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Dax Werners Debattenrückspiegel KW 19

Liebe Leser:innen,

wieder sieben Tage rum, wieder eine Woche mit Siebenmeilenstiefeln zurück in die Welt vor Corona, die wir zuletzt nur noch aus den automatischen Foto-Zusammenstellungen unserer Smartphones kannten: "Guten Morgen Dax, erinnerst du dich an die Pokémon-Go-Safari-Zone im Westfalenpark Dortmund 2018?" Wenn ich ehrlich bin nur noch sehr bruchstückhaft, wie an einen im Traum erinnerten Traum, doch während ich die Worte mit dem bewährten Zwei-Finger-System ins Google Doc tippe, kann ich mich mit einem Mal doch wieder erinnern, sie schwingt zurück in mein Bewusstsein wie ein mit viel Verve nach einem wilden Bisasam geschleuderter Pokéball, plötzlich ist alles wieder da, auch wie es dort roch, damals im Westfalenpark: Nach harter Arbeit, nach Hoffnungen, nach Axe Dark Temptation ohne Aluminium, eben nach dem wilden, echten Leben.

Im Internet haben inzwischen über 30 Millionen Deutsche ein Foto eines Pflasters auf ihrem Oberarm gepostet, fast 10 Millionen sogar zwei Fotos. Dafür gibt’s nicht nur viele geile Likes und Herzchen, sondern auch Grundrechte zurück: Mit den zwei Fotos bewaffnet dürfen sich die Vollverimpften uneingeschränkt mit anderen Menschen treffen und nach neun Uhr Abends wieder das Haus verlassen, ohne dass das SEK sie umstellt. Gut so! Andererseits sorgt dieser Grundrechte-Vorteil der Generation 50-Plus naturgemäß für Neid und Missgunst bei der Generation X (Sascha Lobo, Cem Özdemir) und den Millennials (Typen wie ich), also den Menschen, die in der Regel nicht mal wissen, was ein Hausarzt eigentlich genau sein soll und lediglich hin und wieder, wenn es der hektische Alltag zwischen Netflix, Zoom und Twitter zulässt, in den Spam-Porno-DMs auf Instagram nach dem ersten Impfangebot Ausschau halten, das laut Dr. Merkel bis Ende des Sommers an alle Deutschen gehen sollte.

Mit solch einer postpubertären Anti-Haltung lässt sich die Deutschland AG jedoch nur schwerlich wieder auf Kurs bringen. Mit gutem Beispiel voran geht der Festivalsektor: Das bislang bei Bierhelm-Nutzer:innen aus Städten mit weniger als 30.000 Einwohner:innen beliebte "Rock am Ring"-Festival hat bereits auf die veränderte demographische Situation im Verbraucher-Segment reagiert und das Lineup entsprechend angepasst. Mit The Offspring, Bush und Green Day treten bei der nächsten Ausgabe Bands auf, deren Frontmänner die 50 bereits überschritten haben und mit großen Schritten auf die 60 zugehen. Ein starkes Signal an die Rentner:innen unter den deutschen Festival-Fans: We hear you. Auch der Anteil weiblicher Musikerinnen wurde nach den Experimenten in den vergangenen Jahren wieder auf zunächst 2 Prozent heruntergefahren (Berechnung von Sophie Hunger auf Twitter). Frauen und Rockmusik, das ist für das neue Publikum bei Rock am Ring dann doch einfach eine Spur zu progressiv. Der Köder muss eben dem Fisch schmecken, für das übernächste Jahr wird schon laut über noch ältere Männeracts nachgedacht, wie zum Beispiel Howard Carpendale, Semino Rossi oder die beliebten Höhner aus Köln. Doch nicht nur auf sondern auch neben der Bühne reagieren die Veranstalter auf das neue Publikum: Das Bier wird zum ersten Mal auch in praktischen Schnabeltassen ausgegeben, die Lautstärke auf Zimmerlautstärke gedrosselt ("Man soll sich ja auch noch unterhalten können") und die Festivaltage enden nun schon um 18 Uhr, damit man im Eifel-Umland noch "gemütlich was essen gehen kann".

