Glanz und Elend des Kurtchen Sahne. Ein Wochenend-Fortsetzungsroman (106)
"Eher Doofheit", sagte Kurtchen. "Ich dachte, wenn man so gut wie keine gemeinsamen Interessen hat, einen völlig anderen Musikgeschmack und auch politisch völlig über Kreuz liegt, setzt man sich nicht der Gefahr aus, als Adler zu starten und als Ente zu landen. Dann hat man die Ansprüche erst gar nicht, über deren Nichterfüllung man sich dann jahrelang beschweren kann."
"Als was bist du denn gelandet?"
"Als Suppenhuhn. Ich sagte ja, war ein dummer Gedanke."
"Und beim zweitenmal?"
"Dasselbe noch mal. Ich wollte sichergehen, daß nicht vielleicht der Gedanke gut war, aber die Frau nicht dazu paßte."
Petra sah nicht ohne Zweifel drein, was Kurtchen verstand, er konnte es ja selbst kaum glauben.
"Und nun? Versuchst du's zur Abwechslung mal mit Anspruch?" Das klang schon wieder kokett, aber Kurtchen hatte die Lust verloren, deswegen Manschetten zu kriegen, was sollte das denn immer.
"Eher mit Abstinenz." Schwer zu entscheiden, ob das entweder eine besonders ausgefuchste oder unerhört idiotische Antwort war; Kurtchen versuchte es erst gar nicht.
"Mit Abstinenz." Petra schien genauso ratlos.
Kurtchen machte eine nonchalante Geste; die evidente Halb- und Unbestimmtheit ihres Miteinanders begann ihm Spaß zu machen, er durfte es bloß nicht übertreiben. Er hatte keine Schwierigkeiten damit, nachher allein ins Bett zu gehen, der Tag war schließlich aufregend genug gewesen; aber er wollte es mit einer Perspektive tun und nicht mit dem Gefühl, etwas vergeigt zu haben.
"Na ja. Sagen wir: Mit Abstinenz von der Ehe. Maximal einmal noch, aber erst nach langer Prüfung."
Petra lächelte, und Kurtchen bildete sich ein: erleichtert.
"Dreimal verheiratet", sagte sie, zog die Beine ein und setzte sich aufrecht, wiederum auf die Hände, "das ginge ja auch eben noch. Vier- oder fünfmal, das ist peinlich. Bei dreimal kann man denken, okay, einmal vertan, und die zweite ist gestorben ..."
"Ist sie auch."
"Na guck." Petra brauchte einen Moment. "Nee. Ist sie wirklich...?"
"Selbstmord", sagte Kurtchen, dem bewußt war, daß er in einer etwas weniger aufgeladenen Situation zu klären gehabt hätte, ob das nun als Akkuratesse durchging oder als Wichtigtuerei zum Schämen war. "Und nein", dieselbe Frage, dieselbe Entschuldigung, "nicht meinetwegen. Jedenfalls weiß ich nichts davon. Oder verdränge es. Können wir das überspringen?"
"Klar", sagte Petra, und sie sagte es so lieb, daß Kurtchen sich dafür schämte, Ulrike, deren Abwesenheit er durchaus nicht bedauerte, eingespannt zu haben. (wird fortgesetzt)
◀ | Powersätze für die Gruppentherapie | Neue Hamburger Schule | ▶ |
