Newsticker

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Inside TITANIC (9)

Intime Einblicke in das Innere der TITANIC-Redaktion und ihrer Mitglieder. Heute: Redaktionspraktikant Adrian Schulz über eine kreuzbiedere Langweilerbude.

Eigentlich ist es "ganz cool" in der Redaktion, wie man heutzutage sagt, besonders als Neuling, Frischling, Praktikant. Natürlich wurde früher, unter Gernhardt, Knorr, Kühne und Konsorten, mehr gefickt und gesoffen, wie man allenthalben hört; aber ich war da ja noch gar nicht am Leben, kann mich also gar nicht authentisch reinficken, äh, -fühlen in diese Heiterkeit, die damals geherrscht haben muss.
Heute sind privat alle sehr ernst und werden böse, wenn man nicht grüßt. Chefredakteur Moritz Hürtgen lässt mich jeden Morgen mit einer Zeigefingerwackelgeste antanzen und Bericht erstatten, wie denn meine "Mood" sei und welche "Achievements" ich mir für heute vornähme. Um Punkt 12 Uhr gehen dann alle in Hürtgens Büro und schalten gleichzeitig gemeinsam ihr "Satiregesicht" an. Ein regelrechtes Spektakel beginnt nun, bei dem die eine Hälfte der Redaktion notorischen Witzzwang ausagiert – "Was darf Satire? Alles außer Tiernahrung!" –, während die andere zu Komikprofessoren mutiert und das von ihren Kollegen Gesagte pausenlos auf Humorpartikel und ihre Funktionen hin zerlegt: "Schöne Merkelpointe, aber schon oft gehört. Und kommt mir etwas schnell geschrieben vor. Vielleicht muss man die Rampe noch anders bauen, dass die Fallhöhe ..." Es handelt sich also, mit anderen Worten, um eine neoliberale Totalegal-Agentur wie jede andere auch, allerdings noch nicht ganz auf der Höhe der Zeit und mit sehr wenig Geld, das, mangels Alternative, in fünf Tonnen gut gemachtes Kioskfleisch von Redaktionsversorger "Wurst-Backwaren-Milch" täglich investiert werden muss.
Und da sehe ich auch schon, wie Chefredakteur Moritz Hürtgen von seinem halben Schreibtischstuhl (sehr wenig Geld) aufsteht und mir sagt, dass ich mit dieser meiner "lieblosen Metasatire" die "Teambalance" gefährden würde; und fragt, ob denn meine "Values" noch stimmten? Pflichtbewusst hole ich, wie ich es am ersten Tag meines Praktikums gelernt habe, die Cheerleader-Puschel aus dem Inneren meines ergonomischen Stehpultballes hervor und brülle, während ich, scheinbar wie nebenbei, mit Hürtgen zugewandtem, motiviertem Lächeln auf den Lippen brutalste Verrenkungen meiner Gliedmaßen vornehme: SATIRE --- DARF --- ALLES --- SATIRE --- DARF --- ALLES --- SATIRE --- DARF

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Meditation und Markt mit Dax Werner

Niemand ist mehr sicher

Ungemütlicher Branchenfunk aus Berlin: Der Finanzinvestor KKR steigt bei Springer ein und will den ganzen Laden auf links drehen. Die Kiste muss so langsam wirklich mal profitabel & zu Ende digitalisiert werden und Tausende Arbeitsplätze sind plötzlich auf dem Prüfstand (jedoch erst mal nicht die Chefredaktionen: "Da wird es vielleicht Verkleinerungen, aber keine spektakulären Veränderungen geben", Döpfner), auch bei "Bild", aber vor allem bei der "Welt".

Natürlich greift man bei dieser Nachrichtenlage instantly nach den low-hanging fruits: "Staatliche Soforthilfe für die Springer-Männer aus Berlin!", "Tja, euren Job regelt dann wohl jetzt auch der freie Markt, was?" oder "He Ulf, wie schmeckt Dir Deine eigene Medizin?" Fertig ist die Kolumne, abschicken, Feierabend.

Die Wahrheit ist: Das ist mir zu billig. Zu uninspiriert. Das bin nicht ich. Und ganz so einfach ist eben auch nicht.

