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Life & Style mit Antonia Stille

Life: Reich sein, aber richtig 

Wer dieser Tage das "Manager Magazin" aufklappt, dem fällt doch glatt der Aperol aus der Hand: Die Liste der 1001 reichsten Deutschen ist endlich draußen. Aber, liebe Freundinnen (und Freunde!) des gepflegten Geldanhäufens, ich habe da eine Frage: Was sind das für traurige Gestalten, die mir da von den Hochglanzdoppelseiten entgegenbleachen? Wo bleibt da der Swag? Wo ist das gewisse Etwas, das über ein Tragen blau samtener Herrenslipper hinausgeht? In Deutschland sind selbst die Milliardäre spießig und uncool: Peter Harf, Wolfgang Reimann, Renate Reimann-Haas, Stefan Reimann-Andersen und Matthias Reimann-Andersen – wie soll Reichsein da so hip werden wie auf der anderen Seite des Teichs? Keines dieser Gesichter habe ich je auf dem Coachella-Festival gesehen. Da herrscht selbst bei der "Ultimativen Chartshow" mehr Klasse. David Hasselhoff hat unsere Nation vor 30 Jahren nicht wiedervereint, damit Georg und Maria-Elisabeth Schaeffler die deutschen Kim und Kanye werden. Was fehlt, sind Künstlernamen, Sexskandale und ein Werbedeal mit Snipes, um auch bei den Vapern und denen, die welche werden wollen, anzukommen. Reichsein muss man sich verdienen, da reichen arbeiten und Porsche fahren nicht. Mein Vorschlag an die Karins, Stefans und Wolfgangs, und ich hätte nie gedacht, dass ich diese Worte mal sagen würde: Macht es wie der Wendler. Legt eure Zigarillos beiseite und einen Instagram-Account an, jagt euch die exklusivsten Filter aufs Handy und stellt euch dann unterbezahlte Medienstudenten aus Köln ein, die gerne den Account betreiben, um ein Stück vom Marmorkuchen des Reichtums abzubekommen. Wenn ich schon weniger habe, will ich wenigstens sehen, wie andere mehr haben und dabei auch noch gut aussehen.

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Inside TITANIC (10)

Intime Einblicke in das Innere der TITANIC-Redaktion und ihrer Mitglieder. Heute: Leo Riegel über Crap Styling mit Fotokünstler Tom Hintner.

Zusätzlich zu seinem Posten als Chef-Layouter, Bierspezialist und Heft-Legende ist Tom Hintner auch als Chef-Fotograf von TITANIC tätig und somit für die Fotorequisite zuständig. Wie anspruchsvoll diese Aufgabe bisweilen sein kann, war vor einem knappen Jahr mitzuerleben, als es einen Artikel zu dem schon damals brandheißen Thema "Mikroplastik im Stuhl" (TITANIC 12/18) zu bebildern galt. Und was benötigt man für Fotos zu diesem Thema? Richtig: Scheiße. Oder besser: Scheiße-Ersatz.
So geschah das, was hinsichtlich Hintners Perfektionismus zu erwarten war: Tagelang wurden Substanzen verrührt, Haferflocken, Backkakao, Mehl und Wasser fieberhaft und unter Fluchen vermengt, um das optimale Kot-Imitat zu entwickeln. Für die Kollegen wurde es unter seiner wachsenden Manie immer schwieriger, sich auf die Produktion von Heftinhalten zu konzentrieren. Erst als Hintner (Leitspruch: "Es dürfen absolut kein Fehler passieren!") das erwünschte Resultat erzielt hatte, machte sich Erleichterung breit. Stolz verriet er das Geheimnis seines Stuhl-Substituts: "Ein kleines bisschen echte Scheiße macht es perfekt." Nur Kollegin Martina Werner, die in der Zwischenzeit schätzungsweise neun Artikel fertig gestaltet hatte und der die braune Masse fürs Artikelfoto ins Gesicht aufgetragen wurde, mochte über derlei Scherze nicht lachen. Wie Hintner am Ende auch noch den Dampf ins Bild zauberte, darüber können wir nur rätseln. Was uns bleibt, ist die stille Bewunderung und die Verbeugung vor dem Meister.



