Gärtners kritisches Sonntagsfrühstück: Ihre letzte Chance – Hitler (Arbeitstitel)
Was „Günther Jauch“ angeht, halte ich es mit der Interventionskriegstaktik der westlichen Wertegemeinschaft: Schnell rein, schnell raus, und Rekordzeit dürfte meine Verweildauer bei der Sendung vom vergangenen Sonntag gewesen sein, deren Thema, das Nichtwählen als Protestform und allfälliger Indikator einer Legitimationskrise, meinen inneren Sicherheitsrat, dessen Grundprinzip eigentlich die Nichteinmischung in die Angelegenheiten des souveränen Talkshowwesens ist, davon überzeugt hatte, vor dem Elend nicht länger die Augen zu verschließen. Jedenfalls hatte ich mich eben erst im noch warmen Sitz meiner Aufklärungskanzel zurechtgesetzt, als einer dieser Rebellen ins Bild rutschte, die im normalen Leben, dafür haben meine Dienste schlüssige und unwiderlegbare Beweise (Bart!), Verwaltungsfachwirt, Speditionskaufmann oder Sportlehrer sind. Warum er nichtwähle, fragte der schändliche, ewige Diktator Jauch, und der Rebell, der sich hundertmal am Tag vom Regime die Butter vom Brot klauben läßt, dessen Faß auf dem ewigen Weg zum Brunnen der frommen Denkungsart aber längst zerborsten war, sprach wie aus der Maschinenpistole (russische Produktion) geschossen: Weil die Politiker kein Rückgrat mehr hätten, er sage bloß: Strauß, Wehner, Genscher, das sei noch Politik gewesen, heute hingegen sei alles Scheißdreck, und deshalb bleibe er zu Hause.
„Weil, man kann zwar nicht ewig die Luft anhalten. Aber doch ziemlich lange.“ Herrndorf, 2010
Trotz (nein: wegen) dieser eklatanten, Buchstaben und Geist der UN-Charta zutiefst Hohn sprechenden Verletzung der geistigen Tiefflugverbotszone machte ich auf dem Absatz meiner Knobelbecher kehrt, denn hier waren, sicht- und hörbar, die Aufständischen nicht weniger dumm und korrupt als das, was sie bekämpften, und für eine im Sinne unseres gesamtideellen unteren Mittelstands zu reformierende Demokratie des starken Rückgrats, deren Zentralfiguren, bitte sehr, Faschisten, antikommunistische Intriganten und gewissenlose Durchstecher zu sein hätten, würde ich meine Solidarität, meine intellektuelle Schlag- und Feuerkraft gewiß nicht zur Verfügung stellen, mehr noch, würde, mit wohlverstautem Waffenarsenal, lieber zusehen, wie sich der ganze idiotische Laden zu Tode labert, denn Eingreifen, das wußte ich, bringt nichts, hatte noch nie etwas gebracht. Meine sonntägliche Intervention betreffs gewisser Buchpreise z.B., die verläßlich an irgendwelche Esel gehen, war noch keine zwei Wochen alt, als praktisch dieselben Esel auf der SWR-Bestenliste erschienen, und alle Plädoyers für distanzierten, kritischen Journalismus waren schon wieder Makulatur, als sich ein allgemeines Frankfurter Feuilleton, und nicht zum erstenmal, zur Werbeabteilung des ohnehin erfolgreichsten deutschen Gegenwartsschriftstellers machte und innert sieben Tagen drei umfängliche Hofberichte beisteuerte. Also wegducken, wenigstens eine Woche lang, im Urlaub nur finnische Zeitungen „lesen“ und sich nach Rückkehr auf gar keinen Fall dem sog. TV-Duell (einem Spin-off von „Schlag den Raab“) aussetzen, auch wenn noch weniger Rückgrat als bei dieser Bagage schlicht nicht vorstellbar ist.
Im Krieg leidet die Zivilbevölkerung am meisten. Und bin das, mit meiner kritischen Wasserpistole, nicht letztlich – ich?
◀ | Das Kanzlerduell – eine Vorausprognose | Die aktuellen Gottesbeweise | ▶ |
Newstickereintrag versenden…