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TITANIC-Wochenrückblick
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Müters Söhne #15
Erste Liebe
"Ich habe meine Muse gefunden"
Gideon ist 17 Jahre alt. Seine Mutter Viola Müter schreibt hier im wöchentlichen Wechsel über ihn und ihre anderen zwei Söhne im Alter von 5 und 12 Jahren. Die Mutter nennt sie liebevoll ihre "Mütersöhnchen".
Gideon hat in der Métro in Paris eine gleichaltrige Französin angeflirtet. "Ich habe meine Muse gefunden", verkündete er nur wenige Sekunden, nachdem er und Clémentine ihre Instagram-Handles ausgetauscht hatten. Im ersten Moment fand ich Clémentine unsympathisch. Im zweiten auch, denn als ich mich als Gideons Mutter vorstellte, ließ Mademoiselle Mandarine, oder wie auch immer sie heißt, mich blöd dastehen. Sie tat so, als verstehe sie mein Französisch nicht. In der Hinsicht passen sie und Gideon gut zusammen. Schade, dachte ich. So schnell wird man während eines entspannten Mutter-Sohn-Trips durch eine Jüngere ersetzt.
Manche würden es sicher als zynisch bezeichnen, unter den Umständen von einem entspannten Mutter-Sohn-Trip zu sprechen. Gideon und ich sind nach Paris gefahren, weil mein Mann unter der Wahnvorstellung leidet, dass Thorben von seinem Vater, dem Mentalisten Stefan, entführt wurde. Ich meine, es gibt nachvollziehbare Gründe dafür, dass wir seit fast zwei Wochen nichts von den beiden gehört haben. Ich stelle mir vor, wie sie zusammen auf dem Eiffelturm liegen, unfähig ihn zu verlassen, weil sie sich versehentlich gegenseitig hypnotisiert haben. So oder so ähnlich einfach wird die Funkstille zu erklären sein.
Ich hätte mir gewünscht, dass Gideon und ich erst mal gemeinsam Paris erkunden, bevor wir unser jüngstes Familienmitglied wieder nach Hause bringen. Wir können schließlich dankbar sein, dass Thorben sich in der französischen Hauptstadt aufhält und nicht in Bielefeld. Stattdessen bezeichnet er das erstbeste Mädchen als die "Liebe seines Lebens" und plant seine Tage anderweitig: nämlich ohne mich. Ich bin skeptisch. Ich vermute sogar, dass Gideon von Beginn an das Ziel verfolgt hat, eine Muse zu finden. Dass er gar nicht vorhatte, Zeit mit mir zu verbringen, sondern mich loswerden wollte. Vor der Abreise durchlief er einen Glow Up, wie die jungen Leute sagen. Und ich Dumm-Naive hatte mir eingeredet, er habe seinen spießigen Look abgelegt, damit ich mich weniger für ihn schäme.
Während ich einsam den Eiffelturm besteige, trifft sich Gideon mit Sérpentine in einem Café in Montparnasse. Bestimmt sind sie in einem dieser Bistros, das berühmt ist, weil Ernest Hemingway dort von einem Iced Brown Sugar Oatmilk Shaken Espresso Durchfall bekommen hat. Oder was auch immer angehende Literaten damals getrunken haben. Zuhause hatte ich mich noch über Gideon lustig gemacht, dass er in Paris auf den Spuren Hemingways wandeln wolle. Jetzt, allein auf dem Eiffelturm stehend, wo weder Stefan noch Thorben hypnotisiert liegen, bereue ich mein Verhalten. Ich suche Gideon in meinen Kontakten. "Es kann sein, dass Thorben wirklich entführt wurde", sage ich, noch bevor er sich mit seinem Namen melden konnte. Mein ältester Sohn muss sich jetzt entscheiden – Familie oder Liebe?
Die Kolumne von Viola Müter erscheint jeden Donnerstag nur bei TITANIC.
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Über welche Anschläge darf ich mich noch freuen?
Der versuchte Mordanschlag auf Donald Trump hat in der deutschen Medienlandschaft eine Diskussion losgetreten: Darf man den Anschlag auf einen faschistoiden Politiker gutheißen? Trotz Debattenbeiträgen, Threads-Aphorismen und einem El-Hotzo-Post konnte darauf noch keine eindeutige Antwort gefunden werden. Bis jetzt! TITANIC hat sich umgehört und stellt den ultimativen Moralkompass vor.
Joe Biden
Jedes Haustier in solch einem desolaten Zustand hätte aus ethischen Gründen längst den Gnadenschuss erhalten. Begeisterung über sein Ableben kann also nur als Erleichterung über das Ende eines langen Leidenswegs gesehen werden. Ergo: kein Problem.
Robert Habeck
Die moralischen Instanzen des Landes (Hubert Aiwanger, Ulf Poschardt, Monika Gruber) sind sich einig: Dieser Mann treibt Deutschland in eine klimahysterische, frühsexualisierte Woke-Diktatur. Natürlich darf Gewalt kein Mittel sein. Aber wenn rein zufällig irgendein Irrer im Alleingang eine Geiselnahme oder rituelle Pfählung durchführen würde, wäre das eine Erholung für den geschundenen Volkskörper. Da Freude zu äußern: nur menschlich.
Giorgia Meloni
Einer Politikerin, die Geflüchtete wahlweise ertrinken oder deportieren lässt und mit der faschistischen Vergangenheit des eigenen Landes flirtet, gleich eine Kugel zwischen die Glubschaugen zu wünschen? Das geht gar nicht und zeigt, wer hier wirklich der Nazi ist!
