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Dax Werners Debattenrückspiegel KW6

Liebe Leser*innen,

Wenn sich ein älterer Herr mit Gehstock ins Fernsehen setzt und das Konzept der kulturellen Aneignung in der Musik mehr oder weniger als "Scheißdreck" bezeichnet, weil "Musik durch Vermischung entstanden ist" und es in "Afrika Trommeln gibt", kann man darauf ganz unterschiedlich reagieren. Man könnte es zum Beispiel ignorieren. Fällt allerdings schwerer, wenn es sich bei dem Herrn um Helge Schneider handelt, den man doch immer irgendwie auf der "richtigen Seite" verortet hat. Helge Schneider selbst hätte wohl durchaus Anlass, sich nach wie vor auf der "richtigen Seite" zu wähnen, kommentierte doch beispielsweise eine von vielen Userinnen und Usern unter den Maischberger-Ausschnitt: "Musik kann Menschen, egal woher sie kommen und wer sie sind, miteinander verbinden. Das woke Gerede erreicht genau das Gegenteil." 500 Favs.

Wer die Diskussion um kulturelle Aneignung in der Musik zu kompliziert findet, den irritiert ja vielleicht zumindest, woher so der Applaus kommt und wie dieser "klingt". Andererseits wird die Debatte auch nicht seit letzter Woche geführt und wer das in 2023 trotzdem alles noch ganz neu und unerklärlich findet (und, wie ein anderer Clip dieses sagenhaften Auftritts verrät, das Internet sowieso am liebsten abschalten würde), darf das mit gutem Recht. Aber muss er dann vergnüglich bei Maischberger sitzen und sich vor Millionen Rentner*innen dazu äußern?



Die Antwort lautet natürlich: Ja, er muss. Es gibt wohl wenig vergleichbare künstlerische Laufbahnen wie die von Helge Schneider in der Bundesrepublik: Binnen weniger Jahrzehnte aus der anarchischen Outsider-Art mitten rein in die bundesdeutschen Wohnzimmer, einer von uns, unser Kult-Helge mit dem Kaktus-Lied, stimmt's? Einen besseren Markenbotschafter für eine so ratlose wie überalterte Gesellschaft, die eigentlich nichts mehr lieber tut, als sich über Gendern und Greta aufzuregen, kann man sich schwer vorstellen. Der Helge war auch mal so 'ne verrückte Nudel, seht ihr, aber diese Woke-Diktatur geht selbst ihm zu weit.

Und zweitens wäre es nun vielleicht wirklich Zeit, den frommen Wunsch, dass in irgendeiner Talkshow irgendeine Art von Erkenntnis gewonnen werden könnte, ad acta zu legen. Talkshows laden Menschen ein, die andere Menschen vor der Kamera unterhalten können. So kann jede*r Expert*in werden, so wird Helge Schneider Experte für kulturelle Aneignung. Vielleicht hätte er vor 25 Jahren so jemanden selbst parodiert.

Darf man Helge Schneider denn jetzt noch genießen? Da würde ich es wiederum wie mit Morrissey halten: Die Lieder können nichts dafür.



Euer: Dax Werner

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Dax Werners Debattenrückspiegel KW 52

Liebe Leser:innen,

wir haben’s geschafft, die finale KW 52 des Jahres steht auf dem Counter. Es ist nicht nur Zeit, so langsam wirklich mal mit der Umsetzung der letztjährigen Neujahrsvorsätze zu beginnen, sondern auch die Gelegenheit, sich in der Abenddämmerung dieses Seuchenjahres mit den schönen und anmutigen Dingen im Leben zu beschäftigen. Luft holen, innehalten, genießen.

