Newsticker

Nur diese Kategorie anzeigen:Dax Werners Debattenrückspiegel Eintrag teilenEintrag per Email versenden Mit Facebook-Freunden teilen Twittern mit Google+ teilen

Dax Werners Debattenrückspiegel KW14

Liebe Leser_innen,    

es war ein Schritt, der so und nicht anders zu erwarten war: Das Greifswalder Katapult-Magazin, der Go-to-Place in Sachen tagesaktueller Berichterstattung, ging die ersten 4 Tage nach dem russischen Überfall auf die Ukraine auf die Matratzen, produzierte im Akkord Infografik um Infografik, darunter ein dezent in rot getauchtes Sharepic "Putin versetzt Atomstreitkräfte in Alarmbereitschaft". Anschließend wurde per Handzeichen über einen freiwilligen Gehaltsverzicht zum Aufbau einer ukrainischen Redaktion abgestimmt. Wie tickt die Photoshop-Redaktion in Greifswald, die dpa-Meldungen ganz neu denkt? Was können wir von ihr lernen? Ein Ortsbesuch.    

Es ist Mittwochmorgen, kurz nach 5 Uhr, als ich in Greifswald ankomme. Wer verstehen will, wie ein Sharepic entsteht, muss hier hinkommen: Katapult-Länd. Langsam rolle ich mit dem Share Now Mini über den Schotter, als mich der Chef persönlich an einem selbstgebauten Checkpoint ungefähr 500 Meter vor dem Redaktionsgebäude rauswinkt. Sein Atem verdampft und bleibt einen Moment lang in der Luft stehen: Es ist kalt. "Werner von der Titanic? Alles klar, einmal durch zum Haupteingang", ordnet er kurz an und schultert dann wieder sein Gewehr, das er, wie er mir später erklären wird, nur zum Teil aus Solidarität trägt: Vorgestern seien Leute vom DJV in der Gegend gesehen worden, Gewerkschafter könne er hier gerade überhaupt nicht brauchen.    

Dann führt mich Benjamin Fredrich in der Redaktion herum. Ich will es wissen: Wie arbeitet Deutschlands wichtigstes Medium, wenn es um tagesaktuelle Berichterstattung geht? Fredrich lächelt: "Im Grunde liegen die News auf der Straße. Die Deutsche Presseagentur schreibt jeden Tag hunderte Meldungen, aber keiner setzt sich hin und kopiert die Überschrift mal in Photoshop rein. Old-economy-mindset. Hier kommen wir ins Spiel." Ich nicke begeistert: Bin ich gerade dabei, wie die Zukunft des Journalismus in Greifswald gelebt wird? Vielleicht. Ich spreche ihn auf das Sharepic zur Atomwaffenbereitschaft vom 27. Februar an. Hätte das Magazin hier nicht noch weiter einordnen müssen, einige Leser_innen hätte die Meldung sicher in Panik versetzt? "Nein, wieder falsch gedacht. Als Magazin können wir nur Denkanstöße liefern. Zuviel Hintergrund kann eine Geschichte auch schnell kaputt machen. Die Story muss im Kopf des Lesers entstehen. Stichwort Fantasie." Fredrich formt einen Kreis mit seinen Händen und blickt mich lange an. Ich blicke lange in den Kreis und kurz befürchte ich, dass er nun doch eingeschlafen ist, doch dann ist er wieder da: "Komm, ich zeig dir was." 

Auf dem Weg in den Keller spreche ich ihn auf den Gehaltsverzicht an: "Habt ihr wirklich per Handzeichen darüber abgestimmt, wer auf sein Gehalt verzichten will? Ist das nicht irgendwie schwierig, also rechtlich?" Wer wirklich Journalismus betreiben will, für den sei es zweit- bis drittrangig, ob er dafür bezahlt werde, erklärt Fredrich. Das sei auch so ein Satz von ihm, über den er lange nachgedacht habe und der mit der Zeit immer besser werde. "Aber da endet es nicht. Matthias?" Ein schlaksiger Mittzwanziger mit Augenringen gesellt sich plötzlich zu uns, offenbar ist das Matthias und er führt stolz aus: "Ich habe gestern mein Abschlusszeugnis von der RTL-Journalistenschule verbrannt. Aus Solidarität! Die ZDF Drehscheibe kommt morgen Mittag vorbei, dann stellen wir das im Hof nochmal für die Kameras nach!”    

Als wir den Keller betreten, höre ich plötzlich nur noch wildes Wasserrauschen. Dies sei das Katapult Klima Lab, brüllt mir Fredrich ins Ohr. Hier werde abgebildet, wie Redaktionen in einigen Jahren in den Niederlanden und an der Ericusspitze arbeiten werden. Im Keller schwimmen einige Mitarbeiter_innen in Tauchanzügen, als sie Fredrich sehen, zeigen sie kurz einen Daumen nach oben.

Ein Leben am Limit im Dienste der Berichterstattung. Das geht irgendwann an die Substanz: "Gestern Nachmittag habe ich mich dabei erwischt, dass ich mal kurz eine Sekunde nicht an den Ukraine-Krieg gedacht habe. So geht's natürlich nicht. Ich hab mir jetzt freiwillig die andere Hälfte meines Gehalts gekürzt."

