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Müters Söhne #13

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"Au revoir, lieber Thorben"

Thorben ist 5 Jahre alt. Seine Mutter Viola Müter schreibt hier im wöchentlichen Wechsel über ihn und ihre anderen zwei Söhne im Alter von 12 und 17 Jahren. Die Mutter nennt sie liebevoll ihre „Mütersöhnchen“.

"Au revoir, lieber Thorben!", rufe ich, während ich gerade noch so erahnen kann, wie mein jüngster Sohn sein Gesicht gegen die Scheibe des abfahrenden ICE presst. Die Zugfahrt von Frankfurt nach Paris dauert knapp vier Stunden. Für manche mag es verantwortungslos wirken, einen Fünfjährigen allein auf so eine lange Reise zu schicken. Diese Bedenken kann ich nachvollziehen. Ich selbst konnte es mir nicht vorstellen, bis ich tatsächlich kurz vor Abfahrt die zwei Stufen zum Bahngleis hinabstieg und meinen Sohn im Zug zurückließ. Weil ich Thorben vertraue. Und seinen Französischkenntnissen.  

Thorben trifft sich in Paris mit seinem biologischen Vater, dem Mentalisten Stefan. Es ist recht schwierig, mit Stefan Kontakt zu halten. Das liegt daran, dass er im Untergrund lebt, seitdem er Thorben aus der Sportabteilung im Kaufhaus entführt hat. Zudem fällt es mir schwer zu erkennen, ob Stefan mir aus der Ferne Gedanken einpflanzt oder ich nur denke, dass er bei der Aral-Tankstelle auf mich wartet. "Mein Sohn soll nach Paris kommen", schrieb er mir nach wochenlanger Funkstille über ebay-Kleinanzeigen. Er meldete sich auf meine selbstgestrickten Knöchelwärmer, aus denen er mir einst die Zukunft gelesen hatte. Mich schockierte, dass Stefan nicht mich, sondern nur unseren Sohn sehen wollte. Ich vermute, es liegt daran, dass er meinetwegen auf der Flucht ist.  

Ich habe schon häufiger beobachtet, dass Männer sehr nachtragend sind. Auch mein Mann scheint, obwohl er wieder bei uns wohnt, immer noch nicht darüber hinweg zu sein, dass Thorben aus einer leidenschaftlichen Affäre mit Stefan entstanden ist. Anders kann ich mir nicht erklären, warum es plötzlich heißt, mein "verrostetes Schulfranzösisch" sei nicht gut genug, um Thorben zweisprachig zu erziehen. Früher fand er es charmant, dass ich mir keine unregelmäßigen Verben merken kann. Heute spreche Thorben angeblich "Fantasie-Französisch". Dabei ist er derjenige, der Thorben Elbisch beibringen wollte. Mit Elbisch wird er sich wohl kaum allein in Paris durchschlagen können.  

Es ist okay, dass Stefan mich momentan nicht sehen möchte. Ich bin in der Lage meinen Stolz zu überwinden. Deshalb fährt Thorben allein nach Paris. Natürlich weiß ich, dass ein Treffen zwischen meinem Sohn und dem Mentalisten Stefan gefährlich sein kann. Dennoch glaube ich, dass ein internationaler Strafbefehl die beiden nicht daran hindern sollte, eine gesunde Beziehung zueinander aufzubauen.  

Mittlerweile müsste Thorben angekommen sein. Ich mache mir keine Sorgen. Stefan hatte mir zuvor versichert, er würde mir ein Zeichen senden, sobald sie sich treffen. Ich glaube, das Zeichen ist gerade angekommen – in unserem Badezimmer gibt es einen Wasserschaden. Meinen Mann hält das erstmal beschäftigt. Wenn ihm auffällt, dass Thorben weg ist, wird er ihn hoffentlich vermissen. Und einsehen, dass es keinen Grund gibt, unser Französisch zu kritisieren. Thorbens Reise soll in unserem Haushalt die Ära der Versöhnlichkeit einläuten.

Die Kolumne von Viola Müter erscheint jeden Donnerstag nur bei TITANIC.