Denn auch in dieser Kolumne habe ich wieder einen sogenannten Hot Take untergebracht. Von einem Hot Take spricht man, wenn man das Gegenteil von dem zu verargumentieren versucht, was einem der gesunde Menschenverstand und die Mehrheitsmeinung auf Twitter bezüglich dieses oder jenen Sachverhalts sagt. Also, einmal anschnallen bitte: Wenn "Welt"-Chefredakteur Ulf Poschardt am Ende dieser Umstrukturierungen tatsächlich seinen Job verliert oder plötzlich die Leserbriefe bei "Auto Motor und Sport" beantworten muss, dann, ja dann werden auch wir unsere Jobs auch auf kurz oder lang verlieren. Perspektivisch zumindest.

Oder anders gesagt: Wenn Ulf fällt, fallen wir auch. Denn Ulf ist – and I take no pleasure in saying this – wenn man mal alles, was er so den lieben langen Tag von sich gibt, mal außer Acht lässt, genau dieselbe verkrachte Existenz wie wir: Irgendwas mit Geisteswissenschaften studiert, kurze, sehr intensive Technophase, dies & das, und dann mit Ende 20 beim Blick auf den Kontoauszug bisschen Panik bekommen, Endstation Festanstellung. Und jetzt sitzt man in irgendwelchen Büros mit großen Fenstern, verdammt zur Wertschöpfung, zur Leistung, zum Funktionieren. Aber wir spüren's doch recht deutlich: Irgendwie ist da nichts mehr, keine Wut, kein Furor, keine Idee. Immer nur derselbe eine Joke. Nichts regt uns mehr wirklich auf. Stattdessen vertreiben wir uns den Tag mit Mario Sixtus, Ralph Ruthe und ca. 2000 weiteren deutschsprachigen Nutzer*innen auf Twitter-dot-com und schreiben für ein paar Favs minütlich ins Internet, wie wir unterschiedliche Sachverhalte unterschiedlich bewerten. Und Ulf munter mit dabei.

Und das alles vielleicht nur, um der brutalen Wahrheit nur ein paar lange Augenblicke mehr aus dem Weg gehen zu können: Die Einschläge kommen näher. Niemand ist mehr sicher, da kann dein Podcast noch so gut laufen. In Zeiten, in denen selbst die Markt-Ultras vom Markt weggeregelt zu werden drohen, gilt es, zusammenzurücken. Auch unsere Jobs, die ganzen Projektstellen und befristeten Verträge, in denen wir uns so tummeln, könnten morgen schon wegrationalisiert werden, weil sie in den Tabellenkalkulationen von Menschen, die früh genug aus Bitcoins raus sind, keinen Sinn mehr ergeben. Wenn's hart auf hart kommt, sind wir eben alle nur noch kleine Pixel auf einem Macbook-Retina-Display eines 25jährigen Controllers mit drei Abschlüssen und ohne jede Fantasie.

Ich, nein: WIR müssen irgendwas tun. Ein erster, kleiner Schritt: Anfang Dezember werde ich in Kooperation mit Wolfram Kons vom RTL-Spendenmarathon eine Charity-Gala auf N24 auf die Beine stellen, damit der Redaktionsbetrieb der "Welt" aufrechterhalten werden kann. Weitermachen. Irgendwie. So lange es geht. Helfen Sie mit.

Vielleicht bekommen wir sogar Johannes B. Kerner.

Ihr: Dax Werner

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Nur kein Gedäh! – von Martin Knepper

