Inhalt der Printausgabe

Die PARTEI informiert


Martin Sonneborn (MdEP)
Bericht aus Brüssel
Folge 12

»Man soll nur von Europa sprechen, denn die deutsche Führung ergibt sich ganz von selbst.«

Außenpolitisches Amt der NSDAP

Brüssel, Café Belga

»Die Europäische Idee entstammt nicht, wie in der offiziellen Selbstdarstellung der EU oft angeführt, der Nachkriegszeit. Dieses Narrativ ist leider falsch«, erklärt mir meine europapolitische Beraterin. »Selbst in der NSDAP gab es ein sogenanntes ›Europakränzchen‹, in dem Pläne für ein deutsches Europa formuliert wurden. Interessanterweise sind sie heute fast umgesetzt, vom einheitlichen Wirtschaftsraum über eine Zentralbank auf deutschem Gebiet bis zur gemeinsamen Währung, die ursprünglich ›Europagulden‹ heißen sollte…«

Brüssel, Flughafen Zaventem

Hinter mir in der Wartschlange steht Knut Fleckenstein, ein nicht unsympathischer, etwa 60jähriger Sozialdemokrat: »Ah, Fleckenstein, guten Tag. Wir sind Kollegen. Ich gehöre zum Abschaum des Parlam…« – »Ja, ich kenne Sie«, lächelt der stellvertretende Fraktionsvorsitzende, »Sie machen Späße auf Kosten des Staates!« – »Nun, wir nennen es moderne Turbopolitik. Und ich meine, es macht bessere Laune, wenn man sich bei seiner Arbeit inhaltlich nicht allzu sehr verbiegen muß…« Der Hamburger schaut mich fragend an, deshalb fahre ich fort: »…wie die SPD in der Großen Koalition im Europaparlament.« – »Da haben Sie recht, das ist das Problem der SPD. Wir müßten…«, ein klein wenig strafft sich sein Körper, »wir müßten einfach etwas selbstbewußter sein. Die Linken und die Grünen stellen auch immer Forderungen an uns, wenn es um Rot-Rot-Grün geht.« Ein wenig resigniert schließt er: »Wir müßten denen auch mal Forderungen stellen!«

Straßburg, MEP-Bar

In der Bar stehen Marcus Pretzell und Hans-Olaf Henkel, ohne einander zu bemerken, Rücken an Rücken, in ihre Gespräche vertieft. Ich erhebe mich von meinem Tisch, trete unbemerkt hinzu und klopfe beiden gleichzeitig auf die Schulter. Wie auf Kommando drehen sich beide um, erkennen einander, springen auseinander: »Gütiger Himmel!« – »Nein, das ist noch zu früh!« Danach wahren sie wieder den gebührenden Abstand ehemaliger Parteifreunde.

Jetzt mit Sicherheitsabstand:
Hans-Olaf Henkel (3.v.r., vormals AfD) und Pretzell (2.v.r., AfD)

Straßburg, Parlament

Auf dem Weg ins Plenum überhole ich Udo Voigt. »Na, Voigt, immer noch in der Politik?« – »Hä, was?« – »Noch in der PO-LI-TIK?!« – »Was soll sich daran ändern? Bis zum letzten Atemzug…«

Leicht verspätet schiebe ich mich in den Saal, die Abstimmungen laufen schon, ich suche meinen Sitzplatz, die Lücke in der vorletzten Reihe, und erstarre: Die Reihe ist vollbesetzt. Wie kann das sein? Korwin-Mikke, mein großer, alter, kahler Freund, ist schnell lokalisiert, und rechts daneben müßte ein Platz frei sein, mein Platz – aber da sitzt ein kleiner Mann mit blauem Anzug und braunen Locken! Ich kenne ihn, es ist Steven Woolfe, ein Ex-Ukip-Mann.

