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Fabian Lichters Economy Class

Deltamännchen

Szene: Außengastro, Rhein-Main-Gebiet. Hier sieht man den mittelalten und voll im Geschäftsleben werkelnden Drübersteher, wie er etwa in diesem Fall seinem Gegenüber zuwirft, die nachfolgenden Generationen würden "uns" wieder einmal vorwerfen können, "mitgemacht" zu haben. Dazu eine kühle Halbe, klar, bei so viel heißer Luft.

Anlass waren Abstandsregeln und die paar Meter zum Tisch, die noch eine Maske zu tragen waren, darauf Zustimmung total auf der Gegenseite. Denn Einigkeit herrscht, wo der sonst nur zu gern konforme Mitmacher des schlechten Ganzen, der wohl nicht einmal der sogenannten Aluhut-Fraktion oder einem besonders ökoesoterischen Milieu angehörig sein mag, sondern viel mehr von einer Realität abseits seiner Welt einfach nicht mehr behelligt werden möchte, endlich einmal mit Feuereifer auf alles, was links von ihm oder auch einfach nur ungern in Aerosolwolken steht, loswettern kann.

Es war eben (und ist es bei den hart Gesottenen offensichtlich immer noch) die wilde Zeit derer, die sonst noch jede Sauerei seitens Staat und Kapital abnicken oder stillschweigend geschehen lassen, wenn es nur das eigene Leben nicht tangiert, die sich seit gut eineinhalb Jahren in einer Soße aus Selbstmitleid und Egozentrik badend, wenigstens einmal als Staatsfeinde inszenieren konnten, wenn sie nicht gerade wieder einmal Opfer sind.

Unter Anspielungen auf den Nationalsozialismus macht man es dann eben nicht, was dann freilich doch wieder stark an die Querdenken-Demos erinnert. Dass es ihre stets beschworenen Feinde, jene Menschen, die kritiklos alle Maßnahmen abnicken, sie aus autoritärem Fimmel gar herbeiwünschten, wohl eher selten geben dürfte – geschenkt. Sogar die Wirtschaft brummt entgegen allem Gebibber und Geblöke wie selten ("Erstmals in seiner Geschichte klettert der Dax am Freitag über die Marke von 16 000 Punkten", sz.de) und – das dürfte den Deltamännchen dieser Welt aber nichts ausmachen – mit etwas Pech ab Herbst auch wieder das nächste Upgrade.

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In den Tag

Per Tagesschau-Eilmeldung erfuhr man es jüngst, dass die Prognose bezüglich des 1,5-Grad-Ziels korrigiert werden musste. Laut des neuesten IPCC-Berichts wird – bei derzeitiger Entwicklung – die Marke bereits 2030 gerissen sein, tatsächlich also noch einmal zehn Jahre früher als man noch 2018 angenommen hatte. Keines der aktuellen Wahlprogramme in Deutschland, konstatierte man bei Fridays-For-Future wenige Tage zuvor, genüge derweil, um dem Pariser Abkommen gerecht zu werden.

Das allein könnte als Kapitulation gängiger Politik gewertet werden, wenn noch irgendjemand ernsthaft Illusionen dahingehend gehabt hätte. Hält man sich vor Augen, dass selbst zu Zeiten der strafferen Corona-Einschränkungen, nicht zuletzt im Handel und Reiseverkehr, hierzulande der CO2-Ausstoß gerade um 8,7 Prozent gesunken ist (bmu.de), kann man sich in etwa ausmalen, welche gesellschaftlichen Änderungen nötig sind, um das Ruder in Sachen Klimakrise rumzureißen.

Die westliche Lösung für alles, "baut kleine geile Firmen auf" (Funny van Dannen), taugt eben für nicht viel, neben der Erwirtschaftung von Profit. Aber so will es das Selbstverständnis: Man hat allenfalls Ziele, Pläne hingegen sind etwas für totalitäre Gesellschaften und höchstens in einer Schwundstufe noch für Wahlkampfzeiten brauchbar.

Gerade das zeigt sich nicht nur in Sachen Erderwärmung als Nachteil. Falsch ist es obendrein: Frei nach Pohrt geht man mit der Vorstellung der unsichtbaren Hand des freien Marktes selbst Ideologie auf den Leim, denn natürlich wird, wo gewirtschaftet wird, auch geplant. Und dass Politik dabei tatkräftig mithilft und Bedingungen schafft, davon kann man zum Beispiel bei RWE ein frohes Lied singen. Bleibt die Frage, von wem und zu welchem Zweck wird Produktion geplant.

