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Dax Werners Debattenrückspiegel KW6

Liebe Leser*innen,

Wenn sich ein älterer Herr mit Gehstock ins Fernsehen setzt und das Konzept der kulturellen Aneignung in der Musik mehr oder weniger als "Scheißdreck" bezeichnet, weil "Musik durch Vermischung entstanden ist" und es in "Afrika Trommeln gibt", kann man darauf ganz unterschiedlich reagieren. Man könnte es zum Beispiel ignorieren. Fällt allerdings schwerer, wenn es sich bei dem Herrn um Helge Schneider handelt, den man doch immer irgendwie auf der "richtigen Seite" verortet hat. Helge Schneider selbst hätte wohl durchaus Anlass, sich nach wie vor auf der "richtigen Seite" zu wähnen, kommentierte doch beispielsweise eine von vielen Userinnen und Usern unter den Maischberger-Ausschnitt: "Musik kann Menschen, egal woher sie kommen und wer sie sind, miteinander verbinden. Das woke Gerede erreicht genau das Gegenteil." 500 Favs.

Wer die Diskussion um kulturelle Aneignung in der Musik zu kompliziert findet, den irritiert ja vielleicht zumindest, woher so der Applaus kommt und wie dieser "klingt". Andererseits wird die Debatte auch nicht seit letzter Woche geführt und wer das in 2023 trotzdem alles noch ganz neu und unerklärlich findet (und, wie ein anderer Clip dieses sagenhaften Auftritts verrät, das Internet sowieso am liebsten abschalten würde), darf das mit gutem Recht. Aber muss er dann vergnüglich bei Maischberger sitzen und sich vor Millionen Rentner*innen dazu äußern?



Die Antwort lautet natürlich: Ja, er muss. Es gibt wohl wenig vergleichbare künstlerische Laufbahnen wie die von Helge Schneider in der Bundesrepublik: Binnen weniger Jahrzehnte aus der anarchischen Outsider-Art mitten rein in die bundesdeutschen Wohnzimmer, einer von uns, unser Kult-Helge mit dem Kaktus-Lied, stimmt's? Einen besseren Markenbotschafter für eine so ratlose wie überalterte Gesellschaft, die eigentlich nichts mehr lieber tut, als sich über Gendern und Greta aufzuregen, kann man sich schwer vorstellen. Der Helge war auch mal so 'ne verrückte Nudel, seht ihr, aber diese Woke-Diktatur geht selbst ihm zu weit.

Und zweitens wäre es nun vielleicht wirklich Zeit, den frommen Wunsch, dass in irgendeiner Talkshow irgendeine Art von Erkenntnis gewonnen werden könnte, ad acta zu legen. Talkshows laden Menschen ein, die andere Menschen vor der Kamera unterhalten können. So kann jede*r Expert*in werden, so wird Helge Schneider Experte für kulturelle Aneignung. Vielleicht hätte er vor 25 Jahren so jemanden selbst parodiert.

Darf man Helge Schneider denn jetzt noch genießen? Da würde ich es wiederum wie mit Morrissey halten: Die Lieder können nichts dafür.



Euer: Dax Werner

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Dax Werners Debattenrückspiegel KW 52

Liebe Leser:innen,

wir haben’s geschafft, die finale KW 52 des Jahres steht auf dem Counter. Es ist nicht nur Zeit, so langsam wirklich mal mit der Umsetzung der letztjährigen Neujahrsvorsätze zu beginnen, sondern auch die Gelegenheit, sich in der Abenddämmerung dieses Seuchenjahres mit den schönen und anmutigen Dingen im Leben zu beschäftigen. Luft holen, innehalten, genießen.