Woolfe ist der Abgeordnete, der kürzlich bei einem ehrlichen Faustkampf um die Nachfolge von Nigel Farage im Straßburger Parlament zu Boden gegangen war und ins Krankenhaus gebracht werden mußte. Ich hatte die Rettungssanitäter durchs Plenum hasten sehen und zuerst gedacht, Elmar Brocken (177 kg CDU) wäre etwas passiert. Mit einem leichten Anflug schlechten Gewissens…


Sachdienlicher Hinweis von »VICE«

VICE Da es ja immer auch um Moral geht, habe ich Ihnen drei von Max Frischs Fragen rausgesucht. Los geht’s: Wie heißt der Politiker, dessen Tod durch Krankheit, Verkehrsunfall usw. Sie mit Hoffnung erfüllen könnte?
MS Ich überlege gerade… Vielleicht Elmar Brocken von der CDU. Ich habe von Anfang an gesagt, ich möchte Chulz politisch überleben und Brocken biologisch. Da könnte natürlich ein Autounfall die Sache abkürzen.
VICE Sehr gut. Und was…
MS Ich hoffe, das »sehr gut« wird auch veröffentlicht.
VICE Na klar!


Aber dann hatte ich auf dem Weg zur MEP-Bar die Absperrungen gesehen. Bei dem leblos wirkenden kleinen Körper, der hinter den Sichtschutzwänden auf dem fragilen Übergang zum Plenum lag, konnte es sich unmöglich um Brocken handeln.

Steven Woolfe

Darf man den britischen Zeitungen Glauben schenken, hatte der Engländer in der intensiven Diskussion um die Fraktionsführung seine Jacke ausgezogen, ordentlich aufgehängt, und in diesem Moment bereits von Mike Hookem (63) eins auf die Nase erhalten. Hookem, das hatte Woolfe wohl übersehen, ist Verteidigungspolitischer Sprecher der Ukip.

Steht noch: Mike Hookem

Woolfe hatte zuerst das Krankenhaus verlassen, dann seine Partei. Und jetzt saß er bei uns Fraktionslosen, eine nette Verstärkung zweifellos, auch wenn er noch an seiner Deckung arbeiten mußte. Da Bordez, der französische Generalsekretär der Fraktionslosen, mich nicht leiden kann, hatte er den Engländer einfach auf meinen Platz gesetzt. Ein Saaldiener geleitete mich zu meinem neuen Sitz – eine Reihe weiter vorne, Udo Voigt im Nacken und links von mir Foundoulis, Synadinos und Epitideios, die drei rechtsradikalen Griechen der »Goldenen Morgenröte«! Synadinos war kürzlich von Chulz des Saales verwiesen worden, weil er Türken als »dumme und schmutzige Barbaren« bezeichnet hatte, denen man »mit der Faust« entgegentreten müsse.

Ich habe nichts gegen Irre, aber unsympathische Irre aus einer Partei, die das Horst-Wessel-Lied nur auf griechisch singen können und nur, wenn sie nicht gerade »Blut und Ehre« brüllen? Wer mag sich da einen Bleistift vom Nebenmann ausleihen, die Pausenbrote teilen, den Nachbarn bei Abstimmungen abgucken lassen?

Sofort nach der Sitzung gehen Büroleiter Hoffmann und ich in unser Generalsekretariat und schlagen dort Krach. Generalsekretär Bordez, ebenso überbezahlt wie unterbeschäftigt, schlummert vermutlich gerade in der Sauna, jedenfalls ist er nicht greifbar, und wir hinterlassen seinem Adlatus eine recht deutlich formulierte Bitte um einen Platztausch, weg von den Rechtsradikalen.

