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Gärtners kritisches Sonntagsfrühstück: Verbrechen und Strafe

Man soll dem Jens Spahn ruhig dankbar dafür sein, daß er unserem liberalen Spitzenjournalismus Gelegenheit zu Empörung und kritischem Nachhaken verschafft hat, denn Hartz IV ist ja wirklich keine schöne Sache; auch wenn eins nicht unbedacht dran drehen soll:

„Natürlich ließe sich mehr Teilhabe erkaufen mit höheren Hartz-IV-Sätzen. Gerecht aber wäre auch das nicht. Weder gegenüber denen, die in der Grundsicherung feststecken, noch gegenüber denen, die gerade so noch ohne sie zurechtkommen. Ziel staatlicher Fürsorge sollte eigentlich sein, sich überflüssig zu machen. Besser als Hartz IV ist nicht mehr Hartz IV, sondern kein Hartz IV mehr zu brauchen. Die Welt der Regelbedarfe sollte für niemanden ein Zuhause werden, in dem er dann vergessen werden kann. Sie sollte nur eine Station auf der Durchreise sein. Das aber ist allzu oft nicht der Fall. Sechs Millionen Hartz-IV-Empfänger, darunter etwa eine Million Langzeitarbeitslose – das ist der eigentliche Skandal.“

So der eigentliche Skandal nicht ist, daß eine Henrike Rossbach (SZ) mit derlei bigottem Gewäsch an die Öffentlichkeit darf, ist der eigentliche Skandal Hartz IV als solches, diese „staatliche Abwicklung des persönlichen Ruins“ (Thomas Steinfeld). Hartz IV ist keine Station auf der Durchreise, Hartz IV ist Endstation, drum braucht’s auch keine Teilhabe, die braucht’s im Pflegeheim ja auch nicht. Das hat mit Fairneß – Fairneß! – nichts zu tun, aber damit, daß Hartz IV als Angstmaschine funktionieren soll: Füg dich, spure, lerne, sonst droht dir das. Bei Foucault läßt sich nachlesen, wie das 17. und 18. Jahrhundert die Verrückten, Randständigen, Armen, sofern sie nicht öffentlich ausgepeitscht oder mit Brandmalen versehen wurden, als gottlos Nichtsnutzige in workhouses oder Asylen zusammenkehrten, und es ist heute nicht etwa ein Versäumnis, daß Hartz IV noch immer Hartz IV heißt und nicht vielleicht „Bürgergeld“ oder ähnlich freundlich, wo doch sonst alles freundlich angemalt wird. Hartz IV heißt so nackt und grimm wie eine Maßnahme, die Fürsorge vorgaukelt, aber Strafe meint; die soziale Todesstrafe, die noch jeden scheinselbständigen Paketausfahrer hinterm Lenkrad und jede Nachtputzfrau am Wischmop hält, es aber auch der Journalistin nahelegt, das Lohnabstandsgebot zu feiern und sich über die Zusammensetzung der Henkersmahlzeit zu verbreiten, als müßte es nicht darum gehen, die Todesstrafe abzuschaffen.

„Unsere Philanthropie möchte lieber Zeichen der Aufmerksamkeit gegenüber der Krankheit sehen, wo sich lediglich die Verurteilung des Müßigganges abzeichnet.“ Foucault, 1961

Und wieder kein Wunder, daß rechts von der Linkspartei niemand auch nur einen Halbgedanken an die Liquidierung von Hartz IV verschwendet, weder in der Politik, noch in der Publizistik. Das Kernstück der Agenda 2010, die den deutschen Dauerboom verantwortet, ist Hartz IV, die Institutionalisierung eines drakonischen Regimes aus Angst und Druck, das weit in die Milieus hineinreicht, die sich in wohlfahrtsstaatlichen Zeiten vor dem Gang aufs Amt sicher wähnen durften. Daß die Arbeitsagenturen und „Jobcenter“ unterfinanziert sind, die Sachbearbeiter im besten Fall überfordert, im schlechtesten Sadisten, gehört zum Spiel, denn Hartz IV, noch einmal, ist Strafe, Strafe für ein Verbrechen, von dem die Delinquentinnen denken sollen, sie hätten es begangen; ist das, was es offiziell im Vaterland, das sich so furchtbar viel auf seine Sozialstaatlichkeit zugute hält, doch gar nicht gibt: die Marktwirtschaft als freie, die ihren Ausschuß stigmatisiert und demütigt und alle, die noch was zu verlieren haben, durch Angst und abwärts kanalisierten Haß gefügig macht.

