Muslime vs. Westen – ein Ruf zur Besonnenheit
von Harald Staun, z.Zt. Westen / FAZ
Es ist ein vorprogrammierter Mechanismus: Der Westen publiziert eine islamkritische Geschmacklosigkeit. Der Islam kontert mit ebenso geschmackloser Gewalt. Und tüddelige Feuilletonisten schreiben abgeschmackte Kommentare dazu. Bei allen Unterschieden: Subtilität und Feinsinn fehlen allen Beteiligten. Der Westen wäre gut beraten, seine kulturelle Überlegenheit häufiger durch die Kunst des Verzichts zu beweisen. Auf den Trash-Film "Innocence of Muslims" hätte man beispielsweise gut verzichten können. Warum hat man nicht etwa den neuen (guten!) Woody Allen in die islamistischen Kinos gebracht? Allen und Mohammed hätten sich viel zu sagen: Sie haben beide Großes geschaffen, ringen mit der Moderne und lieben junge Frauen.
Gewiß: Auch der dümmste Haß-Film ist von der Veröffentlichungsfreiheit gedeckt, leider. Aber: Müssen wir eigentlich immer so viel veröffentlichen? Und müssen wir jede unserer Freiheiten denn immer auch bis zum Anschlag ausnutzen? Ich habe die Freiheit, lange Damenstiefel zu tragen oder zu schreiben – aber tue ich das, jedenfalls werktags? Können wir den wilden Völkern des Orients nicht viel eher unsere Werte überstülpen, wenn wir diese zunächst im Verborgenen halten? Wenn wir scheinbar mit leeren Händen kommen, das Vertrauen der Beduinen gewinnen und dann, nach Datteln und Wasserpfeife, plötzlich unsere Werte aus dem Koffer holen? Lawrence von Arabien mag eine Märchenfigur sein – aber wenn der Westen nicht im Knusperhäuschen der Geschichte verschwinden will, täte er gut daran, zunächst der "Hexe" Islam zuzuhören. Vielleicht springt ja dabei sogar Pfefferkuchen für uns raus.
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