Dax Werners Debattenrückspiegel KW 37 – Bundestagswahl Edition
Liebe Leser_innen,
Jesus, Maria und Josef, hochgelobt und gebenedeit sei der 26. September, ein Sonntag, so wollten es die Mütter und Väter des Grundgesetzes: Nur noch eine Woche. Dieser erste Post-Merkel-Wahlkampf zieht sich wie ein völlig unvorbereiteter 5-Kilometer-Volkslauf, der als harmloser Quatsch ("Die paar Meter krieg' ich doch wohl noch hin!") beim small talk at the water cooler begann, dann, hard cut, schon 5 Minuten nach dem Start besorgniserregend nach Luft geschnappt wird und die folgende Dreiviertelstunde zu solch einer existenziellen, alles in Frage stellenden Tortur für Leib und Leben werden, dass man, während das Licht am Ende des immer deutlicher Kontur annehmenden Tunnels heller und heller wird, sich stumm von seinen Liebsten zu verabschieden beginnt: Sagt ihr, dass ich sie immer geliebt habe.
Auch wenn noch 7 Tage respektive 168 Stunden "zu gehen" sind, ist hier vielleicht Raum für ein kleines Zwischenfazit. Meine Analyse lautet, dass bedingungslos alles in diesem Bundestagswahl-Jahr nicht mehr nur gehäuft, sondern recht eigentlich potenziert auftaucht: Plagiatsdebatten, Naturkatastrophen, Laschet-Auftritte mit Luft nach oben, Comebacks der großen Stars der Babyboomer-Generation (Friedrich Merz, ABBA, Jürgen Todenhöfer), Wahlarenas und last but not least: Trielle. Die Moderation des letzten Dreikampfs mit Maybrit Illner und Oliver Köhr, ausgerichtet von ARD und ZDF, war im Nachgang Gegenstand einiger Diskussionen. Grund dafür ist, wie vieles andere in diesem Land auch, ein kurioses Gesetz, das der gute Bismarck noch 1883 eingeführt hatte: Demzufolge entsendet jedes öffentlich-rechtliche Landesstudio sogenannte "Wahlmänner", die dann im Anschluss auf dem Lerchenberg feierlich die Triell-Moderation ausfechten. Ein kompliziertes Verfahren, für dessen genaue Erklärung an dieser Stelle weder Platz noch Lust vorhanden sind. Und damit zurück nach Mainz!
Parallel hat Rezo sein bereits dritte großes Video in diesem Wahlkampf im Youtube Studio hochgeladen. Sorry lieber Rezo, nichts Persönliches, aber ich habe – Stand jetzt – keine Kraft mehr für noch ein Video.
"Den Gesprächsfaden nicht abreißen lassen": Armin Laschet und Markus Söder suchen gemeinsam den Dialog mit dem Unternehmer-Flügel der CDU und kehrten unter der Woche in Tommy Frencks "Gasthaus Goldener Löwe" im thüringischen Kloster Veßra ein. Demokratie kann so einfach sein.
Ein anderer Unternehmer, Frank Thelen, hat seine Auswanderung angekündigt, sollte es zu Rot-Rot-Grün im Bund kommen. Man soll vorsichtig sein mit DDR-Vergleichen, hier jedoch scheint er mir gerechtfertigt: Der durch den linksradikalen SPD-Kanzler Scholz befürchtete brain drain hat bereits begonnen. Es geht los.
Apropos DDR. Am Freitagabend tauchte ein Clip auf, in dem der CDU-Kanzlerkandidat noch einmal die Bedeutung des vereinten Deutschlands herausstellt: "1990, als die Mauer bröckelte und fiel, hat Helmut Kohl direkt erkannt, dass wir das Ziel der deutschen Einheit haben. Das hatten andere aufgegeben." Und, wie meine historisch versierten Leser_innen sicher wissen, war diese spezielle historische Konstellation ja letztendlich der Auftakt für die Wiedervereinigung im Jahr 1995. Manchmal verheddert man sich eben auch im Mantel der Geschichte.
Der oft unterschätzte Laschet spielte dieses Sujet am Vorabend des letzten Triells nicht ohne Grund an, erinnert seine Partei doch im Augenblick stark an die DDR im Endstadium: Nachrichten erreichen ihr Ziel nicht mehr, Akten werden geschreddert und auf den Straßen verkaufen Soldaten Waffen und Munition zu Spottpreisen. Ein Weckruf durch die Blume? Oder ein ziemlich waghalsiger Take meinerseits? Darüber möchte ich mit euch diskutieren, heute Nachmittag ab 16 Uhr in meinem Twitter Space (Ticket: 19,90 €).
Immer wieder Widmann-Mauz. Ihr Instagram-Account lässt mich in den letzten Wochen nicht los. Doch trotz des digitalen Wahlkampfeuerwerks inmitten von Lebensmittelversorgern in Burladingen-Killer, Vor-Ort-Terminen im Medical Valley Hechingen und einem Haustürwahlkampf, in dessen klaren Zentrum eine mysteriöse Papiertüte mit dem Konterfei der Integrationsbeauftragten steht, wird es eng mit dem Direkteinzug in den nächsten Bundestag. Nicht nur für sie, sondern auch für eine ganze Reihe anderer CDU-Abgeordneter, wie zum Beispiel Peter Altmeier. Überlegung: Wenn wir die vielen engagierten Demokraten in der CDU mit unserem Wahlverhalten solchen Zukunftsängsten aussetzen, wundert es mich nicht, dass wir manche von ihnen geradewegs in dubiose Maskendeals oder in die Arme osteuropäischer Autokraten treiben. Ein merkwürdiger Gedanke, ich weiß.
Wie seht ihr das? Und wo schaut ihr heute Abend das dritte Triell? Bitte schreibt es mir auf gar keinen Fall in die Kommentare.
Herzliche Grüße: Euer Dax Werner