Glanz und Elend des Kurtchen Sahne. Ein Wochenend-Fortsetzungsroman (97)
Besser würde es nicht werden.
Kurtchen sah wieder auf Petra, die auf die Tischkante starrte, und merkte nicht ohne Erstaunen, daß diese Momente nicht ausstarben. Er wäre jetzt gern gegangen, aber nicht ohne Petra, und als ihm das klar wurde, war nicht von der Hand zu weisen, daß er sich den ganzen Abend in dieser Gesellschaft vor diesem Moment versteckt hatte und daß er, was das betraf, in den letzten dreißig Jahren nicht vorangekommen war. Nur wer erwachsen wird und ein Kind bleibt, ist ein Mensch – Kurtchen sah den Autorenkopf auf dem weißen laminierten Kinderbuchumschlag freundlich streng von links auf diesen Satz blicken, der so furchtbar vielen Menschen, die in ihren kindchenschemabedienenden Kleinwagen Tabaluga hörten, so furchtbar schlecht bekam, und er erinnerte sich an einen anderen Dichter, der gesagt hatte, das Gegenteil von gut sei gut gemeint.
Kurtchen sah auf die Uhr und hoffte, es sehe absichtsvoll aus, aber Petra ließ das Starren nicht, und Fred, Gernolf und Heiner waren mit sich beschäftigt, es ging, warum auch immer, auf einmal um Gebrauchtwagen, bestimmt kam das von Heiner; und war jedenfalls ein Zeichen, daß die Nacht, auch wenn's noch gar nicht spät war, ihrem Ende zu sich neigte. Wenn aus einer Gruppe Teilgruppen wurden, die sich ernsthaft über Alltagsquatsch unterhielten.
"Rost", sagte Fred nebenan, und Kurtchen bekam es mit der Angst zu tun; vielleicht stand er einfach auf und ging, und wenn Petra mitkäme, um so besser. "Haben die doch alle."
"Kommt auf die Serie an", sagte Heiner, und es klang, als gebe er sich Mühe, das wie eine Selbstverständlichkeit klingen zu lassen. "Was'n das für'n Baujahr?"
"Dreiundachtzig", sagte Fred, und Gernolf, der von Autos ja nun gar nichts verstand, sah ins Leere.
"Da ist irgendwie die Seriengrenze", sagte Heiner, und Kurtchen drehte sich eine Zigarette. Er würde jetzt eine Zigarette rauchen und sich dabei Petra ohne Höschen vorstellen. Er war sechzehn, er durfte das.
"Die ist zweiundachtzig", korrigierte Fred milde, was ein bißchen herablassend klang, aber das ließ sich bei Heiner sowieso schwer vermeiden.
"Die ist zweiundachtzig?" fragte Heiner, ernsthaft irritiert.
"Zweiundachtzig", bestätigte Fred väterlich. "Irgendwann im Sommer", fügte er hinzu, eine Angabe, die, vage, wie sie war, seine Autorität relativierte.
"Im Fernsehn kommt jetzt wieder Magnum", wich Gernolf der Problematik aus und suchte Anschluß linkerhand. (wird fortgesetzt)
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