"Gute Nachrichten für die Umwelt", schreiben Leigh Phillip und Michal Rozworski im Jacobin-Magazin, "kamen (…) in den meisten Fällen von nicht-marktwirtschaftlichen Interventionen. Dass das Problem des Ozonabbaus so gut wie gelöst ist, haben wir nicht dem Markt oder unserem persönlichen Verzicht auf Kühlschränke oder Haarspray zu verdanken, sondern der staatlichen Regulierung."

Ob das, was hier als effizient angebetet wird, am Ende noch unser aller Lebensgrundlagen in Wert verwurstet hat und dabei nichts als verbrannte Erde hinterlässt, wird also wohl allem voran davon abhängen, wie gut es gelingt, das gar nicht mal so planlose kapitalistische in den Tag herein produzieren zu stören. Und die Zeit drängt.

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Deutsche Versöhner

Es ist schon eine besondere Leistung, die Laschet vollbracht hat, nämlich dafür zu sorgen, dass sich einmal wenigstens auch auf Twitter alle einig in etwas sind, jedenfalls darin: Laschet kann es nicht. Der neue Versöhner, er kommt also wohl aus Aachen. Der Rest liegt bekanntlich an den Wählerinnen und Wählern da draußen. Und da muss man einfach ganz klar sagen, dass die Existenz des Mediums Film jemandem wie Laschet in der Hinsicht nicht gerade in die Hände spielt.

Was im Zeitalter mündlicher Überlieferung noch hätte irgendwie gesteuert und verschleiert werden können, dass Laschet eben so ist, wie er aussieht und dass all diese Sätze also tatsächlich und nachweislich aus ihm herauskommen, das könnte im Medienzeitalter doch ein entscheidender Nachteil für ihn sein. Das fällt ihm jetzt sozusagen auf die verdächtig sauberen Gummistiefel.

Es ist dann aber wiederum ein seltsamer Dreh, wenn man ihm ausgerechnet vorwirft, im Wahlkampf nun eben vorrangig das, nämlich Wahlkampf zu betreiben. Wem es genützt hätte, wenn – wie ebenfalls auf Twitter vielfach gewünscht – er doch mal eine Viertelstunde mitgeschippt hätte in den vom Hochwasser verschlammten Eifel-Straßen, das weiß nur die Bubble. Und ob es dem Schlamm überhaupt recht gewesen wäre?

Regelrecht streberhaft dagegen schon Kandidat Scholz, der etwa zeitgleich einen Videobeweis online stellte, der zeigt, wie er bei der Tafel in seinem Wahlkreis Potsdam sehr wohl tatkräftig mittat, Essenskisten schleppte, zumindest einmal, und mit "Teamleiterin Sabine" die Kelle für die Bedürftigen schwang. Dazu auch noch bescheiden genug, nicht gleich prahlerisch damit herauszuplatzen, dass dank ihm und der Agenda 2010 der Laden, gerade was die Kundschaft angeht, ja erst so richtig brummen dürfte.

"Es gibt kein Recht auf Faulheit", sagte bekanntlich schon Gerhard Schröder und wer denkt, bei den Grünen gelte das nichts, übersieht, dass Baerbock sich in Sachen Bürgerdialog in den letzten Tagen wohl einfach nur auf das Portal abgeordnetenwatch.de zurückgezogen hat (698 von 898 Fragen beantwortet), wo sie sich dem Fragen-Dauerfeuer ihrer Wähler und Kritiker stellt. "Wieso ist ihre für Ihre Partei für E-Motoren bei E-Autos?" [sic], will da etwa ein Gregor Helbing am 29. Juli endlich einmal klipp und klar wissen. Volltreffer offensichtlich: Bis jetzt jedenfalls keine Antwort von Baerbock.

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Arbeit und Struktur

In Island wurde jüngst erfolgreich die 4-Tage-Woche getestet, heißt es. Und erfolgreich bedeutet selbstredend, dass bei reduzierter Arbeitszeit die Produktivität nachweislich gestiegen ist. Denn first things – bitte schön – immer noch first.