Wenn ich ehrlich bin: Es ist exakt diese affengeile Anpacker-Mentalität, die ich zur Zeit an vielen Stellen in unserem Land vermisse. Vielleicht haben viele noch nicht verstanden, dass wir die Welt vor der Pandemie, die wir nur noch aus paywallfreien Spiegel-Online-Artikeln vor 2020 kennen – ich nenne sie zärtlich "unser Silmarillion" –, nicht mehr zurückbekommen. Die kulturelle Hegemon ist nicht mehr der gerade aus der Universität gespuckte und Filme ausschließlich im Originalton streamende Millennial, sondern der kaufkräftige Best Ager mit festem Wertesystem und zwei Biontech-Einstichen im Arm. Und wenn der eben noch einmal ein wackeliges Facebook-Video posten will, in dem er "Self Esteem" von The Offspring in Fantasie-Englisch mit grölt, dann ist es unsere Aufgabe, das irgendwie möglich zu machen. Tränenlachsmiley.

Auf die schöne neue Welt,

euer Dax Werner




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Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Könnte es sein, »ARD-Deutschlandtrend«,

dass Dein Umfrageergebnis »Mehrheit sieht den Frieden in Europa bedroht« damit zusammenhängt, dass seit über zwei Jahren ein Krieg in Europa stattfindet?

Nur so eine Vermutung von Titanic

 Du, »Hörzu Wissen«,

weißt, wie Werbung geht! Mit »Die Sucht zu töten« machtest Du so richtig Lust auf Deine aktuelle Ausgabe, um erläuternd nachzulegen: »Bestialisch, sadistisch, rätselhaft: Was Menschen zu mordenden Monstern macht – acht Täter und die Geschichten ihrer grausamen Verbrechen.«

Wer kann sich da der Faszination der »dunklen Welt der Serienkiller« noch entziehen? Aber am Ende, liebe Hörzu Wissen, ist in diesem Zusammenhang doch die Implikation Deines Slogans »Hörzu Wissen – das Magazin, das schlauer macht!« das Allergruseligste!

Da erschauert sogar

Die True-Crime-resistente Redaktion der Titanic

 Verehrte Joyce Carol Oates,

da Sie seit den Sechzigern beinah im Jahrestakt neue Bücher veröffentlichen, die auch noch in zahlreiche Sprachen übersetzt werden, kommen Sie vermutlich nicht dazu, jeden Verlagstext persönlich abzusegnen. Vielleicht können Sie uns dennoch mit ein paar Deutungsangeboten aushelfen, denn uns will ums Verrecken nicht einfallen, was der deutsche Ecco-Verlag im Sinn hatte, als er Ihren neuen Roman wie folgt bewarb: »›Babysitter‹ ist ein niederschmetternd beeindruckendes Buch, ein schonungsloses Porträt des Amerikas der oberen Mittelschicht sowie ein entlarvender Blick auf die etablierten Rollen der Frau. Oates gelingt es, all dies zu einem unglaublichen Pageturner zu formen. In den späten 1970ern treffen in Detroit und seinen Vorstädten verschiedene Leben aufeinander«, darunter »eine rätselhafte Figur an der Peripherie der Elite Detroits, der bisher jeglicher Vergeltung entkam«.

Bitte helfen Sie uns, Joyce Carol Oates – wer genau ist ›der Figur‹, dem es die elitären Peripherien angetan haben? Tragen die Leben beim Aufeinandertreffen Helme? Wie müssen wir uns ein Porträt vorstellen, das zugleich ein Blick ist? Wird das wehtun, wenn uns Ihr Buch erst niederschmettert, um dann noch Eindrücke auf uns zu hinterlassen? Und wie ist es Ihnen gelungen, aus dem unappetitlich plattgedrückten Matsch zu guter Letzt noch einen »Pageturner« zu formen?