Papst Franziskus
Der Stellvertreter Gottes – ein autoritärer Greis, der nach mittelalterlichen Gebräuchen seine heilige Alleinherrschaft mitten in Europa ausübt. Da geht einem direkt das Messer unterm Büßergewand auf. Aber bedenken Sie die Folgen: Ein blutrünstiges Attentat auf den Kirchenmann könnte zu einem dramatischen Absatzverlust von bereits produzierten Merchandise-Produkten, ausbleibenden Touristenströmen und letztendlich einer Kettenreaktion samt Wirtschaftskrise Italiens, der katholischen Kirche und der gesamten westlichen Welt führen. Chaos, Zusammenbruch und The Great Reset wären die Folge. Also eigentlich schon ein Grund zum Jubeln.
Das Moorhuhn
Sie freuen sich, dass Sie nach zehn Jahren Dauerballern am Windows-XP-Tower-PC Ihrer Souterrain-Mancave das letzte Moorhuhn im Endbosslevel erschossen haben? Die Sachlage ist klar: Sie sind ein Psychopath, nicht gesellschaftsfähig und höchstwahrscheinlich der nächste Präsidentenkiller.
Adolf Hitler
Ein abschließendes Urteil zu diesem für viele Deutsche sensiblen Thema steht noch aus. Im Zuge der bevorstehenden Feierstunde zum 80jährigen Jubiläum des Stauffenberg-Attentats erscheint dazu ein philosophisches Think Piece von Richard David Precht und Juli Zeh auf Zeit Online.
CK
Lieber Jörg Metes (5.1.1959–16.6.2024),
Zeichnung: Tex Rubinowitz
Du warst der jüngste TITANIC-Chefredakteur aller Zeiten. Du warst der Einzige, der jemals eine klare Vorstellung davon hatte, wie das ideale Heft aussehen musste, und hast immer sehr darunter gelitten, dass sich Deine Utopie nur unzureichend umsetzen ließ. Aus Mangel an Zeit und an Mitarbeiter/innen, die bereit waren, sich Nächte um die Ohren zu schlagen, nur um die perfekte Titelunterzeile oder das richtige Satzzeichen am Ende des Beitrags auf Seite 34 zu finden.
Legendär der Beginn Deiner satirischen Tätigkeit, als Du Dich keineswegs über einen Abdruck Deiner Einsendung freutest, sondern Robert Gernhardt und Bernd Eilert dafür beschimpftest, dass sie minimale Änderungen an Deinem Text vornahmen. Das wurde als Bewerbungsschreiben zur Kenntnis genommen und Du warst eingestellt. Unter Deiner Regentschaft begann die Blütezeit des Fotoromans, Manfred Deix, Walter Moers und Michael Sowa wurden ins Blatt gehievt, und manch einer erinnert sich noch mit Tränen in den Augen daran, wie er mal mit Dir eine Rudi-Carrell-Puppe vor dem iranischen Konsulat verbrannt hat.
Nach TITANIC hast Du viele, die ihr Glück weder fassen konnten noch verdient hatten, mit Spitzenwitzen versorgt und dem ersten deutschen Late-Night-Gastgeber Thomas Gottschalk humortechnisch auf die Sprünge geholfen. Und dass River Café, eine deutsche Talkshow, die live aus New York kam, nur drei Folgen erlebte, lag bestimmt nicht an Deinen Texten. Auf Spiegel online hieltest Du als ratloser Auslandskorrespondent E. Bewarzer Dein Kinn in die Kamera, und gemeinsam mit Tex Rubinowitz hast Du das Genre des Listenbuches vielleicht sogar erfunden, auf jeden Fall aber end- und mustergültig definiert und zwar unter dem Titel: »Die sexuellen Phantasien der Kohlmeisen«. Und diese eine Geschichte, wo ein Psychiater in ein Möbelhaus geht, um eine neue Couch zu kaufen, und der Verkäufer probeliegen muss, wo stand die noch mal? Ach, in der TITANIC? Sollte eigentlich in jedem Lesebuch zu finden sein.
Uns ist natürlich bewusst, dass Du auch diesen Brief, wie so viele andere, lieber selber geschrieben und redigiert hättest – aber umständehalber mussten wir das diesmal leider selbst übernehmen.
In Liebe, Deine Titanic
Vorschlag zur Güte #19
Scheinbar unüberbrückbare Differenzen spalten unsere Gesellschaft dieser Tage, wohin man auch schaut. Dem ehemaligen TITANIC-Chefredakteur und Hobby-Mediator Moritz Hürtgen lässt das keine Ruhe, liegt eine versöhnliche Lösung doch oft auf der Hand.
Die Kolumne von Moritz Hürtgen erscheint jeden Dienstag nur bei TITANIC.
Nach dem misslungenen Attentat auf den ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump ist man sich in Deutschland uneinig darüber, ob und wenn ja, wie scharf man die Tat verurteilen soll. Bundeskanzler Olaf Scholz zum Beispiel hatte bis zum Montag noch keinen direkten Kontakt zu Donald Trump.
Vorschlag zur Güte: Deutschland hält sich mit Einordnungen zum Attentat zurück, bis die US-Wahl im November gelaufen ist – und verurteilt solange weiterhin den nicht gegeben Handelfmeter im Viertelfinale gegen Spanien.