Newsticker

Nur diese Kategorie anzeigen:Meinung Eintrag teilenEintrag per Email versenden Mit Facebook-Freunden teilen Twittern mit Google+ teilen

Meditation und Markt mit Dax Werner

Jeder kämpft für sich allein

Liebe Leser*innen,

gestern Mittag erreichten mich die ersten wütenden E-Mails: Wo denn die zweiwöchige Kolumne bliebe, es sei langsam ja einmal Zeit und die Fernsehgebühren für den April vorerst einbehalten. Deswegen an dieser Stelle: Bitte beruhige dich, Mama! Keine Entschuldigung, aber der Versuch einer Erklärung: Ich bin beim Streamen eingeschlafen und habe schon länger kein Gefühl mehr dafür, welchen Tag wir eigentlich schreiben. Als ich eben aufwachte, lief jedenfalls das Amazon Original von Chris Tall: Mich hat das irgendwie angepowert, diese subtile "Jeder kann es ins Fernsehen schaffen"-Submessage, das Tröstende in der Tragödie. Und ich glaube, das ist genau der Spirit, den Christian Lindner meinte, als er diese Woche in "Bild" erklärte, dass die Bevölkerung in Normalzeiten betüddelt und unterfordert werde und die Krise eigentlich erst so richtig zeige, was in uns stecke.

Auch mein Eindruck in den letzten Tagen, dass die Ausnahmesituation das Beste aus uns rausholt: In den Supermärkten herrscht zum Beispiel blanker survival of the fittest. Wer nicht schon eine Stunde vor Ladenöffnung auf dem Parkplatz ausharrt, hat es in my humble opinion nach auch nicht verdient, entspannt auf Toilette gehen zu können oder in den Genuss von Bananen zu kommen. Viele Menschen in diesem Land haben den köstlichen Geschmack von purem Weizenmehl (405) inzwischen schon vergessen, weil sie nach wie vor zu zweistelliger Uhrzeit aufstehen. Nichts erzählt die Geschichte dieser Pandemie eindrücklicher als die Blicke der Menschen zwischen den Tiefkühlfächern und dem Aktionsregal. Zwischen "Von hier an kämpft jeder für sich allein" und "Ich habe vier Wochen lang keine Nachrichten gelesen, was ist hier eigentlich los?" ist im Grunde alles dabei.

Und dann sehe ich in junge, hungrige Gesichter, die – Gnade der frühen Geburt – Abitur und Studium schon hinter sich haben und jetzt eigentlich bereit wären für Karriere und Gehaltsverhandlung. Doch statt Zukunftsgeilheit geht bei vielen die Angst um: Was, wenn Julia Klöckner mobilmacht und mich aufs Spargelfeld schickt? Wie macht sich die Saison dann später im CV? Planungssicherheit sieht anders aus.

Full Darwin Mode offenbar auch in der Virologenbubble: Der von mir erst vor zwei Wochen an dieser Stelle hochgelobte Cheferklärer Prof. Dr. Christian Drosten erwägt offenbar den Rückzug aus den Medien. In seinem Podcast beschwert er sich, dass Wissenschaftler mehr und mehr als Entscheidungsträger dargestellt werden. Manche unken schon: Vielleicht ist dieser Mann einfach nicht gemacht für das Haifischbecken Aufmerksamkeitsökonomie. Ich glaube, ich weiß, wie Drosten sich fühlen muss: Als mein erster Tweet bei "Twitterperlen" gefeatured wurde, war da auch erst einmal ein paar Tage Leere. Aber dann ging's weiter. Denn es muss weiter gehen. Irgendwie.

Keep on fighting, Prof. Drosten.

Dein Dax Werner

Nur diese Kategorie anzeigen:Meinung Eintrag teilenEintrag per Email versenden Mit Facebook-Freunden teilen Twittern mit Google+ teilen

Inside TITANIC (21)

Intime Einblicke in das Innere der TITANIC-Redaktion und ihrer Mitglieder. Heute: Torsten Gaitzsch über Gebrechen und fliegende Masseurinnen.

