Glanz und Elend des Kurtchen Sahne. Ein Wochenend-Fortsetzungsroman (71)
"Ähm", machte Kurtchen, der momentweise nicht mehr wußte, worum es ging.
"Aber was verstehst du schon davon. Klempner."
Das war, wußte Kurtchen, nicht böse gemeint. Gernolf, exemplarisch verkracht, wie er war, hätte auch wenig Grund dazu gehabt.
"Es muß einer nicht Koch sein, um zu merken, daß die Suppe versalzen ist", nahm Kurtchen, ironisch deklamierend, den Handschuh auf; und schalt sich intern sogleich unachtsam, denn er hatte zwar keine Lust auf eine Meinung, hatte aber trotzdem eine geäußert. Andererseits war er sehr gut im Meinunghaben, nämlich dann, wenn es ihn nicht selbst betraf. Trotzdem grinste er vag-abwartend, er wußte nicht, was er zu all dem sagen sollte. Novellen. Gute Güte.
"Gibt ja noch gar keine", sagte Gernolf, und Kurtchen vermochte nicht zu sagen, ob der Verdruß, den er zu hören glaubte, gespielt oder echt war.
"Das ist ja immer das Elend!" rief der Freund geradezu. "Daß man lieber ißt als kocht! Apropos, ich habe Hunger", fügte er geistesgegenwärtig hinzu und schaute wie mit wie frisch erwachten Lebensgeistern nach dem Fräulein.
Kurtchen erinnerte sich, daß genau das über den Bundespräsidenten neulich in der Zeitung gestanden hatte, warum auch immer: daß er, der Bundespräsident, lieber esse als koche, auch gar nicht kochen könne, und Kurtchen wußte, daß diese Art Information genau den Speicherplatz besetzt halten würde, auf dem andere Leute, die nicht dafür disponiert waren, sich immer nur präzis den dümmsten Quatsch zu merken, den genauen Inhalt des vor zwanzig Jahren gelesen Manns ohne Eigenschaften liegen hatten.
"Vielleicht ist das gar keine schlechte Idee", sagte er dann, um den Bundespräsidenten aus dem Kopf zu kriegen, wie er, zwei Eier in der Hand, so rat- wie lustlos vor dem Designer-Induktionsherd steht. Gernolf, der sich schon wieder nach der Bedienung umgesehen hatte, drehte retour und merkte auf, und Kurtchen schämte sich ein bißchen, daß er sich grad noch ein stilles, problem- und also freundfreies Frühstück gewünscht hatte: Hier waren Worte nötig, und zwar möglichst warme.
"Es ist doch so", begann er und sah schon wieder auf den Taxistand, denn er wußte gar nicht, wie es war. Am vordersten Wagen ging eine ziemlich dicke Frau vorbei, und obwohl Kurtchen eher selten Taxi fuhr, war er sich sicher, noch niemals mit einer dicken Taxifahrerin unterwegs gewesen zu sein. Dicke Frauen wurden wahrscheinlich keine Taxifahrerinnen, vielleicht war das verboten oder Unsinn, weil die erlaubte Zuladung dann zu klein wäre und nur noch für einen Hund oder ein Grundschulkind reichte, und wer ließ sein Kind schon alleine Taxifahren? Es wäre, dachte Kurtchen, während die Bedienung endlich anrauschte, wirklich einfacher, Gernolf wäre eine dicke Frau und heischte Stellungnahme zu dem Plan, Taxi zu fahren, da könnte man wenigstens bedenkenlos abraten. Aber Kurtchen war noch nie mit einer dicken Frau befreundet gewesen, er kannte nicht mal eine. (wird fortgesetzt)
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