Poesie der Proteine

Die Lieder, Comedy-Nummern, Cartoons und Kolumnen der letzten Jahre, die sich um Pizza-Bestellungen, Wagyu-Rinder, Erlebnisse mit veganer Küche oder den obligaten Chinarestaurant-Witz mit Ente #43 drehen, sie sind im Grunde Wiederaufnahmen einer schreiberischen Ahnenreihe von Courths-Mahler und Marlitt, Fontane und Thomas Mann, bei denen das Essen stets auch zur Abschilderung sozialer Distinktion dient; die dampfende Kloßschüssel, der Wein, der in kristallnen Gläsern funkelt, der Duft der Weihnachtsgans, das steht alles in einer Tradition, die auch beim ersten Sex mit Helmut Kohl nach dem Verzehr eines "Puddings" (der eigentlich eine Mousse ist) noch nicht an ihr Ende gekommen ist, im sich fortschrittlich gebenden Lager jedoch fast nur noch in ironisch gebrochener Form sich zu thematisieren wagt. Die den Verdauungsvorgang einleitenden Rituale, die zu den wenigen zählen, mit denen wir täglich konfrontiert werden, sie können, so scheint es, nach Grass' fünfzigstem Gang in die Pilze nebst Kosung des Köchinnenhinterns nicht mehr für sich stehen und verraten doch immer noch viel über existentielle Aufschwünge und Schwundstufen der Zivilisation. Unverstellte Verzehrgeilheit wird kompensatorisch durch Fernsehköche genossen und umgehend wieder in kritischer Distanz verarbeitet; anschließend jedoch Bereitung und Verzehr eines Ramen zum 1000-Zeichen-Event aufgebläht. Und alles laviert nur um den eigentlichen Sündenfall herum, der an dem Tage geschah, als der erste Mensch für sein Essen bezahlen musste. Die Folgen können wir bis heute beileibe nicht nur in Sachsen (Saure Flecke) und Brandenburg (Klemmkuchen) sehen.

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Life & Style mit Antonia Stille

Life: Aperol, save the Queen 

Um so viel vorwegzunehmen: Dies ist (leider) kein gesponserter Text. Das beworbene Produkt war höchstens indirekt an seiner Entstehung beteiligt. Aber von vorne. Habt ihr auf dem (Bild-)Schirm, was gerade in Großbritannien/UK/England/London abgeht? Ich will nicht zu sehr ins Detail gehen, aber, so sagen es zumindest "Spiegel" und "Heute-Show": Das britische Unterhaus der Stars hat jetzt Sendepause. Der wuschelköpfige Sendedirektor hat die Handbremse gezogen, und deshalb steht das Parlamentsflugzeug still. Meine Meinung: Die Pause ist eine Chance. Wanne-Eickel an London: Entspannt euch einfach mal, dann wird das schon mit Europa! Offensichtlich haben jahrelanger Bier- und Essigkonsum das britische Parlament in den Untergang getrieben. Aber das muss nicht das Ende vom Leid, äh, Lied sein. Ich kenne ein Hausmittelchen, das mich noch schwupp-di-wupp durch jede kleine und große Demokratiekrise getragen hat: Aperol Spritz, der Aperitivo, der so ikonisch italienisch schmeckt, dass selbst Jamie Oliver sich seinen Namen nur im Flüsterton auszusprechen traut. Aperol Spritz ist die unangefochtene Queen der Getränke und muss sich dafür nicht mal wöchentlich mit Boris Johnson zum Tee treffen. Egal, ob ein gescheitertes Update das MacBook Air oder ein böswilliger Wischmob das Parlament lahmlegt – wenn man leicht einen spritzen hat, sieht die Welt gleich ganz anders (verschwommen) aus. Deshalb, liebe Engländer: Knallt euch einen Aperol in die Birne, steckt euch ein paar Eiswürfel in die Ohren und genießt, wie eure Sorgen langsam gemeinsam mit eurem Hörvermögen dahinschmelzen. Und wenn das rote Gold (Farbe der Hoffnung!) dem feinen britischen Gaumen zu sehr nach Europa schmeckt, kann immer noch ein Schuss Essig oder ein Beutel PG-Tip Abhilfe schaffen. Jeder kann Aperoliker sein.

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Inside TITANIC (8)

Intime Einblicke in das Innere der TITANIC-Redaktion und ihrer Mitglieder. Heute: Torsten Gaitzsch über eine verbrechensfreie Zone.