Als ich mit dem Mini vom Hof fahre, winkt mir Fredrich kurz hinterher. Dann geht es zurück an die Newsfront: das Geschäft mit den dpa-Meldungen kennt keinen Schlaf.    

Euer: Dax Werner            

Nur diese Kategorie anzeigen:Dax Werners Debattenrückspiegel Eintrag teilenEintrag per Email versenden Mit Facebook-Freunden teilen Twittern mit Google+ teilen

Dax Werners Debattenrückspiegel KW13

Liebe Leser_innen,

in der Krise werden Held_innen geboren. Letztlich eine Binse, ja, vielleicht so alt wie das dritte Zeitalter in "Der Herr der Ringe". Auch der Krieg in der Ukraine produziert hier, roundabout 1500 Kilometer weiter westlich, ständig neue Held_innen: Außenministerin Baerbock zum Beispiel oder Carlo Masala von der Universität der Bundeswehr München, der nun in sämtlichen Talkshows den freigewordenen Sessel besetzt, auf dem bis vor ein paar Wochen noch Dirk Brockmann, Alexander Kekulé oder Hendrick Streeck saßen. Und uns dabei erklärt, warum die 100 Milliarden nur der Anfang sein dürfen. Auch Robert Habeck durchläuft gerade ein Hoch und wird von Edelfeder Jan Fleischhauer bis zu den Social-Media-Redakteuren im Willy-Brandt-Haus bis zur Besinnungslosigkeit abgekultet. Es sind wilde Zeiten.

Doch es gibt auch stille Held_innen, die dieser Februar 2022 hervorgebracht hat. Ich nenne sie: Nachdenkliche Linksliberale mit Profilbild. Menschen, die zwar nicht direkt in den Krieg involviert sind, dafür aber seither wie wir alle mit starken Gefühlen zu kämpfen haben. Gefühle, die irgendwo hin müssen. Einer von ihnen ist Nils Minkmar, Kulturredakteur der Süddeutschen Zeitung. Auf seinem Twitterprofil teilt er immer wieder kluge Miniatur-Beobachtungen, manchmal sanft, mitunter leicht spöttisch, jedoch immer mit ordentlich diskursiven Reverb (Nachhall). Da wo in anderen Profilen Berlin oder Köln steht, steht bei Minkmar, na klar: Europa.

Und am 10. März publizierte ebenjener am frühen Vormittag einen Tweet, der mich seither nicht loslässt. Er setzt unvermittelt ein, mittendrin sozusagen, fast so, als greife er einen Gesprächsfaden, der am Vorabend beim dritten Rotweinglas entglitt, mit so selbstverständlicher wie dringlicher Eleganz wieder auf: "In der Frage des Öl/Gas Stopps und der Hilfe für die Ukraine geht es mir nicht schnell genug". Jeder Drehbuch-Ratgeber weiß: Steig’ so spät wie möglich in die Szene ein, geh’ so früh wie möglich wieder raus. Gekonnt ist eben gekonnt: Als Leser bin ich sofort drin, gleichzeitig versuche ich noch, mental Schritt zu halten, die pace auf der Gedankenautobahn mitzugehen, da kündigt sich schon nach nur 92 Zeichen – mit leichter Hand durch mein Lieblingssatzzeichen, den Halbgeviertstrich, angedroht – der Plottwist an: "– aber da ist noch eine andere Empfindung: der Ampel, der Biden Administration und Macron vertrauen zu können."

"Aber da ist noch eine andere Empfindung". Was für ein unfassbarer Powersatz. Eine komplett ausgestattete Filmkulisse manifestiert sich in Sekundenbruchteilen vor meinem inneren Auge. Da ist jemand, so lese ich es, auf Erkundungstour in die eigene Gefühlswelt, auf Expedition ins eigene Ich. Und wir dürfen dabei sein. Auf welche Empfindungen werden wir dabei wohl noch stoßen? Hoppla, hier ist ja noch eine Empfindung! Es ist die Antwort auf die Frage "Was macht das mit dir", aber als Abenteuerfilm. Denn einem Indiana Jones im Tempel der Empfindungen gleich guidet uns Minkmar durch den ganz eigenen Gefühlstempel, mit einer lodernden Fackel in der Hand die Richtung weisend, vorsichtig, tastend und doch beherzt, und in mir entspinnt sich fast eine Art Dialog: Nils Minkmar: "'Der Ampel, der Biden Administration und Macron vertrauen zu können.' Ich bin von mir selbst überrascht. Was sagt ihr zu dieser hübschen Empfindung?"

Dax Werner: "Sie klingt exquisit, wenn ich das so sagen darf. Kann ich sie mal anfassen?"

NM: "Das würde ich an deiner Stelle nicht machen. Dieser Ort birgt dunkle Geheimnisse, wie du weißt."

DW: "Für mich soweit in Ordnung. Können wir jetzt endlich weiter?"