Brüssel, Parlament

Das Büro des Parlamentspräsidenten fragt per Mail nach meiner Handynummer. Wenig später ruft Chulz selbst an, bittet mich für die kommende Woche zum Kaffee in sein Büro im neunten Stock. Ich sage zu, fordere aber im Gegenzug einen anderen Sitzplatz, »am besten neben Elmar Brocken«. Chulz lacht, »den können Sie haben! Sie dürfen sitzen, wo Sie wollen!« Wie sich herausstellt, sind die einzelnen Plätze den Abgeordneten zwar namentlich zugeteilt, aber meine Karte, mit der ich mich bei elektronischen Abstimmungen legitimiere, funktioniert an jedem freien Sitzplatz. Und freie Plätze gibt es im Plenum immer. Beruhigend, das zu wissen.

Straßburg, Plenum

Gut gelaunt grüße ich die Saaldiener vor dem Plenum, lasse mir den neuen Sitzplan zeigen. Es ist ein erhebendes Gefühl, dem Franzosen Bordez gezeigt zu haben, wer in Europa das Sagen hat. Als ich auf dem Plan meinen Namen finde, kann ich es nicht fassen: Ich sitze noch immer neben den »Golden Dawn«-Tüpen, zum Ausgleich habe ich jetzt aber Alessandra Mussolini zu meiner Rechten, die Enkelin des Duce.


Sachdienlicher Hinweis von N24

Auf den Vorwurf eines transsexuellen Politikers, sie sei Faschistin, antworte Alessandra Mussolini: »Besser, ein Faschist zu sein als eine Schwuchtel!« Sie sei stolz darauf, Faschistin zu sein.


Mussolini, vermutlich einziges »Playboy«- Covergirl im EP, hatte im Sommer 2011 im italienischen Parlament für Furore gesorgt. Als ultrarechtes Mitglied der Berlusconi-Fraktion wurde sie wütend, als sie erfuhr, daß sie auf Platz 5 einer »Po-Liste« der höchstbewerteten weiblichen Hinterteile des Parlaments geführt wurde. Wütend, weil sie sich unterbewertet fühlte. Und zwar sehr wütend: »Ich verspreche, wenn auch nur eine Zeile darüber veröffentlicht wird, schreibe ich einen Artikel in ›L’Espresso‹ darüber, wie lang – oder kurz – die Mikropenisse unserer männlichen Mitglieder im Parlament sind.«

Leider taucht sie bis zum Ende der Sitzung nicht auf. Schade, ich hätte mich gern mit ihr über die Europäische Volkspartei EVP unterhalten, in der unsere deutschen Parlamentarier von CDU und CSU vertraulich zusammenarbeiten mit der Fidesz-Partei von Victor Orbán.

Mussolini (l.)
Matera

Oder darüber, ob es die Abgeordnete Barbara Matera wirklich gibt. Matera war ebenfalls von Berlusconi geschickt worden, eine Billigfilm-Schauspielerin, deren Versuch, Miss Italia zu werden, gescheitert war, die jetzt Vize-Vorsitzende im Frauen-Ausschuß ist, und von der EVP-Kolleginnen sagen: »Ich habe diesen Namen noch nie gehört.«

Als ich das Plenum verlasse, höre ich draußen auf dem Gang Elmar Brocken herumtrompeten.


Sachdienlicher Hinweis der »Neuen Westfälischen«

Bis zur Abstimmung ist es noch hin, doch Elmar Brok ruft den Gewinner einfach schon mal aus. »Ah! Il Presidente!« schmettert er Antonio Tajani auf einem der Korridore des Straßburger EU-Parlaments entgegen. Tajani lacht, sie streichen sich gegenseitig über Schultern und Rücken. »Foto! Ich will ein Foto«, verlangt Brok und um die beiden Männer herum holen Mitarbeiter ihre Mobiltelefone hervor.

»Elmar, der wichtigste Abgeordnete des Parlaments«, schmeichelt Tajani zurück und setzt sein Gérard-Depardieu-Grinsen auf. Eine Übertreibung, gewiß. Wenn man Brok in seiner Welt erlebt, fragt man sich allerdings schon: Wer eigentlich sonst?