Im Weihnachtstrubel der vergangenen Wochen ist es womöglich untergegangen: Justizminister Marco Buschmann hat auf seinem Soundcloud-Account neue Tracks veröffentlicht. Zuletzt, am 19. Dezember, "Morgenlicht", ein ungewöhnliches vokales Klangstück auf Grundlage der Arbeiten von Johann Sebastian Bach, das möglicherweise eine neue Phase im musikalischen Schaffen Buschmanns einläutet. Die Chöre wirken zu Beginn des Stücks effektiert, gefiltert, verzerrt, beinahe bedrohlich. Als jemand, der im Nebenberuf als Justizminister wesentlich Verantwortung dafür trägt, welche Regeln wir uns im Wettbewerb der Ideen geben wollen, scheinen sie das, was Buschmann in seiner öffentlichen Aufgabe umtreibt, ja zerreißt, zu spiegeln: Der Protest der Klimakleber, ihr schrill-falsches Verständnis von demokratischen Aushandlungsprozessen, wo nicht einfach immer derjenige gewinnt, dem das Überleben der Zivilisation ein Anliegen ist. Oder, wie Buschmann selbst zwei Tage zuvor noch zwitscherte: "Das darf niemals ein Instrument der politischen Auseinandersetzung sein. Damit stellt sie sich ins Abseits. Das Gesetz gilt für alle. Von Vergleichen mit der RAF halte ich aber nichts."

Nein, mitunter ist das politische Geschäft eben auch das Bohren harter Bretter bzw. das Programmieren tiefer Synthieflächen. Schon die vorangegangen Veröffentlichung von "MB Sounds" spiegeln diese ganz eigene Sicht Buschmanns auf die Welt mit ihren Widrigkeiten wieder: Während Deutschland Waffenlieferungen an die Ukraine diskutiert, veröffentlicht Buschmann ein nachdenkliches, sensibles Stück, dass die umkämpfte Hauptstadt zum Thema hat: "Driving Through The Streets Of Kyiv" wird von einem Paukenschlag eingeläutet, so als wolle Buschmann sagen: "Hört mal her Freunde, Krieg bedeutet das hier!" Sehnsuchtsvoll dehnen sich die Synthie-Leads durch die Flächen, die immer wieder von dem melancholischen Grundthema zusammengerückt werden, welches einen an andere bekannte Komponisten wie Erik Satie denken lässt.

Buschmann sagt hier leise Servus. An die Event-Fans, an die, die ihn nur wegen seiner kommerziellen Hits "Waltz of the Warriors", "Excalibur Calls For Arthur" oder "Schattenjahre 2: Warten auf die Hochrechnung 2013" kennen und letztlich immer nur mehr vom selben wollten. Aus dem teuflisch begabten Anfänger ist eine künstlerische Persönlichkeit geworden; sein Frühwerk erscheint im Licht der neuen Veröffentlichungen wie ein breit angelegter Test, ob mit der Musikerstellungssoftware soweit auch alles funktioniert. Und wer die Trance-Hymnen aus dem Justizministerium vorschnell als Erbauungsmusik für Liberale abtut, dem sei gesagt: Wenn man zu lange ins Soundcloud-Profil von Marco Buschmann hineinschaut, schaut es irgendwann in einen zurück.

Guten Rutsch, euer: Dax Werner

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Dax Werners Debattenrückspiegel KW50

Liebe Freund:innen,  

dass ich vor diesem Text lange zurückgeschreckt bin, hat einen denkbar einfachen Grund: Kein Genre ist langweiliger und vorhersehbarer als Kolumnen über die Zustände bei der Deutschen Bahn. Wer so etwas veröffentlicht, hat innerlich aufgegeben, weiß, dass da nicht mehr viel kommt, so jemand kommentiert womöglich auch auf Pornovideoseiten mit seinem Klarnamen oder moderiert Morning Shows auf privaten Radiosendern in Nordrhein-Westfalen.  

Und doch muss es heute einmal raus: Es gibt für mich im gesamten Universum nichts Schlimmeres als Zugführer, die lustige oder launige Ansagen in der Bahn machen.

Neulich war es wieder soweit: Ich saß in einem arg verspäteten Regionalzug, als der Lokführer das Mikrofon aktivierte. Es rauschte, geübte Pendler:innen wissen schon, was ihnen nun blüht, wenn diese paar Sekunden Verzögerung zwischen dem Knacken in den Lautsprechern und dem ersten gesprochen Wort vergehen, winken innerlich schon ab: "Weil die tollen neuen Digitalübergänge für 60 Millionen Euro nicht funktionieren, haben wir jetzt schon eine Verspätung von 23 Minuten."  