NM: "Einen kurzen Moment noch (atmet tief ein). Das war doch eine spannende Empfindung, nicht wahr? Also, damit hätte doch nun wirklich niemand gerechnet?"

DW: "Naja, ich ehrlich gesagt schon. Sie tragen immerhin gerade einen EU-Hoodie."

NM: "So, so, Mr. Oberschlau. Mach die Stimmung doch ganz kaputt, du blödes Arschloch!"

Fin.

Wünscht euch an diesem Sonntag ganz viele verschiedene Empfindungen:

Euer Dax Werner

Nur diese Kategorie anzeigen:Dax Werners Debattenrückspiegel Eintrag teilenEintrag per Email versenden Mit Facebook-Freunden teilen Twittern mit Google+ teilen

Dax Werners Debattenrückspiegel KW12

Liebe Leser_innen,    

diese Woche hab ich’s schon wieder sehr deutlich gespürt: Es ist mal wieder Zeit für eine Fußball-Kolumne! Denn der Bayernkicker und umstrittene Pferdezüchter Thomas Müller referierte bei einer DFB-Pressekonferenz zur Lage der Menschenrechte in Katar. Weil Müllers Ausführungen im Kontext des sicherheitspolitischen Mainstreams etwas unorthodox wirkten, hagelte es auf Twitter, "dem Kanal der moralisch Überlegenen" (Oliver Fritsch in DIE ZEIT), natürlich Häme und Memes. Also: Falscher Einwurf Müller?    

Zeit für den Zeitlupenkeller in Köln. Was genau hatte Müller denn vom Leder gelassen? Zum Beispiel, dass es in der Causa Katar um Menschenrechtsverletzungen gehe, "die grundsätzlich in jedem Land auftreten. Auch in Deutschland gibt es Menschenrechtsverletzungen." Wie bei so manchem Fußball-Tor wuselt sich Müller hier zwar ungelenk durch den Debattenstrafraum, schiebt den Ball am Ende trotzdem noch "irgendwie" über die Linie. Und das ist es, was zählt, denn sowohl Fußball als auch Menschenrechte sind am Ende Ergebnissportarten. Wie sehr dieser Mann leiden muss, wenn er sich das Nationaltrikot der "Die Mannschaft" überstreift, wie sehr es ihn angesichts deutscher Waffenexporte beispielsweise in die Türkei zerreißt und zwei Herzen, ach, in seiner Brust schlagen müssen, lässt sich hier von meiner Couch gerade nur erahnen.    

Also eins zu null für die Realpolitik? Es sind zumindest mutige Aussagen eines Mannes auf der Suche. Und gleichzeitig solche, mit denen man sich in der Republik nicht nur Freunde macht. Der frühere Vizekanzler und heutige Influencer bzw. Lifestyle-Blogger Sigmar Gabriel zwitscherte Anfang der Woche offenbar schon mit einer Vorahnung im Bauch: "Qatar ist sicher keine 'Westminster-Demokratie', aber setzt mutige Reformen um. [...] Wir täten gut daran, das Land auf diesem Weg zu unterstützen."    

Gutes Copywriting des Mannes aus Goslar mit schöner SEO-optimierter Häufigkeit der Begriffe "Qatar", "Demokratie" und "Reformen". Doch wenn Gabriel die nächste Rechnung schreibt und das Thema erst einmal "zu" macht, fängt die eigentliche Arbeit für uns Demokratie-Fans erst an: Wie gehen wir nun mit Katar um? Und wie handlet der Fußballer und Mensch Thomas Müller das Dilemma der Winter-WM im vorderasiatischen Emirat? "Wir wollen ja, dass das, was wir für richtig halten, natürlich auch andere Leute für richtig sehen, das ist aber nicht immer so ganz einfach umzusetzen, durchzusetzen oder zu sagen: Jetzt mach das doch mal wie wir das gerne wollen", erklärte Müller dann und blickte dabei müde und leer über die Coca-Cola- und Powerade-Flaschen vor seinem Mikro in den PK-Saal.    

Ganz unter uns: Mehr als das kommt auch sonntags bei Anne Will selten rum.    

Knipsergrüße: Euer Dax Werner        

Nur diese Kategorie anzeigen:Dax Werners Debattenrückspiegel Eintrag teilenEintrag per Email versenden Mit Facebook-Freunden teilen Twittern mit Google+ teilen

Dax Werners Debattenrückspiegel KW11

Liebe Leser_innen,

neulich hatte ich es dann auch. Ihr wisst schon, Corinna, den Kultschnupfen aus Wuhan. Die 10 Tage Isolation habe ich bis auf leichte Erkältungssymptome und ein digitales Mini-Abo der FAZ, das ich für fiebrige 14,90 € abgeschlossen habe, unbeschadet überstanden. Und weil mir das Gesundheitsamt auch 4 Wochen nach dem Positiv-Test noch keinen Brief geschickt hat und mir auch sonst der Lesestoff ausgeht, habe ich unter der Woche den Grundsatztext "Das Gewissen macht Feige aus uns" von Simon Strauß aus dem FAZ-Feuilleton studiert. Eine alarmierende Lektüre.

