Glanz und Elend des Kurtchen Sahne. Ein Wochenend-Fortsetzungsroman (98)
"Ach komm", sagte Kurtchen wegwerfend, er mochte nicht mehr faseln. Der Abend war vorbei, kein Zweifel.
"Hm", machte Petra, es klang wie Schluckauf.
Als sehe er ein, daß es zwecklos war, hob Gernolf die Schultern und behielt sie oben; ließ sie schließlich wieder fallen. Es sah ergeben aus. "Su-per", sagte er noch, wie zu sich selbst, hörbar pro forma.
"Sollen wir gehen?" fragte Petra und sah Kurtchen an. Ihn, keinen sonst. Ein exklusiver Blick, wie Kurtchen auffiel.
Lächelnd hielt er stand und freute sich, daß sie taktvoll genug gewesen war, zwischen Gernolfs Kommunikationsgeruder und ihrer Frage Zeit verstreichen zu lassen, damit es nicht nach Flucht klang. Fred hatte noch geholfen und zu Heiner gesagt: "Das bessere Auto ist der bessere Kauf", ein Satz, der Kurtchen gut gefiel und als Rausschmeißer ja auch zweifellos taugte.
"Besser wär's", sagte er und lobte sich intern für diese perfekte Antwort: Korrekt in der Sache, und zwar auf allen sie betreffenden Ebenen, souverän im Ton, alle Möglichkeiten und Implikationen offenhaltend. Er war der Größte, zumal er Petra unverwandt in die Augen sah, gegen seine Überzeugung, daß das ein seit Jahrhunderten popularisierter Irrtum sei und es da nichts zu sehen gab, bei niemandem; aber das hatte, fiel ihm sofort auf, vor allem damit zu tun, daß er sich nicht traute, die Viertelkopfdrehung zu Gernolf zu machen und dessen Meinung einzuholen, von der er gar nicht wußte, ob sie überhaupt von Belang war.
Grad noch obenauf, gleich wieder in der Tinte. Wie das immer ging. Gottlob war er betrunken.
Mit der Geste eines Mannes, der weiß, wann es genug ist, sah Kurtchen wieder in die Nacht; wußte aber, daß das die Frage, vor der er stand, nicht beantwortete; schwenkte über Petra hinweg zurück und war dankbar, daß der Freund nicht neben ihm saß, weil das die Nonchalance, mit der er ihn, prüfend zunächst, ins Blickfeld nahm, verunmöglicht hätte.
Gernolf hatte die Arme parallel zur Tischkante gestapelt und stierte vor sich hin, machte aber nicht den Eindruck, als seien Kurtchen oder Petra ihm was schuldig; und trotzdem behagte Kurtchen der Gedanke nicht, den Freund hier einfach sitzenzulassen. Ihn einfach mitnehmen ging aber auch nicht, sofern die beiden Kfz-Esel keine Anstalten machten, den Abend per Gruppenticket zu begraben; und heiß durchlief Kurtchen eine Erinnerung, zur der es gottlob keine präzisen Bilder mehr gab, die aber so ging, daß er Maik Meerbusch angerufen hatte, weil Ulrike aus Marburg ihn, Kurtchen, angerufen hatte, und also hatten sie den Tag zu dritt an diesem englischen Sprachurlaubsstrand verbracht, und wenn es eine glänzendere Art gab, das erste Rendezvous des Lebens so blitzartig wie treudoof zu vermasseln, ja nicht einmal zu kapieren, hätte Kurtchen gern von ihr erfahren. (wird fortgesetzt)