Wenn man von Deutschlands führendem Satireblatt rekrutiert wird, freut man sich zwar wie Bolle, kriegt aber auch leichtes Muffensausen eingedenk des berüchtigten TITANIC-Fluches. Zumindest mir ging es so. Denke ich an die vielen TITANIC-Legenden, die vor ihrer Zeit aus dem Leben geschieden oder üblen Gebrechen anheimgefallen sind, bin ich wirklich geneigt zu glauben, ein Fluch laste auf diesem Magazin, übrigens unabhängig vom aktuellen Redaktionssitz (wir sind bekanntlich vor knapp zwei Jahren von einer Kapitalistenschweinevilla in eine ehemalige Pferdeschlachterei umgezogen). Und dieser Eindruck verfestigt sich jedes Mal, wenn wieder eine Kollegin oder ein Kollege von Keuchhusten, Kniebrüchen oder grippalen Gefechten außer Infekt gesetzt wird, äh: andersrum.

An mir ist dieser Kelch bislang – psychische (Vor-)Belastungen bewusst ausgeklammert – gottlob vorübergegangen. Ich verfüge noch über all meine wichtigsten Organe, ich habe meine Allergien im Griff, meine Sehkraft hat nicht sonderlich nachgelassen, und ich halte seit zehn Jahren meinen BMI. Gesamtbilanz: Mit einer Kehlkopfentzündung, einem schweren Kater und einer Lebensmittelvergiftung durch den aserbaidschanischen Geheimdienst (Verdacht) dürfte ich es auf kaum sieben krankheitsbedingte Fehltage gebracht haben. Ähnlich abgehärtet ist höchstens Bürogenossin Ella Carina Werner, aber die darf sich ja auch regelmäßig an heilsamer norddeutscher Meeresluft gütlich tun.

In der letzten Heftproduktionsphase hat es mich dann aber doch erwischt: Nackenbeschwerden machten mir drei Tage lang zu schaffen. Jede Bewegung des Halses ließ mich exaltiert jammernd zusammenzucken, und ich hatte keine Ahnung, wo das herkam. Ein heißes Kirschkernkissen im Hemd verschaffte kurzzeitig Linderung, hat aber in mein Gehirn, genauer: ins Sprachzentrum gestrahlt, so dass ich jetzt Ausdrücke wie "Muffensausen" und "sich freuen wie Bolle" benutze. Abwarten und Tee trinken hat letztlich geholfen. Beinahe hätte ich in Erwägung gezogen, jene "fliegenden Masseurinnen" einzubestellen, die uns mal vor Jahren in einer Kneipe ungefragt ihre Dienste anpriesen. Was für ein Albtraum: Da kommen wildfremde Menschen in dein Büro und kneten dir den Rücken! Aber damit ist's ja vorerst eh "Essig", wegen Corona. Ach ja, Covid-19 – daran werden wir selbstverständlich alle zugrunde gehen. Doch das ist ein Thema für die kommende Hauskolumne.

Nur diese Kategorie anzeigen:Meinung Eintrag teilenEintrag per Email versenden Mit Facebook-Freunden teilen Twittern mit Google+ teilen

Meditation und Markt mit Dax Werner

Der große Corona-Podcast-Test

Der Virus hat uns fest im Würgegriff, ein Land in Quarantäne: Während der Dax inzwischen unter 9000 Punkte rutscht (was immer noch eine sehr hohe Zahl ist, wie Chefredakteur Moritz Hürtgen gestern gelassen kommentierte), hat eine Zukunftstechnologie Hochkonjunktur: der öffentlich-rechtliche Corona-Podcast mit männlichem Experten! In den letzten Wochen sind mindestens drei solcher Formate an den Start gegangen, und die Frage ist nicht, ob es noch mehr werden, sondern wann. Und ich hab sie mir für Euch angehört!

"Coronavirus – Doc Esser klärt auf" (WDR) war eines der ersten öffentlich-rechtlichen Corona-Audioangebote am Markt. Doc Esser, bürgerlich Heinz-Wilhelm Esser, Fans auch bekannt unter seinem Alias "Heiwi", ist joviale Frohnatur, Lungenfacharzt und tätowierter Rockmusiker. Augenscheinlich ist "Doc Esser klärt auf" in der WDR-Verbraucherredaktion angesiedelt, bei den Episodentiteln wird niedrigschwellig gearbeitet: "Heiwi, was kommt denn jetzt noch auf uns zu?" (14.03.2020). Esser ist – im Gegensatz zu seinen direkten Mitbewerbern Drosten und Kekulé – offenbar nicht beratend für den Bund oder NRW tätig. Bedeutet aber auch inhaltliche Beinfreiheit, im Podcast selber herrscht eigentlich immer gute Stimmung. Interpretiert den Medizinexperten entlang der Schnittstelle von Fachmann und rheinischem Jung mit dem Herz am rechten Fleck ("Müssen gucken, dass wir das Ding gewuppt bekommen!"). Auch dafür gibt es einen Markt. Fazit: Schöner Einsteiger-Podcast zum Thema.

