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Dax Werners Debattenrückspiegel KW 4

Liebe Leser:innen,

als ich vorgestern Abend wie jeden Freitag das "Heute-Journal" im ZDF gestreamt habe, bin ich vor Schreck fast von der Couch gefallen. Im Nachrichtenblock mit Gundula Gause wurde ZDF-Börsenguru Frank Bethmann zugeschaltet, der aus Frankfurt am Main die neuesten Entwicklungen rund um die Gamestop-Aktie sachkundig einordnete: "Das Kräftemessen dieser beiden Gruppen, die irrsinnigen Kurssprünge zeigen es, könnte die Kapitalmärkte destabilisieren. Auch deswegen sind Staatsanwaltschaft und Börsenaufsicht in den USA jetzt aktiv geworden. Schließlich sparen Millionen von Amerikanern mit ihren Aktien für das Alter." Millionen von Amerikanern für das Alter. Dieser Halbsatz hallte in mir nach. Moment mal, dachte ich, diese hobbylosen Krawall-Kids von Reddit verzocken mit ihrem ach-so-ironischen Investment in das eigentlich schon komplett obsoletierte Geschäftsmodell von Gamestop (nämlich: Pokémon-Karten und gebrauchte PS4-Spiele in einem heruntergekommenen Ladenlokal zu verkaufen) also am Ende noch die spärliche Altersvorsorge von Millionen tüchtigen Amerikanern? Mir kam das Abendessen hoch. Und Wut. Gleichzeitig dachte ich an meine eigene Altersvorsorge: ein kompliziertes Modell aus gesetzlicher Rentenversicherung, verschiedenen Investments in Kryptowährungen, deren Namen ich immer vergesse, und einigen seriösen Anlagen aus der Produktpalette Riester-Rente.

Apropos Riester: Eine der geistigen Väter des Riester-Modells, der Philanthrop und Vox-Startup-Onkel Carsten Maschmeyer, meldete sich dieser Tage auch zum Thema Gamestop zu Wort: "Hedgefonds nutzen den Markt weiter als Casino, Nachwuchsinvestoren werden ausgesperrt: Inakzeptabel! Märkte müssen transparent sein für ALLE." Wenn jemand im Internet Großbuchstaben benutzt, weiß man: Da ist es jemandem ernst. Denn auch für Maschmeyer gab es damals, als er den Wahlkampf von Altkanzler Gerhard Schröder mit 150 000 Mark über einen Strohmann finanzierte, kein größeres Gebot als das der Transparenz. Oder das eine Mal, als er kurz nach der Jahrtausendwende dem Wunsch desselben Kanzlers nachkam und nach mehreren privaten Treffen in Hannover ein Konzept zur Rentenreform vorlegte, das zufällig genau ins Geschäftsmodell seines Unternehmens passte. Auch sein eigener Aufstieg in die Oberliga der Besserverdienenden war von Ehrlichkeit, Transparenz und dem genauen Gegenteil von "Casino-Mentalität" geprägt, als er Millionen Kleinanleger mit Investments in fragwürdige Immobilien und extrem komplizierten Fonds um ihr Vermögen brachte. Klarheit, Vertrauen, Konsequenz.

Heute investiert Maschmeyer mit seinen Investorenfreund:innen das Geld aus dieser Zeit vor einem Millionenpublikum in vegane Klangquadrate und Craft-Beer-Startersets für Menschen in der 30-something-life-crisis. Oder gibt auf der Audio-App Clubhouse (siehe Kolumne letzte Woche) tiefgründige Lebensweisheiten wie diese hier zum Besten: "Herausforderung heißt challenge und wenn man bei challenge die zwei L und das EN wegnimmt, bleibt change."

Wir sind alle nur Menschen und jeder macht mal Fehler. Dann heißt es dafür geradestehen, Mund abwischen und weiter investieren. Und niemand kann etwas dafür, wenn er vielleicht wirklich Diamanten-Hände hat und finanziell einfach immer goldrichtig lag. Auch ein Carsten Maschmeyer nicht. Und bei all dem Change, Challenge und Gamestop dieser Tage ist mir am Ende vielleicht eine Botschaft noch viel wichtiger, für die ich nochmal ein altes Diktum von Norbert Blüm abwandeln möchte: Die Renten waren noch nie sicher. Mein auf gar keinen Fall seriöser Finanztipp für diese Woche lautet deswegen: Halten, halten, halten.