Im Weihnachtstrubel der vergangenen Wochen ist es womöglich untergegangen: Justizminister Marco Buschmann hat auf seinem Soundcloud-Account neue Tracks veröffentlicht. Zuletzt, am 19. Dezember, "Morgenlicht", ein ungewöhnliches vokales Klangstück auf Grundlage der Arbeiten von Johann Sebastian Bach, das möglicherweise eine neue Phase im musikalischen Schaffen Buschmanns einläutet. Die Chöre wirken zu Beginn des Stücks effektiert, gefiltert, verzerrt, beinahe bedrohlich. Als jemand, der im Nebenberuf als Justizminister wesentlich Verantwortung dafür trägt, welche Regeln wir uns im Wettbewerb der Ideen geben wollen, scheinen sie das, was Buschmann in seiner öffentlichen Aufgabe umtreibt, ja zerreißt, zu spiegeln: Der Protest der Klimakleber, ihr schrill-falsches Verständnis von demokratischen Aushandlungsprozessen, wo nicht einfach immer derjenige gewinnt, dem das Überleben der Zivilisation ein Anliegen ist. Oder, wie Buschmann selbst zwei Tage zuvor noch zwitscherte: "Das darf niemals ein Instrument der politischen Auseinandersetzung sein. Damit stellt sie sich ins Abseits. Das Gesetz gilt für alle. Von Vergleichen mit der RAF halte ich aber nichts."

Nein, mitunter ist das politische Geschäft eben auch das Bohren harter Bretter bzw. das Programmieren tiefer Synthieflächen. Schon die vorangegangen Veröffentlichung von "MB Sounds" spiegeln diese ganz eigene Sicht Buschmanns auf die Welt mit ihren Widrigkeiten wieder: Während Deutschland Waffenlieferungen an die Ukraine diskutiert, veröffentlicht Buschmann ein nachdenkliches, sensibles Stück, dass die umkämpfte Hauptstadt zum Thema hat: "Driving Through The Streets Of Kyiv" wird von einem Paukenschlag eingeläutet, so als wolle Buschmann sagen: "Hört mal her Freunde, Krieg bedeutet das hier!" Sehnsuchtsvoll dehnen sich die Synthie-Leads durch die Flächen, die immer wieder von dem melancholischen Grundthema zusammengerückt werden, welches einen an andere bekannte Komponisten wie Erik Satie denken lässt.

Buschmann sagt hier leise Servus. An die Event-Fans, an die, die ihn nur wegen seiner kommerziellen Hits "Waltz of the Warriors", "Excalibur Calls For Arthur" oder "Schattenjahre 2: Warten auf die Hochrechnung 2013" kennen und letztlich immer nur mehr vom selben wollten. Aus dem teuflisch begabten Anfänger ist eine künstlerische Persönlichkeit geworden; sein Frühwerk erscheint im Licht der neuen Veröffentlichungen wie ein breit angelegter Test, ob mit der Musikerstellungssoftware soweit auch alles funktioniert. Und wer die Trance-Hymnen aus dem Justizministerium vorschnell als Erbauungsmusik für Liberale abtut, dem sei gesagt: Wenn man zu lange ins Soundcloud-Profil von Marco Buschmann hineinschaut, schaut es irgendwann in einen zurück.

Guten Rutsch, euer: Dax Werner

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Dax Werners Debattenrückspiegel KW50

Liebe Freund:innen,  

dass ich vor diesem Text lange zurückgeschreckt bin, hat einen denkbar einfachen Grund: Kein Genre ist langweiliger und vorhersehbarer als Kolumnen über die Zustände bei der Deutschen Bahn. Wer so etwas veröffentlicht, hat innerlich aufgegeben, weiß, dass da nicht mehr viel kommt, so jemand kommentiert womöglich auch auf Pornovideoseiten mit seinem Klarnamen oder moderiert Morning Shows auf privaten Radiosendern in Nordrhein-Westfalen.  

Und doch muss es heute einmal raus: Es gibt für mich im gesamten Universum nichts Schlimmeres als Zugführer, die lustige oder launige Ansagen in der Bahn machen.

Neulich war es wieder soweit: Ich saß in einem arg verspäteten Regionalzug, als der Lokführer das Mikrofon aktivierte. Es rauschte, geübte Pendler:innen wissen schon, was ihnen nun blüht, wenn diese paar Sekunden Verzögerung zwischen dem Knacken in den Lautsprechern und dem ersten gesprochen Wort vergehen, winken innerlich schon ab: "Weil die tollen neuen Digitalübergänge für 60 Millionen Euro nicht funktionieren, haben wir jetzt schon eine Verspätung von 23 Minuten."  