"Coronavirus-Update mit Christian Drosten" (NDR) ist ohne Zweifel das "Fest und Flauschig" der Viren-Podcasts: Branchenprimus, Benchmark-Angebot, Konsens-Format. Anja Martini, NDR-Wissenschaftsredakteurin, und Prof. Dr. Christian Heinrich Maria Drosten bearbeiten das Thema auf so einem hohen und gleichzeitig verständlichen Niveau, dass dieser Podcast für viele Menschen in diesem Land inzwischen längst zur Daily-Quarantäne-Routine gehört. Ein kleiner RSS-Anker in einer Welt aus den Fugen. Um den Professor hat sich inzwischen ein regelrechter Kult entwickelt, ausufernde Liebesbekundungen an das Genie in Weiß machen im Internet seit Wochen die Runde. Liegt auch daran, dass Drosten bei allem Elfenbeinturm immer nah am Menschen bleibt und sich im Podcast auch mal mit Flaschenbier und Fassbier aus virologischer Perspektive beschäftigt oder seine Wochenendpläne ("Studien durcharbeiten, spazieren") mit uns Hörern teilt. Dem Mitentdecker des SARS-assoziierten Coronavirus dürften (wenn "das hier mal alles vorbei ist") karrieretechnisch alle Türen offen stehen: Vom ARD-Vorabendquizmaster bis zum UN-Generalsekretär ist wenig undenkbar.

Gestern verkündete der Mitteldeutsche Rundfunk dann den Transferhammer der Woche – für "Kekulés Corona-Kompass" (MDR) hat man sich in Leipzig die Dienste des zweitwichtigsten Virologen des Landes sichern können: Dr. Alexander S. Kekulé. Was für viele Außenstehende überraschend über die Timeline vibrierte, war für uns Insider im Grunde nur eine Frage der Zeit: Seit Wochen schon schießt Kekulé mal mehr und mal weniger deutlich gegen das Robert Koch-Institut, Gesundheitsminister Jens Spahn und seinen Intimfeind Drosten, in so gut wie jedem öffentlichen Auftritt zitiert Kekulé seine eigenen Empfehlungen von vor ein paar Wochen. Tenor: Ich hab's euch doch gesagt. Ein Mann hat Redebedarf, der Hype um den Professor mit der sanften Stimme und den Wuschelhaaren macht ihm ganz offensichtlich zu schaffen. Marketingtechnisch ist die Kooperation zwischen MDR und Kekulé ein Match auf Augenhöhe. Gegen die Wohlfühlkonkurrenz wird schon gleich in der ersten Folge nicht lang drumherum geredet, Titel: "Risikogruppen sollen Vorräte anlegen". Auch Sparringspartner Camillo Schumann (MDR aktuell) setzt mit seiner ersten Frage den Ton für die Veranstaltung: "Herr Kekulé, sind das noch medizinisch notwendige oder nur noch politisch kopflose Entscheidungen?" Antwort Kekulé: "Wir stehen mit dem Rücken zur Wand." Auch für Kekulé ist prognostisch alles drin: Von der Gründung einer Professorenpartei bis zur nächsten Causa Uwe Steimle scheint derzeit alles möglich. Fazit: Schöner Podcast für alle, die keine Infos, sondern Anweisungen brauchen.

Spannend bleibt, wann sich die erste Rundfunkanstalt an einen Corona-Podcast mit weiblicher Protagonistin traut. Aber vielleicht sind die Viren-Expertinnen gerade (wie zum Beispiel Marylyn Addo) auch einfach mit wichtigeren Dingen beschäftigt, als jeden Tag neue Einschätzungen in ein Mikrofon zu sprechen – oder um es mit Kurt Prödel zu sagen: "Shout out an alle Personen, die wirklich in der Wissenschaft arbeiten & den Impfstoff anrühren, statt nur Podcasts darüber zu machen." Bleibt zu Hause & gesund!

