Dax Werners Debattenrückspiegel KW12
Liebe Leser_innen,
diese Woche hab ich’s schon wieder sehr deutlich gespürt: Es ist mal wieder Zeit für eine Fußball-Kolumne! Denn der Bayernkicker und umstrittene Pferdezüchter Thomas Müller referierte bei einer DFB-Pressekonferenz zur Lage der Menschenrechte in Katar. Weil Müllers Ausführungen im Kontext des sicherheitspolitischen Mainstreams etwas unorthodox wirkten, hagelte es auf Twitter, "dem Kanal der moralisch Überlegenen" (Oliver Fritsch in DIE ZEIT), natürlich Häme und Memes. Also: Falscher Einwurf Müller?
Zeit für den Zeitlupenkeller in Köln. Was genau hatte Müller denn vom Leder gelassen? Zum Beispiel, dass es in der Causa Katar um Menschenrechtsverletzungen gehe, "die grundsätzlich in jedem Land auftreten. Auch in Deutschland gibt es Menschenrechtsverletzungen." Wie bei so manchem Fußball-Tor wuselt sich Müller hier zwar ungelenk durch den Debattenstrafraum, schiebt den Ball am Ende trotzdem noch "irgendwie" über die Linie. Und das ist es, was zählt, denn sowohl Fußball als auch Menschenrechte sind am Ende Ergebnissportarten. Wie sehr dieser Mann leiden muss, wenn er sich das Nationaltrikot der "Die Mannschaft" überstreift, wie sehr es ihn angesichts deutscher Waffenexporte beispielsweise in die Türkei zerreißt und zwei Herzen, ach, in seiner Brust schlagen müssen, lässt sich hier von meiner Couch gerade nur erahnen.
Also eins zu null für die Realpolitik? Es sind zumindest mutige Aussagen eines Mannes auf der Suche. Und gleichzeitig solche, mit denen man sich in der Republik nicht nur Freunde macht. Der frühere Vizekanzler und heutige Influencer bzw. Lifestyle-Blogger Sigmar Gabriel zwitscherte Anfang der Woche offenbar schon mit einer Vorahnung im Bauch: "Qatar ist sicher keine 'Westminster-Demokratie', aber setzt mutige Reformen um. [...] Wir täten gut daran, das Land auf diesem Weg zu unterstützen."
Gutes Copywriting des Mannes aus Goslar mit schöner SEO-optimierter Häufigkeit der Begriffe "Qatar", "Demokratie" und "Reformen". Doch wenn Gabriel die nächste Rechnung schreibt und das Thema erst einmal "zu" macht, fängt die eigentliche Arbeit für uns Demokratie-Fans erst an: Wie gehen wir nun mit Katar um? Und wie handlet der Fußballer und Mensch Thomas Müller das Dilemma der Winter-WM im vorderasiatischen Emirat? "Wir wollen ja, dass das, was wir für richtig halten, natürlich auch andere Leute für richtig sehen, das ist aber nicht immer so ganz einfach umzusetzen, durchzusetzen oder zu sagen: Jetzt mach das doch mal wie wir das gerne wollen", erklärte Müller dann und blickte dabei müde und leer über die Coca-Cola- und Powerade-Flaschen vor seinem Mikro in den PK-Saal.
Ganz unter uns: Mehr als das kommt auch sonntags bei Anne Will selten rum.
Knipsergrüße: Euer Dax Werner
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