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In memoriam

De mortuis nihil nisi mentz. Über die Toten nichts außer die Worte des unsterblichen Hans Mentz:

Deix de luxe

Der Wiener Manfred Deix – ich sagte es bereits vor Jahren, doch in diesem Falle wiederhole ich mich gerne – Manfred Deix also macht seit Jahren wunderschöne Cartoons, die – ebenfalls seit Jahren – einen offensichtlich unausrottbaren Fehler haben: Sie erscheinen fast allesamt in österreichischen Blättern und beziehen sich daher häufig auf österreichische Zustände.

Das konnte mein Vergnügen an dem Prachtband »Cartoons de luxe«, Verlag Orac, allerdings kaum mindern. Denn 1. behandelt Deix durchaus auch Themen der internationalen – wenn auch kaum deutschen – Politik; auch ist 2. der laufende österreichische Schwachsinn dem bundesdeutschen häufig zum Verwechseln ähnlich, und 3. schau ich mir selbst diejenigen Blätter von Deix noch gerne an, bei denen ich trotz der hilfreichen Erläuterungen, die manchen Arbeiten beigefügt worden sind, gar nichts mehr begreife.

In solchen Fällen habe ich bei Deix zwar wenig zu lachen, aber doch viel zu bewundern – wie er das macht! – und viel zu bedenken – wie man sich irren kann! Denn Deix rüttelt empfindlich an einer meiner Lieblingsüberzeugungen, der nämlich, daß komische Grafik nicht allzu opulent auftreten sollte: Je ausgeführter ein Blatt, desto geringer die sich ohne Umschweife vermittelnde komische Kraft des Inhalts und seiner Formulierungen.

Stimmt aber nicht, jedenfalls nicht bei Deix. Der tuscht nicht etwa schlicht farbige Cartoons, sprich: kolorierte Federzeichnungen, der malt richtige Bilder. Und die füllt er meist nicht nur mit zahlreichen Details, sie sind auch häufig erfüllt von Licht, Stimmung und Atmosphäre – alles Ingredienzien, die von Rechts wegen zwar ästhetische Freude steigern, jedoch nicht unbedingt der Lachlust Vorschub leisten.

Daß Deix' Blätter trotzdem als komische Cartoons funktionieren, liegt an zwei Fähigkeiten dieses Zeichners, die selten in einem einzigen Menschen zusammenkommen: an seiner guten Technik und an seinem schlechten Geschmack. Sagen wir lieber: an seiner mitreißenden Geschmacklosigkeit. Seine Inhalte und Karikaturen nämlich machen vor gar nichts halt: nicht vor Mord, Totschlag, Perversion, Gebrechen und schon gar nicht vor der Würde des Menschen, angefangen vom Papst über die Politiker, die Frauen bis hinunter zum Kleinkind. Alles schrecklich komische Monster, wobei der Betrachter freilich stets auf der Hut sein muß: Nicht immer ist es Deix, der seine Mitmenschen derart monsterhaft sieht. Häufig greift er gängige Vorurteile auf, speziell die der Medien, und führt sie durch Übertreibung ad absurdum. Die Jugend ist kriminell? Klar ist sie das, und wie! Und schon tuscht Deix ein Blatt, auf welchem die Mordlust nur so aus allen Görenaugen funkelt und das Blut nur so aus allen Erwachsenenleibern spritzt.

Diese häufig undelikaten Vorgänge nun führt Deix in einer äußerst delikaten – das meint auch: schwierigen – Technik aus. Er aquarelliert, das heißt: Er arbeitet sehr flüssig und risikofreudig. Da er keine deckenden Farben benutzt, darf er sich keine Fehler erlauben. Meist unterlaufen ihm auch keine; das Ergebnis aber sind Cartoons, die bei aller Bildhaftigkeit häufig noch etwas von der Frische schlichterer Techniken haben, von der lavierten Feder- oder Kreidezeichnung etwa.

Deix hat gemeinsam mit Helnwein studiert, zusammen erprobten sie die Möglichkeiten des Aquarell. Sie sind zu sehr verschiedenen Ergebnissen gekommen, wobei ich die von Deix überraschender finde: Da ist nichts von jener traditionell wienerischen Morbidezza zu spüren, nichts von jenem auf Silbertablett gereichten – und trotzdem rasch wohfeilen – Schock-as-schock-can – dafür ist Deix denn doch zu komisch und zu kräftig.