Ist lange her, dieses 18. Jahrhundert.




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Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Verehrte Joyce Carol Oates,

da Sie seit den Sechzigern beinah im Jahrestakt neue Bücher veröffentlichen, die auch noch in zahlreiche Sprachen übersetzt werden, kommen Sie vermutlich nicht dazu, jeden Verlagstext persönlich abzusegnen. Vielleicht können Sie uns dennoch mit ein paar Deutungsangeboten aushelfen, denn uns will ums Verrecken nicht einfallen, was der deutsche Ecco-Verlag im Sinn hatte, als er Ihren neuen Roman wie folgt bewarb: »›Babysitter‹ ist ein niederschmetternd beeindruckendes Buch, ein schonungsloses Porträt des Amerikas der oberen Mittelschicht sowie ein entlarvender Blick auf die etablierten Rollen der Frau. Oates gelingt es, all dies zu einem unglaublichen Pageturner zu formen. In den späten 1970ern treffen in Detroit und seinen Vorstädten verschiedene Leben aufeinander«, darunter »eine rätselhafte Figur an der Peripherie der Elite Detroits, der bisher jeglicher Vergeltung entkam«.

Bitte helfen Sie uns, Joyce Carol Oates – wer genau ist ›der Figur‹, dem es die elitären Peripherien angetan haben? Tragen die Leben beim Aufeinandertreffen Helme? Wie müssen wir uns ein Porträt vorstellen, das zugleich ein Blick ist? Wird das wehtun, wenn uns Ihr Buch erst niederschmettert, um dann noch Eindrücke auf uns zu hinterlassen? Und wie ist es Ihnen gelungen, aus dem unappetitlich plattgedrückten Matsch zu guter Letzt noch einen »Pageturner« zu formen?

Wartet lieber aufs nächste Buch: Titanic

 Weiter so, uruguayischer Künstler Pablo Atchugarry!

Eine angeblich von Ihnen geschaffene Bronzeskulptur im englischen Cambridge soll an Prinz Philip erinnern, der dort von 1977 bis 2011 Kanzler der Universität war. Allerdings wird das Kunstwerk, das im Auftrag eines reichen Bauträgers angefertigt wurde, von vielen als verunglückt empfunden und zieht seit nunmehr zehn Jahren Spott auf sich.

Dass Sie mittlerweile die Urheberschaft leugnen, um Ihr Renommee als Künstler zu schützen, ist zwar verständlich, aber aus unserer Sicht völlig unnötig. Wenn sich das Konzept durchsetzt, lästige Promis, die uns über Jahrzehnte viel Zeit, Geld und Nerven gekostet haben, mit langlebigen Schrott-Monumenten zu schmähen, werden Sie sich vor Aufträgen bald kaum noch retten können. Und das Beste: Weil andere Großkopferte sich mit ihren Eskapaden zurückhalten würden, um nicht von Ihnen verewigt zu werden, sorgten Sie auch noch für Ruhe und gesellschaftlichen Frieden.

Hofft, dass dieser Vorschlag einen Stein ins Rollen bringt: Titanic

 Eher unglaubwürdig, »dpa«,

erschien uns zunächst Deine Meldung, Volker Wissing habe nach dem tödlichen Busunglück auf der A9 bei Leipzig »den Opfern und Hinterbliebenen sein Beileid ausgesprochen«. Andererseits: Wer könnte die Verstorbenen auf ihrem Weg ins Jenseits noch erreichen, wenn nicht der Bundesverkehrsminister?