Was stört mich nun genau daran? Die Brachial-Ironie ist einfach deplatziert, ich spüre ja auch so schon instinktiv, dass der Zug nicht gerade pünktlich unterwegs ist. Außerdem, und das ist vielleicht das Gruseligste, erheitern solche Ausbrüche mit mathematischer Präzision immer exakt 80 Prozent des gesamten Abteils. Sie, die Amüsierten, schauen einen, mich, dann schon während der Audio-Performance des Lokführers erwartungsvoll an, "komm", scheinen sie mich anzuflehen, "solidarisiere dich mit uns in unserem Vergnügen, dass hier und jetzt etwas außerhalb der gewohnten Ordnung stattfindet". "Nein", bedeute ich ihn mit meinen leeren Augen, "ich will nicht zum Komplizen in diesem Schauspiel werden. Dafür habe ich zu viel gesehen, insbesondere in den sozialen Medien, wo die Deutsche Bahn mit Witzen darüber, dass sie ständig zu spät kommt, tausende Likes generiert".  

Ich höre es ja schon, verrauscht wie ein Netflix-Standup-Special über die Lautsprecher im RE7 nach Krefeld: "Aha, daher weht also der Wind Dax Werner: Like-Neid? Würdest wohl auch gern so pointiert formulieren können wie die Accounts der DB-Family auf Instagram." 

Nein, der Grund ist viel trivialer: Ich finde nicht, dass ein Lokführer auch ein Komiker sein sollte, denn Komiker sind ja auch nicht gleichzeitig Lokführer.

So, das musste mal raus wie die S13 aus dem Hauptbahnhof Düsseldorf.  

Euer: Dax Werner

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Dax Werners Debattenrückspiegel KW46

Liebe Leser:innen,  

wenn der Weltuntergang kommt, wird er wohl kaum sagen: "Hallo, ich bin’s, der Weltuntergang." Der Weltuntergang wird sehr viel eher, sofern der Autohändler Elon Musk die Microblogging-Plattform Twitter nicht schon vorher an die Wand fährt, durch einen Thread auf Twitter ausgelöst werden.

Etwas Ähnliches hat sich nämlich diese Woche bereits zugetragen: Trümmerteile einer ukrainischen Luftabwehrrakete flogen während eines erneuten russischen Angriffes auf die Ukraine bis Polen und töteten dort zwei Menschen. Lange war gar nicht klar, was genau passiert ist. Doch noch bevor man im Tagesschau-Newsroom "Flugabwehrrakete" buchstabieren konnte, konstatierte Jörg Kachelmann vieldeutig: "Anschnallgeräusch. #Polen".

Es gibt inzwischen viele Menschen, die man mitten in der Nacht weckt und uns sofort etwas einordnen können, egal zu welchem Thema. Zufällig verkaufen diese Menschen auch alle Bücher oder haben Newsletter und Podcasts. Vielleicht ist das Einordnen sogar eine der zentralen Kulturtechniken unserer Zeit geworden, aber das sollen Lars Weisbrod und Ijoma Mangold besser in ihrem Gegenwarts-Podcast einordnen.

Ein Fachanwalt für IT-Recht ordnete sogar noch ein Stück weiter ein: "Russische Raketen treffen polnisches Gebiet. Damit ist der Bündnisfall formal eingetreten. Bin gespannt, wie die NATO und ihre Mitglieder darauf reagieren." Zu diesem Zeitpunkt war noch überhaupt nicht klar, von welcher Rakete die Trümmerteile in Polen wirklich stammten. Auch bei der Bild hält man sich nicht mit Detailfragen auf und titelt tags drauf: "Putin feuert Raketen nach Polen".

Bei aller Einordnung hat mir am besagten Abend trotzdem etwas Gefühl, Wärme und Emotionalität gefehlt. Ich hätte mich zum Beispiel über ein Instagram Live Q&A von Berliner Influencer:innen gefreut, die mir mit Angstbauchweh nochmal genau erklären, was NATO eigentlich bedeutet und warum jetzt Bündnisfall ist. In dem Fall hätte meiner Meinung nach übrigens nur noch ein neues Buch von Richard David Precht geholfen, mit dem er die westliche Hemisphäre ein paar Wochen beschäftigt.

