Newsticker

Nur diese Kategorie anzeigen:Gärtners Sonntagsfrühstück Eintrag teilenEintrag per Email versenden Mit Facebook-Freunden teilen Twittern mit Google+ teilen

Gärtners kritisches Sonntagsfrühstück: Mutti

„Spannender, aufregender, spektakulärer geht es kaum. Dieser Wahlabend ist eine Zäsur“ – es ist tatsächlich wunderbar, wie rauschhaft „Spiegel online“ an seiner Selbstkarikatur als Dünnstbrettbohrer der Postdemokratie arbeitet oder, wenn man's ein bißchen prosaischer ausdrücken will, lügt, wenn es darum geht, aus einem Nicht-Ereignis eine Sensation zu zimmern.

Es ging bei dieser spannenden, aufregenden, spektakulären Wahl ja nicht darum, daß die KPD um ein Haar die absolute Mehrheit verfehlt hätte, ja nicht einmal um Steinbrück als Bundeskanzler – daran wird er selber nicht geglaubt haben –, sondern bloß um die Frage, mit wem A. Merkel, die als Wahlgewinnerin, allem „Spon“-Getrommel zum Trotz, längst feststand, die nächsten Jahre wie gehabt weiterregiert; und ob das nun ohne eine windelweiche FDP geschieht oder mit einer windelweichen SPD, ist, selbst wenn wir einmal annähmen, man hätte tatsächlich die Wahl gehabt, eine spektakulär unspannende Angelegenheit.

Und das soll ja auch so sein.

Es ist ja nicht zufällig viel von Adenauer die Rede, wenn von Merkel die Rede ist, die ihre Abschlußkundgebungen mit dem Slogan „Keine Experimente“ schmückte, so wie „Postdemokratie“ ja nicht bloß heißt, daß der Souverän ganz offiziell nichts mehr zu melden hat, sondern darüber hinaus, daß er das auch gar nicht mehr will. Junge Leute, lesen wir, leben immer lieber immer länger zu Hause, weil die Eltern eher Kumpel als Autoritäten sind; und die liebe Autorität ist ja bekanntlich die deutsche Kernsehnsucht. (Man lese bitte die Elogen auf den verstorbenen, am Donnerstag zu seinem 100. Geburtstag betrauerten Krupp-Patriarchen und mustergültig rheinischen Kapitalisten Berthold Beitz, der, als Judenretter und „Gerechter unter den Völkern“, gewiß kein schlechter Mensch war, aber eben einer, dem die Fabrik gehört und dem man es bereits fabrikschornsteinhoch anrechnet, daß er seine Werktätigen nicht geohrfeigt hat.) 

„Es war Illusion, liebe Freundin, alles Illusion, außer daß ich vorhin am Fenster stand und nichts tat, und daß ich jetzt hier sitze und etwas tue, was auch nur wenig mehr oder wohl gar noch etwas weniger als nichts tun ist.“ Schlegel, 1799

„Niemand kann ganz genau sagen, wofür sie steht, aber viele Bürger fühlen sich bei Kanzlerin Merkel offenkundig in guten Händen. Es zeigt sich wieder einmal: Wenn politische Fragen kompliziert werden, ist Vertrauen eine wichtige Währung in der Politik“ – von „Spon“- auf Normalniveau gehoben heißt das: Wenn der Souverän sich auch minder komplizierten politischen Fragen: Soll man Arbeitslose schurigeln? Sind Witzlöhne in Ordnung? Will ich bis 75 arbeiten? – nicht mehr aussetzen will, dann vertraut er lieber darauf, daß das schon alles seinen Gang geht, und wählt die Kandidatin mit den nulligsten Slogans, aber den mit Abstand gemütlichsten Fotos. Und eben nicht eine Partei, die vor grau fotografierten Normalverbrauchern Mindestlöhne fordert und damit (wie verlogen auch immer) auf eine Realität weist, die außerhalb von Landlust, RTL und Qualitätspreßparolen („Deutschland geht es gut“) bitte nicht mehr stattfinde. Denn wenn Mutti morgens den dampfenden Kaba auf den gebeizten Echtholztisch stellt, will ich doch nicht im Ernst über Mietwucher oder verarmte Portugiesen nachdenken.

