Dax Werners Debattenrückspiegel KW 34 – Bundestagswahl Edition
Liebe Leser_innen,
es sind nur noch rund 700 Stunden bis zur Bundestagswahl. Deswegen erscheint der Debattenrückspiegel ab heute in leicht verändertem Gewand: als Ticker, der die sich überschlagenden Ereignisse aus Berlin und der Welt in mundgerechte Häppchen (sogenannte "Snacks") übersetzt, gleichsam chronologisiert und einordnet. Ab heute wird hier der einfache Pass gespielt. Let’s get it!
Während die Sozialdemokraten eigenen Angaben nach schon an über einer Million Haustüren geklingelt haben und zum ersten Mal seit 600 Jahren in einer Sonntagsfrage vor der Union liegen, lädt CDU-Mann Thomas Bareiß – vielen besser bekannt als Baku-Thommy – via Instagram zur dritten politischen Sommerwanderung. In Zollernalb-Sigmaringen ticken die Uhren eben noch anders, hier geht es um Kennernlernen auf Augenhöhe, hier gilt ein Handschlag noch was. Muss natürlich am Ende jede Partei individuell für sich entscheiden.
Habe einen Vertipper in Thomas Bareiß' Insta-Bio entdeckt: "Staatssekretär beim @bmwi_bund - Energie, Tourismus, Mittlestand!" Überlege kurz, ihn per DM darauf hinzuweisen. Lasse es dann bleiben.
Im SPD-Spot beschwört Olaf Scholz kraft seiner hanseatischen Langeweile den Geist von Helmut Schmidt. Ein starkes Motiv, welches mich an diverse Szenen aus der bekannten Filmreihe "Der Herr der Ringe" erinnert. Dynastisches Denken at work: Im Kampf und die Kanzlerkrone positioniert sich Scholz als Quasi-Erbe des Über-Hanseaten Schmidt, zieht eine Linie vom Held der Sturmflut ‘62 bis zu sich: Olaf Scholz. Sauber gearbeitetes Ding, da bleibt was hängen.
Etwas stört mich doch am Kanzlerspot der SPD: Das "Wir" bei "Wir haben manches erreicht" (0:49) wird von der darunter ausklingenden Motivationsmusik nahezu "verschluckt". Oder sagt Scholz etwas anderes, nämlich: "Haben manches erreicht"? Wäre vom Wording her gleichermaßen "nah dran" an den "Menschen da draußen". Ich fertige eine Spektrumanalyse an, doch auch diese liefert keine klare Antwort, so dass ich dem Willy-Brandt-Haus eine gepfefferte Presseanfrage reinfaxe, mit Bitte "um eine kurzfristige Stellungnahme bis morgen um 12 Uhr."
Annette Widmann-Mauz postet auf Instagram eine Veranstaltungsankündigung (38 Likes) für nächste Woche: Unter dem Motto "Vom Hof auf den Teller – Regional ist erste Wahl!" lädt die CDU Ammerbuch auf den Bauernhof der Familie Eißler. Mit dabei: Julia Klöckner. Schade, aber da kann ich leider nicht.
Auch Hans-Georg Maaßen teilt Fotos einer Wahlkampf-Wanderung mit Christiane Lieberknecht auf Twitter. Mit Maaßen ist ganz offenbar etwas passiert, eine Art Makeover, aus Hans-Georg ist nun "Schorch" geworden, der Schorch von nebenan. Schöne Arbeit an der brand: Der signature Dreiteiler wurde gegen Karohemd und Weste getauscht. Maaßen erinnert jetzt eher an den Typ Landwirt, der seinen Landkreis-Abgeordneten seit 10 Jahren mit kompromittierenden Fotos erpresst.
E-Mail aus dem Willy-Brandt-Haus. Man bedankt sich für die Anfrage, Scholz sage "Wir haben manches erreicht", so ein SPD-Sprecher. Dann aber der Hammer. Auf meine Frage, warum sich Scholz in dem Video gerade für das Indefinitpronomen "manches" entscheide (und nicht etwa für die attraktiven Synonyme "Verschiedenes" oder "Dies und das"), sagt man mir: "Nachdem wir bei der Bundestagswahl 2017 bekanntermaßen Probleme mit dem Wort 'manche' hatten (Vgl. 'Schulz-Story'), wollten wir dieses Mal unter Beweis stellen, dass wir in der Lage sind, ein solches Wort fehlerfrei auf Hochdeutsch auszusprechen." Was für ein übles Nachtreten gegen Martin Schulz. Eine boden- und stillose Frechheit. Einem Mann, der in einer mehr als schwierigen Situation für die SPD den Kopf hingehalten hat und gegen massive innerparteiliche Widerstände zu kämpfen hatte, einem so großen Aachener und Europäer so noch einen mitzugeben, das lässt mich dann doch wieder an der Regierungstauglichkeit der SPD zweifeln. Für diese Woche bin ich draußen.
Bestürzte, fast wütende Grüße: Dax Werner
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