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Dax Werners Debattenrückspiegel KW6

Liebe Leser*innen,

Wenn sich ein älterer Herr mit Gehstock ins Fernsehen setzt und das Konzept der kulturellen Aneignung in der Musik mehr oder weniger als "Scheißdreck" bezeichnet, weil "Musik durch Vermischung entstanden ist" und es in "Afrika Trommeln gibt", kann man darauf ganz unterschiedlich reagieren. Man könnte es zum Beispiel ignorieren. Fällt allerdings schwerer, wenn es sich bei dem Herrn um Helge Schneider handelt, den man doch immer irgendwie auf der "richtigen Seite" verortet hat. Helge Schneider selbst hätte wohl durchaus Anlass, sich nach wie vor auf der "richtigen Seite" zu wähnen, kommentierte doch beispielsweise eine von vielen Userinnen und Usern unter den Maischberger-Ausschnitt: "Musik kann Menschen, egal woher sie kommen und wer sie sind, miteinander verbinden. Das woke Gerede erreicht genau das Gegenteil." 500 Favs.

Wer die Diskussion um kulturelle Aneignung in der Musik zu kompliziert findet, den irritiert ja vielleicht zumindest, woher so der Applaus kommt und wie dieser "klingt". Andererseits wird die Debatte auch nicht seit letzter Woche geführt und wer das in 2023 trotzdem alles noch ganz neu und unerklärlich findet (und, wie ein anderer Clip dieses sagenhaften Auftritts verrät, das Internet sowieso am liebsten abschalten würde), darf das mit gutem Recht. Aber muss er dann vergnüglich bei Maischberger sitzen und sich vor Millionen Rentner*innen dazu äußern?



Die Antwort lautet natürlich: Ja, er muss. Es gibt wohl wenig vergleichbare künstlerische Laufbahnen wie die von Helge Schneider in der Bundesrepublik: Binnen weniger Jahrzehnte aus der anarchischen Outsider-Art mitten rein in die bundesdeutschen Wohnzimmer, einer von uns, unser Kult-Helge mit dem Kaktus-Lied, stimmt's? Einen besseren Markenbotschafter für eine so ratlose wie überalterte Gesellschaft, die eigentlich nichts mehr lieber tut, als sich über Gendern und Greta aufzuregen, kann man sich schwer vorstellen. Der Helge war auch mal so 'ne verrückte Nudel, seht ihr, aber diese Woke-Diktatur geht selbst ihm zu weit.

Und zweitens wäre es nun vielleicht wirklich Zeit, den frommen Wunsch, dass in irgendeiner Talkshow irgendeine Art von Erkenntnis gewonnen werden könnte, ad acta zu legen. Talkshows laden Menschen ein, die andere Menschen vor der Kamera unterhalten können. So kann jede*r Expert*in werden, so wird Helge Schneider Experte für kulturelle Aneignung. Vielleicht hätte er vor 25 Jahren so jemanden selbst parodiert.

Darf man Helge Schneider denn jetzt noch genießen? Da würde ich es wiederum wie mit Morrissey halten: Die Lieder können nichts dafür.



Euer: Dax Werner

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Dax Werners Debattenrückspiegel KW 52

Liebe Leser:innen,

wir haben’s geschafft, die finale KW 52 des Jahres steht auf dem Counter. Es ist nicht nur Zeit, so langsam wirklich mal mit der Umsetzung der letztjährigen Neujahrsvorsätze zu beginnen, sondern auch die Gelegenheit, sich in der Abenddämmerung dieses Seuchenjahres mit den schönen und anmutigen Dingen im Leben zu beschäftigen. Luft holen, innehalten, genießen.

Im Weihnachtstrubel der vergangenen Wochen ist es womöglich untergegangen: Justizminister Marco Buschmann hat auf seinem Soundcloud-Account neue Tracks veröffentlicht. Zuletzt, am 19. Dezember, "Morgenlicht", ein ungewöhnliches vokales Klangstück auf Grundlage der Arbeiten von Johann Sebastian Bach, das möglicherweise eine neue Phase im musikalischen Schaffen Buschmanns einläutet. Die Chöre wirken zu Beginn des Stücks effektiert, gefiltert, verzerrt, beinahe bedrohlich. Als jemand, der im Nebenberuf als Justizminister wesentlich Verantwortung dafür trägt, welche Regeln wir uns im Wettbewerb der Ideen geben wollen, scheinen sie das, was Buschmann in seiner öffentlichen Aufgabe umtreibt, ja zerreißt, zu spiegeln: Der Protest der Klimakleber, ihr schrill-falsches Verständnis von demokratischen Aushandlungsprozessen, wo nicht einfach immer derjenige gewinnt, dem das Überleben der Zivilisation ein Anliegen ist. Oder, wie Buschmann selbst zwei Tage zuvor noch zwitscherte: "Das darf niemals ein Instrument der politischen Auseinandersetzung sein. Damit stellt sie sich ins Abseits. Das Gesetz gilt für alle. Von Vergleichen mit der RAF halte ich aber nichts."