Das Human Resource Management kennt die Methode des "Feedback Sandwich", also negative Kritik in lobende Worte zu verpacken. In diesem Sinne möchte ich Simon Strauß dafür loben, dass er in seinem Text zumindest nicht (wie schon einige vor ihm) versucht, die gendergerechte Schreibweise für den Krieg in der Ukraine verantwortlich zu machen. Mehr noch: Fast gnädig verzeiht Strauß sowohl den "Schneeflöckchen" als auch den "Koalitionären" (?), Putins Angriffskrieg nicht vorausgeahnt zu haben. Stellvertretend für alle Angesprochenen sage ich: Danke. Ein paar Zeilen später geht’s jedoch schon ans Eingemachte: "Darüber hinaus eignet sich der Einsatz für ukrainische Flüchtlinge nicht in gleicher Weise wie 2015 als Ausweis moralpolitischer Fortschrittlichkeit, denn es gibt ja gerade glücklicherweise quasi keine Fremdenfeindlichkeit, von der man sich absetzen müsste." Dieser Absatz ist für mich Anlass, über die Art und Weise, wie wir auch künftig miteinander Debatten führen wollen, neu nachzudenken. Der verbitterte Gestus, in dem Simon Strauß selbst ehrenamtlichen Helfer_innen, die jetzt gerade Flüchtende aus der Ukraine versorgen, zwischen den Zeilen egoistische Motive unterstellt ("Ausweis moralpolitischer Fortschrittlichkeit") macht mich - ich will offen sein - betroffen. Und schwächt gleichzeitig Strauss' behutsame Argumentationskette, denn dass es im Zusammenhang mit den Flüchtenden aus der Ukraine sehr wohl zu rassistischen Vorfällen gekommen ist (zum Beispiel an den Grenzübergängen in Osteuropa) übersieht Strauß in seiner emotionalisierten Wutrede.

Dann wechselt der Ton fast ins Bedauern: "Die Generation der deutschen Nachwendekinder, die durch das Aussetzen der Wehrpflicht ihr Studium ein Jahr früher beginnen konnten, hatte mit Krieg bislang nichts zu tun" Abgesehen davon, dass wer in dieser Logik nach 1989 nach Deutschland gekommen ist entweder keinen Krieg erlebt haben kann oder offenbar einfach nicht dazu gehört, stellt sich die Frage, welches geheime Kriegswissen die von Strauß so detailreich ausgedachte Generation nun gehabt hätte, wenn noch ein paar Jahrgänge mehr den sechsmonatigen Grundwehrdienst bei Dosenbier verbracht hätten.

Vielleicht hätte Strauß bei seiner Generationenanalyse eine Prise Richard David Precht gut getan, der vor ein paar Tagen ungefragt erklärte: "Ich schaue maximal mitfühlend und maximal kühl auf den Krieg". Doch statt die Sache kühl zu analysieren wie Deutschlands größter Philosoph lässt sich Strauß zu immer abenteuerlicheren Aussagen hinreißen: "Auch das Wort 'Volk' – gerade noch bis in die höchste Regierungsebene hinein vermieden – wird jetzt von jedem Millennial wie selbstverständlich verwendet." Ich bin selbst Millennial und ich kenne exakt immer noch niemanden, der dieses Wort selbstverständlich verwendet.

Ich gebe es ja zu: Als Millennial hat man es nicht einfach. Die Gen Z tanzt uns via TiKTok auf der Nase herum, das mit dem eigenen Haus wird voraussichtlich ziemlich eng, die Arbeitsverhältnisse sind oft prekär und ständig wird von dir erwartet, dass du zu alles und jedem eine klare Meinung formulieren kannst. Und dann noch dieses ständige Angstbauchweh. In diesem Sinne entpuppt sich Simon Strauß, 1988 geboren, in seiner verkürzenden, emotionalen und in weiten Teilen ausgedachten FAZ-Analyse über die Millennial-Generation vermutlich als der größte Millennial überhaupt.

Es ist okay, Simon. Es ist nicht deine Schuld.

Dein: Dax Werner

Nur diese Kategorie anzeigen:Dax Werners Debattenrückspiegel Eintrag teilenEintrag per Email versenden Mit Facebook-Freunden teilen Twittern mit Google+ teilen

Dax Werners Debattenrückspiegel KW10

Liebe Freund_innen,  

Wie wäre die Bundestagswahl 2017 wohl ausgegangen, wenn wir von Martin Schulz’ Rastplatz-Imbissen nicht erst Monate später in Markus Feldenkirchens "Schulz Story" gelesen, sondern noch am selben Tag in einem Hochkant-Video erfahren hätten? Man mag es gar nicht zu Ende denken. Tragisch: Die Technologie war schon damals verfügbar, aber man konnte sich diese Spielart der Kommunikation noch nicht so recht vorstellen. Seit letzter Woche ist das anders: Tobias Hans, der Mann mit den zwei Vornamen, hat mit einem selbstgedrehten Wutvideo direkt vor einer saarländischen Tankstelle nicht nur ein neues Genre der politischen Kommunikation etabliert, sondern auch die Karten für die Saarland-Wahl Ende des Monats neu gemischt. Das schnelle Handyvideo mit der Frontkamera gehört ab heute in den Werkzeugkasten eines jeden lokalpolitischen Talents. Deswegen heute exklusiv: 5 Regeln für dein Tankstellenvideo!