Was stört mich nun genau daran? Die Brachial-Ironie ist einfach deplatziert, ich spüre ja auch so schon instinktiv, dass der Zug nicht gerade pünktlich unterwegs ist. Außerdem, und das ist vielleicht das Gruseligste, erheitern solche Ausbrüche mit mathematischer Präzision immer exakt 80 Prozent des gesamten Abteils. Sie, die Amüsierten, schauen einen, mich, dann schon während der Audio-Performance des Lokführers erwartungsvoll an, "komm", scheinen sie mich anzuflehen, "solidarisiere dich mit uns in unserem Vergnügen, dass hier und jetzt etwas außerhalb der gewohnten Ordnung stattfindet". "Nein", bedeute ich ihn mit meinen leeren Augen, "ich will nicht zum Komplizen in diesem Schauspiel werden. Dafür habe ich zu viel gesehen, insbesondere in den sozialen Medien, wo die Deutsche Bahn mit Witzen darüber, dass sie ständig zu spät kommt, tausende Likes generiert".  

Ich höre es ja schon, verrauscht wie ein Netflix-Standup-Special über die Lautsprecher im RE7 nach Krefeld: "Aha, daher weht also der Wind Dax Werner: Like-Neid? Würdest wohl auch gern so pointiert formulieren können wie die Accounts der DB-Family auf Instagram." 

Nein, der Grund ist viel trivialer: Ich finde nicht, dass ein Lokführer auch ein Komiker sein sollte, denn Komiker sind ja auch nicht gleichzeitig Lokführer.

So, das musste mal raus wie die S13 aus dem Hauptbahnhof Düsseldorf.  

Euer: Dax Werner

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Dax Werners Debattenrückspiegel KW46

Liebe Leser:innen,  

wenn der Weltuntergang kommt, wird er wohl kaum sagen: "Hallo, ich bin’s, der Weltuntergang." Der Weltuntergang wird sehr viel eher, sofern der Autohändler Elon Musk die Microblogging-Plattform Twitter nicht schon vorher an die Wand fährt, durch einen Thread auf Twitter ausgelöst werden.

Etwas Ähnliches hat sich nämlich diese Woche bereits zugetragen: Trümmerteile einer ukrainischen Luftabwehrrakete flogen während eines erneuten russischen Angriffes auf die Ukraine bis Polen und töteten dort zwei Menschen. Lange war gar nicht klar, was genau passiert ist. Doch noch bevor man im Tagesschau-Newsroom "Flugabwehrrakete" buchstabieren konnte, konstatierte Jörg Kachelmann vieldeutig: "Anschnallgeräusch. #Polen".

Es gibt inzwischen viele Menschen, die man mitten in der Nacht weckt und uns sofort etwas einordnen können, egal zu welchem Thema. Zufällig verkaufen diese Menschen auch alle Bücher oder haben Newsletter und Podcasts. Vielleicht ist das Einordnen sogar eine der zentralen Kulturtechniken unserer Zeit geworden, aber das sollen Lars Weisbrod und Ijoma Mangold besser in ihrem Gegenwarts-Podcast einordnen.

Ein Fachanwalt für IT-Recht ordnete sogar noch ein Stück weiter ein: "Russische Raketen treffen polnisches Gebiet. Damit ist der Bündnisfall formal eingetreten. Bin gespannt, wie die NATO und ihre Mitglieder darauf reagieren." Zu diesem Zeitpunkt war noch überhaupt nicht klar, von welcher Rakete die Trümmerteile in Polen wirklich stammten. Auch bei der Bild hält man sich nicht mit Detailfragen auf und titelt tags drauf: "Putin feuert Raketen nach Polen".

Bei aller Einordnung hat mir am besagten Abend trotzdem etwas Gefühl, Wärme und Emotionalität gefehlt. Ich hätte mich zum Beispiel über ein Instagram Live Q&A von Berliner Influencer:innen gefreut, die mir mit Angstbauchweh nochmal genau erklären, was NATO eigentlich bedeutet und warum jetzt Bündnisfall ist. In dem Fall hätte meiner Meinung nach übrigens nur noch ein neues Buch von Richard David Precht geholfen, mit dem er die westliche Hemisphäre ein paar Wochen beschäftigt.