Euer Dax Werner

Nur diese Kategorie anzeigen:Meinung Eintrag teilenEintrag per Email versenden Mit Facebook-Freunden teilen Twittern mit Google+ teilen

Inside TITANIC (20)

Indiskrete Einblicke in das Innere der Redaktion und ihrer Mitglieder. Heute: Paula Irmschler brainstormt über Brainstorming.

"Schreib doch darüber, wie es ist, kein Thema zu finden, ahahahaha, kotz", schwallen mir Freundinnen oft des Nachts vor, wenn ich erzähle, dass ich bis gleich eine Kolumne geschrieben haben muss. Das ist diesmal gar nicht so, vielmehr habe ich rechtzeitig angefangen, wirklich, echt, schon letztens im Zug. Aus dem Fenster geschaut, an meinem Wasser genippt, zarte Indiemusik aufgelegt, über uns als Redaktion nachgedacht, was uns eint und trennt und antreibt. Aber ich erinnere mich jetzt trotzdem mal an diese Worte der Freundinnen, weil sie so schön an den Anfang passen. Auch ein schöner Anfang ist: Es sind herrliche Zeiten für Satire. Die Themen liegen ja derzeit auf der Straße. Corona, Hamsterkäufe, Thüringen, Geisterspiele, der Dax, Rechtsterror, Woody-Allen-Fans und die Buschfeuer in Australien. Ach, nee, die sind rum oder egal, aber wen interessiert das schon in dieser schnelllebigen Zeit.
Wie finden wir also unsere Themen? Einige von uns surfen viel im Internet. Klick, Klick, und schon ist was notiert. Wiederum andere regen sich bei Zigaretten und Kaffee und noch mehr Zigaretten und noch mehr Kaffee darüber auf, was andere im Internet geschrieben haben, und dann ist auch schon Feierabend. Dann gibt es noch Leute, die richtig Nachrichten gucken, abends mit dem Partner, schön kuschelig, dann wird geknutscht und sich gestreichelt ... Seufz. Entschuldigung. Es gibt außerdem die, die unterwegs schnell die Nachrichten-Podcasts abklappern, dabei Käse-Ei-Brot im Maul und der starke Wille, gleich was zu pitchen. Der eine ist immer auf Twitter. Die Pendlerinnen befragen die Menschen in den DB-Lounges. Nur wenige lesen noch Zeitung. Deswegen wurde gestern auch mal heftig auf den Tisch gehauen (so dass einige Zeitungen runterfielen) und gesagt, dass wieder mehr Zeitung gelesen werden muss. Nicht immer hier schnelle Mark mit dem schnellen Witz. Was wird das für unser Heft bedeuten? Werden wir wieder genial?

Unlängst wurde ich in einem Interview gefragt, woran wir gerade fürs neueste Heft arbeiten würden. "Äh", stammelte ich, "lustige Fotos, dings, Kostüme!" Die Wahrheit ist, wir wussten es natürlich noch nicht. Wir sammeln jetzt erst mal ganz in Ruhe. Bei eurer Hysterie machen wir nicht mit! Auch mal wieder was fühlen, sich rantasten, etwas aushalten. Hamsterkäufe, haha!

Nur diese Kategorie anzeigen:Meinung Eintrag teilenEintrag per Email versenden Mit Facebook-Freunden teilen Twittern mit Google+ teilen

Meditation und Markt mit Dax Werner

Corona im Kopf

Liebe Leser*innen,

die Ereignisse des vergangenen Monats hätten früher für ein ganzes Jahr gereicht: Am 5. Februar wählen CDU und AfD gemeinsam einen völlig unbekannten FDP-Landtagsabgeordneten zum neuen Ministerpräsidenten von Thüringen (von dem man seither nichts mehr gehört hat), AKK kündigt als Reaktion darauf ihren Rückzug vom CDU-Parteivorsitz an, Mitte Februar werden ein Dutzend Rechtsterroristen mit konkreten Anschlagsplänen um einen Trödelhändler namens "Teutonico" festgenommen (auch darüber hört man nichts mehr) und einige Tage später ereignet sich in Hanau der zweitgrößte rechtsextreme Terroranschlag in der Geschichte der Bundesrepublik.