Nein, mitunter ist das politische Geschäft eben auch das Bohren harter Bretter bzw. das Programmieren tiefer Synthieflächen. Schon die vorangegangen Veröffentlichung von "MB Sounds" spiegeln diese ganz eigene Sicht Buschmanns auf die Welt mit ihren Widrigkeiten wieder: Während Deutschland Waffenlieferungen an die Ukraine diskutiert, veröffentlicht Buschmann ein nachdenkliches, sensibles Stück, dass die umkämpfte Hauptstadt zum Thema hat: "Driving Through The Streets Of Kyiv" wird von einem Paukenschlag eingeläutet, so als wolle Buschmann sagen: "Hört mal her Freunde, Krieg bedeutet das hier!" Sehnsuchtsvoll dehnen sich die Synthie-Leads durch die Flächen, die immer wieder von dem melancholischen Grundthema zusammengerückt werden, welches einen an andere bekannte Komponisten wie Erik Satie denken lässt.

Buschmann sagt hier leise Servus. An die Event-Fans, an die, die ihn nur wegen seiner kommerziellen Hits "Waltz of the Warriors", "Excalibur Calls For Arthur" oder "Schattenjahre 2: Warten auf die Hochrechnung 2013" kennen und letztlich immer nur mehr vom selben wollten. Aus dem teuflisch begabten Anfänger ist eine künstlerische Persönlichkeit geworden; sein Frühwerk erscheint im Licht der neuen Veröffentlichungen wie ein breit angelegter Test, ob mit der Musikerstellungssoftware soweit auch alles funktioniert. Und wer die Trance-Hymnen aus dem Justizministerium vorschnell als Erbauungsmusik für Liberale abtut, dem sei gesagt: Wenn man zu lange ins Soundcloud-Profil von Marco Buschmann hineinschaut, schaut es irgendwann in einen zurück.

Guten Rutsch, euer: Dax Werner

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Dax Werners Debattenrückspiegel KW50

Liebe Freund:innen,  

dass ich vor diesem Text lange zurückgeschreckt bin, hat einen denkbar einfachen Grund: Kein Genre ist langweiliger und vorhersehbarer als Kolumnen über die Zustände bei der Deutschen Bahn. Wer so etwas veröffentlicht, hat innerlich aufgegeben, weiß, dass da nicht mehr viel kommt, so jemand kommentiert womöglich auch auf Pornovideoseiten mit seinem Klarnamen oder moderiert Morning Shows auf privaten Radiosendern in Nordrhein-Westfalen.  

Und doch muss es heute einmal raus: Es gibt für mich im gesamten Universum nichts Schlimmeres als Zugführer, die lustige oder launige Ansagen in der Bahn machen.

Neulich war es wieder soweit: Ich saß in einem arg verspäteten Regionalzug, als der Lokführer das Mikrofon aktivierte. Es rauschte, geübte Pendler:innen wissen schon, was ihnen nun blüht, wenn diese paar Sekunden Verzögerung zwischen dem Knacken in den Lautsprechern und dem ersten gesprochen Wort vergehen, winken innerlich schon ab: "Weil die tollen neuen Digitalübergänge für 60 Millionen Euro nicht funktionieren, haben wir jetzt schon eine Verspätung von 23 Minuten."  

