Dax Werners Debattenrückspiegel KW 35 – Bundestagswahl Edition
Liebe Leser_innen,
eines gehört sicher auch zur Wahrheit dieses Wahlkampfes dazu: Er wird gewiss nicht nur vor den 500 Zuschauer_innen bei Bild TV geführt. Sondern eben auch in der Provinz, also der eigentlichen, inzwischen in unzähligen Juli-Zeh-Romanen besungenen Arena der Zukunftsideen.
Und so führt uns der erste Ticker auch direkt nach Mecklenburg-Vorpommern, genauer: Nach Rostock. Das Wahlplakat des FDP-Kandidaten René Domke weicht erkennbar von der CI der Bundes-FDP ab: Ein dreifarbiges Ausrufezeichen direkt aus der Data Becker-Clipart-Sammlung beansprucht fast ein Drittel der gesamten Fläche. Meine Presseanfrage zur Geschichte hinter dieser Design-Entscheidung blieb leider unbeantwortet, doch auch keine Antwort ist eine Antwort: Reicht Christian Linders parteiinterne Macht noch in den Nordosten der Republik?
Wir bleiben in Mecklenburg-Vorpommern, denn auch Manuela Schwesigs Plakatierung wirft Fragen auf. Mit "Die Frau für MV" ist ihrem Team zwar ein catchy Slogan gelungen, einen Hinweis auf die zugehörige Partei sucht man jedoch vergebens. Die Linke? Team Todenhöfer? Die Basis? An einer Google-Recherche führt kein Weg mehr vorbei. Siehe da, offenbar gehört Schwesig zur SPD! Sie hat sich also für das Merkel-Prinzip entschieden und präsentiert sich im Landtagswahlkampf MV nun weitestgehend parteilos. Ein Weg, den nicht alle Sozialdemokraten "hier oben" mitgehen wollen: Ralf Mucha, SPD-Kandidat in Rostock, bietet auf der Heckscheibe seines SPD-Mobils kurzerhand zwei Versionen (mit und ohne SPD-Logo) an. Ein schönes Beispiel für Hands-on-Mentalität, von der sich so manch andere in der Landespolitik etwas abschneiden können, und dazu ein klasse Icebreaker auf dem Wochenmarkt in Warnemünde!
Das Nachrichtenmagazin Spiegel setzt diese Woche einmal aus und veröffentlicht stattdessen ein 140-seitiges "Geo Epoche: Angela Merkel". Meine Klartextmeinung dazu: Unter der Erde ist sie ja nun noch nicht.
Er ist wieder da! Martin Schulz (rechts im Bild), seit seinem Roadtrip mit Markus Feldenkirchen Zwosiebzehn in der Partei weitestgehend isoliert, ist sich für nichts zu schade und macht im Wahlkreis Wuppertal I Stimmung für Parteibuddy Helge Lindh: Grimmig, entschlossen, ein echter Teamplayer. Statt Rasenheizung und Flutlicht jetzt also wieder Ascheplatz. Im Amateurfußball sagen wir dazu: Der hat mal höher gespielt.
Mittwoch: Obwohl ich die Fragen beim Wahl-O-Maten pupileicht finde, errechnet mir dieses Teufelsding 56,8 Prozent Übereinstimmung mit "Team Todenhöfer". Ich verbringe den Rest des Tages damit, mein gesamtes Leben zu hinterfragen.
Für Armin Laschet geht eine weitestgehend unfallfreie Woche mit stabilen 20 Prozent für die CDU in der "Wahlkampfarena" der Jungen Union in Hannover zu Ende. Technisch wurde aufgefahren, was das Parteikonto hergibt: Krankamera, Outdoor-Bühne, Youtube-Livestream (46 Zuschauer_innen). Ein gut gelaunter Laschet versucht sich in Box-Metaphern und probiert neue Bits aus seinem Standup aus: "Ich war gestern in Ostdeutschland: Eisenach, Erfurt, Apolder." Dann, das kennt man nicht von ihm, richtet er den Zeigefinger auf jemanden in der ersten Reihe: "Erfurt, Eisenach oder Apolder? Erfurt. Gut." Es liegt ein bisschen Fernsehgarten in der Luft, fast wirkt es, als kämen gleich Armin Roßmeier und Peter R. Neumann auf die Bühne, um gemeinsam mit Laschet ein Rindsfilet an Rotweinjus zu zaubern, bevor Friedrich Merz als Falkner verkleidet ein bisschen etwas über Riesenseeadler erzählt. Sonnenuntergang, Andreas Gabalier entlässt die Partymeute mit "Hulapalu" in die After Show, wo sich Laschet, Neumann und Tilman Kuban den Klaren (was trinkt man in "Hannover"?) reinfahren: Saufen, um zu vergessen. Wahlkampf könnte so schön sein, wenn man ihn mal lässt.
Paukenschlag am Samstagabend: Rezo veröffentlicht ein neues Youtube-Video, diesmal zum Thema Klimawandel. Ohne mir die 32 Minuten angeguckt zu haben: Das war’s dann wohl endgültig für Laschet.
Euch eine erfolgreiche KW 36,
euer: Dax Werner
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