Foto: Thomas Hintner

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Meditation und Markt mit Dax Werner

Keine Pause mehr vom Sterben

Liebe Krimi-Freunde,

egal, was im Internet steht: Der True-Crime-Hype begann hierzulande am 20. Oktober 1967. An diesem Tag wurde zum ersten Mal "Aktenzeichen XY" im ZDF mit Eduard Zimmermann ausgestrahlt. Was für ein starker erster Satz für für eine Kolumne, hier wird ohne langen Vorlauf konfrontativ so ein Dieter-Nuhr-Babyboomer-Sound gesetzt, als Leser*in spürt man's direkt: Hier macht sich einer bereit zum Aufräumen.

Man weiß ja eh, dass die Deutschen so ein merkwürdiges Ding mit Krimis am Laufen haben. Jedes Jahr sterben allein in der ZDF-Vorabendkrimi-Nische achtmal so viele Filmfiguren wie Deutschland Einwohner hat, allein in den Leichenschauhäusern der Tatorte aus Deutschland, Österreich und der Schweiz hätte die aktuelle Weltbevölkerung mehrmals Platz. Deutschland wäre aber nicht Deutschland, wenn das nicht immer noch nicht reichen würde: Seit einiger Zeit kann sich jede*r den Vorabend-Thrill auch im überfüllten Regionalexpress auf dem Weg zum komplett frustrierenden Bürojob reinwürgen:

True-Crime-Podcasts sind nämlich jetzt the latest shit! True-Crime-Podcasts sind sozusagen der Merger aus "Aktenzeichen XY" und Radio: In den aktuellen I-Tunes-Podcast-Charts rangieren mit "Stern Crime", "Mordlust", Gabor Steingarts "Morning Briefing" und – natürlich! – "Verbrechen" ("Die Zeit") gleich vier True-Crime-Podcasts auf den vordersten Plätzen. Den Funfact, dass auch in dieser Nische mit "Funk", "Stern" und "Zeit" wieder mal traditionelle Podcast-Marken das Game gegen die unabhängigen No-Names gewonnen haben, mal beiseite gelassen: Insbesondere an diesem "Verbrechen"-Podcast der "Zeit" von Sabine Rückert kommt man nicht mehr vorbei. Egal ob zu viert im BlaBlaCar nach München oder beim Sonntagskaffee mit den Großeltern: Offenbar hört diesen schrecklichen Podcast inzwischen jeder einzelne Mensch in diesem Land.

Sie fragen sich sicher: Warum denn "schrecklich"? Ich habe lange über dieses Thema nachgedacht und festgestellt, dass ich darauf keine fundierte Antwort geben kann. Es ist einfach so ein ganz tiefes und unmissverständliches Gefühl. Es ist der Staatsanwalt des guten Geschmacks in meinem Herzen, der mir dieses Lied singt. Ich habe auch lange Angst gehabt, das so offen zu formulieren, aber es muss jetzt einfach raus: Ich finde diesen Podcast richtig anstrengend. Menschen, die begeistert den "Verbrechen"-Podcast hören, lesen auch mit großem intellektuellen Genuss die immer gleichen Betrachtungen von Ferdinand von Schirach ("Aber dieser lakonische Sound!") und besuchen Live-Podcasts von "Lage der Nation". Mich macht es körperlich fertig, dass in diesem Format noch nicht mal entfernt auf so etwas wie dramaturgisches Erzählen Wert gelegt wird: Tathergänge, Plottwists und Lösungen werden ständig beiläufig ausgeplaudert, und zwar immer genau dann, wenn sie den Erzähler*innen gerade zufällig einfallen. Manchmal wird in diesem Podcast einfach vergessen, dass gerade ein Podcast aufgenommen wird, dann werden sich minutenlang Fotografien angeschaut, die irgendjemand von Gottweißwoher mitgebracht hat. In diesen Momenten hört man mitunter minutenlang nur Atmen und Schmatzen. Ich weiß, so aufgeschrieben klingt es fast schon wieder geil, aber das ist es defintiv nicht. Es ist gruselig und einfach nicht in Ordnung. Es ist nicht abkultbarer Trash. Und ich möchte einfach kein Teil einer Gesellschaft sein, in welcher Podcasts, in denen sich ältere Menschen "gegenseitig ganz spannende und außergewöhnliche Geschichten mitbringen", als das nächste große Ding gelten.

