In memoriam Robert Gernhardt
Heute vor zehn Jahren ist der TITANIC-Mitbegründer, der Dichter und Denker, das komische Universalgenie Robert Gernhardt – vollkommen zu Unrecht – gestorben. TITANIC erinnert an ihn mit zwei Gernhardt-Titeln, einer Erzählung aus dem allerersten Heft und einer Humorkritik aus dem August 1980.
Satirekritik
Aus TITANIC 08/80
In der Zeit nahm sich Dieter Hildebrandt – nein nicht der Kabarettist, der andere – das Mai-Heft von TITANIC vor, sein Fazit ist niederschmetternd: „Zu den ganz schlimmen Zuständen in unserer Republik, die nach Satire nur so schreien, gehört die bundesdeutsche Satire.“
Das war nicht immer so: „Nimmt man eine Gestalt wie die der fast schon legendären Hannelore Kaub, so weiß man,daß es hierzulande Satire gibt, die seit zehn Jahren nicht etwa totgeschwiegen wird, sondern, böser noch, sich selber totschweigt...“ Merke: Früher gab es in Deutschland noch echte Satire, was gegenwärtig unter diesem Namen läuft, verdient ihn nicht einmal: „Deutsche Satire – ein einziger Witz.“
Dem möchte ich einiges hinzufügen:
Vor vierzehn Jahren – Hannelore Kaub und ihr Kabarett „Das Bügelbrett“ waren noch sehr beredt – erschien im Rheinischen Merkur eine Besprechung des Buches „Unsterblicher Witz“, einer Sammlung von Glossen und Satiren des Karl Kraus. In dieser Rezension kommt der Rezensent Rainer Fabian zu dem Urteil: „Wer diese Satiren des großen Karl Kraus liest, wendet sich mit Schaudern ab von allen jenen Produkten, die heute in Deutschland als Satire verkauft werden. Was gegenwärtig angerührt wird, ist bestenfalls ein dünner deutscher Eintopf … Kraus dagegen …Kraus ist souverän, das unterscheidet ihn, er hat Geist, er hat Charme ...“
Merke: Viel früher gab es im deutschen Sprachraum noch echte Satire, was gegenwärtig unter diesem Namen läuft ...
Dem möchte ich noch etwas hinzufügen:
Vor 59 Jahren – im deutschen Sprachraum publizierten Karl Kraus, Kurt Tucholsky, Walter Mehring, Alfred Polgar – erschien in der Frankfurter Zeitung ein Artikel Kasimir Edschmids, in dem dieser einen Überblick über die Satireproduktion seiner Zeit gibt. Diesen Aufsatz wiederum nahm Karl Kraus zum Anlaß einer Erwiderung – sie findet sich unter dem Titel „Der Lächler“ im Sammelband „Unsterblicher Witz“ – in der Kraus Edschmid zitiert: „Die sehr heftig beweglicheZeitlichkeit hat keinen eigentlichen satirschen Stil. Sie hat auch keine satirischen Schriftsteller … Man ist in Deutschland im Augenblick zu gehemmt, man hat nicht die Überlegenheit … Man kann keine Satire machen ohne die graziöse Skepsis, die Anatole Frances Spitzbart so macht ...“
Merke: Viel viel früher gab es allerdings nicht in Deutschland echte Satire, was gegenwärtig …
Dem möchte ich nur dies noch hinzufügen: Offensichtlich gibt es überhaupt keine deutsche Satire, es hat sie immer nur gegeben. Kleiner Trost: Während es mit dieser nichtexistenten Satire wenigstens ständig bergab gegangen ist, hat sich sich ihre Kritik seit über einem halben Jahrhundert auf unverändert niedrigem Niveau gehalten.
Große Bitte: Kritiker laßt Euch doch einmal einen neuen Dreh einfallen, ich kann Eure Ja-damals!-Lamentos nicht mehr hören.
Außerdem findet sich in der aktuellen Ausgabe der TITANIC eine Erinnerung des Weggefährten Eckhard Henscheid an Robert Gernhardt.
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