Nun fühlten sich aber tatsächlich auch die Probanden der Arbeitnehmerschaft wohler, wo sie selbstbestimmter leben und arbeiten konnten, was in der Berichterstattung beinahe als netter, auch irgendwie kurioser Nebeneffekt daherkommt. Endlich einmal keine Verlierer? Man glaubt es eben selbst nicht so recht. Fragt sich, warum existiert dergleichen Abbau von Lebensarbeitszeit dann nur in Versuchsmodellen? Ja, warum geht der Trend weltweit zu wachsenden Arbeitszeiten? Irgendwie so eine Mindset-Sache wahrscheinlich:

"Es ist schlicht und ergreifend eine Tatsache, dass Zeit nicht als politische Gestaltungsaufgabe begriffen wird, denn was macht man mit den Produktivitätszuwächsen, die es ohne Zweifel gibt?" fragt sich z.B. Harald Welzer (philomag.de) und stößt damit in das gleiche Horn wie etwa der "anarchistische" Anthropologe David Graeber, der seinerzeit mit der These, die Berufswelt sei voll von Bullshitjobs aus welchen Gründen auch immer und nicht zuletzt in sich emanzipatorisch dünkenden Kreisen Erfolge feierte.

Graeber kam zur Erkenntnis, dass das alles in der Tat durchaus seltsam und vor allem ineffektiv sei – so fallen Anarchismus und Libertarismus wieder einmal in eines –, und es läge wohl an der politischen Klasse, dass derlei Zustände herrschten, die sich schon irgendeinen Vorteil davon verspräche. Vielleicht, so heißt es knapp 500 Seiten später, sei ja ein Grundeinkommen die Lösung. Dass man damit in die Sachbuch-Bestsellerliste kommt, wundert einen dann schon, bzw. eigentlich auch nicht mehr.

Marx kam jedenfalls recht schnell darauf, dass den Kapitalismus geradezu auszeichnet, dass die Arbeitskraft selbst zur Ware wird, und das wäre ja möglicherweise ein Anknüpfungspunkt gewesen. Von dem aus man aber z.B. auch das Schreiben und hauptberufliche Nachdenken über Bullshitjobs und Gemeinwohlökonomien eben als – nun – Bullshitjob entlarven könnte, der seinen eigenen Gesetzen folgt.

Und man fragt sich weiter: Was nur könnte Menschen dazu veranlassen, in Jobs zu verharren, die sie eigentlich als recht sinnlos erleben, bisweilen hassen? Und was könnte Unternehmerseits der Antrieb sein, doch lieber und stets weiter zu investieren? Wer dazu auch keine Antwort weiß, kann unter Umständen – Vorsicht, Spoiler! – noch ganz gut Geld damit verdienen.

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Nach uns die Sintflut

Man gewöhnt sich ja an alles, selbst an die Irrationalität. Die wird mittlerweile auch schon so offen und unbefangen zur Schau getragen, dass es einen kaum noch wundert, wie sich eine planlose und destruktive Produktionsweise den Menschen doch schon zurechtgemodelt hat. So können Nachrichtensprecher und Journalisten dieses Landes anlässlich der jüngsten Hochwasser dann auch noch wie im Chor von "sintflutartigen Regenfällen" palavern und der Blödsinn hat dennoch sein Wahres, weil man zu großen Teilen eher bereit wäre, eine göttliche Strafe zu bejammern und qualvoll über sich ergehen zu lassen, als eine drohende menschengemachte Katastrophe endlich einmal ernsthaft anzugehen und vielleicht gar abzuwenden. Halleluja!

Ob nun der Klimawandel oder doch nur der Starkregen schuld war an der Zerstörung ganzer Ortschaften, das ist dann nämlich doch eine Frage, die viele gerne noch vorher geklärt wissen wollen. Als ob die Tendenz, dass Starkregen und Extremwetterlagen nachweislich zunehmen, nicht genügen würde, und dieses Entweder-oder schon allein deshalb nicht so ganz aufgehen mag. Und bei wem kopftechnisch schon längst Land unter ist, der sieht im Leid der Menschen, die Angehörige, Existenz und Heim verloren haben, in erster Linie die Gefahr, dass daraus noch ein paar Stimmen für die Grünen herauskommen könnten und warnt: Stoppt die Politisierung der Ereignisse.