Schuldig im Sinne der Anklage: Dax Werner

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Nur kein Gedäh! – von Martin Knepper

40 Jahre TITANIC – denkt denn keiner an die Leser?

Richtig Ärger eingehandelt hat mir TITANIC nur einmal: Das war 1980, als mein Vater entdeckte, dass ich meinen Konfirmationsspruch (Zephanja 3,16-17), der in kiefernem Rahmen an der Tür meines halb noch Kinder-, halb schon Jugendzimmers hing, mit einer ausgeschnittenen Überschrift aus der "Life of Brian"-Kritik der damals aktuellen TITANIC ergänzt hatte: "Fuck Jesus" war da zu lesen, und das elterliche Tamtam galt vermutlich nicht so sehr der inhärenten Blasphemie, die dem schwammigen familiären Christentum wohl weniger ins Herz schnitt, als dem Abschied von der Kindheit, der sich hier trotzig zu behaupten suchte. In unerbittlicher Abfolge, vergleichbar dem Weg von den Zigaretten zu den Joints, aus denen schließlich Trips wurden (vgl. Juliane Werding: "Conny Kramer", 1973) hatte ich die klassische gymnasiale Evolution durchmessen, die von YPS über MAD zu TITANIC führte, neben Flipperautomaten und Tempotüchern die dritte Säule meiner Pubertät. So begannen die Jahre zögernder, oft erfolgloser Versuche, die Kolumnen Walter Boehlichs zu verstehen, den Sinn hinter den parenthetischen Anmerkungsgewittern Eckart oder Eckard oder Eckardt Henscheids oder Henscheidts zu erfassen, meinen Bezugsrahmen den Rundumschlägen der "Briefe an die Leser" anzupassen und mit dem Frust zu leben, wenn es einer meiner Heroen (Hanns Dieter Hüsch, Hubert Fichte) in die Liste der "Sieben peinlichsten Persönlichkeiten" geschafft hatte. Die Jahre vergingen, ich reifte zum Manne (Penis) und Abonnenten, der erhobenen Hauptes die niemals im neutralen Umschlag versandten Hefte vom Postboten mit der Deutschlandfahne am Fahrrad entgegennahm; sie allenfalls schamvoll bedeckend, wenn ich der türkischen Zugehfrau das jeweils aktuelle Erdogan- oder ISIS-Cover nicht zumuten zu können glaubte. It's a long way from Sossenheim to Intimschatulle: Seither ist die TITANIC ungezählte Male jünger und inzwischen auch weiblicher geworden, was man von mir beides nicht behaupten kann. Ist sie deshalb gescheitert? Oder bin ich es? Fuck Failure.

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Life & Style mit Antonia Stille

Style: Ein Verlag kommt selten allein 

Kennt ihr das? Ihr wacht neben eurem Schatz auf und denkt euch: Was tun als junges berufstätiges Paar, das keine Zeit für Kinder, aber eigentlich genug Geld hat? Richtig: Das Accessoire des Herbsts – neben einem Rauschebart für ihn und farbgleichen Steppjacken für beide – ist Meinung. Meinung, Meinung, Meinung. Denn damit ist es wie mit dem Geld: Man kann davon einfach nicht genug haben (und drucken). Meinung. So günstig wie im Moment ist sie nie wieder, also greift lieber zu, bevor alle Zeitungen mit stylischem Layout und im Loft gelegener Druckerei weg oder eingestellt sind. RIP JWD. Heute schon besitzen, was morgen gedruckt wird. Ihr müsst nur wissen, wie.
Mein Trendradar spuckt folgendes Ergebnis aus: En vogue sind gedeckt gedruckte Farben. Meinung in Taubenblau, Analyse in Senfgelb und dazu ein bisschen Recherche in Lindgrün, aber bloß nicht zu viel. Deshalb ist es elementar, bei der Wahl des zu erwerbenden Blatts darauf zu achten, dass es zu einem passt wie der Chihuahua in die Handtasche. Das Allerbeste: Beim Kauf einer Zeitung könnt ihr im Gegensatz zum 08/15-Shopping sichergehen, dass bei der Produktion keine Kinderarbeit im Spiel war. Außer natürlich unbezahlte Praktikanten. Es ist auch nicht ganz so wichtig, ob man vor dem Kauf in das Blatt reinschaut, wie die Meinungsmaschinen und Monetarisierungsmenschen Holger und Silke Friedrich beweisen, die ihre frisch erworbene "Berliner Zeitung" nach eigenen Angaben seit fast 15 Jahren nicht mehr gelesen haben. Konsequent! Wichtig ist dabei, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren: Wie sieht das Druckerzeugnis unterm haarlos gelaserten Arm aus, und performt es auf Partys als Conversation Starter und Kreditwürdigkeitsbeleg? Das Urteil: acht von zehn Bleiwüsten. Meine Meinung!