Wenn man Brok googelt, taucht in der Angebotsliste als erstes der Name »Sonneborn« auf. Der Europaabgeordnete, Satiriker und Chef der »Partei«, hat den 70jährigen CDU-Politiker einige Male aufs Korn genommen. Inzwischen sei er »sauer, weil ich ihn vor laufender Kamera angepfiffen habe«, erzählt Brok feixend. »Seitdem verfolgt er mich mit Rache. Da sieht man mal, wie kleinkariert der ist.«

Anmerkung aus dem Netz

Constantin Pläcking Ist es peinlich, dass ich @ElmarBrok_ MEP (150kg CDU) nur wegen @Martin-Sonneborn kenne? #ElmarBrocken


Brüssel, Parlament

Eine gute halbe Stunde sitzen der Chef und ich in seinem aufgeräumten Büro und reden. Ich würde gern berichten, daß Chulz mir verraten hat, daß er als Kanzlerkandidat antritt und es alle, alle außer dem »Spiegel« bald wissen dürfen, aber leider »kann ich hier nicht schreiben, was er gesagt hat, weil Vertraulichkeit vereinbart war«. (Formulierung von Dirk Kurbjuweit geklaut, der auf »Spiegel online« stolz verkündete, daß er mit Merkel und dem »Kanzlerkandidaten« Sigmar Gabriel beim »Spiegel«-Jubiläum in einem Raum sitzen durfte, während der »Stern«-Titel mit Gabriels Rücktritt bereits gedruckt wurde.)

Nachdem wir das Büro verlassen haben und die Vertraulichkeit endet, biete ich Chulz Koalitionsgespräche für 2021 an. Der Rheinländer lacht und ruft seinem Büroleiter zu: »Er hat mir Koalitionsgespräche für 2021 angeboten!« – »Ja, ich fürchte, 2017 wird es schwer für unsere Parteien«, verabschiede ich mich. »Tschüs, Chulz!«

Im Büro wartet Besuch, eine Praktikantin von MEP Graf Lambsdorff (FDP), die um ein gemeinsames Foto gebeten hatte. Wir plaudern ein bißchen über die Atmosphäre bei den Liberalen, dann erzählt sie, daß Lambsdorff zusammen mit einem Kollegen im Februar zurücktreten wird, um als Bundestagskandidat Wahlkampf zu machen. Ich konstatiere, das sei ja recht anständig, andere Abgeordnete würden ihr Mandat behalten, während sie in Deutschland Wahlkampf machen. Zumal ja auch der Einzug der kaputten FDP in den Bundestag nicht wirklich sicher ist. Nachdem wir uns verabschiedet haben, twittere ich ein bißchen vor mich hin.


Sachdienlicher Hinweis aus dem Netz

Martin Sonneborn Ich fordere die MEPs Theurer und Graf Lambsdorff auf, zurückzutreten und bis Ende Februar ihr EU-Mandat niederzulegen. #sonstKonsequenzen
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Brüssel, Empfangsbereich des EP

Sonntags ist das Parlament schön leer, ungestört können Büroleiter Hoffmann und ich die Abschiedsrede filmen, die mein depressiver Redenschreiber geschickt hat:

»Selten findet man sich als Angestellter in der glücklichen Situation, die Entlassung des eigenen Chefs miterleben zu dürfen. Es ist, soviel kann ich heute sagen, ein erhebendes Gefühl.

Dieses Gefühl hat einen Namen: Trauer. Chulz’ Abgang ist ein immenser Verlust. Martin Chulz war immer pünktlich, erschien stets mit ordentlich gestutztem Bart und geschmackvoll ausgewählter Krawatte. Seine Anzüge paßten ihm ganz gut. Er war kein einziges Mal in eine Schlägerei verwickelt und hat auch – soweit bekannt – keine Nacktfotos von sich mit dem Diensthandy verschickt. Und für seinen Sprachfehler kann er ja nichts.