Soviel Einordnung erst einmal von mir.

Euer Dax Werner

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Dax Werners Debattenrückspiegel KW44

Liebe Leser:innen,  

what a week, huh? Captain, it’s Debattenrückspiegel-Tag! Der Mann mit dem Smaragdminen-Eigentümer in der Ahnengalerie hat mal wieder zugeschlagen und wenn man den Gerüchten glauben will, eher widerwillig unser aller liebstes Zwitscher-Netzwerk gekauft. An Elon Musks neuestem Streich kommt diese Woche natürlich keine Kolumne vorbei. Wir gehen rein.  

In seiner SPIEGEL-Kolumne muss Sascha Lobo beispielsweise sehr weit ausholen, um dem allgemeinen Pessimismus nach dem Twitter-Ausverkauf einen – typisch Lobo! – genau gegenteiligen Spin zu geben, nämlich (augenzwinkernd) darauf zu hoffen, dass der Markt die Musk-Übernahme von Twitter schon irgendwie regeln wird. "Freie Märkte in toto für etwas Schlimmes zu halten, ist gerade aus linker (nichtkommunistischer) Sicht spektakulärer Unfug, schon weil sich im wirtschaftlichen Prinzip des Marktes ein Massenvotum abbilden kann." Spannender Gedanke, dachte ich für mich beim Lesen, aber was soll das nun genau heißen? Es folgt ein Beispiel: "Die Deutsche Bank [...] unternimmt seit Jahren umfangreiche Pride-Month-Aktivitäten und beendet, zugegeben nur punktuell, Geschäftsbeziehungen zu LGBTIQ-feindlichen Unternehmen."  

Gewiss sticht die Deutsche Bank in Sachen diversity tatsächlich unter vielen deutschen Unternehmen positiv heraus. Unternehmen, die jedoch immer genau dort für die richtigen Werte einstehen, wo es dem Geldverdienen nicht wirklich im Weg steht und gleichzeitig bzw. 2018 Jair Bolsonaro als "Wunschkandidaten der Märkte" zujubeln, könnten jedoch eigentlich genau für das stehen, was Lobo weiter oben in seiner Kolumne als "so abfällig[n] wie diffuse[n[ Begriff" Begriff bezeichnet: Neoliberalismus.  

Natürlich, Punkt für Lobo, gibt es kaum einen abgelutschteren Begriff. Vielleicht brauchen wir einfach neue Wörter, um das zu beschreiben, was gerade im Internet vor sich geht. Viele Nutzer:innen der Plattform ringen gerade mit sich: Auf Twitter bleiben, obwohl Musk rechte Verschwörungstheorien verbreitet und genau heute rund 50 Prozent der Mitarbeiter:innen per Mail entlässt? Nicht nur für Unternehmen, sondern auch für Content-Creator wird’s offenbar kompliziert, wenn die Haltung plötzlich der eigenen Reichweite und Werbung für die eigenen Bücher und Podcasts im Weg steht. L'Oréal und andere Marken sind da gerade schon ein Stück weiter als deutsche opinion leader und haben ihre Werbebuchungen auf der Vogelseite ausgesetzt, während selbst diejenigen User:innen, die vor wenigen Wochen noch Unternehmen für einen unglücklich formulierten Instagram-Post boykottierten, erstmal in Ruhe abwarten, wie sich das mit der neu eingeführten 7-Tage-Woche im Twitter-Hauptquartier so entwickelt.

Vielleicht warten sie aber auch einfach nur ab, bis der Markt das mit Twitter regelt.  