So richtig Luft, mal auch nur irgendeines dieser Themen in Ruhe einzuordnen, blieb jedoch leider nicht, weil zeitgleich Karnevals-Session war, oder wie wir in der TITANIC-Redaktion sagen: "Deutsche Spring Break!" Für jede der ARD-Landesrundfunkanstalten muss jeweils eine sechsstündige Fastnachtssitzung übertragen werden, so will es der Jecken-Paragraph im Rundfunkstaatsvertrag. Und wenn zu Hanau und Teutonico erst einmal alles valide ausrecherchiert ist, werden wir in der nahen Zukunft ohnehin noch mal eine breite mediale Debatte dazu führen, daran lassen zahlreiche ähnliche Beispiele aus der Vergangenheit jedenfalls keinen Zweifel.

Einen Vorgeschmack gab es ja ohnehin schon bei "Mainz bleibt Mainz", als die im breiten Rheinhessisch gehaltene Rede des Obermessdieners Andreas Schmitt viral die Runde machte: "Hanau war ein Angriff auf uns alle!" Gänsehaut im Festsaal und am Smartphone! "Auf uns alle" klingt zwar wunderbar demokratisch, blendet aber schon aus, dass Andreas Schmitt in seinem Alltag wahrscheinlich weniger beeinträchtigt bleibt als direkt Betroffene. Sperriger Gedanke, ich weiß, weil man dazu den Betroffenen ja überhaupt erst einmal zuhören müsste.

Und auch in einem anderen Punkt ist die bierselige Rede von Schmitt in den eineinhalb Wochen nach Veröffentlichung nicht besonders gut gealtert, denn was vermutlich als (etwas weirder) Verweis auf den 2. Weltkrieg gemeint war ("Unsere Kinder werden nicht mehr für euch erfrieren"), ist in dieser Sekunde Realität für Zehntausende Flüchtende an der Grenze zwischen der Türkei und Griechenland.

Klar, in der Rückschau ist man immer schlauer. Doch was "Sea Watch" aktuell zu Recht als "vollständige Auflösung der Europäischen Union als sogenannte Verteidigerin der Menschenrechte" bezeichnet, ist für den marktradikalen Lindner – der vor nicht mal vier Wochen noch gemeinsame Sache mit der Höcke-AfD in Thüringen machte – nicht mehr als ein Stichwort, "Frau Merkel" via Twitter an ihr Versprechen, dass es keinen "#Kontrollverlust bei der Zuwanderung wie 2015" mehr geben dürfe, zu erinnern. Erstaunlich frech für einen, der streng genommen gar nicht mehr im Amt sein dürfte!
Und gerade in dem Augenblick, in dem man sich ernsthaft fragt, ob es überhaupt noch kaputter geht, spawnt er plötzlich doch noch aus dem Nichts auf, der langersehnte gesellschaftliche Konsens gegen Gewalt, denn: Ein Milliardär aus Sinsheim wurde bei einem Fußballspiel als "Hurensohn" bezeichnet. Man spürt's: Hier wurde dann doch eine Grenze zu viel überschritten, wenn's hart auf hart kommt, steht man gesellschaftlich zusammen gegen Hass und Gewalt. United we stand. Ein Zeichen, das Mut macht.

Was mir auch Mut macht: Dass man von Tom Buhrow seit seinem Video-Statement zu #Omagate Ende Dezember 2019 – in unserer Familien-Whatsappgruppe übrigens liebevoll als Outsider-Art gelabelt – nicht mehr so wirklich was gehört hat. Das kann für mich nur heißen, dass Buhrow gerade fleißig an der Verwirklichung seines vollmundig angekündigten neuen "Klima des Miteinanders" arbeitet. Ich freue mich darauf!

Bleibt sauber und wascht Euch zwischendurch mal die Hände, Euer: Dax Werner ...

Nur diese Kategorie anzeigen:Meinung Eintrag teilenEintrag per Email versenden Mit Facebook-Freunden teilen Twittern mit Google+ teilen

Inside TITANIC (19)

Indiskrete Einblicke in das Innere der Redaktion und ihrer Mitglieder. Heute hat Redaktionspraktikantin Julia Mateus für Sie im Materiallager herumgestöbert.