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Inside TITANIC (9)

Intime Einblicke in das Innere der TITANIC-Redaktion und ihrer Mitglieder. Heute: Redaktionspraktikant Adrian Schulz über eine kreuzbiedere Langweilerbude.

Eigentlich ist es "ganz cool" in der Redaktion, wie man heutzutage sagt, besonders als Neuling, Frischling, Praktikant. Natürlich wurde früher, unter Gernhardt, Knorr, Kühne und Konsorten, mehr gefickt und gesoffen, wie man allenthalben hört; aber ich war da ja noch gar nicht am Leben, kann mich also gar nicht authentisch reinficken, äh, -fühlen in diese Heiterkeit, die damals geherrscht haben muss.
Heute sind privat alle sehr ernst und werden böse, wenn man nicht grüßt. Chefredakteur Moritz Hürtgen lässt mich jeden Morgen mit einer Zeigefingerwackelgeste antanzen und Bericht erstatten, wie denn meine "Mood" sei und welche "Achievements" ich mir für heute vornähme. Um Punkt 12 Uhr gehen dann alle in Hürtgens Büro und schalten gleichzeitig gemeinsam ihr "Satiregesicht" an. Ein regelrechtes Spektakel beginnt nun, bei dem die eine Hälfte der Redaktion notorischen Witzzwang ausagiert – "Was darf Satire? Alles außer Tiernahrung!" –, während die andere zu Komikprofessoren mutiert und das von ihren Kollegen Gesagte pausenlos auf Humorpartikel und ihre Funktionen hin zerlegt: "Schöne Merkelpointe, aber schon oft gehört. Und kommt mir etwas schnell geschrieben vor. Vielleicht muss man die Rampe noch anders bauen, dass die Fallhöhe ..." Es handelt sich also, mit anderen Worten, um eine neoliberale Totalegal-Agentur wie jede andere auch, allerdings noch nicht ganz auf der Höhe der Zeit und mit sehr wenig Geld, das, mangels Alternative, in fünf Tonnen gut gemachtes Kioskfleisch von Redaktionsversorger "Wurst-Backwaren-Milch" täglich investiert werden muss.
Und da sehe ich auch schon, wie Chefredakteur Moritz Hürtgen von seinem halben Schreibtischstuhl (sehr wenig Geld) aufsteht und mir sagt, dass ich mit dieser meiner "lieblosen Metasatire" die "Teambalance" gefährden würde; und fragt, ob denn meine "Values" noch stimmten? Pflichtbewusst hole ich, wie ich es am ersten Tag meines Praktikums gelernt habe, die Cheerleader-Puschel aus dem Inneren meines ergonomischen Stehpultballes hervor und brülle, während ich, scheinbar wie nebenbei, mit Hürtgen zugewandtem, motiviertem Lächeln auf den Lippen brutalste Verrenkungen meiner Gliedmaßen vornehme: SATIRE --- DARF --- ALLES --- SATIRE --- DARF --- ALLES --- SATIRE --- DARF

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Meditation und Markt mit Dax Werner

Niemand ist mehr sicher

Ungemütlicher Branchenfunk aus Berlin: Der Finanzinvestor KKR steigt bei Springer ein und will den ganzen Laden auf links drehen. Die Kiste muss so langsam wirklich mal profitabel & zu Ende digitalisiert werden und Tausende Arbeitsplätze sind plötzlich auf dem Prüfstand (jedoch erst mal nicht die Chefredaktionen: "Da wird es vielleicht Verkleinerungen, aber keine spektakulären Veränderungen geben", Döpfner), auch bei "Bild", aber vor allem bei der "Welt".

Natürlich greift man bei dieser Nachrichtenlage instantly nach den low-hanging fruits: "Staatliche Soforthilfe für die Springer-Männer aus Berlin!", "Tja, euren Job regelt dann wohl jetzt auch der freie Markt, was?" oder "He Ulf, wie schmeckt Dir Deine eigene Medizin?" Fertig ist die Kolumne, abschicken, Feierabend.

Die Wahrheit ist: Das ist mir zu billig. Zu uninspiriert. Das bin nicht ich. Und ganz so einfach ist eben auch nicht.