Gegen den Kantersieg der Christlich Demokratischen Union Deutschlands ist also überhaupt nichts zu sagen; nur werde beim nächsten Mal bitte der kollektive Freudentanz zu Musik der Toten Hosen unterlassen. Auf ein derart schlagendes Sittenbild der Berliner Republik können empfindliche Naturen wie unsereiner nämlich gut verzichten.




Eintrag versenden Newstickereintrag versenden…
Felder mit einem * müssen ausgefüllt werden.

optionale Mitteilung an den Empfänger:

E-Mail-Adresse des Absenders*:

E-Mail-Adresse des Empfängers*
(mehrere Adressen durch Semikolon trennen, max. 10):

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Nachdem wir, »Spiegel«,

Deine Überschrift »Mann steckt sich bei Milchkühen mit Vogelgrippe an« gelesen hatten, müssen wir selbst kurz in ein Fieberdelirium verfallen sein. Auf einmal waberte da Schlagzeile nach Schlagzeile vor unseren Augen vorbei: »Affe steckt sich bei Vögeln mit Rinderwahnsinn an«, »Vogel steckt sich bei Mann mit Affenpocken an«, »Rind steckt sich bei Hund mit Katzenschnupfen an«, »Katze steckt sich bei Krebs mit Schweinepest an« und »Wasser steckt sich bei Feuer mit Windpocken an«.

Stecken sich auf den Schreck erst mal eine an:

Deine Tierfreund/innen von Titanic

 Moment, Edin Hasanović!

Sie spielen demnächst einen in Frankfurt tätigen »Tatort«-Kommissar, der mit sogenannten Cold Cases befasst ist, und freuen sich auf die Rolle: »Polizeiliche Ermittlungen in alten, bisher ungeklärten Kriminalfällen, die eine Relevanz für das Jetzt und Heute haben, wieder aufzunehmen, finde ich faszinierend«, sagten Sie laut Pressemeldung des HR. Ihnen ist schon klar, »Kommissar« Hasanović, dass Sie keinerlei Ermittlungen aufzunehmen, sondern bloß Drehbuchsätze aufzusagen haben, und dass das einzige reale Verbrechen in diesem Zusammenhang Ihre »Schauspielerei« sein wird?

An Open-and-shut-case, urteilt Titanic

 Wurde aber auch Zeit, Niedersächsische Wach- und Schließgesellschaft!

Mit Freude haben wir die Aufschrift »Mobile Streife« auf einem Deiner Fahrzeuge gesehen und begrüßen sehr, dass endlich mal ein Sicherheitsunternehmen so was anbietet! Deine Mitarbeiter/innen sind also mobil. Sie sind unterwegs, auf Achse, auf – um es einmal ganz deutlich zu sagen – Streife, während alle anderen Streifen faul hinterm Büroschreibtisch oder gar im Homeoffice sitzen.

An wen sollten wir uns bisher wenden, wenn wir beispielsweise einen Einbruch beobachtet haben? Streifenpolizist/innen? Hocken immer nur auf der Wache rum. Streifenhörnchen? Nicht zuständig und außerdem eher in Nordamerika heimisch. Ein Glück also, dass Du jetzt endlich da bist!

Freuen sich schon auf weitere Services wie »Nähende Schneiderei«, »Reparierende Werkstatt« oder »Schleimige Werbeagentur«:

Deine besserwisserischen Streifbandzeitungscracks von Titanic

 Du wiederum, »Spiegel«,

bleibst in der NBA, der Basketball-Profiliga der Männer in den USA, am Ball und berichtest über die Vertragsverlängerung des Superstars LeBron James. »Neuer Lakers-Vertrag – LeBron James verzichtet offenbar auf Spitzengehalt«, vermeldest Du aufgeregt.

Entsetzt, Spiegel, müssen wir feststellen, dass unsere Vorstellung von einem guten Einkommen offenbar um einiges weiter von der Deiner Redakteur/innen entfernt ist als bislang gedacht. Andere Angebote hin oder her: 93 Millionen Euro für zwei Jahre Bällewerfen hätten wir jetzt schon unter »Spitzengehalt« eingeordnet. Reichtum ist wohl tatsächlich eine Frage der Perspektive.