  1. Lass dein Handyvideo auf keinen Fall von deinem Wahlkampf-Team abnehmen. Fair play, sie sind gut, in dem, was sie können: Excel-Tabellen, Wählerwanderungen, Swing-Kreise, Interviewplatzierungen. Aber was den vielen fleißigen Median-Verdiener_innen an den Zapfsäulen und in den Tchibo-Erlebniswelten deines Wahlkreises wirklich auf dem Herzen liegt, das weißt nur du. Das hier ist dein Wohnzimmer, vertrau’ auf dein Bauchgefühl. Das hat dich schließlich auch hier hergebracht.
  2. Lerne stattdessen von den Besten. Das Volk mit einer Videoproduktion rund ums Thema Sprit & Verkehr abzuholen ist keine Erfindung der letzten Woche, Armin Laschet hat mit einer Wahlwerbespot-Kampagne 2017, in der er allerlei Missstände in NRW aufdeckte, eine bis dahin aussichtslose Landtagswahl für sich entschieden. Damals schon essentiell: Die authentische Wut, die Macher-Attitude, der Anti-Establishment-Gestus. Bring deine Message an den Mann: Berlin ist weit weg, hier spricht einer von euch und wir packen das jetzt an.
  3. Regiolekt is key. Verschrecke dein Publikum nicht mit der Standardvarietät, die sie mit den kalten, sterilen Studios von Maischberger, Illner oder Lanz verbinden, sondern pack’ sie mit Lokalkolorit. Wir lieben doch auch nichts mehr, als wenn unsere Heimatstadt zufällig auf Netflix erwähnt wird. Wenn du ein paar Brocken Dialekt drauf hast, setze es ein, aber übertreibe es nicht. Tobias Hans hat es prima vorgemacht: sein "Morgen!"-Intro im Tankstellenvideo klang nach hinten raus sehr ä-lastig, statt "nicht" verwendete er mehrmals das viel niedlichere "ned". Auch Laschets Kompagnon Wolfgang Bosbach, eigentlich als Hardliner eingekauft, spielte in der 2017er-Kampagne vielfach mit der rheinischen Aussprachevariante des stimmhaften uvularen Frikativ. Wenn du mit der Benrather Linie keine S-Bahn in Düsseldorf verbindest ist das hier deine Spielwiese!
  4. What’s your message? Dein Hochkantvideo verfängt nicht, wenn du nicht auch etwas Konkretes loswerden willst. Tobias Hans wollte etwas zu den hohen Spritpreisen sagen. Deswegen wählte er ein gut ausgeleuchtetes Motiv mit hoher LED Anzeigetafel und mühelos lesbaren Ziffern. Kurz gesagt gilt: Du siehst 2,40€? Dann erzähle auch 2,40€! Gleichzeitig wichtig: Setze bei deinem Zapfsäulenvideo auf gelernte Tankstellenketten mit Charakter (Aral, Esso, Shell) und vermeide Billigketten wie Star oder Jet. Flankiere deine Kampagne anschließend mit einfach verständlichen Sharepics ("Spritpreisbremse jetzt!").
  5. Ein Negativ-Beispiel, von dem auch du lernen kannst: Der frühere Bild-Chefredakteur Julian Reichelt. Er veröffentlichte unter der Woche eine Art Tobias Hans-Remix, filmte sich wie der Saarland-MP selbst vor der Tankstelle, redete dann aber minutenlang wirr und zusammenhangslos über Angela Merkel, um nach der Veröffentlichung noch mit einem pixeligen Merkel-Meme nachzulegen, wo man am liebsten gar nicht genau wissen will, aus welcher Telegram-Gruppe er das nun wieder her hatte. Jemand aus seinem Umfeld sollte ihm mal erklären, dass Angela Merkel nun schon gute drei Monate nicht mehr Kanzlerin ist.

Jetzt wisst ihr alles, was ich über Tankstellenvideos weiß. Ich kann euch nichts mehr beibringen.

Good night and good luck,

Euer Dax Werner

Nur diese Kategorie anzeigen:Dax Werners Debattenrückspiegel Eintrag teilenEintrag per Email versenden Mit Facebook-Freunden teilen Twittern mit Google+ teilen

Dax Werners Debattenrückspiegel KW9

Liebe Freund_innen,  

100 Milliarde Euro. Eine Eins mit elf Nullen. Soviel, ihr habt’s doch sicher mitbekommen, will Olaf Scholz nach langer, reiflicher Überlegung (ca. 48 Stunden) und in Absprache mit den wichtigsten Figuren seines Kabinetts (Christian Lindner) seit letztem Sonntag in die Aufrüstung der Bundeswehr investieren. Oder wie eben jener Lindner es tags darauf nochmal in eigenen Worten wiedergibt: Die Bundeswehr zur “schlagkräftigsten Armee Europas machen, weil das der Bedeutung Deutschlands entspricht” – schöne innovative Idee, herzlichen Glückwunsch auch von mir!  