Denn auch in dieser Kolumne habe ich wieder einen sogenannten Hot Take untergebracht. Von einem Hot Take spricht man, wenn man das Gegenteil von dem zu verargumentieren versucht, was einem der gesunde Menschenverstand und die Mehrheitsmeinung auf Twitter bezüglich dieses oder jenen Sachverhalts sagt. Also, einmal anschnallen bitte: Wenn "Welt"-Chefredakteur Ulf Poschardt am Ende dieser Umstrukturierungen tatsächlich seinen Job verliert oder plötzlich die Leserbriefe bei "Auto Motor und Sport" beantworten muss, dann, ja dann werden auch wir unsere Jobs auch auf kurz oder lang verlieren. Perspektivisch zumindest.

Oder anders gesagt: Wenn Ulf fällt, fallen wir auch. Denn Ulf ist – and I take no pleasure in saying this – wenn man mal alles, was er so den lieben langen Tag von sich gibt, mal außer Acht lässt, genau dieselbe verkrachte Existenz wie wir: Irgendwas mit Geisteswissenschaften studiert, kurze, sehr intensive Technophase, dies & das, und dann mit Ende 20 beim Blick auf den Kontoauszug bisschen Panik bekommen, Endstation Festanstellung. Und jetzt sitzt man in irgendwelchen Büros mit großen Fenstern, verdammt zur Wertschöpfung, zur Leistung, zum Funktionieren. Aber wir spüren's doch recht deutlich: Irgendwie ist da nichts mehr, keine Wut, kein Furor, keine Idee. Immer nur derselbe eine Joke. Nichts regt uns mehr wirklich auf. Stattdessen vertreiben wir uns den Tag mit Mario Sixtus, Ralph Ruthe und ca. 2000 weiteren deutschsprachigen Nutzer*innen auf Twitter-dot-com und schreiben für ein paar Favs minütlich ins Internet, wie wir unterschiedliche Sachverhalte unterschiedlich bewerten. Und Ulf munter mit dabei.

Und das alles vielleicht nur, um der brutalen Wahrheit nur ein paar lange Augenblicke mehr aus dem Weg gehen zu können: Die Einschläge kommen näher. Niemand ist mehr sicher, da kann dein Podcast noch so gut laufen. In Zeiten, in denen selbst die Markt-Ultras vom Markt weggeregelt zu werden drohen, gilt es, zusammenzurücken. Auch unsere Jobs, die ganzen Projektstellen und befristeten Verträge, in denen wir uns so tummeln, könnten morgen schon wegrationalisiert werden, weil sie in den Tabellenkalkulationen von Menschen, die früh genug aus Bitcoins raus sind, keinen Sinn mehr ergeben. Wenn's hart auf hart kommt, sind wir eben alle nur noch kleine Pixel auf einem Macbook-Retina-Display eines 25jährigen Controllers mit drei Abschlüssen und ohne jede Fantasie.

Ich, nein: WIR müssen irgendwas tun. Ein erster, kleiner Schritt: Anfang Dezember werde ich in Kooperation mit Wolfram Kons vom RTL-Spendenmarathon eine Charity-Gala auf N24 auf die Beine stellen, damit der Redaktionsbetrieb der "Welt" aufrechterhalten werden kann. Weitermachen. Irgendwie. So lange es geht. Helfen Sie mit.

Vielleicht bekommen wir sogar Johannes B. Kerner.

Ihr: Dax Werner

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Gute Idee, Porsche-Vorständin Barbara Frenkel …

Sie haben Ihre Erwartung zum Ausdruck gebracht, dass die Regierung das (zufälligerweise auch von Porsche produzierte) synthetische Benzin, also E-fuels, subventionieren und somit billiger machen müsse. Denn: »Der Kraftstoff, den wir herstellen, ist viel zu teuer, als dass wir ihn so verwenden könnten.«

Dieser Superidee schließen wir uns gerne an: Wir tippen jetzt jedes Heft auf unseren eigens entwickelten »E-tools« (Kryptotinte), aber weil das doch aufwendiger ist als die Arbeit am PC, fordern wir dann gemeinsam mit Porsche Geld vom Staat, um die Heftkosten zu drücken, ja? Nein? Dann sehen Sie bitte endlich ein, dass Sie sich mit Ihrer ineffizienten Deppentechnologie auf dem Markt nicht durchsetzen werden, und sagen Sie Ihren peinlichen Brummbrumms Lebewohl.