Was stört mich nun genau daran? Die Brachial-Ironie ist einfach deplatziert, ich spüre ja auch so schon instinktiv, dass der Zug nicht gerade pünktlich unterwegs ist. Außerdem, und das ist vielleicht das Gruseligste, erheitern solche Ausbrüche mit mathematischer Präzision immer exakt 80 Prozent des gesamten Abteils. Sie, die Amüsierten, schauen einen, mich, dann schon während der Audio-Performance des Lokführers erwartungsvoll an, "komm", scheinen sie mich anzuflehen, "solidarisiere dich mit uns in unserem Vergnügen, dass hier und jetzt etwas außerhalb der gewohnten Ordnung stattfindet". "Nein", bedeute ich ihn mit meinen leeren Augen, "ich will nicht zum Komplizen in diesem Schauspiel werden. Dafür habe ich zu viel gesehen, insbesondere in den sozialen Medien, wo die Deutsche Bahn mit Witzen darüber, dass sie ständig zu spät kommt, tausende Likes generiert".  

Ich höre es ja schon, verrauscht wie ein Netflix-Standup-Special über die Lautsprecher im RE7 nach Krefeld: "Aha, daher weht also der Wind Dax Werner: Like-Neid? Würdest wohl auch gern so pointiert formulieren können wie die Accounts der DB-Family auf Instagram." 

Nein, der Grund ist viel trivialer: Ich finde nicht, dass ein Lokführer auch ein Komiker sein sollte, denn Komiker sind ja auch nicht gleichzeitig Lokführer.

So, das musste mal raus wie die S13 aus dem Hauptbahnhof Düsseldorf.  

Euer: Dax Werner

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Dax Werners Debattenrückspiegel KW46

Liebe Leser:innen,  

wenn der Weltuntergang kommt, wird er wohl kaum sagen: "Hallo, ich bin’s, der Weltuntergang." Der Weltuntergang wird sehr viel eher, sofern der Autohändler Elon Musk die Microblogging-Plattform Twitter nicht schon vorher an die Wand fährt, durch einen Thread auf Twitter ausgelöst werden.

Etwas Ähnliches hat sich nämlich diese Woche bereits zugetragen: Trümmerteile einer ukrainischen Luftabwehrrakete flogen während eines erneuten russischen Angriffes auf die Ukraine bis Polen und töteten dort zwei Menschen. Lange war gar nicht klar, was genau passiert ist. Doch noch bevor man im Tagesschau-Newsroom "Flugabwehrrakete" buchstabieren konnte, konstatierte Jörg Kachelmann vieldeutig: "Anschnallgeräusch. #Polen".

Es gibt inzwischen viele Menschen, die man mitten in der Nacht weckt und uns sofort etwas einordnen können, egal zu welchem Thema. Zufällig verkaufen diese Menschen auch alle Bücher oder haben Newsletter und Podcasts. Vielleicht ist das Einordnen sogar eine der zentralen Kulturtechniken unserer Zeit geworden, aber das sollen Lars Weisbrod und Ijoma Mangold besser in ihrem Gegenwarts-Podcast einordnen.

Ein Fachanwalt für IT-Recht ordnete sogar noch ein Stück weiter ein: "Russische Raketen treffen polnisches Gebiet. Damit ist der Bündnisfall formal eingetreten. Bin gespannt, wie die NATO und ihre Mitglieder darauf reagieren." Zu diesem Zeitpunkt war noch überhaupt nicht klar, von welcher Rakete die Trümmerteile in Polen wirklich stammten. Auch bei der Bild hält man sich nicht mit Detailfragen auf und titelt tags drauf: "Putin feuert Raketen nach Polen".

Bei aller Einordnung hat mir am besagten Abend trotzdem etwas Gefühl, Wärme und Emotionalität gefehlt. Ich hätte mich zum Beispiel über ein Instagram Live Q&A von Berliner Influencer:innen gefreut, die mir mit Angstbauchweh nochmal genau erklären, was NATO eigentlich bedeutet und warum jetzt Bündnisfall ist. In dem Fall hätte meiner Meinung nach übrigens nur noch ein neues Buch von Richard David Precht geholfen, mit dem er die westliche Hemisphäre ein paar Wochen beschäftigt.

Soviel Einordnung erst einmal von mir.

Euer Dax Werner

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Dax Werners Debattenrückspiegel KW44

Liebe Leser:innen,  

what a week, huh? Captain, it’s Debattenrückspiegel-Tag! Der Mann mit dem Smaragdminen-Eigentümer in der Ahnengalerie hat mal wieder zugeschlagen und wenn man den Gerüchten glauben will, eher widerwillig unser aller liebstes Zwitscher-Netzwerk gekauft. An Elon Musks neuestem Streich kommt diese Woche natürlich keine Kolumne vorbei. Wir gehen rein.  