Ich habe ja mal als junger Hüpfer so ein Work-&-Travel-Dings gemacht – das würde ich am liebsten gar nicht zugeben, denn heutzutage machen so was nur Bonzenkinder ohne Flugscham und Bento-Redakteurinnen, die sich nach der Rückkehr über "die große Leere" ausheulen und darüber schreiben, dass sie seit dem WWOOFing-Gap-year auf der Lamafarm nur noch auf spanisch träumen, aber vor 15 Jahren war das halt gang und gäbe; na ja, jedenfalls wurde mir im Rahmen dieser Reise einmal in einem Hostel eine Schachtel Speiseeis gestohlen. Aus dem Gemeinschaftskühlschrank! Mit meinem Namen beschriftet! Obendrein so eine richtig geile Sorte, "Rocky Road" oder "Hokey Pokey", mmhhh! Diese Schandtat fällt locker in die Top 20 der größten Ungerechtigkeiten, die ich je erfahren musste, und war so INFURIATING, dass ich noch heute regelmäßig voller Ingrimm daran denke. In der TITANIC-Redaktion könnte sich dergleichen nicht zutragen. Was hier einmal im Kühlschrank landet, bleibt auch dort, es ist wie in Las Vegas. Selbst Dinge, die von einzelnen Redaktionsmitgliedern vergessen oder der Allgemeinheit vermacht werden, pflegen darin weit über das Mindesthaltbarkeitsdatum hinaus zu lagern. Zu diesem Zeitpunkt befindet sich im Frostfach ein Viererpack Semmelknödel, das irgendwer im Frühjahr dieses Jahres auf dem Wochenmarkt gekauft hat, und im Herzen des Kühlschranks ruht auf einer Untertasse seit – I kid you not – unserer letzten Weihnachtsfeier ein Stück Butter. Eine Schweizer Bank, deren Privatschließfächer zur Neige gegangen sind, könnte ruhigen Gewissens unseren Kühlschrank zwischenmieten, denn selbst Edelmetallbarren und Wertpapiere wären in dieser inter- oder transdimensionalen Niedrigtemperatur-Ausbuchtung auf alle Zeit sicher.

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Meditation und Markt mit Dax Werner

Thread über Threads

Mein Vater hatte mal eine VHS-Kassette vom Freddie Mercury Tribute Concert im Wembley Stadion 1992 und irgendwie lief diese Kassette sonntags öfter mal bei uns im Wohnzimmer. Wie hypnotisiert starrte ich dann auf den Bildschirm, wo Axl Rose oder Zucchero Queen-Hits interpretierten, derselbe Bildschirm, auf dem ich nur Stunden zuvor Super Mario oder Fifa gespielt hatte. Manchmal fand mein Vater sein IG-Metall-Feuerzeug nicht schnell genug und zündete sich seine filterlose Reval an der einzigen Kerze im Wohnzimmer an. Dann war es immer an meiner Mutter, ihn zu ermahnen: Er wisse ja hoffentlich, dass jedes Mal ein Seemann stirbt, wenn er sich die Zigarette an einer Kerze anzündet.

Auch wenn die Zukunft des Rauchens inzwischen im E-Zigarettensegment liegt (Stichwort junge Verkaufskategorie & hohe Handelsspanne), lässt sich immer noch im volkswirtschaftlichen Ton mahnen: Jedes Mal, wenn ein Twitter-Nutzer einen Analyse-Thread – also mehr als zwei Tweets hintereinander mit Punkt und Komma – über eine Landtagswahl ins Netz schiebt, verliert ein/e Politikwissenschaftler/in Projektmittel für das nächste Semester. Ein hochproduktives Sprüche-Pattern, um seinen Mitmenschen auf den Geist zu gehen!

Auf den Geist sollen mir in dieser Kolumne aber vor allen Dingen Threads gehen. Neben dem ordoliberalen Approach beider Bonmots, in denen so was wie Disruption oder Innovation bedauerlicherweise noch gar nicht mitgedacht werden kann, zündet mich an den großen Erklärthreads zur Sachsenwahl und Brandenburgwahl am Wochenende besonders an, wie sehr man sich an den eigenen Mutmaßungen hochrauschen kann, so dass man diese Minuten nach der ersten Hochrechnung als wissenschaftliche, peer-reviewte Befunde verkauft. In vielen Erklärthreads wird der bzw. die ostdeutsche Wähler/in zu einer Aufziehpuppe, an der mal der Neoliberalismus, mal die Medien, mal die AfD kräftig ziehen, und schon kommen 27 Prozent für die AfD raus. Oder wie der Nutzer @turboateng on point zusammengefasst hat: "Jörg schönborn hats grad bestätigt: das wahlergebnis kann mit der einstellung der buslinie 12 im kreis schmöckwitz-siebengau vollständig erklärt werden."

