Inhalt der Printausgabe

Die PARTEI informiert


Martin Sonneborn (MdEP)
Bericht aus Brüssel
Folge 6

»Man soll nur von Europa sprechen, denn die deutsche Führung ergibt sich ganz von selbst.«

Außenpolitisches Amt der NSDAP

Brüssel, Café Karsmakers

Ich bin der zweitfaulste Abgeordnete des Europäischen Parlamentes, informiert mich unaufgefordert eine Mail von »MEP Ranking«. Das ist natürlich erschütternd, resümiere ich aus meinem schweren Ledersofa heraus, aber durchaus erklärlich: Der Faulste hatte Krebs und konnte über ein halbes Jahr hinweg im Plenum weder Erklärungen abgeben noch One-Minute-Speeches halten. Zum Glück ist er jetzt gesundet. Die PARTEI wird also in den kommenden Monaten in Brüssel eine weitere Spitzenposition besetzen.

Brüssel, Place Londres

Bei einem Kaffee diskutieren Büroleiter Hoffmann und ich die vergangenen Monate. Emotionaler Höhepunkt bleibt für uns die aufgeregte Wortmeldung einer sozialdemokratischen Kollegin im Plenum: »Entschuldigen Sie, Herr Präsident, aufgrund eines Druckfehlers im Abstimmungspapier hat sich gerade die gesamte Sozialdemokratie verwählt. Ich bitte um Wiederholung der letzten Abstimmung, wir sind natürlich für Menschenrechte!« In Anbetracht der Flüchtlingspolitik der EU ist es vielleicht gar nicht so verkehrt, das öffentlich zu behaupten.

Auf jeden Fall war es unser arbeitsreichstes Jahr im Parlament. Nicht zuletzt wegen einer Löschaktion. Erst vor ein paar Wochen hatte es wieder mal gebrannt im Internet, täglich erreichten Hunderte gleichlautender Mails unseren ohnehin überlaufenden Account, in denen mir Türken, die ich gar nicht kannte, wortreich erklärten, daß die Osmanen nie einen Völkermord an den Armeniern verübt hätten und zwar vor fast genau 100 Jahren, deshalb stehe im EU Parlament eine Erklärung dazu an, gegen die ich entsprechend zu stimmen hätte. Nachdem ich mich anläßlich einer Taxifahrt mit Ömer Ö. (türkischer Name abgekürzt) kundig gemacht habe (»Ja, also, ist lange her… War anstrengende Reise für Armenier nach Syrien, durch heiße Wüste… War Erste Weltkrieg, da sowieso wurde viel gestorben…«), beschließe ich, im Netz höflich um die Einstellung der Mailflut zu bitten.


Sachdienliche Hinweise aus dem Netz

Martin Sonneborn Liebe empörte Jungtürken draußen an den Geräten, bitte stoppt die Mailflut auf die EU-Parlamentsaccounts. Natürlich war es ein Völkermord; ich bin Deutscher und kenne mich mit so etwas aus.
Freundliche Grüße,
Martin Sonnebornian (MEP)
Hakan Aydemir Lieber Martin da draussen. Du schmarotzer, ihr habt die EU zur Nutte der Amerikaner gemacht. Kümmer dich um deinen eigen scheiss. Du Vogel
Levent Bora Atukalp Herr Sonneborn Sie machen Urteile ohne dafür nötiges Wissen zu haben nur mit popularen Annahmen.
Bei Ihnen fehlt die Bildung aber Sie haben über alles eine klare Meinung, nicht?
Cihan Çevirme Der Hungermarsch und die Deportationen wurden außerdem von deutschen Offizieren mitorganisiert. Egal ob Völkermord oder fahrlässige Tötung von Menschengruppen, soll nicht vergessen werden daß deutsche Offiziere mit eine Last an der Schuld tragen.
Aber immernoch: ABENDLAND HALT DIE FRESSE!
SmogshaikBest Ich finde es krass wie locker die Türken einfach mal ein fucking Völkermord leugnen.
Sven Brauer Werter Herr Sonneborn, In Ihrem »Bericht aus Brüssel« in TITANIC 04/15 stellen sie die Behauptung auf, das billigste Bier (Stella Artois) in Brüssel würde 1,50 E kosten. Lügenpresse! Lügenpresse! Das billigste Bier gibt es in der »Big Game Sports Bar« an der Bourse: Jupiler für 1 E. Ich als Student in Brüssel werde ja wohl noch wissen, wo es das billigste Bier gibt! Hochachtungs- und voll, Sven Brauer
Martin Sonneborn Voller Respekt! Auch für den Nachnamen!