Sonntagsarbeit im Parlament

Aber Spaß beiseite: Wir alle hier verdanken Martin Chulz fast alles, denn er hat geholfen, das Europäische Parlament zu dem zu machen, was es heute ist: eine postdemokratische Ramschbude und kostenintensive Deponie für zweitklassige Politheinis aus ganz Europa. Ich möchte hier keine Namen nennen. Außer Martin Chulz. Und natürlich ›Glasauge‹. Und Jo Leinen, die Pfeife. Und mich selbst, nicht zu vergessen.

Machen Sie’s gut, Chef, und denken Sie dran: Man sieht sich immer zweimal im Leben…«

Straßburg, Parlament, Lesetisch

Jo Leinen (183) schlendert vorbei, tut so, als ob er mich nicht sieht. Vier Minuten später wird er bei Twitter aktiv.


Sachdienlicher Hinweis aus dem Netz

Jo Leinen Bravo @MartinSonneborn: bei Halbzeit des #EP schon 30mal zentrales Wahlkampfversprechen gebrochen, nach 1 Monat abzutreten für den nächsten.
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Straßburg, Plenum

MEP Lambsdorff steht vor dem Plenum, unterhält sich mit zwei CDU-Leuten. »…und Karlsruhe sagt immer, die Deutschen wären benachteiligt, weil wir nicht one man, one vote haben. Also dem Voßkuhle könnte ich so eine rein… ditsch!« Als sie mich erblicken, verfinstern sich die CDU-Gesichter. »Sagen Sie mal«, fragt Lambsdorff mich verständnislos, »warum haben Sie mich zum Rücktritt aufgefordert?!« – »Weil ich es kann…«, entgegne ich und muß lachen. »Ich habe gehört, Sie treten im Februar zurück, weil Sie dann Bundestagswahlkampf machen, und wollte den Eindruck erwecken, Sie würden dabei meiner Aufforderung Folge leisten.« Entgeistert schauen mich meine Kollegen an. »Aber ich trete gar nicht zurück, erst im September!« – »Ähem…«, jetzt bin ich irritiert, »wie können Sie denn ernsthaft für die EU arbeiten, wenn Sie monatelang Wahlkampf machen?« Jetzt schaltet sich einer der böse blickenden CDUler ein, zischt: »ERNSTHAFT? Das müssen SIE GERADE SAGEN!«


Sachdienlicher Hinweis aus dem Netz

Martin Sonneborn Gerade #Lambsdorff im EP getroffen, wir haben uns darauf verständigt, dass MEP Theurer und er im September zurücktreten. Für mich ist das ok


Straßburg, Parlament

Zwei kleine Italiener: Berlusconi, Tajani

Den neuen Parlamentspräsidenten kennen Sie bestimmt: Antonio Tajani, Bunga-Bunga-Freund von Berlusconi, ist der neue Chulz.

Im Parlament selbst ist es am Wahltag recht spannend, weil Manne Weber* (CSU), Fraktionsvorsitzender der EVP, es vermasselt hat, mit dem deutschen Übergewicht einen einigermaßen zurechnungsfähigen Kandidaten aufzustellen. Die deutschen Stimmen egalisierten sich, das Ergebnis ist ein Desaster.

Ich hätte lieber den Kandidaten der sozialdemokratischen Fraktion S&D, Gianni Nut… pardon: Pittella gesehen. Schon wegen seines theatralischen süditalienischen Akzentes; aber noch mehr, weil er vorhatte, die für Europa unselige große Koalition im Parlament aufzukündigen. Seine Chancen sinken jedoch rapide, als am Wahltag morgens die große alte Dame der Liberalen, Guy Verhofstadt, überraschend die eigene Kandidatur aufgibt, um Tajani zu stützen und im Gegenzug einen Vizepräsidentenposten zu behalten.

Guy V.