Woher kommt das? Ich erinnere mich, dass ich als Bub vor dem Einschlafen oft noch wach lag und leise dieses Gitarrensolo oder jenen Refrain von diesem Wembley-Konzert nachsang. Vielleicht ist das ja bei Wahlanalysen genauso: Wir sind hypnotisiert von der Expertenaura, wenn im Fernseher dieses oder jenes Wahlergebnis wieder mal mit Stress in der GroKo, schlechtem Ifo-Geschäftsklimaindex oder einfach zu vielen Nazis wegerklärt wird. Wir sind die kleinen Jungen und Mädchen, die noch wachliegen, obwohl morgen Schule ist, und davon träumen, mal was im Fernsehen erklären zu dürfen.

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Nur kein Gedäh! – von Martin Knepper

Smoke gets in your eyes

Die Tabakkonzerne, so hört man, wollen sich in naher Zukunft aus dem zunehmend unersprießlich gewordenen Geschäft mit Analogkippen zurückziehen und auf das konzentrieren, was sie am besten beherrschen, das Geldverdienen. Zu groß das Risiko, stets aufs Neue durch Menschen verklagt zu werden, die im Irrglauben an die gesundheitsfördernde Wirkung des Rauchens 50 Jahre lang am Tag ihre drei Päckchen weggeschmurgelt haben, sich plötzlich mit Atembeschwerden oder unerwünschtem Zellwachstum konfrontiert sehen und den Hersteller aus enttäuschter Liebe erfolgreich auf die Zahlung einiger Trilliarden (in Europa: Trillionen) Dollar in kleinen, unnummerierten Scheinen verklagen. Solche Wandlungen des Kerngeschäfts sind gar nichts so Seltenes, man denke an Nokia, vom Gummistiefel zum Handy (und wieder zurück). Auch Tankstellen, so heißt es, wollen sich schon bald statt auf mobilitäts- und CO²-fördernden Kraftstoff ganz auf den Abverkauf von Sushi und Bier verlegen. Überall weht Rauchern der Wind ins Gesicht (der Nebentisch wird sich dennoch beschweren); Analogbücher aus Raucherhaushalten sind im Antiquariat praktisch unverkäuflich, und Lesern mit der obligaten Sartre-Fluppe wird empfohlen, ihre Bücher nach dem Ableben gleich mit kremieren zu lassen. Als Traditionsnikotinisten bekümmert mich ein solcher Trend zutiefst; die allseits angepriesenen Verdampfer vermögen mich nicht zu locken, sie sind mir gleichsam elektronischer Tofu, wo meine Bronchien nach Lungenmett letzen. Beschimpft und ausgegrenzt wandele ich seither unruhig durch die Welt, letzte Reservate von Freiheit und Risiko suchend in einer Welt der Enge und Lebensgier. Und finde sie ausgerechnet hinter einer Zapfsäule, wo ich mit dem Tankwart hastig eine Zigarette verdrücke und mich mit ihm erinnerungsselig über Eimerrauchen und Stummelantennen austausche.

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Tatütata, LKA Niedersachsen!

»Ganz viel Erfolg morgen bei der Prüfung, liebe Karin«, sagt angeblich das gesuchte ehemalige RAF-Mitglied Burkhard Garweg gut gelaunt in einem Video, das bei der Fahndung im Presseportal unter der Rubrik »Blaulicht« veröffentlicht wurde. Die Fahnder/innen erhofften sich dadurch, so heißt es, neue Hinweise, und richten sich deshalb mit den Fragen an die Bevölkerung: »Wer ist ›Karin‹ bzw. ›Carin‹?« und: »In welchem Zusammenhang steht sie zu Burkhard Garweg?«. Schön und gut, da möchten wir nach einem derartigen Cliffhanger nun aber auch die Frage hinzufügen: Wie ist Karins Prüfung denn nun eigentlich gelaufen?

Hinweise an Titanic

 Hmmm, Aurelie von Blazekovic (»SZ«)!