Soviel Einordnung erst einmal von mir.

Euer Dax Werner

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Dax Werners Debattenrückspiegel KW44

Liebe Leser:innen,  

what a week, huh? Captain, it’s Debattenrückspiegel-Tag! Der Mann mit dem Smaragdminen-Eigentümer in der Ahnengalerie hat mal wieder zugeschlagen und wenn man den Gerüchten glauben will, eher widerwillig unser aller liebstes Zwitscher-Netzwerk gekauft. An Elon Musks neuestem Streich kommt diese Woche natürlich keine Kolumne vorbei. Wir gehen rein.  

In seiner SPIEGEL-Kolumne muss Sascha Lobo beispielsweise sehr weit ausholen, um dem allgemeinen Pessimismus nach dem Twitter-Ausverkauf einen – typisch Lobo! – genau gegenteiligen Spin zu geben, nämlich (augenzwinkernd) darauf zu hoffen, dass der Markt die Musk-Übernahme von Twitter schon irgendwie regeln wird. "Freie Märkte in toto für etwas Schlimmes zu halten, ist gerade aus linker (nichtkommunistischer) Sicht spektakulärer Unfug, schon weil sich im wirtschaftlichen Prinzip des Marktes ein Massenvotum abbilden kann." Spannender Gedanke, dachte ich für mich beim Lesen, aber was soll das nun genau heißen? Es folgt ein Beispiel: "Die Deutsche Bank [...] unternimmt seit Jahren umfangreiche Pride-Month-Aktivitäten und beendet, zugegeben nur punktuell, Geschäftsbeziehungen zu LGBTIQ-feindlichen Unternehmen."  

Gewiss sticht die Deutsche Bank in Sachen diversity tatsächlich unter vielen deutschen Unternehmen positiv heraus. Unternehmen, die jedoch immer genau dort für die richtigen Werte einstehen, wo es dem Geldverdienen nicht wirklich im Weg steht und gleichzeitig bzw. 2018 Jair Bolsonaro als "Wunschkandidaten der Märkte" zujubeln, könnten jedoch eigentlich genau für das stehen, was Lobo weiter oben in seiner Kolumne als "so abfällig[n] wie diffuse[n[ Begriff" Begriff bezeichnet: Neoliberalismus.  

Natürlich, Punkt für Lobo, gibt es kaum einen abgelutschteren Begriff. Vielleicht brauchen wir einfach neue Wörter, um das zu beschreiben, was gerade im Internet vor sich geht. Viele Nutzer:innen der Plattform ringen gerade mit sich: Auf Twitter bleiben, obwohl Musk rechte Verschwörungstheorien verbreitet und genau heute rund 50 Prozent der Mitarbeiter:innen per Mail entlässt? Nicht nur für Unternehmen, sondern auch für Content-Creator wird’s offenbar kompliziert, wenn die Haltung plötzlich der eigenen Reichweite und Werbung für die eigenen Bücher und Podcasts im Weg steht. L'Oréal und andere Marken sind da gerade schon ein Stück weiter als deutsche opinion leader und haben ihre Werbebuchungen auf der Vogelseite ausgesetzt, während selbst diejenigen User:innen, die vor wenigen Wochen noch Unternehmen für einen unglücklich formulierten Instagram-Post boykottierten, erstmal in Ruhe abwarten, wie sich das mit der neu eingeführten 7-Tage-Woche im Twitter-Hauptquartier so entwickelt.

Vielleicht warten sie aber auch einfach nur ab, bis der Markt das mit Twitter regelt.  

Liebe Grüße: Euer Dax Werner

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Dax Werners Debattenrückspiegel KW 42

Liebe Leser:innen,

ich möchte mich bei euch im Voraus entschuldigen: Im heutigen "DeBaRü" (Martin Weidauer) muss es noch einmal um Friedrich Merz gehen. Ich habe nun mal was übrig für die Kunst des gesprochenen (und anschließend hochgeladenen) Wortes und nachdem Unions-Legende Wolfgang Bosbach schon länger mit dem RTL-Restauranttester Christian Rach auf Sendung ist, klemmt sich nun auch Friedrich Merz hinters USB-Mikro: "Bei Anruf Merz" heißt sein erster Podcast mit Journalistin Shary Reeves. Höchste Zeit also für den Dax Werner-Podcast-Test!