Es bringt dann noch ein bißchen Zunder in die Wahl, daß Verhofstadt ein Angebot der S&D offenbar nur mit sich selbst diskutiert und gar nicht an seine Fraktion weiterleitet. Tajani, der übrigens mit Hilfe der europakritischen ECR gewählt wird (Britische Tories, Polnische PISS-Partei), und den sogar Lambsdorff als »Kröte, die wir schlucken müssen« bezeichnet, dürfte Merkel gefallen. Ein Untersuchungsausschuß des EU-Parlaments attestierte ihm eine Mitschuld am VW-Skandal, weil er 2012 als zuständiger Industriekommissar Hinweisen eines Managers auf Abgasmanipulationen nicht nachging – und statt dessen die vertraulichen Adressdaten des Informanten veröffentlichte.

Straßburg, MEP-Bar

Erschöpft von vier Wahlgängen, verteilt auf fast zwölf Stunden Nichtstun, sitzen Büroleiter Hoffmann und ich abends beim Bier und beobachten, wie Tajani inmitten einer Gruppe halbseiden wirkender Italiener Hof hält. Als Knut Fleckenstein vorbeigeht, frage ich: »Fleckenstein, ist die Große Koalition jetzt passé? Gibt’s wieder politische Auseinandersetzungen? Wird die SPD wieder sozialdemokratisch?« Mit rauchiger Stimme entgegnet er: »Ja, jetzt herrscht Krieg! Aber das heißt ja nicht, daß man nicht in der ein oder anderen Angelegenheit zusammenarbeiten könnte…«

* Manne Streber ist Seehofers heimlicher Kronprinz.

Achtung, Durchsage: Dieser Bericht wurde aus Mitteln des Europäischen Parlamentes finanziert und zeigt möglicherweise ein Zerrbild desselben.

ausgewähltes Heft

Aktuelle Cartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Drama, Reinhold Messner!

»Ich stand am Abgrund«, beklagten Sie sich in einem Interview mit der Apotheken-Umschau über den anhaltenden Erbschaftsstreit in Ihrer Familie. Nachdem Sie den vier Kindern bereits vor Ihrem Tod testamentarisch einen Großteil des Messner’schen Vermögens überlassen hätten, sei es nur noch darum gegangen, wer mehr bekommen habe, und daran sei Ihre Familie letztlich zerbrochen. Ach, kommen Sie, Messner! Dass Sie den Mitgliedern Ihres Clans je nach Grad der väterlichen Zuneigung tatsächlich unterschiedlich große Geldbündel zugeworfen und dann dabei zugesehen haben, wie sich Ihr Nachwuchs um die Differenz kloppt, war für Sie alten Adrenalinjunkie doch bestimmt ähnlich vergnüglich wie eine Achttausenderbesteigung!

Sieht das sogar vom Fuße des Bergs der Erkenntnis aus: Titanic

 Puh, »Frankfurter Rundschau«!

»Während im Süden Europas weiter enorme Hitze herrscht, sorgt ein kurzweiliges Tief in Deutschland für eine Abkühlung.« Es bleibt aber dabei: Die Tiefs sorgen für Abkühlung, und für die Kurzweil sorgen Deine Sprachkapriolen. Nicht durcheinanderbringen!

Warm grüßt Titanic

 Hoffentlich klappt’s, Künstlerin Marina Abramović (77)!

Sie wollen gern mindestens 103 Jahre alt werden. Alt zu sein sei in der Kultur des Balkans, im Gegensatz zu der Nordamerikas, etwas Großartiges. Sie seien »neugierig wie eine Fünfjährige« und wollen noch schwarze Löcher und Außerirdische sehen.

Wir wollen auch, dass Sie Außerirdische sehen bzw. dass die Außerirdischen Sie sehen, Abramović. Wenn Sie die Extraterrestrischen, die, wie wir aus diversen Blockbuster-Filmen wissen, nichts Gutes im Schilde führen, mit einer Ihrer verstörenden Performances voll Nacktheit, Grenzüberschreitung und Selbstgefährdung begrüßen, wenden sie sich vielleicht doch von uns ab.