Euer Dax Werner




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Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Also echt, Hollywood-Schauspieler Kevin Bacon!

»Wie wäre es eigentlich, wenn mich niemand kennen würde?« Unter diesem Motto verbrachten Sie mit falschen Zähnen, künstlicher Nase und fingerdicken Brillengläsern einen Tag in einem Einkaufszentrum nahe Los Angeles, um Ihre Erfahrungen als Nobody anschließend in der Vanity Fair breitzutreten.

Die Leute hätten sich einfach an Ihnen vorbeigedrängelt, und niemand habe »Ich liebe Dich!« zu Ihnen gesagt. Als Sie dann auch noch in der Schlange stehen mussten, um »einen verdammten Kaffee zu kaufen«, sei Ihnen schlagartig bewusst geworden: »Das ist scheiße. Ich will wieder berühmt sein.«

Das ist doch mal eine Erkenntnis, Bacon! Aber war der Grund für Ihre Aktion am Ende nicht doch ein anderer? Hatten Sie vielleicht einfach nur Angst, in die Mall zu gehen und als vermeintlicher Superstar von völlig gleichgültigen Kalifornier/innen nicht erkannt zu werden?

Fand Sie nicht umsonst in »Unsichtbare Gefahr« am besten: Titanic

 Du, »MDR«,

gehst mit einer Unterlassungserklärung gegen die sächsische Linke vor, weil die im Wahlkampf gegen die Schließung von Kliniken plakatiert: »In aller Freundschaft: Jede Klinik zählt.« Nun drohen juristische Scharmützel nebst entsprechenden Kosten für beide Seiten. Wie wäre es, wenn die Linke ihr Plakat zurückzieht und im Gegenzug nur eine einzige Klinik schließt? Die Ersparnisse dürften gewaltig sein, wenn die Sachsenklinik erst mal dichtgemacht hat.

Vorschlag zur Güte von Deinen Sparfüchsen von Titanic

 Oha, »Siegessäule«!

Als queeres und »Berlins meistgelesenes Stadtmagazin« interviewtest Du anlässlich der Ausstellung »Sex. Jüdische Positionen« im Jüdischen Museum Berlin die Museumsleiterin und die Kuratorin und behelligtest die beiden unter anderem mit dieser Frage: »Linke, queere Aktivist*innen werfen dem Staat Israel vor, eine liberale Haltung gegenüber Homosexualität zu benutzen, um arabische und muslimische Menschen zu dämonisieren. Diese Aktivist*innen würden Ihnen wahrscheinlich Pinkwashing mit der Ausstellung unterstellen.«

Nun ist das Jüdische Museum Berlin weder eine Außenstelle des Staates Israel, noch muss man als Journalist/in irgendwelchen »Aktivist*innen« ihre antisemitischen Klischees, dass letztlich doch alle Jüdinnen und Juden dieser Welt unter einer Decke stecken, im Interview nachbeten. So können wir uns aber schon mal Deine nächsten Interviewfragen ausmalen: »Frau Pastorin Müller, Sie bieten einen Gottesdienst zum Christopher Street Day an. Betreiben Sie damit Pinkwashing für den Vatikanstaat?« oder »Hallo Jungs, ihr engagiert euch in einem schwulen Verein für American Football. Betreibt ihr damit nicht Pinkwashing für Donald Trump?«

Wird diese Artikel allerdings nicht mehr lesen: Titanic

 Augen auf, »dpa«!

»Mehrere der Hausangestellten konnten weder Lesen noch Schreiben« – jaja, mag schon sein. Aber wenn’s die Nachrichtenagenturen auch nicht können?

Kann beides: Titanic

 Mmmh, Futterparadies Frankfurt a. M.!