Wartet lieber aufs nächste Buch: Titanic

 Prophetisch, »Antenne Thüringen«?

Oder wie sollen wir den Song verstehen, den Du direkt nach der von Dir live übertragenen Diskussion zwischen Mario Voigt und Björn Höcke eingespielt hast? Zwar hat der Thüringer CDU-Fraktionschef Höckes Angebot einer Zusammenarbeit nach der Wahl ausgeschlagen. Aber es wettet ja so manche/r darauf, dass die Union je nach Wahlergebnis doch noch machthungrig einknickt. Du jedenfalls lässt im Anschluss den Musiker Cyril mit seinem Remake des Siebziger-Lieds »Stumblin’ in« zu Wort kommen: »Our love is alive / I’ve fallen for you / Whatever you do / Cause, baby, you’ve shown me so many things that I never knew / Whatever it takes / Baby, I’ll do it for you / Whatever you need / Baby, you got it from me.« Wenn das nicht mal eine Hymne auf eine blau-schwarze Koalition ist!

Hätte sich dann doch eher »Highway to Hell« gewünscht: Titanic

 Kurze Anmerkung, Benedikt Becker (»Stern«)!

»Wer trägt heute noch gerne Krawatte?« fragten Sie rhetorisch und machten den Rollkragenpullover als neues It-Piece der Liberalen aus, v. a. von Justizminister Marco Buschmann und Finanzminister Christian Lindner, »Was daran liegen mag, dass der Hals auf die Ampelkoalition besonders dick ist. Da hilft so eine Halsbedeckung natürlich, den ganzen Frust zu verbergen.«

Schon. Aber wäre es angesichts des Ärgers der beiden Freien Demokraten über SPD und Grüne nicht passender, wenn sie mal wieder so eine Krawatte hätten?

Ebenso stilistisch versiert wie stets aus der Mode: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Frage an die Brutschmarotzer-Ornithologie

Gibt es Kuckucke, die derart hinterhältig sind, dass sie ihre Eier anderen Kuckucken unterjubeln, damit die dann fremde Eier in fremde Nester legen?

Jürgen Miedl

 Nicht lustig, bloß komisch

Während ich früher schon ein kleines bisschen stolz darauf war, aus einer Nation zu stammen, die mit Loriot und Heinz Erhardt wahre Zen-Meister der Selbstironie hervorgebracht hat, hinterfrage ich meine humoristische Herkunft aufgrund diverser Alltagserfahrungen jetzt immer öfter mit Gedanken wie diesem: Möchte ich den Rest meines Lebens wirklich in einem Land verbringen, in dem man während seiner Mittagspause in ein Café geht, das vor der Tür vollmundig mit »leckerem Hunde-Eis« wirbt, und auf seine Bestellung »Zwei Kugeln Labrador und eine Kugel Schnauzer« statt des fest eingeplanten Lachers ein »RAUS HIER!« entgegengebrüllt bekommt?

Patric Hemgesberg

 Immerhin

Für mich das einzig Tröstliche an komplexen und schwer zugänglichen Themen wie etwa Quantenmechanik, Theodizee oder den Hilbertschen Problemen: Letztlich ist das alles keine Raketenwissenschaft.

Michael Ziegelwagner

 Mitgehört im Zug

»Prostitution ist das älteste Gewerbe der Welt!« – »Ja, aber das muss es ja nicht bleiben.«

Karl Franz

 Back to Metal

Wer billig kauft, kauft dreimal: Gerade ist mir beim zweiten Sparschäler innerhalb von 14 Tagen die bewegliche Klinge aus ihrer Plastikaufhängung gebrochen. Wer Sparschäler aus Kunststoff kauft, spart also am falschen Ende, nämlich am oberen!

Mark-Stefan Tietze

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
30.04.2024 Hamburg, Kampnagel Martin Sonneborn mit Sibylle Berg