Liebe Grüße: Euer Dax Werner

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Dax Werners Debattenrückspiegel KW 42

Liebe Leser:innen,

ich möchte mich bei euch im Voraus entschuldigen: Im heutigen "DeBaRü" (Martin Weidauer) muss es noch einmal um Friedrich Merz gehen. Ich habe nun mal was übrig für die Kunst des gesprochenen (und anschließend hochgeladenen) Wortes und nachdem Unions-Legende Wolfgang Bosbach schon länger mit dem RTL-Restauranttester Christian Rach auf Sendung ist, klemmt sich nun auch Friedrich Merz hinters USB-Mikro: "Bei Anruf Merz" heißt sein erster Podcast mit Journalistin Shary Reeves. Höchste Zeit also für den Dax Werner-Podcast-Test!

Intromusik

Gefälliges Coffee-Table-Pianogeklimper, das so sehr an "Apokalypse und Filterkaffee" mit Micky Beisenherz erinnert, dass ich das strombergsche Durchlaufen der Filterkaffeemaschine fast automatisch ergänze, während sich mein Körper auf pawlowsche Weise schon auf 30 Minuten Hajo Schumacher oder Markus Feldenkirchen im Interview vorbereitet. Alle Tagträumerei wird jedoch jäh unterbrochen, wenn der Star selbst den Hörer abnimmt und "Hier ist Friedrich Merz" in die Kopfhörer bellt.

Die ersten Worte

"Der deutsche Bundestag ist die Herzkammer der Demokratie. Er ist das einzige Verfassungsorgan, das direkt von den Bürgerinnen und Bürgern gewählt wird." Die ersten Worte im Intro lassen mich kurz factchecken, ob ich vielleicht doch versehentlich beim Wikipedia-Podcast gelandet bin. Oder hat Friedrich Merz das Intro geschrieben? Scheint mir so, denn gegendert wird hier auch nicht. Schon viel Schönes dabei, aber bitte mehr Bilder!

Chemie

Hier rumpelt es in der Pilotfolge natürlich noch. Mit "Ich würd' ganz gern von vornherein schonmal klären, wieso wir beide per Du sind" eröffnet Shary Reeves das Gespräch erfrischend vorwurfsvoll, knickt aber gleich beim nächsten Satz ein: "Das sind wir doch noch, oder?" Merz antwortet gediegen-gönnerhaft: "Das sind wir immer noch, natürlich!" Iiieh! Wir haben 2022, so ein absurdes Machtgefälle möchte ich bitte nicht mehr in den ersten 10 Sekunden eines Podcasts-Launches serviert bekommen.

Moderation

Slightly unterwürfig geht es weiter: "Ehrlich gesagt, Friedrich, fühle ich mich ein bisschen geehrt, weil alle siezen dich und ich darf dich duzen!" Wer denkt sich solche Dialoge aus?

Inhalt

Ich will ehrlich sein: Ich habe den Podcast-Test nach 2 Minuten abgebrochen und mir eine schöne Klassiker-Folge von Böhmi und Olli Schulz reingefahren. Hands down.

Zusammenfassung

Auf Twitter gab es für Shary Reeves einen kleinen Shitstorm nach dem Launch, der sie zu einer wortreichen Verteidigung hinriss. Als Medienschaffender kann ich dazu nur sagen: Dieser Podcast-Gig mit Merz ist ein klassischer Fall von "Take the money and run". Wer auf der Weihnachtsfeier von Rheinmetall spielt, nimmt das Geld, schreibt "Bitte keine Fotos und Postings" in den Vertrag und redet nie wieder darüber.

Ende aus, Micky Maus: Euer Dax Werner

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Dax Werners Debattenrückspiegel KW 41

Liebe Leser:innen,

was mir an der Christian-Lindner-FDP in den letzten Jahren besonders gut gefällt, ist, dass sie das Wohl von Kindern und Jugendlichen immer öfter ins Zentrum ihres politischen Handelns rückt. Wir erinnern uns an die Diskussionen um Schulschließungen während der Corona-Krise ("Die Schulen müssen offen bleiben, das sind wir unseren Kindern schuldig!") oder die aktuellen Debatten um Entlastungspakete und Sozialausgaben ("Wir wollen unseren Kindern keine unnötigen Schulden hinterlassen!"). Nur zufällig fällt der FDP das Wohl von Kindern und Jugendlichen immer genau dann ein, wenn es sich gut mit freiem Markt und schwarzer Null kombinieren lässt. Nicht umsonst zählen 18-jährige Bitcoin-Fans inzwischen zur Kernwählerschaft. Gegen die liberale Betüddelung der Jüngsten regt sich jedoch langsam Widerstand.