Arm, aber sexy: Titanic

 Gesundheit, Thomas Gottschalk!

In Ihrem Podcast »Die Supernasen« echauffierten Sie sich mit einem fast schon dialektischen Satz zu Ihrer eigenen Arbeitsmoral über die vermeintlich arbeitsscheuen jungen Leute: »Es gab für mich nie eine Frage – ich war nie in meinem Leben krank, wenn ich im Radio oder im Fernsehen aufgetreten bin. Ich habe oft mit Schniefnase irgendwas erzählt.«

Das hat bei uns zu einigen Anschlussfragen geführt: Wenn Sie »nicht krank«, aber mit Schniefnase und im Wick-Medinait-Delirium vor einem Millionenpublikum zusammenhanglose Wortfetzen aneinandergereiht haben – war das nicht eine viel dreistere, weil höher bezahlte Form der Arbeitsverweigerung als eine Krankmeldung?

Wünscht Ihnen nachträglich gute Besserung: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Der kästnerlesende Kniebeuger

Es gibt nichts Gutes
Außer man Glutes.

Sebastian Maschuw

 Guesslighting

Um meine Seelenruhe ist es schlecht bestellt, seit mich ein erschütternder Bericht darüber informierte, dass in Hessen bei Kontrollen 70 Prozent der Gastronomiebetriebe widerlichste Hygienemängel aufweisen (s. Leo Riegel in TITANIC 07/2022). Neben allerhand Schimmel, Schleim und Schmodder herrscht allüberall ein ernsthaftes Schadnagerproblem, die Küchen sind mit Mäusekot nicht nur kontaminiert, sondern praktisch flächendeckend ausgekleidet. Vor lauter Ekel hab ich sofort Herpes bekommen. Nun gehe ich vorhin in meine Küche, und auf der Arbeitsplatte liegen grob geschätzt 30 kleine schwarze Kügelchen. Ich bin sofort komplett ausgerastet! Zehn hysterische Minuten hat es gedauert, bis mir klar wurde, dass der vermeintliche Kot die Samen eines dekorativen Zierlauchs waren, der einen Blumenstrauß krönte, den eine liebe Freundin mir geschenkt hat. Ich hätte ihn einfach nicht noch einmal anschneiden sollen … Hysterie off, Scham on.

Martina Werner

 Liebesgedicht

Du bist das Ästchen,
ich bin der Stamm.
Du bist der Golo,
ich Thomas Mann.
Du bist Borkum,
ich bin Hawaii.
Du bist die Wolke,
ich bin gleich drei.
Du bist das Würmchen,
ich bin das Watt.
Du bist die Klinke,
ich bin die Stadt.
Du bist das Blättchen,
ich jetzt der Ast.
Sei still und freu dich,
dass du mich hast.

Ella Carina Werner

 Verabschiedungsrituale

Wie sich verabschieden in größerer Runde, ohne dass es ewig dauert? Ich halte es so: Anstatt einen unhöflichen »Polnischen« zu machen, klopfe ich auf den Tisch und sage: »Ich klopf mal, ne?«. Weil mir das dann doch etwas unwürdig erscheint, klopfe ich im Anschluss noch mal bei jeder Person einzeln. Dann umarme ich alle noch mal, zumindest die, die ich gut kenne. Den Rest küsse ich vor lauter Verunsicherung auf den Mund, manchmal auch mit Zunge. Nach gut zwanzig Minuten ist der Spuk dann endlich vorbei und ich verpasse meine Bahn.

Leo Riegel

 Zeitsprung

Dem Premierenpublikum von Stanley Kubricks »2001: Odyssee im Weltraum« wird der Film 1968 ziemlich futuristisch II vorgekommen sein.

Daniel Sibbe

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
03.08.2024 Kassel, Caricatura-Galerie Miriam Wurster: »Schrei mich bitte nicht so an!«
04.08.2024 Frankfurt/M., Museum für Komische Kunst Die Dünen der Dänen – Das Neueste von Hans Traxler
04.08.2024 Frankfurt/M., Museum für Komische Kunst »F. W. Bernstein – Postkarten vom ICH«
09.08.2024 Bremen, Logbuch Miriam Wurster