Es hilft, sich diese Riesensumme namens 100 Milliarden Euro zunächst einmal zu visualisieren. Zum Vergleich: Um 100 Milliarden Euro zusammenzubekommen, müsste ein einfacher Juwelenräuber 885 mal den Sachsenschatz mopsen, also fast zweieinhalb Jahre lang täglich ins Grüne Gewölbe einbrechen. Oder ein handelsüblicher bayerischer Verkehrsminister 44 Legislaturperioden hintereinander versuchen, die PKW-Maut einzuführen. Beides meiner Meinung nach schier unmenschliche Aufgaben. Ich stelle es mir lieber alltagsnah vor: 100 Milliarden Euro, das sind umgerechnet 200.000 Sachsenpanzer. Aha, auf einmal hat man ein Bild, plötzlich ist es greifbar.  

Trotzdem konzentriert sich die Debatte zu sehr auf diese “obszöne” (Sophie Passmann) Summe, ich möchte den Blick heute lieber auf einige geostrategische Aspekte lenken. Wenn ihr euch nun zurecht fragt, wie ich zu allem Überfluss nun auch noch binnen einer Woche zum Experten für Sicherheitspolitik geworden bin, ist die Antwort denkbar einfach: “Ich habe mir vorgestern zwei Bücher über Putin aufs Kindle geladen” (Simon Sahner). Und möchte daher einen neuen Gedanken ins Spiel bringen: Deutschland muss doch gar nicht die für meinen Geschmack ein paar mal zu oft zitierte “Führungsrolle” in Europa übernehmen, sondern – ganz dem Solidaritätsprinzip verpflichtet – auch mal anderen Ländern Platz machen. Zum Beispiel Lichtenstein, Monaco oder Luxemburg? Die wollen doch sicher auch mal? So könnten “wir” uns die, pardon, etwas überzogene Investitionssumme in unsere Truppe sparen und das Geld stattdessen lieber irgendwo anders investieren; Ideen, wohin der Gegenwert von 200.000 Sachsenpanzern fließen könnte, gibt es ja schon genug.  

Die ganze Nummer mal von dieser Seite zu denken, das nenne ich die wahre Freiheitsenergie. Als starker neuer Player im Benelux-Block würde Berlin zwar vorerst keine Pipelines mehr bauen, aber könnte so auch weniger Schaden auf der großen Weltbühne anrichten. Einen passenden Slogan für diese neue sicherheitspolitische Vision hätte ich auch schon:  

Es muss nicht immer gleich die ganze Welt sein. Deutschland, die sympathische Regionalmacht am Rhein.  

Alles Liebe, euer Dax Werner 

Nur diese Kategorie anzeigen:Dax Werners Debattenrückspiegel Eintrag teilenEintrag per Email versenden Mit Facebook-Freunden teilen Twittern mit Google+ teilen

Dax Werners Debattenrückspiegel KW8

Liebe Leser_innen,

an diesem Wochenende habe ich lange hin und her überlegt: Braucht es heute überhaupt einen Debattenrückspiegel? Wäre das nicht unangemessen, würde das der Lage in der Ukraine gerecht? Kann man so und so sehen. Andererseits muss man sich dann auch zu Recht fragen lassen, warum man bei den vielen anderen Gelegenheiten, wo man trotz Krieg in der Welt Gedanken ins Internet hochgeladen hat, nicht ebenso betroffen die Tastatur ausgestöpselt hat. Unterschiedliche Dinge berühren uns offenbar auch unterschiedlich stark, aber warum? Weil nicht immer klar ist, was gerade okay ist und was nicht, möchte ich euch heute einen kleinen Leitfaden an die Hand geben, wie ihr euch jetzt respektvoll im Internet verhalten könnt. Los geht’s!    

1. Dein Schweigen spielt Putin in die Hände    

Social-Media-Pause? Nicht mit dir! Such dir die Flagge des Landes heraus, um das es gerade geht – bitte jedoch keine komplizierten Flaggen, die wir hier nicht auf Anhieb erkennen! –, kopiere diese in dein Profil und scroll’ dich 24 Stunden am Tag durch die Timelines. Teile alles, was dir nur entfernt nach News aussieht. Quelle? Egal. Authentizität? Nicht so wichtig. Bild TV hat zwei Tage lang eine Lehrerin interviewt, die angeblich in der Ukraine feststeckt, bis sich herausstellte, dass sie aus Deutschland sendet. Was die können, kannst du schon lange! Je krasser, umso besser. Denn vergiss nicht:    

2. Du bist jetzt Experte    

Überfliege ein, zwei Artikel zum Thema SWIFT bis zur Paywall und setze dann die Bundesregierung mit Verlinkungen in den sozialen Medien unter Sanktionsdruck. Korrigiere User_innen, wenn sie eine andere Meinung zum Thema haben als du und ermahne sie, wenn sie seit drei Stunden nichts mehr gepostet haben (siehe Punkt 1). Erstelle zwischendurch kleine psychologische Ferndiagnosen über Putin und verarbeite sie in Stories und Threads für deine Follower. Soviel zur Pflicht, nun zur Kür: Die Menschen da draußen warten 72 Stunden nach Kriegsbeginn auch auf deine Einschätzung, was das alles nun für die Zukunft Deutschlands, Europas und des Westens bedeutet. Lass’ sie nicht um Unklaren. Vielleicht kannst du Francis Fukuyama nochmal einen reindrücken? Auch hier gilt: Sky is the limit.    

