer Wahlbeobachtungsdelegation offiziell bescheinigt hatte, ihre doch sehr grob gefälschten Wahlgänge hätten »deutschen Standards entsprochen«, hatte aus Baku über 800 000 Euro kassiert.

Katarina Barley

Bestens gelaunt verlasse ich nach den Abstimmungen den Plenarsaal, werde dabei von Katarina Barley überholt, die mit einer Assistentin schnellen Schrittes an mir vorbeizieht. »Wo ist der Fototermin? Im dritten Stock?« fragt die Assistentin energisch, bleibt stehen, schaut sich in dem doch recht komplexen Gebäude um, richtet den Blick dann nach oben: »Wo ist der dritte Stock?« Auch wenn die Damen zur politischen Konkurrenz gehören, will ich nicht unhöflich sein: »Der dritte Stock ist zwischen dem zweiten und dem vierten. Aber: Es ist zu spät für Fototermine!« Während die Assistentin mich irritiert fixiert, lächelt Barley mich an und sagt mit leichter Resignation in der Stimme: »Es ist zu spät für alles.«

Brüssel, Büro

Stimmt doch gar nicht! Die »Berliner Zeitung« veröffentlicht neue Umfragewerte. Laut Forsa kommt die FDP in Berlin, wo sie in der EU-Wahl noch hinter uns gelegen hatte, auf überraschende sechs Prozent; allerdings kann man dem Kleingedruckten entnehmen, dass die Umfrage noch vor der idiotischen Zirkusnummer in Thüringen durchgeführt worden war. Der graue Balken der PARTEI steht bei soliden zehn Prozent, irritierenderweise steht allerdings »Sonstige« darüber.

Jeder 10. wählt Sonstiges

→ Sachdienliche Hinweise aus dem Netz

Marco Bülow: Wäre es mal möglich, wenn 10% Sonstige auswählen mal aufzuzeigen, wer da im Einzelnen mit gemeint ist? Sind fast doppelt so viele, wie FDP wählen. Z.B. Die PARTEI?

MS: Solln wa uns nu in SONSTJE umbenenn, wa, Forsa? BaliiinSmiley!

Autobahn Brüssel-Straßburg

Als ich im Deutschlandfunk den Vorschlag Christian Lindners höre, in Thüringen jetzt eine Expertenregierung einzusetzen, ein Vorschlag, den zuvor schon Höcke von der AfD gemacht hatte, verliere ich die Nerven und schreibe bei Tempo 140 einen Tweet.

→ Sachdienliche Hinweise aus dem Netz

MS: Nach all dem, was er angerichtet hat mit seinen machtlüsternen Markt-Radikalinskis – könnte Christian Lindner jetzt bitte einfach mal drei Tage die Fresse halten? KeinSmiley

Straßburg, Parlament

VonderLeyen (Abb. ähnl.)

Die Vorgänge in Thüringen, das permanente Gleichsetzen von Links und Rechts, des sympathischen Sozialdemokraten Bodo Ramelow mit unsympathischen Nazis wie Höcke ist ein Anlass, einmal mit der ebenso unsinnigen wie wirkungsvollen »Hufeisen-Theorie« aufzuräumen, die wohl als das erbärmlichste politische Analyse-Angebot des 21. Jahrhunderts in die Geschichte der Demokratie eingehen dürfte. Zumal die Blaupause für den Kulturbruch, sich von Rechtsradikalen ins Amt wählen zu lassen, aus Brüssel stammt: Ursula vonderLeyen hatte schon vor Monaten heftig um die entscheidenden Stimmen von Rechtsnationalisten der polnischen PISS-Partei und der ungarischen Abgeordneten Victator Orbáns geworben. (Merkel hatte extra noch Paul Ziemiak nach Polen geschickt, zu geheimen Verhandlungen beim Picknick von Jaroslaw Kaczynski. Polnische Medien hatten es stolz ausgeplaudert.) Und war mit diesen knapp gewählt worden. In einer 60-Sekunden-Rede ist dieses Thema nicht zu schaffen, deswegen beantragt Büroleiter Hoffmann einen 20-Minuten-Slot vor einer Parlamentskamera.