Intromusik

Gefälliges Coffee-Table-Pianogeklimper, das so sehr an "Apokalypse und Filterkaffee" mit Micky Beisenherz erinnert, dass ich das strombergsche Durchlaufen der Filterkaffeemaschine fast automatisch ergänze, während sich mein Körper auf pawlowsche Weise schon auf 30 Minuten Hajo Schumacher oder Markus Feldenkirchen im Interview vorbereitet. Alle Tagträumerei wird jedoch jäh unterbrochen, wenn der Star selbst den Hörer abnimmt und "Hier ist Friedrich Merz" in die Kopfhörer bellt.

Die ersten Worte

"Der deutsche Bundestag ist die Herzkammer der Demokratie. Er ist das einzige Verfassungsorgan, das direkt von den Bürgerinnen und Bürgern gewählt wird." Die ersten Worte im Intro lassen mich kurz factchecken, ob ich vielleicht doch versehentlich beim Wikipedia-Podcast gelandet bin. Oder hat Friedrich Merz das Intro geschrieben? Scheint mir so, denn gegendert wird hier auch nicht. Schon viel Schönes dabei, aber bitte mehr Bilder!

Chemie

Hier rumpelt es in der Pilotfolge natürlich noch. Mit "Ich würd' ganz gern von vornherein schonmal klären, wieso wir beide per Du sind" eröffnet Shary Reeves das Gespräch erfrischend vorwurfsvoll, knickt aber gleich beim nächsten Satz ein: "Das sind wir doch noch, oder?" Merz antwortet gediegen-gönnerhaft: "Das sind wir immer noch, natürlich!" Iiieh! Wir haben 2022, so ein absurdes Machtgefälle möchte ich bitte nicht mehr in den ersten 10 Sekunden eines Podcasts-Launches serviert bekommen.

Moderation

Slightly unterwürfig geht es weiter: "Ehrlich gesagt, Friedrich, fühle ich mich ein bisschen geehrt, weil alle siezen dich und ich darf dich duzen!" Wer denkt sich solche Dialoge aus?

Inhalt

Ich will ehrlich sein: Ich habe den Podcast-Test nach 2 Minuten abgebrochen und mir eine schöne Klassiker-Folge von Böhmi und Olli Schulz reingefahren. Hands down.

Zusammenfassung

Auf Twitter gab es für Shary Reeves einen kleinen Shitstorm nach dem Launch, der sie zu einer wortreichen Verteidigung hinriss. Als Medienschaffender kann ich dazu nur sagen: Dieser Podcast-Gig mit Merz ist ein klassischer Fall von "Take the money and run". Wer auf der Weihnachtsfeier von Rheinmetall spielt, nimmt das Geld, schreibt "Bitte keine Fotos und Postings" in den Vertrag und redet nie wieder darüber.

Ende aus, Micky Maus: Euer Dax Werner

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Dax Werners Debattenrückspiegel KW 41

Liebe Leser:innen,

was mir an der Christian-Lindner-FDP in den letzten Jahren besonders gut gefällt, ist, dass sie das Wohl von Kindern und Jugendlichen immer öfter ins Zentrum ihres politischen Handelns rückt. Wir erinnern uns an die Diskussionen um Schulschließungen während der Corona-Krise ("Die Schulen müssen offen bleiben, das sind wir unseren Kindern schuldig!") oder die aktuellen Debatten um Entlastungspakete und Sozialausgaben ("Wir wollen unseren Kindern keine unnötigen Schulden hinterlassen!"). Nur zufällig fällt der FDP das Wohl von Kindern und Jugendlichen immer genau dann ein, wenn es sich gut mit freiem Markt und schwarzer Null kombinieren lässt. Nicht umsonst zählen 18-jährige Bitcoin-Fans inzwischen zur Kernwählerschaft. Gegen die liberale Betüddelung der Jüngsten regt sich jedoch langsam Widerstand.