Zum Beispiel in der taz am Wochenende. In dem Aufsatz "Halbe Kraft voraus!" berichtet Simone Schmollack von vielen befreundeten Personalverantwortlichen, die sich endlich ungehemmt über verweichlichte Millennials auslassen dürfen. Denn die kämen in den Bewerbungsgesprächen nun immer häufiger mit traumtänzerischen Forderungen wie flexiblen Arbeitszeiten, Homeoffice und Teilzeit um die Ecke. Hallo, es ist Krieg!? Kaum zu glauben: Die 40-Stunden-Woche mit Überstunden und Pendeln scheint – so der Eindruck – an Attraktivität eingebüßt zu haben. Womit könnte das zu tun haben?

Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Gewiss hat es Nullkommanull damit zu tun, dass so etwas wie Vermögensaufbau oder das Eigenheim für viele Millennials wenig mehr als ein frommer Wunsch bleiben wird und man sich stattdessen mehr auf ein bisschen gutes Leben im Schlechten konzentriert. Der taz-Text liefert im letzten Absatz eine tolle Erklärung: Die "Boomer-Eltern [...] haben alles dafür getan, um Probleme von ihren Kindern fernzuhalten. Zu viele jüngere Menschen sind wohlbehütet, mit viel Elternlob und wenigen Einschränkungen zu Hause aufgewachsen. Im Mittelpunkt der elterlichen Gedanken stand eines: das vermeintliche Kindeswohl." Im Kontext der Analyse klingt das schon fast wie etwas Schlechtes.

Die Schriftstellerin Jagoda Marinić zeigt sich auf Twitter angetan : "Ein sehr guter und wichtiger Text über 'Young fragility' – also junge Leute, die auf Kosten anderer Leute gute Lebensstandards haben wollen." Auf den Einwand, dass der Lebensstandard der Boomer-Generation für Millennials eigentlich schon nicht mehr erreichbar ist, heißt es bei ihr nur: "Ne, das sind die, die den Lebensstandard der boomer ohne großes Zutun erben werden."

Soso. Vielleicht eine gute Gelegenheit, dass die FDP sich mal wieder für jüngere Menschen stark macht?

Träumt nach wie vor den Traum vom Eigenheim: Euer Dax Werner

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Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Gemischte Gefühle, Tiefkühlkosthersteller »Biopolar«,

kamen in uns auf, als wir nach dem Einkauf Deinen Firmennamen auf der Kühltüte lasen. Nun kann es ja sein, dass wir als notorisch depressive Satiriker/innen immer gleich an die kühlen Seiten des Lebens denken, aber die Marktforschungsergebnisse würden uns interessieren, die suggerieren, dass Dein Name positive und appetitanregende Assoziationen in der Kundschaft hervorruft!

Deine Flutschfinger von Titanic

 Cafe Extrablatt (Bockenheimer Warte, Frankfurt)!

»… von früh bis Bier!« bewirbst Du auf zwei großflächigen Fassadentafeln einen Besuch in Deinen nahe unserer Redaktion gelegenen Gasträumlichkeiten. Geöffnet hast Du unter der Woche zwischen 8:00 und 0:00 bzw. 01:00 (freitags) Uhr. Bier allerdings wird – so interpretieren wir Deinen Slogan – bei Dir erst spät, äh, was denn überhaupt: angeboten, ausgeschenkt? Und was verstehst Du eigentlich unter spät? Spät in der Nacht, spät am Abend, am Spätnachmittag oder spätmorgens? Müssen wir bei Dir in der Früh (zur Frühschicht, am frühen Mittag, vor vier?) gar auf ein Bier verzichten?

Jetzt können wir in der Redaktion von früh bis Bier an nichts anderes mehr denken. Aber zum Glück gibt es ja die Flaschenpost!