Das ist nur konsequent, gibt man sich damit etwa im Hause Springer doch ganz frank und frei als das zu erkennen (nicht dass es weiterer Beweise bedurft hätte), was man ist; in der Polis des antiken Griechenlands galt derjenige, der sich partout aus den öffentlichen Angelegenheiten politischer und gesellschaftlicher Natur heraushielt und den Privatismus vorzog, bekanntlich als Idiot, und wer wollte in dem Falle widersprechen.

Dass heute durchaus beides geht, Politik treiben und ein Idiot sein, das beweist wiederum Armin "Arminion" Laschet und zeigt, was Demokratie 2021 so alles kann: nichts natürlich. Denn wenn Politik im Sehr-spät-Kapitalismus überhaupt noch eine grundlegende Funktion hat außer der Erhaltung der eigenen Machtpöstchen und dem Sichern des Weiter-so, dann wäre das ja selbst das Entpolitisieren aller gesellschaftlichen Widersprüche.

Dafür steht er, Kandidat Laschet, und grinst dumm aus der Wäsche, während die Deiche brechen. Manche Katastrophen laufen eben auf zwei Beinen herum. Und dank des irrwitzigen freien Spiels der Kräfte ist zumindest für eines mit Sicherheit gesorgt: dass für sie immer die Sonne scheint.

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Lasst die Köche rollen

Mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist es für Menschen, die soziale Netzwerke nicht nur aus Erzählungen kennen, meist in etwa so wie mit der Oper: Man findet es schon gut, dass es das alles noch irgendwo gibt, aber man kommt einfach nur sehr selten dazu, weil lol, guck mal da. Das mag ein Problem für die Sender sein, nach den jüngst angekündigten Umbauplänen – unterm Strich: Kürzungen im Bereich Kultur und bei den journalistischen Magazinen, etwa dem Weltspiegel – stellen sich einem dann aber schon ein paar Fragen. Zum Beispiel, warum sie beim ÖRR mittlerweile exakt wie die Privaten klingen, vor allem, wenn es um die Argumentation zur Programmplanung geht.

Dass Menschen sich nicht für Bücher interessieren etwa, das wäre ja immerhin ein deutlicher Beleg für die Notwendigkeit einer Betätigung in diesen Gefilden, statt ein Argument für den Rückzug. Vielleicht würden ein paar mehr im Diesseits verhaftete Gestalten jenseits der Experimentiersparten ja schon helfen? Und dass politischer Journalismus in einem Zeitalter, in dem Menschen glauben, die Erde werde von Echsen regiert, eher was fürs Nachtprogramm ist, dürfte auch nicht die taghellste Entscheidung sein.

Vielleicht haben wir über die Jahre aber auch einfach vergessen, wofür ein öffentlich-rechtlicher Rundfunk da ist: Vielleicht dafür, verhaltensauffällige Köche von der Straße zu holen und ihnen ein menschenwürdiges Leben im Scheinwerferlicht zu ermöglichen. Die Auslandsberichterstattung wird halbiert, das ist natürlich schade, aber bei Horst Lichter gibt es dafür gleich Ingwer-Gnocchi. Njam, njam!

Mag sein, dass das ganze Unternehmen Fernsehen den Bach runtergeht, aber wäre dann nicht immer noch ein halbwegs stilvoller Abgang einem solchen Gewurstel vorzuziehen? Warum also – mein Rezept für einen ausgewogenen ÖRR – nicht da kürzen, wo es alleine schon der gute Geschmack dringend fordert? Denn was das für eine Kultur sein soll, bei aller Liebe zum Genuss, die zwar aus dem FF einen Rehbraten schmoren kann und auch nachts aus dem Schlaf gerissen pflichtbewusst das Rezept für eine Béchamelsauce dahermurmeln könnte, ein Buch jedoch allenfalls noch als Topfunterlage zu nutzen weiß, das mag mir mal ein Medienmanager erklären.

Gegen Stumpfheit hilft kein Schneebesen und den Eskapismus einer Gesellschaft, in der niemand mit jemandem außer sich selbst oder seinesgleichen noch etwas zu tun haben möchte, kann man wunderbar fördern, in dem man den Menschen beständig sich selbst spiegeln lässt. All das, während Sender wie RTL und Prosieben verkünden, nun ja, seriöser werden zu wollen, und man weiß nicht, was schlimmer ist. Zum Glück gibt es ja Youtube.