Meinen Kommentar zum fucking Völkermord gebe ich später noch einmal schriftlich ans Parlament. Die »Erklärung« wird zu Protokoll genommen, auf der offiziellen Seite des EU Parlamentes veröffentlicht und bringt mir einen Punkt im MEP Ranking.

Brüssel, Büro

Gute Nachricht aus Bremen: Die PARTEI (Wahlkampf-Etat: 1000 €) hat bei der Landtagswahl NPD und Piraten (Wahlkampf Etat: 40 000 €) hinter sich gelassen und knapp zwei Prozent der Stimmen erhalten – sowie einen Sitz in der Bremerhavener Stadtverordnetenversammlung. Der Landesvorsitzende Marco Manfredini führt das Ergebnis nicht zuletzt auf ein Plakat zurück, bei dem das ausdrucksstarke Plakat der parteilosen FDP Kandidatin kopiert wurde.

Außerdem prüft der Bremer Landesverband die Möglichkeit einer Wahlanfechtung: »Am witzigsten finden wir, daß wir die einzige Partei sind, die bei der Wahl ein Plus macht. Wir haben immer noch Wahlkampfgeld über, an unseren Ständen haben wir 500 Euro an Spenden eingesammelt, weil die Leute total wild auf unsere Plakate waren, und wir können mit 3000 Euro Wahlkampfkostenerstattung rechnen. Wir sollten dringend die Möglichkeit einer Wahlanfechtung prüfen – die Wahlwiederholung gewinnen wir mit links, die anderen Parteien sind ja erst mal pleite…«

Brüssel, Plenum

Einmal im Monat finden auch in Belgien Plenarsitzungen statt. Im Brüsseler Plenum haben meine FPÖ-Nachbarn die Sitze getauscht, hier sitzt Barbara Kappel neben mir, eine mittelalterliche Tirolerin mit sehr schwarzen Haaren und sehr roten Fingernägeln. Ich kenne sie aus einem Bericht der Zeit, weil sie einmal mit überraschend wenig Erfolg versucht hat, in Osteuropa eine Pyramidenorganisation mit Heil- und Wunderwasser aufzubauen.

Heute leitet der Chef persönlich die Sitzung, Ban Ki-Moon kommt. Und wenn Besuch da ist, führt Martin Chulz lieber selbst durchs Programm. Der Generalsekretär der Vereinten Nationen spricht u.a. über die Herausforderungen Europas in der Flüchtlingspolitik. Besonders gut gefällt mir seine Aufforderung, eine Führungsrolle einzunehmen und die Welt in die richtige Richtung zu lenken. Guter Mann, das; auch wenn mich sein Vertrauen ein wenig überrascht.

Nach der Rede kommt Jean Luc Schaffhauser* (Front National) zu meiner Nachbarin, er steht sichtlich unter Schock: »Bihst du einverstohndänn, daß alle Immigrohntänn kommen ßu uuns? Weil wir ’abben keinö Kindörr, das ’at der Generalßökretär gesagt!« Ehrlich entsetzt stöhnt der kleine Franzose auf: »Das gibt einnö Dramaa!« – »Ich habe nicht zugehört, als der Generalsekretär gesprochen hat«, beruhigt ihn die Österreicherin und versucht umständlich, trotz ihrer langen Plastikfingernägel eine Botschaft in ihr I-Phone zu hämmern.

Vizepräsidentin Mairead McGuinness übernimmt die Sitzungsleitung, und Timmermans, EU-Kommissar und angemessen zwielichtiger Stellvertreter von Kommissionspräsident Juncker, spricht über den G7-Gipfel. Gianluca Buonanno von der Lega Nord stört so lange mit Zwischenrufen, bis McGuinness der Kragen platzt. Sie bittet die Ordner, das rechtsradikale Männlein des Saales zu verweisen. Buonanno, der gerne in Phantasieuniform im Parlament aufläuft und Eva-Braun-Vergleiche anstellt, bleibt einfach starr sitzen, auch als vier Ordner auf ihn einreden. Politische Immunität hat ihre Vorteile.

Nach einigen eher sachbezogenen Wortmeldungen erhält der Pole Korwin-Mikke das Wort, ein radikaler Marktwirtschaftler & Monarchist, der sich mit Forderungen nach Einführung von Todes- und Prügelstrafen einen seltsamen Namen gemacht hat (»Korwin Mikke«).