Zum Beispiel in der taz am Wochenende. In dem Aufsatz "Halbe Kraft voraus!" berichtet Simone Schmollack von vielen befreundeten Personalverantwortlichen, die sich endlich ungehemmt über verweichlichte Millennials auslassen dürfen. Denn die kämen in den Bewerbungsgesprächen nun immer häufiger mit traumtänzerischen Forderungen wie flexiblen Arbeitszeiten, Homeoffice und Teilzeit um die Ecke. Hallo, es ist Krieg!? Kaum zu glauben: Die 40-Stunden-Woche mit Überstunden und Pendeln scheint – so der Eindruck – an Attraktivität eingebüßt zu haben. Womit könnte das zu tun haben?

Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Gewiss hat es Nullkommanull damit zu tun, dass so etwas wie Vermögensaufbau oder das Eigenheim für viele Millennials wenig mehr als ein frommer Wunsch bleiben wird und man sich stattdessen mehr auf ein bisschen gutes Leben im Schlechten konzentriert. Der taz-Text liefert im letzten Absatz eine tolle Erklärung: Die "Boomer-Eltern [...] haben alles dafür getan, um Probleme von ihren Kindern fernzuhalten. Zu viele jüngere Menschen sind wohlbehütet, mit viel Elternlob und wenigen Einschränkungen zu Hause aufgewachsen. Im Mittelpunkt der elterlichen Gedanken stand eines: das vermeintliche Kindeswohl." Im Kontext der Analyse klingt das schon fast wie etwas Schlechtes.

Die Schriftstellerin Jagoda Marinić zeigt sich auf Twitter angetan : "Ein sehr guter und wichtiger Text über 'Young fragility' – also junge Leute, die auf Kosten anderer Leute gute Lebensstandards haben wollen." Auf den Einwand, dass der Lebensstandard der Boomer-Generation für Millennials eigentlich schon nicht mehr erreichbar ist, heißt es bei ihr nur: "Ne, das sind die, die den Lebensstandard der boomer ohne großes Zutun erben werden."

Soso. Vielleicht eine gute Gelegenheit, dass die FDP sich mal wieder für jüngere Menschen stark macht?

Träumt nach wie vor den Traum vom Eigenheim: Euer Dax Werner

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Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Hi, Ijoma Mangold!

»Die orange Pille – Warum Bitcoin weit mehr als nur ein neues Geld ist« heißt Ihr neues Buch, und da fragen wir uns schon, was geschehen muss, damit einer, neben Alt-Right-Speak (»orange pill«) und der Reklame für Kryptowährung, wirre Werbeslogans wie diesen mit seinem Gesicht unter die Leute bringt: »Das größte Gerechtigkeitsversprechen seit Karl Marx«. Sicher, wer jahrelang berufsbedingt lesen muss, was die zeitgenössische Literatur so bereithält, der kann da nicht ganz unbeschadet rauskommen.

Dann aber lasen wir, was die Verlagswerbung über Sie zu berichten weiß: »Er war Literaturchef von Die Zeit, heute schreibt er für sie als kulturpolitischer Korrespondent. In der Zurückgezogenheit des Lockdowns tauchte er in das Bitcoin-Universum ein. Seither sieht er unsere Welt anders«. Keine weiteren Fragen, Mangold, der Lockdown war für uns alle hart. Trotzdem: Im Zweifel einfach mal wieder an die frische Luft gehen. Sie haben nichts zu verlieren als Ihre Blockchain.

Viel Glück! Titanic

 Viel Erfolg, »RBB«-Goldmamsell Patricia Schlesinger!

Viel Erfolg, »RBB«-Goldmamsell Patricia Schlesinger!

Als sympathischste Monetenschleuder seit Gloria von Thurn und Taxis klagen Sie vor dem Landgericht Berlin gegen Ihren alten Arbeitgeber auf Zahlung einer Betriebsrente in Höhe von monatlich 18 384 Euro. Moralisch wollen wir das nach Ihrem Rausschmiss nicht bewerten, aber rein betriebswirtschaftlich geben wir grünes Licht: Der RBB wird wegen des Skandals um Ihre Person ja 100 Mitarbeiter/innen entlassen, da sollte die Kohle also drin sein!

Gesendet aus dem Massagesessel von Titanic

 Stillgestanden, »Radio Bielefeld«!