Betritt man den TITANIC-Fundus, stellt man zunächst einmal fest: Hier sieht es recht ordentlich aus. Die meisten Gegenstände befinden sich in Ikea-Umzugskartons. Und das nicht etwa, weil der Bezug der neuen Redaktionsräume noch nicht lange her ist, sondern weil Weißraumfreund Tom Hintner hier aufräumt – und zwar fortlaufend. Alle Kartons sind ausführlich beschriftet. Manche geben sogar zusätzlich Auskunft darüber, was sich nicht in ihnen befindet: Wolle, Seide, Kordel, "Sex", Nähzeug steht auf einem. Ein anderer bietet Platz für Hosen, Damenröcke "Petry", zwei weitere etwas allgemeiner für WAFFEN und Arzt.

Wirft man allerdings einen Blick hinter die Kulissen bzw. Kartonwände, wird der propere erste Eindruck schnell gestört. In der Militär-Helme-Kiste befindet sich auch ein Umschlag mit Friedensfähnchen. Muss man wissen! Auf eine nähere Untersuchung der Gegenstände im rosa "Sex"-Korb verzichtet hingegen lieber, wer die Bilder aus jenem Fotoroman, in dem diese zum Einsatz kamen, noch im Kopf hat.

Trotz intensiver Nachforschung bleiben einige Fundus-Phänomene am Ende mysteriös: Warum enthält die redaktionseigene Werkzeugkiste fünf verschiedene Hämmer (aber keinen aus Holz)? Und was hat es mit den 1,5 kg Kaffeesatz auf sich, die in einer Glasschale aufbewahrt werden? Ich habe leider keine Antworten auf diese Fragen, aber vielleicht ja Sie? Mailen Sie sie mir gern an crowdfundus@titanic-magazin.de.

Vielen Dank!

Nur diese Kategorie anzeigen:Meinung Eintrag teilenEintrag per Email versenden Mit Facebook-Freunden teilen Twittern mit Google+ teilen

Meditation und Markt mit Dax Werner

Heldengeschichten

Liebe Leser*innen,

2009 veröffentlichte Norbert Röttgen seinen Grundsatztext "Deutschlands beste Jahre kommen noch: Warum wir keine Angst vor der Zukunft haben müssen". Das Cover zeigt eine herrlich weiße Gießkanne von der alten Sorte, die einen Fleckchen Erde bewässert. Alles in allem eine gelungene Visualisierung der sozialpolitischen Maxime vom "Fördern und Fordern".

Und Röttgen sollte Recht behalten: Schon ein Jahr später meldete die ARD den Talkshow-Coup des Jahrzehnts, als Günther Jauch himself den Sonntagabend-Talkshow-Slot übernahm. Noch mal vier Jahre später holten Jogis Jungs das Ding im Maracanã-Stadion nach Hause.

Doch Norbert ist niemand, der seine Leser*innen nur besoffen zukunftsgeil schreibt, sondern einer, der auch nüchtern Bilanz ziehen kann, wenn es sein muss. Oder wie es der Klappentext verspricht: "Eine klare Analyse ohne Scheuklappen." Und in der Rückschau muss man es nun vielleicht so klar sagen: Das waren sie, die besten Jahre. Die WM 2014 zählt offenbar zu den Ereignissen, die mich besonders nachhaltig beschäftigen, denn vor einiger Zeit habe ich den Moment des WM-Gewinns hier an dieser Stelle schon einmal beschrieben: "Ich erinnere mich, wie Claus und ich minutenlang stumm auf einen 20-Zoll-HD-Ready-Flatscreen am Brüsseler Platz starrten, und an dieses unwirkliche Momentum, wo Fips Lahm das Dingen in den Nachthimmel von Rio streckte." Das "unwirkliche Momentum" war vielleicht eine Vorahnung, dass nach diesem Abend erst einmal nichts mehr besser werden würde. Und vielleicht, nein: sogar sehr sicher hat das an diesem Abend noch ein anderer Vordenker aus NRW deutlich gespürt. Norbert Röttgen.