3. Deutschland braucht den Flugzeugträger    

Mach es besser als Olaf Scholz und komm’ vor die Lage. Die Debatte zum Thema Wiederaufrüstung ist hier spätestens seit dem Weckruf des Heeresinspekteurs der Bundeswehr und Christian Lindners Statement in der Maischberger-Nachspielzeit durch. Gut so. Wir belasten uns nicht weiter damit, dass wir die Bundeswehr letzte Woche noch wegen ein, zwei rechtsextremer Einzelfälle zu viel beinahe auflösen wollten. Jetzt heißt es in die Truppenmoral investieren, ein neues Wir-Gefühl erzeugen, auch mal neue Wege für den Umbau gehen. Was macht Jogi Löw eigentlich gerade? Der Endkampf gegen den Ivan könnte schneller kommen als wir denken.    

4. Niemand hat es so schwer wie du    

Neben all den Einschätzungen, Analysen und Forderungen darfst du das Wichtigste nicht vergessen: dich selbst. Wie geht es dir damit, all diese Nachrichten lesen und analysieren zu müssen? Welche Coping-Strategien kannst du anderen mit an die Hand geben, die sich nicht so gut auskennen wie du? Du bist nicht nur Außenpolitik- und Finanzexperte, sondern verfügst auch über ein breites Wissen im Bereich Selfcare. Geopolitik hin oder her, am Ende geht es um deine Befindlichkeit. Vielleicht findest du Zeit, einen weiteren Podcast zu starten, in dem du uns davon berichten kannst? Alles ist möglich.    

5. Erkläre anderen, was sie jetzt zu tun und zu lassen haben    

Sei sanft mit dir, aber unnachgiebig mit anderen. Wenn du siehst, dass sich jemand kurz nach dem Ausbruch eines neuen Kriegs in Europa nicht komplett einwandfrei ausdrückt, weise die Person sofort mit aller Härte zurecht. Ob du diese Person kennst oder nicht, ob es ihr gerade gut geht oder nicht – spielt keine Rolle. Vergiss nicht: Es ist deine verdammte Pflicht, andere zu berichtigen.    

Ich hoffe, dieser Ratgeber hilft euch durch die nächsten Tage!    

Friedliche Grüße, euer Dax Werner  

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Philipp Bovermann (»SZ«)!

Früher hatten Sie Angst vor der Klimakatastrophe. Heute sind Sie Mitte dreißig und haben dazugelernt: »Ich kann heute nur noch darüber staunen, wie wenig tief mich die Tatsache bekümmert, dass der Planet überhitzt, dass Arten verschwinden, Ökosysteme kollabieren, Regenwälder brennen, Meeresböden sich in Wüsten verwandeln. Menschen werden sterben, Menschen sterben schon heute, das Leid der Tiere sprengt alle Vorstellungskraft – aber jetzt stehe ich auf meinem Balkon, habe mir ein Leben aufgebaut, mit einem tollen Job, einer tollen Frau, einer tollen Tochter, unten auf dem Teich schwimmt eine Entenfamilie vorbei, und geblieben ist nur die sanfte Sorge, dass ich mir zu wenig Sorgen mache. Ich grusele mich vor mir selbst. Aber nur ein winziges bisschen.« Denn »vielleicht ist es rational, wegen des Klimawandels ruhig zu bleiben und sich auf das Leid im Hier und Jetzt zu konzentrieren. Die Welt wird schon nicht gleich untergehen.«

Nein, Kollege Bovermann, wird sie nicht, jedenfalls Ihre nicht. An den Menschen in Südostasien oder Osteuropa, betroffen von einem exemplarischen Regen aus der neuen Klimagegenwart, schwimmen derweil keine Entenfamilien, sondern ihre toten Töchter vorbei, während Sie sich so arg auf das Leid im Hier und Jetzt konzentrieren, dass es alle Vorstellungskraft sprengt.

Vorm ewigen Jungspießer gruselt’s da ein bisschen: Titanic

 Huch, Wolodymyr Selenskyj!

Laut Spiegel wollen Sie »überraschend nach Deutschland reisen«. Verständlich, Flugzeug oder Zug werden auf Dauer ja auch langweilig. Interessiert, ob Sie stattdessen einen Tunnel graben, mit einem Zeppelin fliegen oder doch per Faltkanu heranschippern, wünschen Ihnen in jedem Fall eine gute Reise

Ihre Travelguides von Titanic

 Interessant, was Sie da sagten, Erling Haaland (Manchester City)!