Was wird im Lokalradio nicht alles getestet: Vom Eierkocher bis zum Waffeleisen ist vieles dabei. Du, liebes Radio Bielefeld, hast Dich jetzt aber auf etwas größere Dimensionen verlegt und schicktest kurzerhand Deine Außenreporterin auf einen nahegelegenen Truppenübungsplatz, um mal eben den Leopard 2 zu testen. Die Reporterin wäre vor lauter Begeisterung am liebsten gleich bis zur Ostfront durchgefahren, begnügte sich bis auf Weiteres aber damit, uns sehr detailliert von dem Innenleben des Panzers (»Puh, ist das eng!«) sowie von der Wahnsinnspower (»Sage und schreibe 1000 PS!«) zu berichten.

Trotz dieser Abwechslung in Deinem sonst nur aus Werbung und Ed Sheeran bestehenden Programm müssen wir sagen, dass wir enttäuscht sind: Da testest Du schon einen Panzer und lässt einfach die wichtigsten Fragen aus: Wie viele Leute kann man gleichzeitig wegballern? Was passiert, wenn man die geilen 1000 PS mit Vollgas in ein Mehrfamilienhaus krachen lässt? Und wann dürfen deutsche Soldat/innen endlich wieder mitschießen?

Befiehlt Dir, Meldung zu machen: Titanic

 Nichts leichter als das, Carsten Linnemann …

Sie sind stellvertretender Bundesvorsitzender der CDU und arbeiten gerade an einem neuen Grundsatzprogramm. Dafür haben Sie große Pläne: »Eine kleine Vision habe ich: Man könnte jeden Bürger wecken um drei Uhr nachts, und er wüsste sofort, wofür die CDU steht: Erstens, zweitens, drittens …« Linnemann, wenn Sie jeden Bürger um drei Uhr nachts wecken und ihn fragen, wofür die CDU steht, wird man Ihnen antworten: Das ist die Partei, die die Bürger/innen nachts um drei weckt und alberne Sachen fragt.

Verrät Ihnen visionär: Titanic

 So geht das aber nicht, mecklenburg-vorpommerische Finanzbeamtin!

Da haben Sie doch einfach die Steuererklärung der »Stiftung Klima- und Umweltschutz MV« verbrannt! Und das geht ja dann doch einen Schritt zu weit!

Dass die Klimastiftung nicht wirklich Klimaschutzziele verfolgt, sondern vor allem dafür da ist, die Gaspipeline Nord Stream 2 an US-Sanktionen gegen Russland vorbei fertigzustellen, ist mittlerweile hinlänglich bekannt. Und dass die verbrannten Dokumente wahrscheinlich Hinweise auf Schenkungen der Nord-Stream-AG gegeben hätten und somit Steuern in Höhe von zehn Millionen Euro fällig geworden wären, ist auch mehr als eine Vermutung. Aber nun auch noch die Verbrennung der Papiere? Wissen Sie denn nicht, was das wieder an CO² freisetzt?

Fragen sich Ihre Ökos von Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Eiscreme im Kopf

Als ich das Fontanella-Eiscafé betreten wollte, musste ich mit Bedauern feststellen, dass es geschlossen war. Der Eingang war bereits komplett zugewachsen. Ein kurzer Blick ins Internet bestätigte meinen Verdacht: Die Eisdiele feierte gerade erst ihren zweiten Geburtstag.

Laura Brinkmann

 Unsolved Mysteries

Und dann war da noch der seltsame Fall des eineiigen Zwillingspärchens, das am selben Tag verschieden ist.