Straßburg, Medienbereich des Parlaments

Zur Illustration einer kleinen Kritik des Hufeisen-Theorems hat Praktikantin Amelie mir zwei repräsentative Armbinden gebastelt. Schwierigkeiten erwarten wir nicht, Hammer & Sichel auf der einen Seite werden von einem Hakenkreuz auf der anderen Seite locker wieder ausgeglichen.

Leider ist die letzte Kameraposition hinten in der Ecke besetzt, ich muss vorne am Gang sprechen, in Sichtweite aller MEPs, die zwischen Plenarsaal und MEP-Bar verkehren. Während ich noch fix einen Tweet zur Stürmung der Blackrock-Zentrale in Paris formuliere, erklärt Büroleiter Hoffmann den beiden Technikern die Situation, dann legen wir los.

→ Sachdienliche Hinweise aus dem Netz

Die Franzosen stürmen Blackrock, in Deutschland wird diskutiert, ob ein Blackrock-Mann Kanzlerkandidat werden soll… #Fotzenfritz

Böse Blicke einer osteuropäischen MEP neben mir begleiten meinen Aufsager. Nach der Frage »Was ist das eigentlich für ein Land, in dem einem auf Anhieb mindestens fünf gefährliche Rechtsextremisten einfallen, aber kein einziger gefährlicher Linksextremist außer Johannes Kahrs?« reiße ich die Hammer-und-Sichel-Binde herunter, drei Sätze später auch das Hakenkreuz.

David-Maria Sassoli

Normalerweise erhält man seine Filmdatei vom Mediendienst des EP etwa eine Stunde später per Mail zugestellt. Diesmal nicht. Büroleiter Hoffmann fragt mehrmals telefonisch nach, wird mit fadenscheinigen Ausreden bis abends vertröstet. Schließlich wird er persönlich vorstellig beim Leiter der Kommunikation und erfährt, dass ausgerechnet in dem Moment, als ich lediglich noch mit einer Hakenkreuz-Binde geschmückt in die Kamera polemisierte, ein doch recht irritierter Parlamentspräsident Sassoli vorbeilief. Der habe wenig Verständnis für meinen Aufzug gezeigt und sofort die Auslieferung der Datei untersagt. Hoffmann knurrt, das sei Zensur, und bittet das Büro des Präsidenten um eine Stellungnahme. Die erfolgt am nächsten Morgen schriftlich: Präsident Sassoli befürchtet, die kleine Rede werde »die Würde des Hauses beschädigen«. Smiley. Sein Vorgänger, der Mussolini-Verehrer Tajani, hätte mir vermutlich Pralinen geschickt. Wir verfassen eine kurze Pressemitteilung und beschließen, die Rede am Freitag in Brüssel einfach selbst noch einmal aufzunehmen. Und das tun wir dann auch. Hier ist sie zu sehen:

→ Sachdienliche Hinweise aus dem Netz

Johannes Kahrs: »Was ist das eigentlich für ein Land geworden, in dem einem auf Anhieb fünf gefährliche Rechtsextremisten einfallen – aber kein einziger gefährlicher Linksextremist? Außer Johannes Kahrs.« Gerade im Stern Online gelesen. Ist von Sonneborn

MS: Ich bitte um Verzeihung, lieber Johannes Kahrs, ich wollte Ihnen nicht schmeicheln… Smiley!

 

 


 

Achtung, Durchsage: Dieser Bericht wurde aus Mitteln des Europäischen Parlamentes finanziert und zeigt möglicherweise ein Zerrbild desselben.

ausgewähltes Heft

Aktuelle Cartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Sorgen, Alexander Poitz (Gewerkschaft der Polizei),

machen Sie sich wegen des 49-Euro-Tickets. Denn »wo mehr Menschen sind, findet auch mehr Kriminalität statt«.

Klar, Menschen, die kein Auto fahren, sind suspekt, und dass die Anwesenheit von Personen die statistische Wahrscheinlichkeit für Straftaten erhöht, ist nicht von der Hand zu weisen.

Wir denken daher, dass Sie uns zustimmen, wenn wir feststellen: Wo mehr Polizist/innen sind, finden sich auch mehr Nazis.