»Die besten Spieler sind die besten in den einfachsten Dingen. Mit der rechten Hand berühren und mit der linken passen. Das ist das Wichtigste. Pep sagt das immer wieder zu mir.«

Mit welcher Hand man dann das Tor erzielt, ist egal, meint im Gedenken an Diego Maradona Titanic

 Grüß Gott, Söder!

Grüß Gott, Söder!

Wie schlossen Sie Ihr Statement vor dem israelischen Generalkonsulat in München, wenige Stunden, nachdem ein 18jähriger mit einem Gewehr mit aufgepflanztem Bajonett auf dieses geschossen hatte und daraufhin von der Polizei erschossen worden war? Sie sagten: »Nochmals vielen Dank an alle Beteiligten!« Der Hauptbeteiligte, das war freilich der Attentäter – Ihre Danksagung lässt also tief blicken! Denn was täten Sie ohne durchgeknallte Islamisten mit anachronistischer Bewaffnung, die vom Rückstoß eines historischen Repetiergewehrs beinahe umgeworfen werden und von Ihrer Polizei spielend leicht umgenietet werden können?

Aber Obacht! Nicht dass Sie sich beim nächsten Mal zu noch offenherzigeren Reaktionen hinreißen lassen und zum Abschluss »So ein Tag, so wunderschön wie heute« anstimmen. Könnte möglicherweise missverstanden werden!

Meint Titanic

 Gut gehobelt, Noemi Molitor (»Taz«)!

»Unser Handwerk im Journalismus ist die Sprache. Bei genau diesem Werkzeug lohnt es sich also, genau hinzuschauen und auch ethische Fragen an orthografische Regeln zu stellen.«

Die Sprache: Handwerk und Werkzeug in einem. Wird auch nicht besser mit dem Fachkräftemangel, wie?

Schaut genau hin: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Obacht!

Die Ankündigung von Mautgebühren ist furchterregend, aber so richtig Gänsehaut bekomme ich immer erst, wenn bei Google Maps als »Warnhinweis« auftaucht: »Diese Route verläuft durch Österreich.«

Norbert Behr

 Kurzzeitgenossen

Bei der Meldung zu Anton Bruckners 200. Geburtsjubiläum (4. September) und dem tags darauf sich jährenden Geburtstag Heimito von Doderers (5. September) mit Interesse bemerkt, dass beide Herren im Jahr 1896 kurz gleichzeitig am Leben waren: nämlich fünf Wochen und einen Tag lang, von Klein-Heimitos Entbindung bis zu Bruckners Tod am 11. Oktober. Solche ganz knapp verpassten Möglichkeiten der Seelenwanderung faszinieren mich. Was wäre gewesen, hätte man Doderer etwas später zur Welt gebracht, wäre Bruckners Geist schon ein paar Wochen früher »frei« gewesen? Hätte Wien / Ansfelden ein reinkarniertes Doppeltalent Heimtoni von Brucknerer überhaupt ausgehalten, hätte die literarisch-musikalische Welt unter dem Eindruck der »Strudlhofsinfonie«, des »Rondo in c-Moll für Streichquartett und einen Merowinger« (Alternativtitel: »Die tonale Familie«) oder der kurzen vierstimmigen Motette »Die Peinigung der Orgelpfeifelchen« vor Entzücken und Überwältigung alle viere von sich gestreckt, aufgegeben und ihren Kulturbeutel auf immerdar zusammengepackt? – Dass das Spekulieren über solche vergeigten Leider-nicht-Seelenwanderungen nur sehr ausnahmsweise Sinn ergibt, dämmerte mir aber, als ich ad notam nahm, mit welchen Gruselgestalten und potentiellen Reinkarnationsgefäßen seinerseits Doderer seine allerletzten Tage im Herbst 1966 verbringen musste: Stefan Raab (*20.10.66), David Cameron (*9.10.66), Caroline Beil (*3.11.66) und sogar noch haarscharf David Safier (*13.12.66, »Miss Merkel – Mord am Friedhof«; »Der kleine Ritter Kackebart«). Dann schon lieber die Seele mit in die Hölle nehmen.

Michael Ziegelwagner

 Unangenehm

Auch im Darkroom gilt: Der Letzte macht das Licht aus.

Sebastian Maschuw

 Schrödingers Ruhebereich

Wenn es im Abteil so still ist, dass ein Fahrgast einschläft und dann übertrieben laut schnarcht.

Loreen Bauer

 Quo vadis, Fortschritt?

Unfassbar: Nach so vielen Jahren des Horrorfilms gruseln sich die Leute noch vor der Nosferatu-Spinne. Wann taucht in unseren Breiten endlich die Slasher- oder Zombie-Spinne auf?!

Mark-Stefan Tietze

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

  • 03.10.: Der MDR kramt bei der Debatte, ob Ostdeutschland in den Medien schlechtgeredet wird, die Zonen-Gaby wieder hervor.
Titanic unterwegs
05.10.2024 Kassel, TiF Max Goldt
05.10.2024 Berlin, Künstlerhof / Buchhändlerkeller Alt Lietzow Christian Y. Schmidt
06.10.2024 Berlin, Schloßparktheater Max Goldt
06.10.2024 Hannover, Pavillon Hauck & Bauer