Überschätzte Lebensmittel (XXV)
Heute: Gegrilltes
Vor dem Einstieg in die Welt des Grillens ist vom passionierten "BBQ"-Fan zunächst das adäquate Zubehör zu erwerben. Zum Preis eines mittleren Kleinwagens schafft man sich also einige Kilogramm Stahlblech im Schrottwert von etwa 6,50 € nebst Kunststoffrädchen (→ gelber Sack) an. Must-haves dabei: Deckel, Steinplatte und Räucherfunktion. Außerdem unverzichtbar: Infrarotthermometer, digitaler Präzisionslaserwurstabstandsmesser, damastgeschmiedete Grillzange, Tranchierbesteck mit Horngriffen sowie ein vergoldeter Grillspießchenanspitzer. Das "Fest" beginnt mit dem Marinieren des Grillgutes in chemiesatten Kräuterpasten und Würzsaucen, dem lieblosen Überschütten verkochter Kartoffeln mit Fertigmayonnaise, und für die Veganer wird eine Gurke geschält. Alsdann geht der Griller auf Youtube und schaut sich dort zu den ersten vier Bieren noch einmal schnell die Tips von renommierten Fernsehkochfuzzis an. Die dadurch gefestigte Annahme, daß auf der heimischen Terrasse auch etwas Genießbares beim Grillen herauskommen könnte, strafen die folgenden Rauchsäulen Lügen: Das ganze Gewürze, Gesauce und Getue hat nur dem Zweck gedient, der erzeugten Kohlenstoffhülle um zähe Reste von Fleischfasern eine Anmutung von Geschmack zu geben.
Bei all der hochtechnisierten Ausstattung ist es grillenden Menschen nicht klar, daß es sich bei der Zubereitung von Fleisch an offenem Feuer um eine der ältesten Kulturtechniken handelt. Schon der Homo erectus hat vor der eigentlichen Entdeckung des Feuers Grillfleisch gegessen – aus reiner Faulheit. Häufig fiel nach einem Blitzeinschlag ein geröstetes Eichhörnchen oder ein Elch aus einem Baum, außen schwarz und innen roh; das hat zwar schon damals scheiße geschmeckt, aber wenigstens mußten keine lebenden Tiere mehr gejagt werden. Grillen ist demnach schlicht ein Mahnmal für die erschütternde Stagnation in der Entwicklung der menschlichen Art.
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