In seiner SPIEGEL-Kolumne muss Sascha Lobo beispielsweise sehr weit ausholen, um dem allgemeinen Pessimismus nach dem Twitter-Ausverkauf einen – typisch Lobo! – genau gegenteiligen Spin zu geben, nämlich (augenzwinkernd) darauf zu hoffen, dass der Markt die Musk-Übernahme von Twitter schon irgendwie regeln wird. "Freie Märkte in toto für etwas Schlimmes zu halten, ist gerade aus linker (nichtkommunistischer) Sicht spektakulärer Unfug, schon weil sich im wirtschaftlichen Prinzip des Marktes ein Massenvotum abbilden kann." Spannender Gedanke, dachte ich für mich beim Lesen, aber was soll das nun genau heißen? Es folgt ein Beispiel: "Die Deutsche Bank [...] unternimmt seit Jahren umfangreiche Pride-Month-Aktivitäten und beendet, zugegeben nur punktuell, Geschäftsbeziehungen zu LGBTIQ-feindlichen Unternehmen."  

Gewiss sticht die Deutsche Bank in Sachen diversity tatsächlich unter vielen deutschen Unternehmen positiv heraus. Unternehmen, die jedoch immer genau dort für die richtigen Werte einstehen, wo es dem Geldverdienen nicht wirklich im Weg steht und gleichzeitig bzw. 2018 Jair Bolsonaro als "Wunschkandidaten der Märkte" zujubeln, könnten jedoch eigentlich genau für das stehen, was Lobo weiter oben in seiner Kolumne als "so abfällig[n] wie diffuse[n[ Begriff" Begriff bezeichnet: Neoliberalismus.  

Natürlich, Punkt für Lobo, gibt es kaum einen abgelutschteren Begriff. Vielleicht brauchen wir einfach neue Wörter, um das zu beschreiben, was gerade im Internet vor sich geht. Viele Nutzer:innen der Plattform ringen gerade mit sich: Auf Twitter bleiben, obwohl Musk rechte Verschwörungstheorien verbreitet und genau heute rund 50 Prozent der Mitarbeiter:innen per Mail entlässt? Nicht nur für Unternehmen, sondern auch für Content-Creator wird’s offenbar kompliziert, wenn die Haltung plötzlich der eigenen Reichweite und Werbung für die eigenen Bücher und Podcasts im Weg steht. L'Oréal und andere Marken sind da gerade schon ein Stück weiter als deutsche opinion leader und haben ihre Werbebuchungen auf der Vogelseite ausgesetzt, während selbst diejenigen User:innen, die vor wenigen Wochen noch Unternehmen für einen unglücklich formulierten Instagram-Post boykottierten, erstmal in Ruhe abwarten, wie sich das mit der neu eingeführten 7-Tage-Woche im Twitter-Hauptquartier so entwickelt.

Vielleicht warten sie aber auch einfach nur ab, bis der Markt das mit Twitter regelt.  

Liebe Grüße: Euer Dax Werner

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Dax Werners Debattenrückspiegel KW 42

Liebe Leser:innen,

ich möchte mich bei euch im Voraus entschuldigen: Im heutigen "DeBaRü" (Martin Weidauer) muss es noch einmal um Friedrich Merz gehen. Ich habe nun mal was übrig für die Kunst des gesprochenen (und anschließend hochgeladenen) Wortes und nachdem Unions-Legende Wolfgang Bosbach schon länger mit dem RTL-Restauranttester Christian Rach auf Sendung ist, klemmt sich nun auch Friedrich Merz hinters USB-Mikro: "Bei Anruf Merz" heißt sein erster Podcast mit Journalistin Shary Reeves. Höchste Zeit also für den Dax Werner-Podcast-Test!

Intromusik

Gefälliges Coffee-Table-Pianogeklimper, das so sehr an "Apokalypse und Filterkaffee" mit Micky Beisenherz erinnert, dass ich das strombergsche Durchlaufen der Filterkaffeemaschine fast automatisch ergänze, während sich mein Körper auf pawlowsche Weise schon auf 30 Minuten Hajo Schumacher oder Markus Feldenkirchen im Interview vorbereitet. Alle Tagträumerei wird jedoch jäh unterbrochen, wenn der Star selbst den Hörer abnimmt und "Hier ist Friedrich Merz" in die Kopfhörer bellt.