Wünscht Ihnen keine gute Fahrt: Titanic

 Bssssssssssssss, Bienen!

Bssssssssssssss, Bienen!

In den USA ist gerade ein Impfstoff für Euch freigegeben worden, nämlich gegen die Amerikanische Faulbrut, die Euch seit einer Weile dahinrafft. Nun wollten wir schon höhnen: »Haha, jetzt wird zurückgestochen! Da merkt Ihr mal, wie unangenehm das ist«, doch dann lasen wir die entsprechende Meldung genauer und erfuhren, dass das Vakzin gar nicht injiziert, sondern dem Gelée Royale für Eure Königinnen beigemengt wird. Erschreckend, wie sich wieder einmal die Impfgegner/innenlobby durchgesetzt hat!

Zeichnet somit erst mal keine Beeontech-Aktien: Titanic

 Nice one, Ted Cruz!

Sie sind US-Senator und mittlerweile auch hierzulande als rechter Hardliner und Schwurbelkopf der Republikaner halbwegs bekannt. Derzeit setzen Sie sich für die Begrenzung auf zwei Amtszeiten für Senator/innen ein. Und wollen gleichzeitig für eine eigene dritte kandidieren.

Diesen Ansatz finden wir sehr vielversprechend, um die Anliegen Ihrer Partei durchzubringen. Sie sollten ihn unbedingt auch auf andere Themen anwenden! Unsere Vorschläge: Waffenniederlegungen gegen schärfere Waffengesetze, Abtreibungskliniken gegen Abtreibungen und offene Grenzen gegen Einwanderung.

Für weitere Tipps stehen jederzeit zur Verfügung:

Ihre Snowflakes von Titanic

 Ach, »Welt«,

wohl mangels Materials bewarbst Du online einen sieben Jahre alten Artikel aus dem Archiv, und zwar mit den Worten: »Wenn ihr diese Wörter benutzt, wirkt ihr intelligenter.« Dazu ein wahlloses Foto einer jungen Frau.

Nun wollen wir Dich nicht enttäuschen, müssen aber doch auf einen wichtigen Umstand hinweisen, der Dir anscheinend entgangen ist. Man muss nämlich nicht nur bestimmte Wörter benutzen, um intelligent zu erscheinen, sondern diese auch noch in eine komplizierte Reihenfolge bringen, die oft ganz entscheidend ist.

Dumm für oft Welt hält Journalist/innen: Titanic

 Hallo, Literaturkritik!

Was ist los mit Dir? Alt geworden? Müde? Wir waren doch so gut aufeinander eingespielt: Du liest ein neues Werk von Raphaela Edelbauer (»Das flüssige Land«, 2019 / »Dave«, 2021), gerätst aus dem Häuschen, schreibst irgendwas wie »sprachlich souverän« und »Raffinesse« und »Kafka« und »enorme Sprachmächtigkeit« und abermals »Kafka«, und wir schauen uns das schwergelobte Werk etwas genauer an und finden lauter wundersame Stellen, die Du wahrscheinlich überlesen hast: »Der ganze Raum zitterte glückselig vor Neid wie ein trotziger Block Aspik« zum Beispiel. Oder: »Selbst wenn jemand bloß geschäftig und zielgerichtet den Gang hinunterging, war sein Streben vom Habitus eines Handgemenges«. Oder: »Da richtete sich Pawel jäh auf, und die Lider waren wie von transparenten Seilen an der Stirn aufgerafft.«

So weit, so gewohnt. Aber jetzt? Erscheint »Die Inkommensurablen«, Edelbauers dritter Roman in knapp dreieinhalb Jahren – und Du, Literaturkritik, versagst plötzlich. Mäkelst rum! Erstmalig! Hältst das zwar alles weiterhin für »glänzend« und »klaren Stil«, meinst aber, dass sich »da und dort kleine Fehler eingeschlichen« hätten; findest das Buch stur »faszinierend«, aber auch »faszinierend misslungen«; attestierst auf einmal »Manierismus«, ja stellst (mit dem Spiegel) die ganz großen bangen Fragen: »Mist oder Musil?«

Heißt das, dass Dir allmählich was schwant? Dass Du Lunte gerochen hast? Verdacht schöpfst? Dass Dir an Sätzen wie »Dessen Reaktion produzierte eine ungeheure Diskrepanz« oder »Junge Charmeure in Militäruniform liefen ein paar Mädchen nach, die sich beim Kaufen einer Brezel aus der Auslage eines groben Böhmen kokett umdrehten« irgendwas auf-, irgendwas missfällt – Du weißt nur noch nicht, was genau?