Kategorie: Allgemein



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Briefe an die Leser

 Huch, Wolodymyr Selenskyj!

Laut Spiegel wollen Sie »überraschend nach Deutschland reisen«. Verständlich, Flugzeug oder Zug werden auf Dauer ja auch langweilig. Interessiert, ob Sie stattdessen einen Tunnel graben, mit einem Zeppelin fliegen oder doch per Faltkanu heranschippern, wünschen Ihnen in jedem Fall eine gute Reise

Ihre Travelguides von Titanic

 Hmmm, Aurelie von Blazekovic (»SZ«)!

Am Abend der Wahlen in Thüringen und Sachsen hatte die ZDF-Chefredakteurin Schausten dem 1. September 2024 den 1. September 1939 an die Seite gestellt, und dazu fiel Ihnen dies ein: »Das Dämonisieren von Rechtspopulisten hatte bisher keinen Erfolg. Egal, wie richtig es ist, dass die AfD gefährlich, radikal, extrem ist. Politiker, Journalisten, Demokratieverteidiger können das immer noch lauter und lauter rufen – aber es bringt nichts. Die berechtigten Warnungen sind inzwischen leere Formeln. Die Wahlergebnisse der AfD sind immer besser geworden, der Trotz immer erheblicher. Die Tatsache, dass sie sich beständig als Opfer von Medien inszenieren kann, hat der Partei genutzt. Es ist nicht die Aufgabe von Bettina Schausten, die AfD kleinzukriegen, sondern die der anderen Parteien. Sie sollten mal über den Tim-Walz-Weg nachdenken. Ist Björn Höcke etwa nicht weird

Ist er. Hitler war es auch, und ihn als »Anstreicher« (Brecht) oder inexistenten Krachmacher (Tucholsky) zu entdämonisieren, hat bekanntlich so viel gebracht, dass diese Sätze nie haben fallen müssen: »Man hat mich immer als Propheten ausgelacht. Von denen, die damals lachten, lachen heute Unzählige nicht mehr, und die jetzt noch lachen, werden in einiger Zeit vielleicht auch nicht mehr lachen.«

Wegweisend winkt Titanic

 Sie wiederum, André Berghegger,

haben als Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes nach dem Einsturz der Dresdner Carolabrücke eine »Investitionsoffensive für die Infrastruktur« gefordert, da viele Brücken in Deutschland marode seien. Diese Sanierung könnten jedoch Städte und Gemeinden »aus eigener Kraft kaum tragen«, ergänzten Sie. Mit anderen Worten: Es braucht eine Art Brückenfinanzierung?

Fragt Ihre Expertin für mehr oder weniger tragende Pointen Titanic

 Philipp Bovermann (»SZ«)!

Früher hatten Sie Angst vor der Klimakatastrophe. Heute sind Sie Mitte dreißig und haben dazugelernt: »Ich kann heute nur noch darüber staunen, wie wenig tief mich die Tatsache bekümmert, dass der Planet überhitzt, dass Arten verschwinden, Ökosysteme kollabieren, Regenwälder brennen, Meeresböden sich in Wüsten verwandeln. Menschen werden sterben, Menschen sterben schon heute, das Leid der Tiere sprengt alle Vorstellungskraft – aber jetzt stehe ich auf meinem Balkon, habe mir ein Leben aufgebaut, mit einem tollen Job, einer tollen Frau, einer tollen Tochter, unten auf dem Teich schwimmt eine Entenfamilie vorbei, und geblieben ist nur die sanfte Sorge, dass ich mir zu wenig Sorgen mache. Ich grusele mich vor mir selbst. Aber nur ein winziges bisschen.« Denn »vielleicht ist es rational, wegen des Klimawandels ruhig zu bleiben und sich auf das Leid im Hier und Jetzt zu konzentrieren. Die Welt wird schon nicht gleich untergehen.«

Nein, Kollege Bovermann, wird sie nicht, jedenfalls Ihre nicht. An den Menschen in Südostasien oder Osteuropa, betroffen von einem exemplarischen Regen aus der neuen Klimagegenwart, schwimmen derweil keine Entenfamilien, sondern ihre toten Töchter vorbei, während Sie sich so arg auf das Leid im Hier und Jetzt konzentrieren, dass es alle Vorstellungskraft sprengt.