Möglich, dass in ihm in diesen Moment der Entschluss reifte, es irgendwann noch mal zu versuchen, noch ein letztes Mal anzugreifen. Norbert Röttgens Geschichte ist die Geschichte eines Fighters, die Story von einem, der immer einmal mehr aufsteht, als er hinfällt. Einer, der weiß: Nur unter Druck entstehen Diamanten. Wir in NRW lieben solche Geschichten. 2012, die Schmach von Düsseldorf: Röttgen, damals noch Bundesumweltminister mit lausbubenhaftem Harry-Potter-Charme, verzockt sich bei der nordrhein-westfälischen Landtagswahl, will ohne klares Bekenntnis zu seinem Bundesland Ministerpräsident werden und scheitert krachend gegen Hannelore Kraft. Ich selbst arbeite zu dieser Zeit noch als kleiner Bub mit großen Träumen bei einem Fernsehsender unweit des Landtags, erinnere mich an einsame Feierabend-Biere mit Blick auf den Rhein. Nicht unwahrscheinlich, dass Norbert in diesen Momenten ratlos auf denselben Rhein blickte.

Nun hat er als vierter Nordrhein-Westfale nach Laschet, Merz und Spahn seinen Hut in den Ring für CDU-Vorsitz und Kanzlerkandidatur geworfen. Viele werden diesen Move belächeln, ihm keine Chance einräumen, Fahrradrennen-Analogien wie "zu früh aus dem Windschatten gefahren" bemühen. Röttgen muss das nicht kümmern. Ja, die große Politik in Berlin wirkt immer technokratischer, steriler, doch ganz vielleicht ist ja noch einmal Platz für eine kleine Heldengeschichte. Oder, wie es bei "Volker Bouffier. Lebensgeschichte und Politik" im Kapitel "Leitgedanken des Politikers Volker Bouffier. Aus den Reden 2010 bis 2013" heißt: "Ich bin Hesse und trotzdem begeisterter Europäer."

Tut mir einen Gefallen und kommt gut durch die Woche.

Euer: Dax Werner

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Halt, Stromanbieter Ostrom!

Du kannst uns noch so oft auf Insta mit den vielen »reasons to join ostrom« kommen, unsere Treue gehört dem einzig wahren Rom: Westrom!

In diesem Sinne vale und semper fi von Deiner Imperialtraditionalistin Titanic

 Unzufrieden, »Deutschlandfunk Kultur«,

sind einer Deiner Instagram-Kacheln zufolge knapp 20 Prozent der Jugendlichen. Vor allem Zukunftsängste machen ihnen zu schaffen. Als serviceorientierter Wohlfühlsender hast Du aber direkt eine praktische Lösung parat, wie den jungen Leuten geholfen werden könnte. Und zwar, indem man ihnen in der Schule sogenannte Selbstregulationskompetenzen beibringe. Gut geeignet seien demnach zum Beispiel Yoga und Atemübungen.

Die aufkommende Panik einfach wegmeditieren? Zugegeben: Bei der Hilflosigkeit, die beim Gedanken an Verarmung, Klimakatastrophe und Faschismus aufkommt, keine abwegige Idee. Trotzdem schiene uns »Selbstregulation« ein irgendwie spaßigeres Konzept zu sein, wenn Du, Deutschlandfunk, es den Jugendlichen anhand der Konten von Milliardär/innen oder anhand leerstehender Luxuslofts beibrächtest!

Deine Revoluzzerkids von Titanic

 Na, lange nichts von Ihnen gehört, Seehofer, Sie alte Schabracke!

Na, lange nichts von Ihnen gehört, Seehofer, Sie alte Schabracke!

Im Interview mit der Süddeutschen Zeitung geben Sie Ihrer ehemaligen Chefin eine Mitschuld am Erfolg der AfD: »Ich finde, dass Angela Merkel sich keinen Zacken aus der Krone brechen würde, wenn sie mal erklärt: In der Migrationsfrage habe ich nicht jeden Tag richtig gelegen.« Nein, verkündeten Sie außerdem generös, Sie hätten »keine Triumphgefühle« ihr gegenüber, nur weil jetzt in der Flüchtlingspolitik »sehr viel von dem getan wird, was ich schon vor Jahren gefordert habe – und dafür von einigen sogar als Rechtsextremist beschimpft wurde«. Stattdessen spürten Sie nur »Genugtuung nach innen«. Natürlich: Stille, nach innen gerichtete Genugtuung posaunt man bekanntlich in die Süddeutsche … Aber wäre es nicht so oder so treffender gewesen, Sie hätten von einem »inneren Reichsparteitag« gesprochen?