Sachdienlicher Hinweis von Wikipedia
Während eines Empfangs für Abgeordnete des Europäischen Parlaments verpaßte Korwin Mikke dem Europaabgeordneten Michał Boni eine Ohrfeige. Er begründet den Vorfall damit, daß Boni ihn in der Vergangenheit mehrfach im Fernsehen als meschugge bezeichnet habe.


Der meschuggene Pole verkündet: »Es wurde gesagt, Gewalt geht nicht, aber es gab hier auch schon Gewalt im Saal, als Frau Präsidentin einen Abgeordneten gebeten hat, den Saal zu verlassen. Er wurde aber nicht gewaltsam des Saales verwiesen, und deswegen hat Herr Timmermans weitersprechen müssen trotz seiner Anwesenheit. Leute, die sich gewaltsam verhalten, werden sich immer durchsetzen, also ist es eigentlich töricht, auf Gewalt zu verzichten. Ich glaube, die Europäische Union sollte zerstört werden!«

Apropos Zerstörung: Dresden

Die seriöse House-DJane Lara Liqueur hat sich bereit erklärt, ihre Karriere für das verruchte Amt des Oberbürgermeisters in Dresden aufzugeben. Ihrem Aufruf (»Verhelfen Sie mir zu einem anständigen Dauereinkommen und uns allen zu einem ehrlicher verlogenen Dresden!«) folgen im ersten Wahlgang immerhin 2,5 Prozent der Bürger. Kein schlechtes Ergebnis in einer zerrissenen Stadt, in der die PARTEI Forderung nach dem Wiederabriß der Frauenkirche bei großen Teilen des bürgerlichen Lagers noch immer umstritten ist.


Sachdienlicher Hinweis der FAZ
Für Pegida tritt die einstige Hamburger AfD-Politikerin Tatjana Festerling an, die verzweifelt Anschluß in der Stadt sucht und neulich gar mit der Kandidatin der PARTEI, einem Transvestiten namens Lara Liqueur, in einer Schwulenbar ein Foto machte. Festerling, die bei den Demonstrationen am Montag stets gegen sexuelle Minderheiten hetzt, entschuldigte sich anschließend bei ihren Anhängern.


Sachdienlicher Hinweis der Dresdner Morgenpost
MoPo
2,5 Prozent. Das reicht dennoch nicht, um OB zu werden – was lief schief?
Sonneborn Die Analyse unserer besten Mathematiker läuft darauf hinaus, daß Lara einen ganz klaren Regierungsauftrag für Dresden erhalten hat, allerdings von relativ wenigen Wählern.


Leider sind nach der Wahl viele PARTEI-Freunde wie vor den Kopf geschlagen. Ein Bericht der Morgenpost bringt ein ungeheuerliches Verhalten an den (Wahl-)Tag.


Sachdienlicher Hinweis der Dresdner Morgenpost
Auf ihrer Tour durch die Stadt können sich Lara Liqueur und ihre DIE PARTEI-Anhänger nicht verkneifen, an unser schönes Mopo24-Logo zu pinkeln. Nur zwei Minuten später schütteln sie bei der Wahlparty von Eva Maria Stange Dutzende Hände…


Sachdienliche Hinweise aus dem Netz
Martin Sonneborn Wie unappetitlich, nach dem Pinkeln ausgerechnet SPD-Hände zu schütteln… Smiley!

 

 

* Komisch, daß Schaffhauser nicht zu mir kommt, eigentlich sind wir Freunde! (vgl. »Bericht aus Brüssel 3«)

 

Achtung, Durchsage: Dieser Bericht wurde aus Mitteln des Europäischen Parlamentes finanziert und zeigt möglicherweise ein Zerrbild desselben.

ausgewähltes Heft

Aktuelle Cartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Helen Fares, c/o »SWR« (bitte nachsenden)!

Sie waren Moderatorin des Digital-Formats MixTalk und sind es nun nicht mehr, nachdem Sie ein launiges kleines Video veröffentlicht haben, in dem Sie zum Boykott israelischer Produkte aufriefen, mit Hilfe einer eigens dafür programmierten App, die zielsicher anzeigt, wo es in deutschen Supermärkten noch immer verjudet zugeht (Eigenwerbung: »Hier kannst Du sehen, ob das Produkt in Deiner Hand das Töten von Kindern in Palästina unterstützt oder nicht«).