Kommt stets in Frieden: Titanic

 Mmmmmh, Iglo-Freibad-Pommes!

Ihr seid ein neues Tiefkühlprodukt, das in diesem Sommer vom grassierenden Retro- und Nostalgietrend profitieren möchte. Daher seid Ihr derzeit auf den großen Plakatwänden im Stadtbild vertreten, und zwar garniert mit dem knusprigen Claim: »Das schmeckt nach hitzefrei«.

Aber schmeckt Ihr, wenn wir uns recht erinnern, nicht ebenfalls nach einem kräftigen Hauch von Chlor, nach einem tüchtigen Spritzer Sonnenmilch und vor allem: nach den Gehwegplatten aus Beton und der vertrockneten Liegewiese, auf welchen Ihr regelmäßig zu Matsch getreten werdet?

In jedem Fall bleibt es Euch weiterhin verboten, vom Beckenrand zu springen, schimpft Eure Bademeisterin  Titanic

 Whaaaaaat, Michael Kretschmer?

Whaaaaaat, Michael Kretschmer?

»Tausende Bürgergeldempfänger könnten arbeiten, verweigern dies jedoch und bekommen so Geld vom Staat, für das die Steuerzahler hart arbeiten.«

Oha, Tausende Menschen? Das ist natürlich skandalös! Das sind ja Zahlen im vierstelligen Bereich. Wie soll sich ein Land wie Deutschland mit einer Einwohnerzahl im lediglich achtstelligen Bereich (das ist nur doppelt so viel!) das leisten können? Unter Umständen sind das ungefähr so viele Menschen, wie in Großröhrsdorf wohnen! Ein Glück, dass Sie, Kretschmer, Geld vom Staat bekommen, um solche Zahlen fachmännisch für uns einzuordnen!

Zählt zur Sicherheit noch mal an den eigenen Fingern nach:

Ihre Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Wahre Männer

Auto verkauft, weil das gute Olivenöl zu teuer geworden ist.

Uwe Becker

 Aus einer Todesanzeige

»Wer sie kannte, weiß was wir verloren haben.« Die Kommasetzung bei Relativsätzen.

Frank Jakubzik

 Abschied

Juckeljuckeljuckel,
Das Meer liegt hinterm Buckel,
Dort vorne, da ist Dover,
Da ist die Reise over.

Gunnar Homann

 Hybris 101

Facebook und Instagram, die bekanntesten Ausgeburten des Konzerns Meta, speisen seit kurzem auch private Daten ihrer Nutzer in die Meta-eigene KI ein. Erst wollte ich in den Einstellungen widersprechen, aber dann dachte ich: Ein bisschen Ich täte der KI schon ganz gut.

Karl Franz

 Abwesenheit

Vielen Dank für Ihre E-Mail. Ich bin vom 02.–05.09. abweisend. Ab 06.09. bin ich dann wieder freundlich.

Norbert Behr

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

  • 29.08.:

    Die FR erwähnt den "Björnout"-Startcartoon vom 28.08.

  • 27.08.: Bernd Eilert schreibt in der FAZ über den französischen Maler Marcel Bascoulard.
  • 27.03.:

    Bernd Eilert denkt in der FAZ über Satire gestern und heute nach.

  • 29.01.:

    Ein Nachruf auf Anna Poth von Christian Y. Schmidt im ND.

  • 13.04.:

    HR2 Kultur über eine TITANIC-Lesung mit Katinka Buddenkotte im Club Voltaire.

Titanic unterwegs
10.09.2024 Frankfurt am Main, Club Voltaire »TITANIC-Peak-Preview« mit Stargast Miriam Wurster
13.09.2024 Stade, Schwedenspeicher Ella Carina Werner
14.09.2024 Frankfurt, Museum für Komische Kunst Bernd Pfarr: »Knochenzart«
16.09.2024 Wiedensahl, Wilhelm-Busch-Geburtshaus Hilke Raddatz mit Tillmann Prüfer