Die ersten Worte

"Der deutsche Bundestag ist die Herzkammer der Demokratie. Er ist das einzige Verfassungsorgan, das direkt von den Bürgerinnen und Bürgern gewählt wird." Die ersten Worte im Intro lassen mich kurz factchecken, ob ich vielleicht doch versehentlich beim Wikipedia-Podcast gelandet bin. Oder hat Friedrich Merz das Intro geschrieben? Scheint mir so, denn gegendert wird hier auch nicht. Schon viel Schönes dabei, aber bitte mehr Bilder!

Chemie

Hier rumpelt es in der Pilotfolge natürlich noch. Mit "Ich würd' ganz gern von vornherein schonmal klären, wieso wir beide per Du sind" eröffnet Shary Reeves das Gespräch erfrischend vorwurfsvoll, knickt aber gleich beim nächsten Satz ein: "Das sind wir doch noch, oder?" Merz antwortet gediegen-gönnerhaft: "Das sind wir immer noch, natürlich!" Iiieh! Wir haben 2022, so ein absurdes Machtgefälle möchte ich bitte nicht mehr in den ersten 10 Sekunden eines Podcasts-Launches serviert bekommen.

Moderation

Slightly unterwürfig geht es weiter: "Ehrlich gesagt, Friedrich, fühle ich mich ein bisschen geehrt, weil alle siezen dich und ich darf dich duzen!" Wer denkt sich solche Dialoge aus?

Inhalt

Ich will ehrlich sein: Ich habe den Podcast-Test nach 2 Minuten abgebrochen und mir eine schöne Klassiker-Folge von Böhmi und Olli Schulz reingefahren. Hands down.

Zusammenfassung

Auf Twitter gab es für Shary Reeves einen kleinen Shitstorm nach dem Launch, der sie zu einer wortreichen Verteidigung hinriss. Als Medienschaffender kann ich dazu nur sagen: Dieser Podcast-Gig mit Merz ist ein klassischer Fall von "Take the money and run". Wer auf der Weihnachtsfeier von Rheinmetall spielt, nimmt das Geld, schreibt "Bitte keine Fotos und Postings" in den Vertrag und redet nie wieder darüber.

Ende aus, Micky Maus: Euer Dax Werner

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Dax Werners Debattenrückspiegel KW 41

Liebe Leser:innen,

was mir an der Christian-Lindner-FDP in den letzten Jahren besonders gut gefällt, ist, dass sie das Wohl von Kindern und Jugendlichen immer öfter ins Zentrum ihres politischen Handelns rückt. Wir erinnern uns an die Diskussionen um Schulschließungen während der Corona-Krise ("Die Schulen müssen offen bleiben, das sind wir unseren Kindern schuldig!") oder die aktuellen Debatten um Entlastungspakete und Sozialausgaben ("Wir wollen unseren Kindern keine unnötigen Schulden hinterlassen!"). Nur zufällig fällt der FDP das Wohl von Kindern und Jugendlichen immer genau dann ein, wenn es sich gut mit freiem Markt und schwarzer Null kombinieren lässt. Nicht umsonst zählen 18-jährige Bitcoin-Fans inzwischen zur Kernwählerschaft. Gegen die liberale Betüddelung der Jüngsten regt sich jedoch langsam Widerstand.

Zum Beispiel in der taz am Wochenende. In dem Aufsatz "Halbe Kraft voraus!" berichtet Simone Schmollack von vielen befreundeten Personalverantwortlichen, die sich endlich ungehemmt über verweichlichte Millennials auslassen dürfen. Denn die kämen in den Bewerbungsgesprächen nun immer häufiger mit traumtänzerischen Forderungen wie flexiblen Arbeitszeiten, Homeoffice und Teilzeit um die Ecke. Hallo, es ist Krieg!? Kaum zu glauben: Die 40-Stunden-Woche mit Überstunden und Pendeln scheint – so der Eindruck – an Attraktivität eingebüßt zu haben. Womit könnte das zu tun haben?

Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Gewiss hat es Nullkommanull damit zu tun, dass so etwas wie Vermögensaufbau oder das Eigenheim für viele Millennials wenig mehr als ein frommer Wunsch bleiben wird und man sich stattdessen mehr auf ein bisschen gutes Leben im Schlechten konzentriert. Der taz-Text liefert im letzten Absatz eine tolle Erklärung: Die "Boomer-Eltern [...] haben alles dafür getan, um Probleme von ihren Kindern fernzuhalten. Zu viele jüngere Menschen sind wohlbehütet, mit viel Elternlob und wenigen Einschränkungen zu Hause aufgewachsen. Im Mittelpunkt der elterlichen Gedanken stand eines: das vermeintliche Kindeswohl." Im Kontext der Analyse klingt das schon fast wie etwas Schlechtes.

Die Schriftstellerin Jagoda Marinić zeigt sich auf Twitter angetan : "Ein sehr guter und wichtiger Text über 'Young fragility' – also junge Leute, die auf Kosten anderer Leute gute Lebensstandards haben wollen." Auf den Einwand, dass der Lebensstandard der Boomer-Generation für Millennials eigentlich schon nicht mehr erreichbar ist, heißt es bei ihr nur: "Ne, das sind die, die den Lebensstandard der boomer ohne großes Zutun erben werden."

Soso. Vielleicht eine gute Gelegenheit, dass die FDP sich mal wieder für jüngere Menschen stark macht?

Träumt nach wie vor den Traum vom Eigenheim: Euer Dax Werner

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Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Sind Sie sicher, Rufus Beck?

Im Interview mit Deutschlandfunk Kultur zum 25. Jubiläum des Erscheinens des ersten deutschsprachigen »Harry-Potter«-Buchs kamen Sie ins Fantasieren: Würde Harry heutzutage und in der echten Welt leben, dann würde er sich als Klimaschützer engagieren. Er habe schließlich immer für eine gute Sache eingestanden.

Wir möchten Sie an dieser Stelle daran erinnern, dass Harry Potter ein Zauberer ist, sich folglich gar nicht für den Klimaschutz engagieren müsste, sondern ihn mit einem Schnips obsolet machen könnte. Da allerdings in sieben endlos langen »Harry Potter«-Bänden auch keine Klassenunterschiede, Armut oder gar der Kapitalismus weggezaubert wurden, fragen wir uns, warum Harry gerade bei der Klimakrise eine Ausnahme machen sollte. Aber wo Sie schon so am Fabulieren sind, kommen wir doch mal zu der wirklich interessanten Frage: Wie, glauben Sie, würde sich Ihr Kämpfer für das Gute zu Trans-Rechten verhalten?

Hat da so eine Ahnung: Titanic

 Du, Krimi-Autorin Rita Falk,

bist mit der filmischen Umsetzung Deiner zahlreichen Eberhofer-Romane – »Dampfnudelblues«, »Sauerkrautkoma«, »Kaiserschmarrndrama« – nicht mehr zufrieden. Besonders die allerneueste Folge, »Rehragout-Rendezvous«, erregt Dein Missfallen: »Ich finde das Drehbuch unglaublich platt, trashig, stellenweise sogar ordinär.« Überdies seien Szenen hinzuerfunden worden und Charaktere verändert. Besonders verabscheuungswürdig seien die Abweichungen bei einer Figur namens Paul: »Der Film-Paul ist einfach ein Dorfdepp.«

Platt, trashig, ordinär – das sind gewichtige Vorwürfe, Rita Falk, die zu einer vergleichenden Neulektüre Deiner Romane einladen. Da fällt uns übrigens ein: Kennst Du die Geschichte vom Dorfdeppen, der sich beschwert, dass der Nachbarsdorfdepp ihn immer so schlecht imitiert?

Wär’ glatt der Stoff für einen neuen Roman!

Finden Deine Trash-Flegel von Titanic

 Ei Gude, Nancy Faeser!

Ei Gude, Nancy Faeser!

Als Bundesinnenministerin und SPD-Spitzenkandidatin für die hessische Landtagswahl stellen Sie im Wahlkampf wöchentlich eine weitere Verschärfung des Asylrechts in Aussicht, um bei Ihren stockkonservativen hessischen Landsleuten zu punkten. Das Dumme ist nur, dass Sie damit bis jetzt bei Ihrer Zielgruppe nicht so recht ankommen. Der sind Sie einfach zu zaghaft.

Da hilft nur eins: Klotzen, nicht kleckern! Ihr Amtsvorgänger Horst Seehofer (CSU) hat es doch vorgemacht und sich über die Abschiebung von 69 Afghan/innen an seinem 69. Geburtstag gefreut! Das haben alle verstanden. Tja, Ihr 53. Geburtstag am 13. Juli ist schon rum, die Chance ist vertan! Jetzt hilft nur noch eins: gemeinsame Wahlkampfauftritte mit Thilo Sarrazin!

