Glanz und Elend des Kurtchen Sahne. Ein Wochenend-Fortsetzungsroman (89)
"Wenn der Kollege sich nicht wieder Zeit läßt", schränkte Gernolf lässig ein, und Petra sah Kurtchen immer noch an, und er hielt ihr stand. Sie grinste. Er grinste zurück.
"Immerhin", sagte Kurtchen, auf fast zittrige Weise beschwingt, "hat er noch einen richtigen Block und einen richtigen Stift. Heute haben doch alle immer diesen Elektrokram, damit sie's elektronisch einbongen können."
"Warum denn nicht", gab Fred frech zu bedenken, "du bongst doch auch elektronisch ein. Das kannst du; kannst du mir nicht erzählen", unterstrich er töricht seinen Witz, "daß du nicht Tag für Tag elektronisch einbongst! Jeden verdammten Tag! Mehrfach!"
"Ich laß mir aber nicht dabei zusehen", war Kurtchen ausnahmsweise schlagfertig, es ging ihm immer besser, er suchte jetzt die Bühne. "Außerdem bin ich im Gegensatz zu dir ein hart arbeitendes Mitglied der Gesellschaft. Nach acht oder wieviel Stunden Gaswasserscheiße habe ich alles Recht, ein bißchen einzubongen, und sei's, aus Mangel an Gelegenheit, auch bloß elektronisch", das war dann doch verwegen, und trotz seiner Hochstimmung merkte Kurtchen, wie ihm die Hitze ins Gesicht floß, und stur sah er zu Fred nach links, "wie überhaupt die strenge Scheidung zwischen virtueller und realer Welt doch längst als überholt gilt."
Heiner tuschelte mit Gernolf, er schien nicht zu verstehen, worum es ging. "Es geht darum", sagte Gernolf laut, "wie oft er", er nickte schräg zu Kurtchen hin, "einbongt."
"Elektronisch einbongt", präzisierte Fred, und weil Heiner nicht so aussah, als bringe ihn das irgendwie aufs Laufende, verkniff sich Fred die Bosheit nicht, zu fragen, wie oft er, Heiner, denn eigentlich einbonge, wo man schon mal dabei sei.
"Elektronisch oder manuell?" fragte Gernolf albern.
"Elektronisch ist manuell", korrigierte Kurt.
"Elektronisch oder real", half Petra überraschend, und wie um diesen prachtvoll unsolidarischen, dabei sogar noch lind erotischen Akt ins Numinose zu weitern, wackelte jetzt der Kellner heran, der sein halbvolles Tablett nicht servicegastronomisch auf den Fingerspitzen balancierte, sondern es mit beiden Händen vor sich her trug, und Kurtchen rührte es, wie hier Sorgfalt und Achtsamkeit der unbedingte Vorzug vor dem professionellen Showeffekt gegeben wurden, auch wenn der Kellner sowieso den Eindruck machte, er habe das mit der Show und den Effekten an der Garderobe einer Dorfwirtschaft aus den Achtzigern abgegeben. Vielleicht war er aber auch bloß Alkoholiker.
Er stellte das Tablett neben Gernolf ab, und Gernolf half beim Austeilen und bediente Heiner, mit einem versöhnlichen "Is ja auch egal", als ersten.
"Auf die Liebe in all ihren Farben", sagte Fred und ließ sein Glas vor Heiner schweben, und wie erleichtert, aus dem Schußfeld zu sein, war Heiner nickend einverstanden. (wird fortgesetzt)
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