Tippt aufs Flugtaxi: Titanic

 Helen Fares, c/o »SWR« (bitte nachsenden)!

Sie waren Moderatorin des Digital-Formats MixTalk und sind es nun nicht mehr, nachdem Sie ein launiges kleines Video veröffentlicht haben, in dem Sie zum Boykott israelischer Produkte aufriefen, mit Hilfe einer eigens dafür programmierten App, die zielsicher anzeigt, wo es in deutschen Supermärkten noch immer verjudet zugeht (Eigenwerbung: »Hier kannst Du sehen, ob das Produkt in Deiner Hand das Töten von Kindern in Palästina unterstützt oder nicht«).

Nach Ihrem Rauswurf verteidigten Sie sich in einem weiteren Video auf Instagram: »Wir sind nicht antisemitisch, weil wir es boykottieren, Produkte von Unternehmen zu kaufen, die Israel unterstützen. Ein Land, das sich vor dem Internationalen Gerichtshof wegen Genozid verantworten muss, weil es Zehntausende von Menschen abgeschlachtet hat.« Da sich aber auch Deutschland vor dem Internationalen Gerichtshof wegen Beihilfe zum Genozid verantworten muss, war Ihre Kündigung beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk ja ohnehin einvernehmlich, oder?

Kann es sich nicht anders vorstellen: Titanic

 Ganz schön kontrovers, James Smith,

was Du als Mitglied der britischen Band Yard Act da im Interview mit laut.de vom Stapel gelassen hast. Das zu Werbezwecken geteilte Zitat »Ich feiere nicht jedes Cure-Album« hat uns jedenfalls so aufgewühlt, dass wir gar nicht erst weitergelesen haben.

Wir mögen uns nicht ausmalen, zu was für heftigen Aussagen Du Dich noch hast hinreißen lassen!

Findet, dass Provokation auch ihre Grenzen haben muss: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Konsequent

Die Welt steckt in der Spermakrise. Anzahl und Qualität der wuseligen Eileiter-Flitzer nehmen rapide ab. Schon in wenigen Jahren könnten Männer ihre Zeugungsfähigkeit vollständig verlieren. Grund hierfür sind die Verkaufsschlager aus den Laboren westlicher Großkonzerne. Diese Produkte machen den Schädling platt, das Plastik weich und das Braterlebnis fettfrei und wundersam. Erfunden wurden diese chemischen Erfolgsverbindungen von – Überraschung – Y-Chromosom-Trägern. Toll, dass sich Männer am Ende doch an der Empfängnisverhütung beteiligen.

Teresa Habild

 Im Institut für Virologie

Jeder Gang macht krank.

Daniel Sibbe

 Immerhin

Für mich das einzig Tröstliche an komplexen und schwer zugänglichen Themen wie etwa Quantenmechanik, Theodizee oder den Hilbertschen Problemen: Letztlich ist das alles keine Raketenwissenschaft.

Michael Ziegelwagner

 Finanz-Blues

Wenn ich bei meiner langjährigen Hausbank anrufe, meldet sich immer und ausnahmslos eine Raiffeisenstimme.

Theobald Fuchs

 Citation needed

Neulich musste ich im Traum etwas bei Wikipedia nachschlagen. So ähnlich, wie unter »Trivia« oft Pub-Quiz-Wissen gesammelt wird, gab es da auf jeder Seite einen Abschnitt namens »Calia«, voll mit albernen und offensichtlich ausgedachten Zusatzinformationen. Dank Traum-Latinum wusste ich sofort: Na klar, »Calia« kommt von »Kohl«, das sind alles Verkohl-Facts! Ich wunderte mich noch, wo so ein Quatsch nun wieder herkommt, wusste beim Aufwachen aber gleich, unter welcher Kategorie ich das alles ins Traumtagebuch schreiben konnte.

Alexander Grupe

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
30.04.2024 Hamburg, Kampnagel Martin Sonneborn mit Sibylle Berg