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Abgekupfert

An der Debatte zur Baerbock-Plagiatsaffäre ist zum einen erstaunlich, wie gut es doch immer wieder funktioniert, Wahlkämpfe zu entpolitisieren und von Inhalten abzulenken, zum anderen, wie viele Menschen noch glauben, dass jemand wie Annalena Baerbock – immerhin als Kanzlerkandidatin bzw. Bundesvorsitzende nicht gerade unbeschäftigt – ihr obligatorisches Wegwerfbuch für die statistisch errechneten paar Extrastimmen persönlich schreibt.

Schließlich macht Baerbock selbst keinen Hehl daraus, beim Verfassen "Unterstützung" gehabt zu haben. Heißt, ihr Fehler war wohl eher, den falschen Ghostwriter angeheuert zu haben, sofern sie wiederum diesen überhaupt alleine engagiert haben sollte. Letzteres mal eher herbeiphantasiert, doch um mir Annalena Baerbock vor einem leeren Word-Dokument sitzend vorstellen zu können, nach dem richtigen Worte ringend, während draußen gerade die Wahlkampfmaschine rattert, dafür langt es dann doch nicht bei mir.

Natürlich ist bereits die Problemstellung "Darf eine potentielle Kanzlerin so ein Buch abliefern?" – ob nun per Kampagne gesetzt oder nicht – geradezu lächerlich sinnfrei. Wer sich nach 16 Jahren CDU-Regierung von den Grünen tatsächlich grundlegende Änderungen erhofft und wegen eines schlampig verfassten Grabbeltischbuchs von Enttäuschung derart übermannt ist, lieber einem Totalausfall wie Laschet seinen Segen zu geben, seine Empörung also über eine erwartete Besserung der eigenen Lebensumstände und der anderer stellt, der muss schon ein sagenhaft moralischer Depp sein.

Andererseits ist es vielleicht auch gerade das, was bei einer solchen Wahl überhaupt noch einen Unterschied macht, weil tatsächliche Verbesserungen der Verhältnisse längst ins Reich des Utopischen abgewandert sind – das gute Gefühl, das einem dabei bleibt. Somit müsste sich Politik zwangsläufig auf die Ebene der Moral verschieben, wo es bei den anderen wirklich nicht besser aussieht: bei Laschet, der während eines Lehrauftrags die Arbeiten seiner Studenten verschlampte und sich die Noten für sie – pragmatisch praktisch gut – aus den Fingern gesaugt hat. Der selbst zu Hans-Georg Maaßens Pöbeleien vom rechtesten Rand keinen klaren Satz herausbekommt. Oder bei Olaf Scholz, der … aber muss ich das hier wirklich noch mal alles aus den Zeitungen von gestern abkupfern?

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Gute Frage, liebe »Süddeutsche«!

»Warum haben wir so viele Dinge und horten ständig weiter? Und wie wird man diese Gier wieder los?« teast Du Dein Magazin an, dasselbe, das einzig und allein als werbefreundliches Vierfarb-Umfeld für teuren Schnickschnack da ist.

Aber löblich, dass Du dieses für Dich ja heißeste aller Eisen anpackst und im Heft empfiehlst: »Man kann dem Kaufimpuls besser widerstehen, wenn man einen Schritt zurücktritt und sich fragt: Wer will, dass ich das haben will?«

Und das weiß niemand besser als Du und die Impulskundschaft von Titanic

 Grüß Gott, Businesspäpstin Diana zur Löwen!

Du verkaufst seit Neuestem einen »Anxiety Ring«, dessen »bewegliche Perlen« beim Stressabbau helfen sollen. Mal abgesehen davon, dass das einfach nur das hundertste Fummelspielzeug ist, kommen uns von ihren Nutzer/innen glorifizierte und zur Seelenerleichterung eingesetzte bewegliche Perlen an einer Kette verdächtig bekannt vor.

Ist für Dich natürlich super, denn auch wenn Du Deinen treuen Fans skrupellos das Geld aus der Tasche ziehst, in die Hölle kommst Du zumindest für diese Aktion sicher nicht.

Auch wenn dafür betet:

Deine Titanic

 Hallihallo, Michael Maar!