Nach Ihrem Rauswurf verteidigten Sie sich in einem weiteren Video auf Instagram: »Wir sind nicht antisemitisch, weil wir es boykottieren, Produkte von Unternehmen zu kaufen, die Israel unterstützen. Ein Land, das sich vor dem Internationalen Gerichtshof wegen Genozid verantworten muss, weil es Zehntausende von Menschen abgeschlachtet hat.« Da sich aber auch Deutschland vor dem Internationalen Gerichtshof wegen Beihilfe zum Genozid verantworten muss, war Ihre Kündigung beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk ja ohnehin einvernehmlich, oder?

Kann es sich nicht anders vorstellen: Titanic

 Ach, Scheuer-Andi,

wie der Spiegel meldet, wird niemand für Sie in den Bundestag nachrücken. Da scheinen die Fußstapfen wohl einfach zu groß zu sein.

Die Besten gehen immer zu früh …

Weiß Titanic

 Recht haben Sie, Uli Wickert (81)!

Recht haben Sie, Uli Wickert (81)!

Die Frage, weshalb Joe Biden in seinem hohen Alter noch mal für das Präsidentenamt kandidiert, anstatt sich zur Ruhe zu setzen, kommentieren Sie so: »Warum muss man eigentlich loslassen? Wenn man etwas gerne macht, wenn man für etwas lebt, dann macht man halt weiter, soweit man kann. Ich schreibe meine Bücher, weil es mir Spaß macht und weil ich nicht Golf spielen kann. Und irgendwie muss ich mich ja beschäftigen.«

Daran haben wir, Wickert, natürlich nicht gedacht, dass der sogenannte mächtigste Mann der Welt womöglich einfach keine Lust hat, aufzuhören, auch wenn er vielleicht nicht mehr ganz auf der Höhe ist. Dass ihn das Regieren schlicht bockt und ihm obendrein ein Hobby fehlt. Ja, warum sollte man einem alten Mann diese kleine Freude nehmen wollen!

Greifen Sie hin und wieder doch lieber zum Golfschläger statt zum Mikrofon, rät Titanic

 Ein Vorschlag, Clemens Tönnies …

Ein Vorschlag, Clemens Tönnies …

Während Ihrer Zeit im Aufsichtsrat bei Schalke 04 sollen Sie in der Halbzeitpause einmal wutentbrannt in die Kabine gestürmt sein und als Kommentar zur miserablen Mannschaftsleistung ein Trikot zerrissen haben. Dabei hätten Sie das Trikot viel eindrücklicher schänden können, als es bloß zu zerfetzen, Tönnies!

Sie hätten es, wie Sie es aus Ihrem Job kennen, pökeln, durch den verschmutzten Fleischwolf drehen und schließlich von unterbezahlten Hilfskräften in minderwertige Kunstdärme pressen lassen können.

Aber hinterher ist man immer schlauer, gell?

Dreht Sie gern durch den Satirewolf: Titanic

 Hey, »Dyn Sports«!

Bitte für zukünftige Moderationen unbedingt merken: Die Lage eines Basketballers, der nach einem Sturz »alle Viere von sich streckt«, ist alles Mögliche, aber bestimmt nicht »kafkaesk«. Sagst Du das bitte nie wieder?

Fleht Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Im Institut für Virologie

Jeder Gang macht krank.

Daniel Sibbe

 Vom Feeling her

Es hat keinen Sinn, vor seinen Gefühlen wegzulaufen. Man muss sich schon auch mal hinter einem Baum verstecken und warten, dass die das nicht merken und an einem vorbeiziehen, sonst bringt das ja alles nichts.

Loreen Bauer

 In Würde altern

Früher hätte mich der riesige Pickel mitten auf meinem Hals stark gestört. Heute trage ich den wohl niedlichsten ausgeprägten Adamsapfel, den die Welt je gesehen hat, mit großem Stolz ein paar Tage vor mir her.

Ronnie Zumbühl

 Mitgehört im Zug

»Prostitution ist das älteste Gewerbe der Welt!« – »Ja, aber das muss es ja nicht bleiben.«

Karl Franz

 Gebt ihnen einen Lebenszyklus!

Künstliche Pflanzen täuschen mir immer gekonnter Natürlichkeit vor. Was ihnen da aber noch fehlt, ist die Fähigkeit zu verwelken. Mein Vorschlag: Plastikpflanzen in verschiedenen Welkstadien, damit man sich das Naserümpfen der Gäste erspart und weiterhin nur dafür belächelt wird, dass man alle seine Zöglinge sterben lässt.

Michael Höfler

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
30.04.2024 Hamburg, Kampnagel Martin Sonneborn mit Sibylle Berg