Aus: TITANIC 8/84

 

Dampfhammer-Sozi Spencer

»Kaum fing ich wieder an zu schwimmen, wurde ich umgehend italienischer Meister im Freistil (was ich übrigens nie trainiert hatte).« Carlo Pedersoli, besser bekannt als Bud Spencer, ist vieles im Leben anscheinend mühelos gelungen. Da wundert’s einen nicht, daß nun auch seine Autobiographie (»Bud Spencer. Mein Leben, meine Filme«, Schwarzkopf & Schwarzkopf) ganz oben in den Bestsellerlisten steht. Für mich ist sie vor allem unter einem humorkritischen Aspekt interessant: Weshalb ist bzw. war gerade die Spencersche Brachialkomik über Generationen hinweg so erfolgreich, besonders in Deutschland?

Liegt es an der Synchronisation? Zwar haben die Übersetzer um den mittlerweile schon legendären Rainer Brandt mit Sprüchen wie »Werft die Friedensgabeln ins Gemüse!« oder »Wenn du mich noch mal duzt, hau ich dir ’ne Delle in die Gewürzgurke« einen eigenen Schnodderjargon geschaffen, der in seinen besten Momenten auch nach Jahrzehnten noch als Nonsens überzeugt – doch insgesamt auch viel Klägliches und Bemühtes bietet.

Das Duo Bud Spencer/Terence Hill entstand aus der überfälligen Wendung des Italowesterns in die Farce. Die Charaktere erwiesen sich eher zufällig als so prägnant und universal, daß sie in zeitgenössische Klamaukstoffe und fast jedes Genre übertragen werden konnten. Letztlich verkörperte vor allem Spencer das Prinzip dieser Filme, das auch mit anderen Partnern funktionierte: Hauptsache, sie reizten den genervten Dicken mit der einfachen Konfliktlösungsstrategie und aktivierten zugleich dessen Beschützerinstinkt.

Der vielseitigen Verwendbarkeit eines stets gleichbleibenden Charakters verdanken wir endlose Variationen dieser Fresse-voll-Filme, auch wenn Pedersoli seine Schauspielfähigkeiten eher realistisch einschätzte: »Ich verspürte, auch mit zunehmendem Erfolg, eine gewisse Scham.« Keiner seiner Filme ist besonders originell, aber die besten verfügen über eine Dreistigkeit, der sich kleine Jungs jeden Alters und Geschlechts nicht entziehen können – und obendrein über das, was Pedersoli als elementaren Identifikationsmechanismus beschreibt: »Ich war der Starke, der den arroganten Bösewichten Ohrfeigen verpaßt und so die Schwachen rächt. An meiner Seite waren Kinder, die Alten und die Frauen sowie die Furchtsamen und Schüchternen sicher vor den Wichtigtuern, da in den Geschichten von Bud Spencer die Ohrfeigen genau dort landeten, wo Worte und Gebete nicht mehr weiterhalfen.«

Bud-Spencer-Filme versprühen den heimeligen Charme der alten Sozialdemokratie: Wenn Herrschaftskarikaturen von dampfhammerstarken Proletariern die Fresse poliert bekommen, ist das fürs Publikum Bestätigung und Erleichterung im Arrangement mit den herrschenden Verhältnissen. Und alles bleibt sauber: Niemals fließt Blut, keiner wird dauerhaft verletzt, die Grenzen des Bürgerlich-Familiären werden nie überschritten (weswegen z.B. Hill nur eine verschämte und Spencer gar keine Sexualität besitzt), und die Rebellion schafft’s nie zur Revolution. Denn am Ende kommt die Bundespolizei, die Armee oder eine andere Macht, und die zwei bis vier Fäuste fügen sich dem Halleluja. Im Gegensatz zur SPD würde Bud Spencer in Deutschland jede Wahl gewinnen.

Aus: TITANIC 6/11

Kategorie: Allgemein



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Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Helen Fares, c/o »SWR« (bitte nachsenden)!

Sie waren Moderatorin des Digital-Formats MixTalk und sind es nun nicht mehr, nachdem Sie ein launiges kleines Video veröffentlicht haben, in dem Sie zum Boykott israelischer Produkte aufriefen, mit Hilfe einer eigens dafür programmierten App, die zielsicher anzeigt, wo es in deutschen Supermärkten noch immer verjudet zugeht (Eigenwerbung: »Hier kannst Du sehen, ob das Produkt in Deiner Hand das Töten von Kindern in Palästina unterstützt oder nicht«).

Nach Ihrem Rauswurf verteidigten Sie sich in einem weiteren Video auf Instagram: »Wir sind nicht antisemitisch, weil wir es boykottieren, Produkte von Unternehmen zu kaufen, die Israel unterstützen. Ein Land, das sich vor dem Internationalen Gerichtshof wegen Genozid verantworten muss, weil es Zehntausende von Menschen abgeschlachtet hat.« Da sich aber auch Deutschland vor dem Internationalen Gerichtshof wegen Beihilfe zum Genozid verantworten muss, war Ihre Kündigung beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk ja ohnehin einvernehmlich, oder?