Mit kalter Mathematik: Titanic

 Zur klebefreudigen »Letzten Generation«, Dr. Irene Mihalic,

Erste Parlamentarische Geschäftsführerin von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag, fiel Ihnen ein: »Mit ihrem elitären und selbstgerechten Protest bewirkt die ›Letzte Generation‹ das Gegenteil dessen, was wir in der aktuellen Lage bräuchten, nämlich eine breite Bewegung in der Gesellschaft, für konsequente Klimaschutzpolitik.«

Aber wäre es nicht eigentlich Ihr Job, für eine solche Bewegung zu sorgen? Oder sind Sie ganz elitär daran gewöhnt, andere für sich arbeiten zu lassen? Dann macht das Rummäkeln am Ergebnis aber schnell einen recht selbstgerechten Eindruck, und der kann ziemlich lange an einem kleben bleiben.

Wollte Ihnen das nur mal sagen:

Ihre breite Bewegung von der Titanic

 Merhaba, Berichterstatter/innen!

Wie die türkischen Wahlen ausgegangen sind, das konntet Ihr uns zu Redaktionsschluss noch nicht mitteilen; wohl aber, auf welche Weise Erdoğan seinen Gegenkandidaten Kemal Kılıçdaroğlu sowie dessen fortgeschrittenes Alter (74) während des Wahlkampfes lächerlich zu machen pflegte: »mit der veralteten Anrede ›Bay Kemal‹ (Herr Kemal)«. Niedlich, dieser Despoten-Ageismus. Auch wenn Erdoğans Exkurs ins Alt-Osmanische, den uns der Tagesspiegel hier nahebringen wollte, laut FAZ eher einer ins Neu-Englische war: »Der türkische Präsident nennt ihn«, Kılıçdaroğlu, »am liebsten ›Bye-bye-Kemal‹.«

Aber, Türkei-Berichterstatter/innen, mal ehrlich: Ist es nicht viel wahrscheinlicher, dass Erdoğan seinen Herausforderer schlicht als bestechlich brandmarken wollte (»Buy Kemal«)? Ihn als Krämerseele verspotten, als Betreiber einer provinziellen deutschen Spelunke (»Bei Kemal«)? Als »Bay-Kemal«, der den ganzen Tag am Strand von Antalya faulenzt? Als »By-Kemal«, der bald einen »By«-Pass braucht, als Tattergreis, der Nahrung nur noch in Matschform zu sich nehmen kann (»Brei-Kemal«)?

Erwägt doch, liebe Berichterstatter/innen, erst mal all diese Möglichkeiten und gebt byezeiten Bayscheid Eurer Titanic

 Huhu, Schwarzblauer Ölkäfer!

Du breitest Dich gerade fleißig aus im Lande, enthältst aber leider eine Menge des Giftstoffs Cantharidin, die, wie unsere Medien nicht müde werden zu warnen, ausreichen würde, um einen erwachsenen Menschen zu töten.

Wir möchten dagegen Dich warnen, nämlich davor, dass bald Robert Habeck oder Annalena Baerbock bei Dir anklopfen und um Dein Öl betteln könnten. Dass Rohstoffe aus toxischen Quellen oder von sonstwie bedenklichen Zulieferern stammen, hat uns Deutsche schließlich noch nie von lukrativen Deals abgehalten.

Kabarettistische Grüße von den Mistkäfern auf der Titanic

 Ei Gude, Boris Rhein (CDU),

Ei Gude, Boris Rhein (CDU),

ständig vergessen wir, dass Sie ja hessischer und somit »unser« Ministerpräsident sind, und das immerhin schon seit einem guten Jahr! Es kann halt nicht jeder das Charisma eines Volker Bouffier haben, gell?

Immerhin hat ein großes Bunte-Interview uns nun an Sie erinnert. Dort plauderten Sie erwartungsgemäß aus dem Nähkästchen, wie bei der Frage, ob die erste Begegnung mit Ihrer Frau Liebe auf den ersten Blick gewesen sei: »Nein. Sie hielt mich für einen stockkonservativen JU-Fuzzi, mir hat sie zu grün gedacht, weil sie gegen die Atomversuche der Franzosen in der Südsee war.« Wie bitte? Ihre Frau war dagegen, idyllische Pazifik-Atolle in die Luft zu jagen? Haha, was für eine Hippie-Tante haben Sie sich denn da angelacht, Rheini?