Daniel Sibbe

 Wechselgeld mit Musik

Einen kleinen Moment halte ich erschrocken inne, als ich den Bus betrete: Auf dem Fahrersitz lümmelt eine reichlich verwahrloste Gestalt, ihr ähnlich zerrupfter Spießgeselle lehnt am Armaturenbrett. Sie haben es sich gemütlich gemacht und snacken genüsslich eine rohe, in Scheiben geschnittene Zwiebel – aus der Schale, in die der Kassenautomat üblicherweise die Wechselgeldmünzen ausgibt. Nun bin ich durchaus auf der Höhe der Zeit und könnte die Fahrt auch per App bezahlen, aber jetzt will ich es wissen und händige dem Fahrer einen 10-Euro-Schein aus (»Zweimal Kurzstrecke bitte«). Bereitwillig fischt dieser die restlichen Zwiebelringe mit einer eleganten Handbewegung aus der Vertiefung, 5 Euro und 60 Cent landen in der Zwiebelsaftpfütze. Er sieht mich so freundlich an, dass ich die Münzen tatsächlich entnehme und in meiner Geldbörse verstaue. Es bleiben zwei Fragen: Wie entfernt man Zwiebelgeruch zuverlässig aus Leder, und wäre es in Zeiten explodierender Lebensmittelpreise vielleicht schlauer gewesen, statt des Münzgeldes die Zwiebeln mit nach Hause zu nehmen?

Martina Werner

 Misslungener Gesprächseinstieg

Kenne ich Sie nicht von einer Todesanzeige?

Günter Flott

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Mezcal – da ist der Wurm drin!

Elias Hauck

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

  • 24.02.:

    Die Deutsche Welle über das Krieg-Spezial im aktuellen Heft und andere themenverwandte Titel (Artikel in russisch, aut. Übersetzung).

  • 10.02.:

    Spiegel berichtet: "EU-Untersuchung Russland soll Fake-'Titanic'-Titelseiten verbreitet haben"

  • 10.01.: "Der Teufel vom Dachboden" – Eine persönliche Pardon-Geschichte in der Jungen Welt von Christian Y. Schmidt.
  • 13.12.:

    Anlässlich des 85. Geburtstages Robert Gernhardts erinnert Christian Y. Schmidt in der Jungen Welt an den Satiriker und Vermieter.

  • 26.10.:

    Chefredakteurin Julia Mateus spricht über ihren neuen Posten im Deutschlandfunk, definiert für die Berliner-Zeitung ein letztes Mal den Satirebegriff und gibt Auskunft über ihre Ziele bei WDR5 (Audio). 

Wenzel Storch: "Die Filme" (gebundene Ausgabe)
Renommierte Filmkritiker beschreiben ihn als "Terry Gilliam auf Speed", als "Buñuel ohne Stützräder": Der Extremfilmer Wenzel Storch macht extrem irre Streifen mit extrem kleinen Budget, die er in extrem kurzer Zeit abdreht – sein letzter Film wurde in nur zwölf Jahren sendefähig. Storchs abendfüllende Blockbuster "Der Glanz dieser Tage", "Sommer der Liebe" und "Die Reise ins Glück" können beim unvorbereiteten Publikum Persönlichkeitstörungen, Kopfschmerz und spontane Erleuchtung hervorrufen. In diesem liebevoll gestalteten Prachtband wird das cineastische Gesamtwerk von "Deutschlands bestem Regisseur" (TITANIC) in unzähligen Interviews, Fotos und Textschnipseln aufbereitet.
Zweijahres-Abo: 117,80 EURSonneborn/Gsella/Schmitt:  "Titanic BoyGroup Greatest Hits"
20 Jahre Krawall für Deutschland
Sie bringen zusammen gut 150 Jahre auf die Waage und seit zwanzig Jahren die Bühnen der Republik zum Beben: Thomas Gsella, Oliver Maria Schmitt und Martin Sonneborn sind die TITANIC BoyGroup. In diesem Jubiläumswälzer können Sie die Höhepunkte aus dem Schaffen der umtriebigen Ex-Chefredakteure noch einmal nachlesen. Die schonungslosesten Aktionsberichte, die mitgeschnittensten Terrortelefonate, die nachdenklichsten Gedichte und die intimsten Einblicke in den SMS-Speicher der drei Satire-Zombies – das und mehr auf 333 Seiten (z.T. in Großschrift)!
Titanic unterwegs
01.04.2023 Kleinmachnow, Neue Kammerspiele Max Goldt
02.04.2023 Fürstenfeldbruck, Kunsthaus Greser und Lenz
06.04.2023 Frankfurt/M., Museum für Komische Kunst Gerhard Haderer
11.04.2023 Frankfurt am Main, Club Voltaire TITANIC-Auferstehung