Und also R. Edelbauer bloß noch sieben oder acht Romane schreiben muss, bist Du in zehn oder elf Jahren auf dem Laufenden bist, was die Sprachmächtigkeit dieser Art von Literatur betrifft?

Na dann – durchhalten!

Wünscht Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Post vom Mediator

Beigelegt: ein Streit.

Andreas Maier

 It’s not a Bug

Als Gregor Samsa, Programmierer, eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett erfreulicherweise zu einem ungeheueren Feature verwandelt.

Christian Kroll

 Marktregeln

Leuten, denen es in der Supermarktschlange nicht schnell genug geht und die deshalb eine unschuldige Mitarbeiterin ankeifen, fehlt das nötige Kassenbewusstsein.

Viola Müter

 Beim mittelmäßigen Zahnarzt

»Bitte weit aufmachen! Nicht erschrecken, meine Mundhöhlentaschenlampe ist mir vorhin ins Klo gefallen, ich muss eine Wunderkerze benutzen.«

Torsten Gaitzsch

 Medienkritik

Ich kann diese Parfum-Influencer auf Youtube einfach nicht riechen.

Fabian Lichter

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

  • 24.02.:

    Die Deutsche Welle über das Krieg-Spezial im aktuellen Heft und andere themenverwandte Titel (Artikel in russisch, aut. Übersetzung).

  • 10.02.:

    Spiegel berichtet: "EU-Untersuchung Russland soll Fake-'Titanic'-Titelseiten verbreitet haben"

  • 10.01.: "Der Teufel vom Dachboden" – Eine persönliche Pardon-Geschichte in der Jungen Welt von Christian Y. Schmidt.
  • 13.12.:

    Anlässlich des 85. Geburtstages Robert Gernhardts erinnert Christian Y. Schmidt in der Jungen Welt an den Satiriker und Vermieter.

  • 26.10.:

    Chefredakteurin Julia Mateus spricht über ihren neuen Posten im Deutschlandfunk, definiert für die Berliner-Zeitung ein letztes Mal den Satirebegriff und gibt Auskunft über ihre Ziele bei WDR5 (Audio). 

Wenzel Storch: "Die Filme" (gebundene Ausgabe)
Renommierte Filmkritiker beschreiben ihn als "Terry Gilliam auf Speed", als "Buñuel ohne Stützräder": Der Extremfilmer Wenzel Storch macht extrem irre Streifen mit extrem kleinen Budget, die er in extrem kurzer Zeit abdreht – sein letzter Film wurde in nur zwölf Jahren sendefähig. Storchs abendfüllende Blockbuster "Der Glanz dieser Tage", "Sommer der Liebe" und "Die Reise ins Glück" können beim unvorbereiteten Publikum Persönlichkeitstörungen, Kopfschmerz und spontane Erleuchtung hervorrufen. In diesem liebevoll gestalteten Prachtband wird das cineastische Gesamtwerk von "Deutschlands bestem Regisseur" (TITANIC) in unzähligen Interviews, Fotos und Textschnipseln aufbereitet.
Zweijahres-Abo: 117,80 EURSonneborn/Gsella/Schmitt:  "Titanic BoyGroup Greatest Hits"
20 Jahre Krawall für Deutschland
Sie bringen zusammen gut 150 Jahre auf die Waage und seit zwanzig Jahren die Bühnen der Republik zum Beben: Thomas Gsella, Oliver Maria Schmitt und Martin Sonneborn sind die TITANIC BoyGroup. In diesem Jubiläumswälzer können Sie die Höhepunkte aus dem Schaffen der umtriebigen Ex-Chefredakteure noch einmal nachlesen. Die schonungslosesten Aktionsberichte, die mitgeschnittensten Terrortelefonate, die nachdenklichsten Gedichte und die intimsten Einblicke in den SMS-Speicher der drei Satire-Zombies – das und mehr auf 333 Seiten (z.T. in Großschrift)!
Titanic unterwegs
21.03.2023 Koblenz, Ganz Ohr Max Goldt
23.03.2023 Köln, Comedia Max Goldt
23.03.2023 Neuruppin, Kulturhaus Martin Sonneborn mit Gregor Gysi
25.03.2023 Meinerzhagen, Stadthalle Martin Sonneborn