Am Abend der Wahlen in Thüringen und Sachsen hatte die ZDF-Chefredakteurin Schausten dem 1. September 2024 den 1. September 1939 an die Seite gestellt, und dazu fiel Ihnen dies ein: »Das Dämonisieren von Rechtspopulisten hatte bisher keinen Erfolg. Egal, wie richtig es ist, dass die AfD gefährlich, radikal, extrem ist. Politiker, Journalisten, Demokratieverteidiger können das immer noch lauter und lauter rufen – aber es bringt nichts. Die berechtigten Warnungen sind inzwischen leere Formeln. Die Wahlergebnisse der AfD sind immer besser geworden, der Trotz immer erheblicher. Die Tatsache, dass sie sich beständig als Opfer von Medien inszenieren kann, hat der Partei genutzt. Es ist nicht die Aufgabe von Bettina Schausten, die AfD kleinzukriegen, sondern die der anderen Parteien. Sie sollten mal über den Tim-Walz-Weg nachdenken. Ist Björn Höcke etwa nicht weird

Ist er. Hitler war es auch, und ihn als »Anstreicher« (Brecht) oder inexistenten Krachmacher (Tucholsky) zu entdämonisieren, hat bekanntlich so viel gebracht, dass diese Sätze nie haben fallen müssen: »Man hat mich immer als Propheten ausgelacht. Von denen, die damals lachten, lachen heute Unzählige nicht mehr, und die jetzt noch lachen, werden in einiger Zeit vielleicht auch nicht mehr lachen.«

Wegweisend winkt Titanic

 Und Du, »Braunschweiger Zeitung«,

hast uns mit Deiner Überschrift »Diese beiden tödlichen Keime bekämpfen Forscher aus Braunschweig« einen kleinen Schrecken eingejagt. Viel lieber wäre uns in eh schon schweren Zeiten die Headline »Forscher aus Braunschweig bekämpfen diese beiden tödlichen Keime« gewesen.

Bitte auf uns arme Seelen achten, wünscht sich

Deine Titanic

 Stefan Schlatt, Reproduktionsbiologe an der Uni Münster!

Sie gaben im Zeit-Wissensteil ein ganzseitiges Interview, das wie folgt betitelt wurde: »Der Hoden ist der Kanarienvogel des Mannes«. Eine billige Masche der Zeit, mit einer bizarren Überschrift Neugier zu wecken, das war uns sofort klar. Dennoch wollten wir natürlich wissen, in welchem Zusammenhang Sie das oben Zitierte von sich gaben.

»Der Testosteronspiegel des Mannes geht nur langsam zurück, vor allem, weil er im Alter immer dicker wird und nicht mehr so gesund ist wie mit 25. Dies zeigt sich dann an der Hormonproduktion im Hoden. Bergleute haben früher Kanarienvögel mit unter Tage genommen, die Alarm schlugen, wenn die Luft dünner wurde. Man könnte sagen: Der Hoden ist der Kanarienvogel des Mannes.«

Wo sollen wir anfangen, Schlatt? Der Kanarienvogel diente Bergleuten als Indikator für die sinnlich nicht wahrnehmbare Gefahr der Kohlenmonoxidvergiftung. Diese soll in Ihrer Metapher wohl der niedrige Testosteronspiegel sein, der nicht etwa durch das Übergewicht, sondern nur durch den Hoden zu erkennen ist. Und das geschieht wie, Schlatt? Schlägt der Hoden Alarm, indem er laut zwitschert? Sind die Kanarienvögel unter Tage nicht vielmehr verstummt und tot umgefallen? Und was ist in Ihrer Analogie eigentlich der Käfig für den singenden Hoden?

Fest steht hier im Grunde nur eins: Bei Ihnen piept es gehörig – im Kopf und in der Hose.

Tirili: Titanic

 Wenn Sie, Micky Beisenherz,

als Autor des »Dschungelcamps« gedacht hatten, Sie könnten dessen Insass/innen mit einer Scherzfrage aus der Mottenkiste zu der Ihnen genehmen Antwort animieren, dann waren Sie aber so was von schief gewickelt; die RTL-»Legenden« wollten Ihnen nämlich partout nicht den Gefallen tun, auf die Frage, womit sich Ornitholog/innen beschäftigten, einfach und platterdings »mit Vögeln« zu antworten.

Stattdessen kamen: »Was ist das denn?« oder »What the fuck …?«. Dafür zu sorgen, dass so aus Ahnungslosigkeit ein Akt des Widerstands gegen Ihre idiotische Fangfrage wurde, das soll Ihnen, Beisenherz, erst mal jemand nachmachen.