Vorm ewigen Jungspießer gruselt’s da ein bisschen: Titanic

 Interessant, was Sie da sagten, Erling Haaland (Manchester City)!

»Die besten Spieler sind die besten in den einfachsten Dingen. Mit der rechten Hand berühren und mit der linken passen. Das ist das Wichtigste. Pep sagt das immer wieder zu mir.«

Mit welcher Hand man dann das Tor erzielt, ist egal, meint im Gedenken an Diego Maradona Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Zum Sterben hoffentlich zu dämlich

In der Wartezone der Arge in Fürth sitzen zwei Männer um die vierzig. Einer der beiden hält eine aufgeschlagene Tageszeitung so, dass der zweite mitlesen kann. Geduldig blättern sie gemeinsam bis zur Seite mit den Todesanzeigen. »Schau«, sagt der eine, »da ist einer zwei Mal gestorben.« – »Wie kommst du darauf?« – »Lies doch! Derselbe Name in zwei Anzeigen.« – »Tatsächlich! Zwei Mal gestorben. Wie er das wohl geschafft hat?« Eine längere Denkpause setzt ein. »Wahrscheinlich einer wie ich, der nichts auf Anhieb hinkriegt«, schlussfolgert der eine dann. »Ha, das kommt mir bekannt vor!« stimmt der zweite ein. »Meine erste Frau mit den Kindern abgehauen, Führerschein schon drei Mal gemacht. Also zwei Mal wegen Alkohol, und ich weiß gar nicht, wie oft ich schon hier nach einer neuen Arbeit angestanden bin.« – Seufzend: »Hoffentlich kriegen wir wenigstens das mit dem Sterben mal besser hin als der hier …«

Theobald Fuchs

 Mitläuferin? Ganz im Gegenteil!

Meine Oma fuhr im Widerstand Motorrad.

Andreas Maria Lugauer

 Schrödingers Ruhebereich

Wenn es im Abteil so still ist, dass ein Fahrgast einschläft und dann übertrieben laut schnarcht.

Loreen Bauer

 Alle meine Aversionen

Was ich überhaupt nicht schätze:
»Mädchen, ich erklär dir ...«-Sätze.

Was ich nicht so super finde:
Bluten ohne Monatsbinde.

Was ich gar nicht leiden kann:
Sex mit einem Staatstyrann.

Den Rest, auch Alkoholkonzerne,
mag ich eigentlich ganz gerne.

Ella Carina Werner

 Im Unterzucker

Wenn man sich bei seinem Lieblingsitaliener keine Pizza bestellen kann, weil man nicht alle Vespas auf den Fotos gefunden hat – liegt das dann am nicht bestandenen Turin-Test?

Lara Wagner

Vermischtes

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Das schreiben die anderen

  • 03.10.: Der MDR kramt bei der Debatte, ob Ostdeutschland in den Medien schlechtgeredet wird, die Zonen-Gaby wieder hervor.
  • 26.09.:

    Noch-Grünenchefin Ricarda Lang retweetet "ihren" Onlinecartoon vom 25.09.

  • 18.09.: TITANIC-Zeichnerin Hilke Raddatz ("Briefe an die Leser") ist mit dem Wilhelm-Busch-Preis geehrt worden. Die SZLZ und der NDR berichten.
  • 12.09.:

    "Heute detoxe ich im Manager-Retreat im Taunus": TITANIC-Chefredakteurin Julia Mateus im Interview mit dem Medieninsider.

  • 29.08.:

    Die FR erwähnt den "Björnout"-Startcartoon vom 28.08.

Titanic unterwegs
23.10.2024 Karlsruhe, Tollhaus Max Goldt
23.10.2024 Berlin, Walthers Buchladen Katharina Greve
24.10.2024 Stuttgart, Im Wizemann Max Goldt
25.10.2024 Potsdam, Waschhaus-Arena Thomas Gsella