In unserem Märzheft 2010 mahnte ein »Brief an die Leser«: »Spannend ist ein Krimi oder ein Sportwettkampf.« Alles andere sei eben nicht »spannend«, der schlimmen dummen Sprachpraxis zum Trotz.

Der Literatur- ist ja immer auch Sprachkritiker, und 14 Jahre später haben Sie im SZ-Feuilleton eine »Warnung vor dem S-Wort« veröffentlicht und per Gastbeitrag »zur inflationären Verwendung eines Wörtchens« Stellung bezogen: »Nein, liebe Radiosprecher und Moderatorinnen. Es ist nicht S, wenn eine Regisseurin ein Bachmann-Stück mit drei Schauspielerinnen besetzt. Eine Diskussionsrunde über postmoderne Lyrik ist nicht S. Ein neu eingespieltes Oboenkonzert aus dem Barock ist nicht S.«

Super-S wird dagegen Ihr nächster fresher Beitrag im Jahr 2038: Das M-Wort ist ja man auch ganz schön dumm!

Massiv grüßt Sie Titanic

 Hä, »Spiegel«?

»Aber gesund machen wird diese Legalisierung niemanden!« schreibst Du in einem Kommentar zum neuen Cannabisgesetz. »Ach, echt nicht?« fragen wir uns da verblüfft. Wir waren bisher fest vom Gegenteil überzeugt. Immerhin haben Kiffer/innen oft sehr gute feinmotorische Fähigkeiten, einen gesunden Appetit und ärgern sich selten. Hinzu kommen die unzähligen Reggaesongs, in denen das Kiffgras als »Healing of the Nation« bezeichnet wird. All dies willst Du nun tatsächlich infrage stellen? Da lieber noch mal ganz in Ruhe drüber nachdenken!

Empfehlen Deine Blättchenfreund/innen von Titanic

 Prophetisch, »Antenne Thüringen«?

Oder wie sollen wir den Song verstehen, den Du direkt nach der von Dir live übertragenen Diskussion zwischen Mario Voigt und Björn Höcke eingespielt hast? Zwar hat der Thüringer CDU-Fraktionschef Höckes Angebot einer Zusammenarbeit nach der Wahl ausgeschlagen. Aber es wettet ja so manche/r darauf, dass die Union je nach Wahlergebnis doch noch machthungrig einknickt. Du jedenfalls lässt im Anschluss den Musiker Cyril mit seinem Remake des Siebziger-Lieds »Stumblin’ in« zu Wort kommen: »Our love is alive / I’ve fallen for you / Whatever you do / Cause, baby, you’ve shown me so many things that I never knew / Whatever it takes / Baby, I’ll do it for you / Whatever you need / Baby, you got it from me.« Wenn das nicht mal eine Hymne auf eine blau-schwarze Koalition ist!

Hätte sich dann doch eher »Highway to Hell« gewünscht: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Im Institut für Virologie

Jeder Gang macht krank.

Daniel Sibbe

 Finanz-Blues

Wenn ich bei meiner langjährigen Hausbank anrufe, meldet sich immer und ausnahmslos eine Raiffeisenstimme.

Theobald Fuchs

 Tödliche Pilzgerichte (1/1)

Gefühlte Champignons.

Lukas Haberland

 Frage an die Brutschmarotzer-Ornithologie

Gibt es Kuckucke, die derart hinterhältig sind, dass sie ihre Eier anderen Kuckucken unterjubeln, damit die dann fremde Eier in fremde Nester legen?

Jürgen Miedl

 Konsequent

Die Welt steckt in der Spermakrise. Anzahl und Qualität der wuseligen Eileiter-Flitzer nehmen rapide ab. Schon in wenigen Jahren könnten Männer ihre Zeugungsfähigkeit vollständig verlieren. Grund hierfür sind die Verkaufsschlager aus den Laboren westlicher Großkonzerne. Diese Produkte machen den Schädling platt, das Plastik weich und das Braterlebnis fettfrei und wundersam. Erfunden wurden diese chemischen Erfolgsverbindungen von – Überraschung – Y-Chromosom-Trägern. Toll, dass sich Männer am Ende doch an der Empfängnisverhütung beteiligen.

Teresa Habild

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
30.04.2024 Hamburg, Kampnagel Martin Sonneborn mit Sibylle Berg