Mit der Ihnen gebührenden Hochachtung: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Reality-TV

Bei der Fernsehserie »Die Nanny« gibt es diese eine Szene, in der die Mutter der Nanny, Sylvia Fine, in einem Pariser Restaurant mit dem Kellner kommunizieren will. Da sie kein Französisch spricht, nutzt sie zum Austausch ausschließlich den Text des französischen Kinderliedes »Frère Jacques«: Mit »Frère Jacques« ruft sie den Kellner, mit »Ding-ding-dong« fordert sie einen neuen Kaffee und so weiter. In der Serie klappte das sehr gut, und als Kind fand ich es auch ausgesprochen lustig, war mir allerdings sicher, dass das in der Realität nie funktionieren würde – bis es mir selbst gelang. Das kam so: Im Fitnessstudio wartete ein junger Mann am Tresen vergeblich auf einen Trainer. Vergeblich, weil er die im Tresen eingelassene Klingel nicht betätigt hatte. Nun hatte ich ihn während des Trainings Französisch sprechen hören, sprach allerdings selbst keines. Da ich aber der Einzige war, der sein vergebliches Warten bemerkte, ging ich schließlich hin, zeigte auf die Klingel und sagte »Sonnez les matines! Sonnez les matines!« Er verstand sofort und klingelte ausgiebig. Kurz darauf erschien der Trainer und ließ ihn hinaus. Da soll noch mal einer sagen, Fernsehen würde im Leben nicht helfen.

Karl Franz

 Mitläuferin? Ganz im Gegenteil!

Meine Oma fuhr im Widerstand Motorrad.

Andreas Maria Lugauer

 Obacht!

Die Ankündigung von Mautgebühren ist furchterregend, aber so richtig Gänsehaut bekomme ich immer erst, wenn bei Google Maps als »Warnhinweis« auftaucht: »Diese Route verläuft durch Österreich.«

Norbert Behr

 Schrödingers Ruhebereich

Wenn es im Abteil so still ist, dass ein Fahrgast einschläft und dann übertrieben laut schnarcht.

Loreen Bauer

 Zum Sterben hoffentlich zu dämlich

In der Wartezone der Arge in Fürth sitzen zwei Männer um die vierzig. Einer der beiden hält eine aufgeschlagene Tageszeitung so, dass der zweite mitlesen kann. Geduldig blättern sie gemeinsam bis zur Seite mit den Todesanzeigen. »Schau«, sagt der eine, »da ist einer zwei Mal gestorben.« – »Wie kommst du darauf?« – »Lies doch! Derselbe Name in zwei Anzeigen.« – »Tatsächlich! Zwei Mal gestorben. Wie er das wohl geschafft hat?« Eine längere Denkpause setzt ein. »Wahrscheinlich einer wie ich, der nichts auf Anhieb hinkriegt«, schlussfolgert der eine dann. »Ha, das kommt mir bekannt vor!« stimmt der zweite ein. »Meine erste Frau mit den Kindern abgehauen, Führerschein schon drei Mal gemacht. Also zwei Mal wegen Alkohol, und ich weiß gar nicht, wie oft ich schon hier nach einer neuen Arbeit angestanden bin.« – Seufzend: »Hoffentlich kriegen wir wenigstens das mit dem Sterben mal besser hin als der hier …«

Theobald Fuchs

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

  • 03.10.: Der MDR kramt bei der Debatte, ob Ostdeutschland in den Medien schlechtgeredet wird, die Zonen-Gaby wieder hervor.
  • 26.09.:

    Noch-Grünenchefin Ricarda Lang retweetet "ihren" Onlinecartoon vom 25.09.

  • 18.09.: TITANIC-Zeichnerin Hilke Raddatz ("Briefe an die Leser") ist mit dem Wilhelm-Busch-Preis geehrt worden. Die SZLZ und der NDR berichten.
  • 12.09.:

    "Heute detoxe ich im Manager-Retreat im Taunus": TITANIC-Chefredakteurin Julia Mateus im Interview mit dem Medieninsider.

  • 29.08.:

    Die FR erwähnt den "Björnout"-Startcartoon vom 28.08.

Titanic unterwegs
15.10.2024 Tuttlingen, Stadthalle Hauck & Bauer und Thomas Gsella
16.10.2024 München, Volkstheater Moritz Hürtgen mit Max Kersting und Maria Muhar
16.10.2024 Hamburg, Centralkomitee Ella Carina Werner
16.10.2024 Frankfurt, Buchmesse TITANIC auf der Frankfurter Buchmesse