Glanz und Elend des Kurtchen Sahne. Ein Wochenend-Fortsetzungsroman (54)
Kurtchen erschrak aufs neue, denn er fürchtete, der Anruf könne sich bereits auf den annoncierten Ausflug beziehen, schlimmer noch: Es könnte Petra selber sein, um ihr schriftlich unterbreitetes Angebot mündlich zu wiederholen, ihm, Kurtchen, keine Ausflüchte und nicht mal mehr Bedenkzeit zu lassen, und zwei Halbsekunden lang prüfte Kurtchen, dem tatsächlich das Herz ein wenig in den Hals gerutscht war – wo ein aufgeregtes Herz nämlich hingehörte, was sollte es denn in der Hose –, ob er es hinbekäme und ertrüge, das Telefon einfach klingeln und den Anrufbeantworter übernehmen zu lassen, dergestalt Abstand zwischen sich und dem Rest des Tages zu bringen, mit dessen Planung und also unwiderruflicher Einhegung ein Anruf um diese Uhrzeit garantiert zu tun hatte. Obwohl, Werbung, vielleicht war es diesmal Werbung, und Kurtchen stand auf und hatte den Hörer schon in der Hand, als er auf dem Display PRIVAT las, Werbung war es also nicht, die Brüder kamen stets mit irgendwelchen 0800er-Nummern. Irritiert, zögerte Kurtchen wieder, lauschte dem Klingeln oder ja eigentlich Düdeln und kam sich dabei so töricht vor, daß er vor Scham ganz reglos blieb. Das Düdeln wiederholte sich, brach ab, dann kam der Anrufbeantworter:
„Dies ist der Anschluß von Kurt Sahne. Bitte Crème fraiche bei die Fische nach dem“, und dann piep. Dann Stille. Dann das übliche Besetztzeichen. Nada.
Wie er das haßte. Schön, die Ansage auf dem Anrufbeantworter war, je nach Blickwinkel, entweder unverständlich oder schwachsinnig, aber eine bessere war ihm nie eingefallen, weil ihn derlei auch nicht mehr kümmerte und er in Sachen Alltagsoriginalität keinen Ehrgeiz mehr entwickelte. Das Porträtfoto für die neue Krankenkassenkarte hatte er neulich nach dem Aufstehen gemacht, im Bademantel vor der Flurwand, einfach um nicht noch die dritte Mahnung zu kassieren – „Bitte senden Sie uns das Foto in zwei oder drei Wochen zurück“, das war dann wohl die repressive Toleranz bzw. das hätte es früher nicht gegeben: „Bitte melden Sie sich in zwei oder drei Wochen an der Front“ – und ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, sich beim Arzt in Zukunft im Bademantel auszuweisen zu müssen; wenn er das Foto nicht eh zurückbekam, als unverwendbar. Auf seiner Bahncard hatte er, vor Jahren, mangels einer Digitalkamera einfach ein Foto von Dieter Thomas Heck untergebracht, der ihm entfernt ähnlich sah, und die Bahn kümmerte es nicht, sie schickte jedes Jahr eine neue Karte mit dem falschen Foto. Fred hatte es sogar mal mit einer Aufnahme von Hugo Egon Balder geschafft, dem er, wenigstens von der Seite, tatsächlich ein bißchen ähnelte. (wird fortgesetzt)
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