Fragt Sie Ihre sprachpsychologische Praxis auf der Titanic

 Mal wieder typisch, Bundespolizei!

Du testest gerade den Einsatz von Tasern, hast Dir in einem vertraulichen Bericht aber eingestehen müssen, dass diese ihre Mannstoppwirkung oder gleich das ganze Ziel gerne mal verfehlen. Ein Grund für das Versagen der Taser ist wohl: eine »offene Softshell-Jacke«. Und das ist ja mal wieder typisch! Wer muss sich um Polizeigewalt in Taserform also keine Sorgen machen? Gutsituierte Krautwurst-Teutonen in ihren ewigen Softshell-Jacken! Komm, Bundespolizei, Rassismus kannst Du doch auch weniger auffällig, weiß aus anders gekleideter Quelle

Deine Titanic

 Und aber apropos, brigitte.de!

»Diese Angewohnheit schadet deinem Gehirn mehr, als du denkst« – eigentlich ist uns das als Vorlage zu billig. Aber schwer fällt uns der Verzicht schon!

Gewohnheitsmäßig nicht Deine Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Sprachchanges

Ist es Ihnen auch schon aufgefallen? Wir verwenden in der deutschen Sprache immer öfter Anglicisms.

Jürgen Miedl

 Ungenießbar

Zu Beginn der kalten Jahreszeit wird einem ja wieder überall Tee angeboten. Ich kann das Zeug einfach nicht trinken. Egal wie viel ich von dem brühheißen Wasser nachgieße, ich schaffe es einfach nicht, den Beutel im Ganzen herunterzuschlucken.

Leo Riegel

 Schattenseite des Longevity-Trends

Ob ich mit fast 60 noch mal Vater werden sollte? Puh, wenn das Kind 100 ist, bin ich schon 160!

Martin Weidauer

 Krass, krasser, Kasse

Wenn ich im Alltag mal wieder einen Kick suche, gehe ich kurz nach Feierabend oder samstags bei einem Discounter einkaufen. Finde ich dort eine richtig lange Kassenschlange vor, stelle ich mich nicht etwa an, sondern lege meine Einkäufe auf die nicht besetzte Kasse daneben. Hier beginnt der Nervenkitzel: Werde ich wie der letzte Idiot erfolglos auf die Öffnung der neuen Kasse warten oder wie ein allwissender Gott über den gewöhnlichen Einkäufern schweben? Mehr Spannung geht nicht. Anfängern rate ich allerdings, sich erst nach dem Schrillen, mit dem im Supermarkt Kollegen gerufen werden, an der leeren Kasse anzustellen. So kann man sich mit ein paar sicheren Erfolgen langsam an das freie Anstellen herantasten.

Karl Franz

 Bibelfest

Ich habe letztens geträumt, dass ich Teil einer christlichen Punk-Band war. Unser größter Hit: »Jesus muss sterben, damit wir leben können«.

David Sowka

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

  • 28.10.:

    Das Schweizer Nachrichtenportal Watson preist den aktuellen Titel der Novemberausgabe im "Chat-Futter" an.

  • 03.10.: Der MDR kramt bei der Debatte, ob Ostdeutschland in den Medien schlechtgeredet wird, die Zonen-Gaby wieder hervor.
  • 26.09.:

    Noch-Grünenchefin Ricarda Lang retweetet "ihren" Onlinecartoon vom 25.09.

  • 18.09.: TITANIC-Zeichnerin Hilke Raddatz ("Briefe an die Leser") ist mit dem Wilhelm-Busch-Preis geehrt worden. Die SZLZ und der NDR berichten.
  • 12.09.:

    "Heute detoxe ich im Manager-Retreat im Taunus": TITANIC-Chefredakteurin Julia Mateus im Interview mit dem Medieninsider.

Titanic unterwegs
05.11.2024 Sylt, Feuerwache Tinnum Gerhard Henschel
05.11.2024 Frankfurt am Main, Club Voltaire »TITANIC-Peak-Preview«
07.11.2024 Hamburg, Centralkomitee TITANIC-Boygroup mit Gsella, Sonneborn und Schmitt