Kann es sich nicht anders vorstellen: Titanic

 Hoppla, Berliner Gefängnischefs!

Drei von Euch haben laut Tagesspiegel wegen eines Fehlers der schwarz-roten Regierungskoalition statt einer Gehaltserhöhung weniger Geld bekommen. Aber der Ausbruch von Geldnöten soll durch einen Nachtragshaushalt verhindert werden. Da ja die Freundschaft bekanntlich beim Geld endet: Habt Ihr drei beim Blick auf Eure Kontoauszüge mal kurz über eine Ersatzfreiheitsstrafe für die nachgedacht, die das verbrochen haben?

Wollte diese Idee nur mal in den Raum stellen: Titanic

 Hello, Grant Shapps (britischer Verteidigungsminister)!

Eine düstere Zukunft haben Sie in einem Gastbeitrag für den Telegraph zum 75jährigen Bestehen der Nato skizziert. Sie sehen eine neue Vorkriegszeit gekommen, da sich derzeit Mächte wie China, Russland, Iran und Nordkorea verbündeten, um die westlichen Demokratien zu schwächen. Dagegen hülfen lediglich eine Stärkung des Militärbündnisses, die weitere Unterstützung der Ukraine und Investitionen in Rüstungsgüter und Munition. Eindringlich mahnten Sie: »Wir können uns nicht erlauben, Russisch Roulette mit unserer Zukunft zu spielen.«

Wir möchten aber zu bedenken geben, dass es beim Russisch Roulette umso besser fürs eigene Wohlergehen ist, je weniger Munition im Spiel ist und Patronen sich in der Trommel befinden.

Den Revolver überhaupt vom eigenen Kopf fernhalten, empfehlen Ihre Croupiers von der Titanic

 Rrrrr, Jesus von Nazareth!

Rrrrr, Jesus von Nazareth!

Im andalusischen Sevilla hast Du eine Kontroverse ausgelöst, der Grund: Auf dem Plakat für das Spektakel »Semana Santa« (Karwoche) habest Du zu freizügig ausgesehen, zu erotisch, ja zu hot!

Tja, und wie wir das besagte Motiv anschauen, verschlägt es uns glatt die Sprache. Dieser sehnsüchtige Blick, der kaum bedeckte anmutige Körper! Da können wir nur flehentlich bitten: Jesus, führe uns nicht in Versuchung!

Deine Dir nur schwer widerstehenden Ungläubigen von der Titanic

 Hä, »Spiegel«?

»Aber gesund machen wird diese Legalisierung niemanden!« schreibst Du in einem Kommentar zum neuen Cannabisgesetz. »Ach, echt nicht?« fragen wir uns da verblüfft. Wir waren bisher fest vom Gegenteil überzeugt. Immerhin haben Kiffer/innen oft sehr gute feinmotorische Fähigkeiten, einen gesunden Appetit und ärgern sich selten. Hinzu kommen die unzähligen Reggaesongs, in denen das Kiffgras als »Healing of the Nation« bezeichnet wird. All dies willst Du nun tatsächlich infrage stellen? Da lieber noch mal ganz in Ruhe drüber nachdenken!

Empfehlen Deine Blättchenfreund/innen von Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Mitgehört im Zug

»Prostitution ist das älteste Gewerbe der Welt!« – »Ja, aber das muss es ja nicht bleiben.«

Karl Franz

 Dual Use

Seit ich meine In-Ear-Kopfhörer zugleich zum Musikhören und als Wattestäbchen verwende, stört es mich gar nicht mehr, wenn beim Herausnehmen der Ohrstöpsel in der Bahn getrocknete Schmalzbröckelchen rauspurzeln.

Ingo Krämer

 Die wahre Strafe

Verhaftet zu werden und in der Folge einen Telefonanruf tätigen zu müssen.

Fabio Kühnemuth

 Immerhin

Für mich das einzig Tröstliche an komplexen und schwer zugänglichen Themen wie etwa Quantenmechanik, Theodizee oder den Hilbertschen Problemen: Letztlich ist das alles keine Raketenwissenschaft.

Michael Ziegelwagner

 Finanz-Blues

Wenn ich bei meiner langjährigen Hausbank anrufe, meldet sich immer und ausnahmslos eine Raiffeisenstimme.

Theobald Fuchs

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
30.04.2024 Hamburg, Kampnagel Martin Sonneborn mit Sibylle Berg