Du spielst in einem Feinschmecker-Ranking, das die Dichte der Michelin-Sterne-Restaurants großer Städte verglichen hat, international ganz oben mit: »Laut einer Studie des renommierten Gourmet-Magazins Chef’s Pencil teilen sich in der hessischen Metropole 77 307 Einwohner ein Sterne-Restaurant.«

Aber, mal ehrlich, Frankfurt: Sind das dann überhaupt noch echte Gourmet-Tempel für uns anspruchsvolle Genießer/innen? Wird dort wirklich noch köstlichste Haute Cuisine der allerersten Kajüte serviert?

Uns klingt das nämlich viel eher nach monströsen Werkskantinen mit übelster Massenabfertigung!

Rümpft blasiert die Nase: die Kombüsenbesatzung der Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Claims texten, die im Kopf bleiben

Ist »Preissturz bei Treppenliften« wirklich eine gute Catchphrase?

Miriam Wurster

 Guesslighting

Um meine Seelenruhe ist es schlecht bestellt, seit mich ein erschütternder Bericht darüber informierte, dass in Hessen bei Kontrollen 70 Prozent der Gastronomiebetriebe widerlichste Hygienemängel aufweisen (s. Leo Riegel in TITANIC 07/2022). Neben allerhand Schimmel, Schleim und Schmodder herrscht allüberall ein ernsthaftes Schadnagerproblem, die Küchen sind mit Mäusekot nicht nur kontaminiert, sondern praktisch flächendeckend ausgekleidet. Vor lauter Ekel hab ich sofort Herpes bekommen. Nun gehe ich vorhin in meine Küche, und auf der Arbeitsplatte liegen grob geschätzt 30 kleine schwarze Kügelchen. Ich bin sofort komplett ausgerastet! Zehn hysterische Minuten hat es gedauert, bis mir klar wurde, dass der vermeintliche Kot die Samen eines dekorativen Zierlauchs waren, der einen Blumenstrauß krönte, den eine liebe Freundin mir geschenkt hat. Ich hätte ihn einfach nicht noch einmal anschneiden sollen … Hysterie off, Scham on.

Martina Werner

 Unübliche Gentrifizierung

Zu Beginn war ich sehr irritiert, als mich der Vermieter kurz vor meinem Auszug aufforderte, die Bohr- und Dübellöcher in den Wänden auf keinen Fall zu füllen bzw. zu schließen. Erst recht, als er mich zusätzlich darum bat, weitere Löcher zu bohren. Spätestens, als ein paar Tage darauf Handwerkerinnen begannen, kiloweise Holzschnitzel und Tannenzapfen auf meinen Böden zu verteilen, wurde mir jedoch klar: Aus meiner Wohnung wird ein Insektenhotel!

Ronnie Zumbühl

 Dialog auf Augenhöhe

Zu meinen Aufgaben als Marketingexperte in einem modernen Dienstleistungsunternehmen gehört es unter anderem, unzufriedene Kunden zu beschwichtigen. Vor kurzem beschwerte sich einer von ihnen darüber, dass wir in unseren Texten immer dieselben Bausteine verwenden. Die Mail ließ mich ganz irritiert zurück. Ein Glück, dass wir für genau solche Anfragen gleich fertige Antworten haben.

Andreas Maier

 Reifeprozess

Musste feststellen, dass ich zum einen langsam vergesslich werde und mir zum anderen Gedanken über die Endlichkeit allen Lebens mache. Vor meiner Abreise in den Urlaub vergaß ich zum Beispiel, dass noch Bananen in meiner Obstschale liegen, und dann dachte ich zwei Wochen darüber nach, wie lange es wohl dauert, bis die Nachbarn wegen des Geruchs und der Fliegen aus meiner Wohnung die Kripo alarmieren.

Loreen Bauer

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
03.08.2024 Kassel, Caricatura-Galerie Miriam Wurster: »Schrei mich bitte nicht so an!«
04.08.2024 Frankfurt/M., Museum für Komische Kunst Die Dünen der Dänen – Das Neueste von Hans Traxler
04.08.2024 Frankfurt/M., Museum für Komische Kunst »F. W. Bernstein – Postkarten vom ICH«
09.08.2024 Bremen, Logbuch Miriam Wurster