Prost! Titanic

 Lieber Jörg Metes (5.1.1959–16.6.2024),

Lieber Jörg Metes (5.1.1959–16.6.2024),

Du warst der jüngste TITANIC-Chefredakteur aller Zeiten. Du warst der Einzige, der jemals eine klare Vorstellung davon hatte, wie das ideale Heft aussehen musste, und hast immer sehr darunter gelitten, dass sich Deine Utopie nur unzureichend umsetzen ließ. Aus Mangel an Zeit und an Mitarbeiter/innen, die bereit waren, sich Nächte um die Ohren zu schlagen, nur um die perfekte Titelunterzeile oder das richtige Satzzeichen am Ende des Beitrags auf Seite 34 zu finden.

Legendär der Beginn Deiner satirischen Tätigkeit, als Du Dich keineswegs über einen Abdruck Deiner Einsendung freutest, sondern Robert Gernhardt und Bernd Eilert dafür beschimpftest, dass sie minimale Änderungen an Deinem Text vorgenommen hatten. Das wurde als Bewerbungsschreiben zur Kenntnis genommen, und Du warst eingestellt. Unter Deiner Regentschaft begann die Blütezeit des Fotoromans, Manfred Deix, Walter Moers und Michael Sowa wurden ins Blatt gehievt, und manch einer erinnert sich noch mit Tränen in den Augen daran, wie er mal mit Dir eine Rudi-Carrell-Puppe vor dem iranischen Konsulat verbrannt hat.

Nach TITANIC hast Du viele, die ihr Glück weder fassen konnten noch verdient hatten, mit Spitzenwitzen versorgt und dem ersten deutschen Late-Night-Gastgeber Thomas Gottschalk humortechnisch auf die Sprünge geholfen. Und dass River Café, eine deutsche Talkshow, die live aus New York kam, nur drei Folgen erlebte, lag bestimmt nicht an Deinen Texten. Auf Spiegel online hieltest Du als ratloser Auslandskorrespondent E. Bewarzer Dein Kinn in die Kamera, und gemeinsam mit Tex Rubinowitz hast Du das Genre des Listenbuches vielleicht sogar erfunden, auf jeden Fall aber end- und mustergültig definiert, und zwar unter dem Titel: »Die sexuellen Phantasien der Kohlmeisen«. Und diese eine Geschichte, wo ein Psychiater in ein Möbelhaus geht, um eine neue Couch zu kaufen, und der Verkäufer probeliegen muss, wo stand die noch mal? Ach, in der TITANIC? Sollte eigentlich in jedem Lesebuch zu finden sein!

Uns ist natürlich bewusst, dass Du auch diesen Brief, wie so viele andere, lieber selber geschrieben und redigiert hättest – aber umständehalber mussten wir das diesmal leider selbst übernehmen.

In Liebe, Deine Titanic

 Mmmh, Futterparadies Frankfurt a. M.!

Du spielst in einem Feinschmecker-Ranking, das die Dichte der Michelin-Sterne-Restaurants großer Städte verglichen hat, international ganz oben mit: »Laut einer Studie des renommierten Gourmet-Magazins Chef’s Pencil teilen sich in der hessischen Metropole 77 307 Einwohner ein Sterne-Restaurant.«

Aber, mal ehrlich, Frankfurt: Sind das dann überhaupt noch echte Gourmet-Tempel für uns anspruchsvolle Genießer/innen? Wird dort wirklich noch köstlichste Haute Cuisine der allerersten Kajüte serviert?

Uns klingt das nämlich viel eher nach monströsen Werkskantinen mit übelster Massenabfertigung!

Rümpft blasiert die Nase: die Kombüsenbesatzung der Titanic

 Wurde aber auch Zeit, Niedersächsische Wach- und Schließgesellschaft!

Mit Freude haben wir die Aufschrift »Mobile Streife« auf einem Deiner Fahrzeuge gesehen und begrüßen sehr, dass endlich mal ein Sicherheitsunternehmen so was anbietet! Deine Mitarbeiter/innen sind also mobil. Sie sind unterwegs, auf Achse, auf – um es einmal ganz deutlich zu sagen – Streife, während alle anderen Streifen faul hinterm Büroschreibtisch oder gar im Homeoffice sitzen.