Und flankierend: eine Unterschriftensammlung gegen die Reform des Staatsbürgerschaftsrechts, die es Migrant/innen erleichtert, die deutsche Staatsbürgerschaft anzunehmen, ohne die eigene aufzugeben. Für Unterschriftenaktionen gegen die doppelte Staatsbürgerschaft sind die Hess/innen seit jeher zu haben (»Wo kann ich gegen die Ausländer unterschreiben?«). Und dass Sie damit gegen Ihren eigenen Gesetzentwurf agitieren – das werden die sicher nicht checken!

Darauf wettet Ihre Wahlkampfassistenz von der Titanic

 Puh, 47jährige,

bei Euch läuft es ja nicht so rund gerade. »Nur mit Unterhose bekleidet: 47-Jähriger flippt an Trambahn-Haltestelle aus« müssen wir pfaffenhofen-today.de entnehmen. InFranken meldet: »143 Autos in vier Jahren zerkratzt – 47jähriger Verdächtiger wurde festgenommen«, und schließlich versaut Rammstein-Ekel Lindemann Euch noch zusätzlich das Prestige. Der ist zwar lang nicht mehr in Eurem Alter, aber von dem Lustgreis ist in letzter Zeit dauernd im Zusammenhang mit Euch die Rede, weil er sich als 47jähriger in eine 15jährige »verliebt« haben will.

Und wenn man sich bei so viel Ärger einfach mal einen antrinkt, geht natürlich auch das schief: »Betrunkener 47-Jähriger landet in Augustdorf im Gegenverkehr«, spottet unbarmherzig lz.de.

Vielleicht, liebe 47jährige, bleibt Ihr besser zu Hause, bis Ihr 48 seid?

Rät die ewig junge Titanic

 Sakra, »Bild«!

Da hast Du ja wieder was aufgedeckt: »Schauspieler-Sohn zerstückelt Lover in 14 Teile. Die dunkle Seite des schönen Killers. Im Internet schrieb er Hasskommentare«. Der attraktive, stinknormal wirkende Stückel-Killer hat Hasskommentare im Netz geschrieben? So kann man sich in einem Menschen täuschen! Wir sind entsetzt. Dieses Monster!

Indes, wir kennen solche Geschichten zur Genüge: Ein Amokläufer entpuppt sich als Falschparker, eine Kidnapperin trennt ihren Müll nicht, die Giftmischerin hat immer beim Trinkgeld geknausert, und das über Leichen gehende Hetzblatt nimmt’s gelegentlich mit der Kohärenz beim Schlagzeilen-Zusammenstückeln nicht so genau.

Grüße von der hellen Seite des Journalismus Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Tagtraum im Supermarkt

Irre lange Schlange vor der Kirche. Einzelne Gläubige werden unruhig und stellen Forderungen. Pfarrer beruhigt den Schreihals vor mir: »Ja, wir machen gleich eine zweite Kirche auf!«

Uwe Becker

 Backpainer-Urlaub

Eine Thailandreise ist die ideale Gelegenheit, sich bei unzähligen Thaimassagen endlich mal jene Rückenschmerzen rauskneten zu lassen, die man vom Tragen des Rucksacks hat, den man ohne die Thailandreise gar nicht gekauft hätte.

Cornelius W. M. Oettle

 Kartoffelpuffer

Die obligatorische halbe Stunde, die deutsche Rentnerehepaare zu früh am Bahnhof erscheinen.

Fabio Kühnemuth

 Brotlose Berufsbezeichnung

Ich arbeite seit Jahren erfolgreich als honorarfreischaffender Künstler.

Jürgen Miedl

 Löffelchenverbot

Ich könnte niemals in einer Beziehung mit Uri Geller sein. Ich will mich einfach für niemanden verbiegen.

Viola Müter

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
22.09.2023 Mainz, Frankfurter Hof Max Goldt
23.09.2023 Mönchengladbach, Theater im Gründungshaus Max Goldt
24.09.2023 Aschaffenburg, Hofgarten Thomas Gsella mit Hauck & Bauer
26.09.2023 Bern, Berner Generationenhaus Martin Sonneborn