Später im Interview wurde es dann sogar noch politisch. Zum Thema Migration fanden Sie: »Jeder, der uns hilft und unsere Werte akzeptiert, ist hier herzlich willkommen. Manche Migranten babbeln Frankfurterisch wie ich. Einige sogar besser.« Soso! Das sind also »unsere Werte«, ja? Wie gut jemand »Aschebäschä« sagen und mit Badesalz-Zitaten um sich werfen kann?

Bleibt zu hoffen, dass Sie nicht herausfinden, dass unsere Redaktion hauptsächlich aus unangepassten (Nieder-)Sachsen, Franken und NRWlerinnen besteht.

Wird sonst womöglich von Ihnen persönlich abgeschoben: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Aus dem Kochbuch des Flexikannibalen

Lehrers Kind und Pfarrers Vieh
Gebraten: gern.
Gedünstet? Nie!

Mark-Stefan Tietze

 Autobiografie

Ich fahre seit dreißig Jahren Auto. Mehr kann ich dazu leider nicht sagen. Es ist ein laufendes Verfahren.

Luz Laky

 Body Positivity

Kürzlich habe ich von einem Mordfall in einem Fitnesscenter gelesen. Stolz schaute ich an mir herunter und kam zum Befund: Mein Körper ist mein Tempel Alibi.

Ronnie Zumbühl

 Der Kult-Comic aus dem Kreißsaal:

»Asterix und Obstetrix«

Fabio Kühnemuth

 Suche Produktionsfirma

Das ZDF hat meine Idee »1,2 oder 2 – das tendenziöse Kinderquiz« leider abgelehnt.

Rick Nikolaizig

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Wenzel Storch: "Die Filme" (gebundene Ausgabe)
Renommierte Filmkritiker beschreiben ihn als "Terry Gilliam auf Speed", als "Buñuel ohne Stützräder": Der Extremfilmer Wenzel Storch macht extrem irre Streifen mit extrem kleinen Budget, die er in extrem kurzer Zeit abdreht – sein letzter Film wurde in nur zwölf Jahren sendefähig. Storchs abendfüllende Blockbuster "Der Glanz dieser Tage", "Sommer der Liebe" und "Die Reise ins Glück" können beim unvorbereiteten Publikum Persönlichkeitstörungen, Kopfschmerz und spontane Erleuchtung hervorrufen. In diesem liebevoll gestalteten Prachtband wird das cineastische Gesamtwerk von "Deutschlands bestem Regisseur" (TITANIC) in unzähligen Interviews, Fotos und Textschnipseln aufbereitet.
Zweijahres-Abo: 117,80 EURHans Zippert: "Aus dem Leben eines plötzlichen Herztoten", signiertJahrelang lag TITANIC-Urgestein Hans Zippert in der Sonne herum und ließ Eidechsen auf sich kriechen. Dann wurde er plötzlich Deutschlands umtriebigster Kolumnist. Viele fragen sich: Wie hat er das bloß verkraftet? Die Antwort gibt dieses "Tagebuch eines Tagebuchschreibers": gar nicht. Von Burnout-, Schlaganfall- und Nahtoderfahrungen berichtet Zippert in seinem bislang persönlichsten Werk – mal augenzwinkernd, mal mit einer guten Portion Schalk in den Herzkranzgefäßen. Nie war man als Leser dem Tod so nahe!Sonneborn/Gsella/Schmitt:  "Titanic BoyGroup Greatest Hits"
20 Jahre Krawall für Deutschland
Sie bringen zusammen gut 150 Jahre auf die Waage und seit zwanzig Jahren die Bühnen der Republik zum Beben: Thomas Gsella, Oliver Maria Schmitt und Martin Sonneborn sind die TITANIC BoyGroup. In diesem Jubiläumswälzer können Sie die Höhepunkte aus dem Schaffen der umtriebigen Ex-Chefredakteure noch einmal nachlesen. Die schonungslosesten Aktionsberichte, die mitgeschnittensten Terrortelefonate, die nachdenklichsten Gedichte und die intimsten Einblicke in den SMS-Speicher der drei Satire-Zombies – das und mehr auf 333 Seiten (z.T. in Großschrift)!
Titanic unterwegs
01.06.2023 Marburg, Waggonhalle Max Goldt
01.06.2023 Frankfurt, Kulturhaus »Das HAU-Projekt«
02.06.2023 Bingen, Literaturschiff Max Goldt
03.06.2023 Berlin, Moden Graphics Oranienstraße Katharina Greve