An wen sollten wir uns bisher wenden, wenn wir beispielsweise einen Einbruch beobachtet haben? Streifenpolizist/innen? Hocken immer nur auf der Wache rum. Streifenhörnchen? Nicht zuständig und außerdem eher in Nordamerika heimisch. Ein Glück also, dass Du jetzt endlich da bist!

Freuen sich schon auf weitere Services wie »Nähende Schneiderei«, »Reparierende Werkstatt« oder »Schleimige Werbeagentur«:

Deine besserwisserischen Streifbandzeitungscracks von Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Räpresentation

Als Legastheniker fühle ich mich immer etwas minderwertig und in der Gesellschaft nicht sehr gesehen. Deshalb habe ich mich gefreut, auf einem Spaziergang durch Darmstadt an einer Plakette mit der Aufschrift »Deutscher Legastheniker-Verband« vorbeizukommen. Nur um von meiner nichtlegasthenischen Begleitung aufgeklärt zu werden, dass es sich dabei um den »Deutschen Leichtathletik-Verband« handele und und umso teifer in mein Loch züruckzufalllen.

Björn Weirup

 Reifeprozess

Musste feststellen, dass ich zum einen langsam vergesslich werde und mir zum anderen Gedanken über die Endlichkeit allen Lebens mache. Vor meiner Abreise in den Urlaub vergaß ich zum Beispiel, dass noch Bananen in meiner Obstschale liegen, und dann dachte ich zwei Wochen darüber nach, wie lange es wohl dauert, bis die Nachbarn wegen des Geruchs und der Fliegen aus meiner Wohnung die Kripo alarmieren.

Loreen Bauer

 Zeitsprung

Dem Premierenpublikum von Stanley Kubricks »2001: Odyssee im Weltraum« wird der Film 1968 ziemlich futuristisch II vorgekommen sein.

Daniel Sibbe

 Guesslighting

Um meine Seelenruhe ist es schlecht bestellt, seit mich ein erschütternder Bericht darüber informierte, dass in Hessen bei Kontrollen 70 Prozent der Gastronomiebetriebe widerlichste Hygienemängel aufweisen (s. Leo Riegel in TITANIC 07/2022). Neben allerhand Schimmel, Schleim und Schmodder herrscht allüberall ein ernsthaftes Schadnagerproblem, die Küchen sind mit Mäusekot nicht nur kontaminiert, sondern praktisch flächendeckend ausgekleidet. Vor lauter Ekel hab ich sofort Herpes bekommen. Nun gehe ich vorhin in meine Küche, und auf der Arbeitsplatte liegen grob geschätzt 30 kleine schwarze Kügelchen. Ich bin sofort komplett ausgerastet! Zehn hysterische Minuten hat es gedauert, bis mir klar wurde, dass der vermeintliche Kot die Samen eines dekorativen Zierlauchs waren, der einen Blumenstrauß krönte, den eine liebe Freundin mir geschenkt hat. Ich hätte ihn einfach nicht noch einmal anschneiden sollen … Hysterie off, Scham on.

Martina Werner

 Unübliche Gentrifizierung

Zu Beginn war ich sehr irritiert, als mich der Vermieter kurz vor meinem Auszug aufforderte, die Bohr- und Dübellöcher in den Wänden auf keinen Fall zu füllen bzw. zu schließen. Erst recht, als er mich zusätzlich darum bat, weitere Löcher zu bohren. Spätestens, als ein paar Tage darauf Handwerkerinnen begannen, kiloweise Holzschnitzel und Tannenzapfen auf meinen Böden zu verteilen, wurde mir jedoch klar: Aus meiner Wohnung wird ein Insektenhotel!

Ronnie Zumbühl

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
03.08.2024 Kassel, Caricatura-Galerie Miriam Wurster: »Schrei mich bitte nicht so an!«
04.08.2024 Frankfurt/M., Museum für Komische Kunst Die Dünen der Dänen – Das Neueste von Hans Traxler
04.08.2024 Frankfurt/M., Museum für Komische Kunst »F. W. Bernstein – Postkarten vom ICH«
09.08.2024 Bremen, Logbuch Miriam Wurster