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Gärtners kritisches Sonntagsfrühstück: Hell, Yes

Schön, ich habe den besten Beruf der Welt: Ich ärgere mich, und dann habe ich die Gelegenheit, meinen Ärger nicht nur in die Welt zu posaunen, sondern bestenfalls zu etwas zu machen, was den Ärger wert war. Das kann auch nicht jeder.

Andererseits habe ich den schlimmsten Beruf der Welt: weil der Ärger nie aufhört und es sturheil immer weitergeht, als hätte ich nie ein Wort verloren. In Jugendzeiten verbrachte ich Ferienzeit einmal in einem Türenlager: Türen wurden angeliefert, mussten in die Regale, andere Türen wurden benötigt, mussten aus den Regalen. So ging es tagein, tagaus, und ich bitte, das mit dem „schlimmsten Beruf“ als schriftstellerische, recht eigentlich sehr anmaßende Übertreibung zu buchen.

Aber schon sind wir beim Thema. Ich lese ein Buch, finde es fürchterlich, schreibe eine Rezension, und bevor ich sie absende, fällt mir ein, bei Perlentaucher zu sehen, was anderen so aufgefallen ist. Es ist ihnen allen das Gleiche aufgefallen: was für ein tolles Buch es sei. Es sei geradezu großartig, vor allem glanzvoll geschrieben.

Nun lässt sich über Geschmack angeblich nicht streiten. Aber erstens stimmt das nicht, und zweitens gibt es in Texten ganz objektive Fehler. Wenn der Erzähler in einem Roman, der 1970 spielt, einen Satz sagt wie: „Das geht gar nicht“, dann geht das gleich zweimal nicht und ist erstens ein Indiz dafür, dass der Autor nicht weiß, was eine Phrase ist, und ihm zweitens ein Begriff davon fehlt, dass Sprache ihre Zeit hat. Wenn ein Erzähler 1970 „dufte“ sagt, geht es an, wenn er es 1930 tut, nicht, und was wie das kleinste denkbare Einmaleins klingt, ist vielen schon zu groß.

Das Problem, wäre es eins von und an Stellen, ließe sich durch Lektorat (wo es das überhaupt noch gibt) aus der Welt schaffen. Eher ist aber ganze Prosa durchseucht von Phrase als jenem fehlendem Schritt beiseite, der über Mittel und Zwecke Bescheid wüsste und die Rede der Apparate nicht für den Maßstab hielte. Das tut nicht einmal der Sechzehnjährige, der in seinem ersten, nach fünf Seiten abgebrochenen Romanversuch wie Siegfried Lenz oder Charles Bukowski klingen will, und so, nämlich anders klingen zu wollen ist allemal weniger verächtlich, als überhaupt nicht mehr klingen zu wollen, sondern bloß noch reproduzieren zu können.

„etwas anderes kam nie vor, immer nur das was war, kein kleinster schritt hinaus. dieses war es, das das leben zu etwas machte, das ich niemals ertrug, zu einer hölle.“ Schernikau, 1989

Es gibt in Prosa nichts Übleres; es gibt heute auch nichts Erfolgreicheres, und Adorno wusste wieder mal warum: „Nur, was sie nicht erst zu verstehen brauchen, gilt ihnen für verständlich; nur das in Wahrheit Entfremdete, das vom Kommerz geprägte Wort berührt sie als vertraut. Weniges trägt so sehr zur Demoralisierung der Intellektuellen bei.“ „erstaunlicherweise“, schreibt Ronald M. Schernikau in seinen immer wieder phantastischen „Tagen in L.“, „bedeuten die wörter ja etwas über ihren gegenstand hinaus“, aber das sollen sie nicht mehr; sie sollen bloß den Gegenstand kennzeichnen, eine Geschichte als Stoffliches transportieren. „verinhaltlichung von kunst“ nennt Schernikau das. Eine Kunst aus Inhalt ist aber keine.

Das gab es freilich immer schon; Tucholsky kannte mehr als nur ein Buch, „das ich auswendig kenne, ohne es je gelesen zu haben.“ Schlimm ist die mittlerweile fast vollständige Geschlossenheit der Reihen derer, die doch dazu da wären, dass ihnen etwas auffiele. Aber es soll ihnen nichts mehr auffallen, und es kann ihnen vielleicht auch nichts mehr auffallen. Erfolgreiche, massenpublikumsnahe Bücher müssen gelobt werden, denn ihre Kundschaft ist die Kundschaft der Rezension. Das System ist geschlossen, und niemand erfährt mehr, was und wie es anders ginge; dass die Phraseure, die Verinhaltlicherinnen Schullektüre werden, liegt in der Logik der Sache.

Kunst, als Transzendentes, ist das Nichtkonforme, Verstörende, darin Beglückende und darum zu missachten; ihr Gegenteil ist die immanente, zu reproduzierende Hölle. Ein Heizer dort heißt Denis Scheck, und dass er Scheck heißt, ist ein angemessen vulgärer Wink.




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Briefe an die Leser

 Really, Winona Ryder?

Really, Winona Ryder?

In einem Interview mit der Los Angeles Times monierten Sie, dass einige Ihrer jungen Schauspielerkolleg/innen sich zu wenig für Filme interessierten. Das Erste, was sie wissen wollten, sei, wie lange der Film dauere.

Wer hätte gedacht, Ryder, dass Sie als Kind aus der Glanzzeit des Fernsehkonsums einmal die Nase rümpfen würden, weil junge Menschen möglichst wenig vor der Glotze sitzen und sich stattdessen lieber bewegen wollen? Davon abgesehen: Sind Sie sicher, dass sich die Abneigung gegen Cineastisches und das Verlangen, bereits beim Vorspann die Flucht zu ergreifen, nicht nur auf Werke beziehen, in denen Sie mitspielen?

Fragt sich Ihre Filmconnaisseuse Titanic

 Und Du, »Braunschweiger Zeitung«,

hast uns mit Deiner Überschrift »Diese beiden tödlichen Keime bekämpfen Forscher aus Braunschweig« einen kleinen Schrecken eingejagt. Viel lieber wäre uns in eh schon schweren Zeiten die Headline »Forscher aus Braunschweig bekämpfen diese beiden tödlichen Keime« gewesen.

Bitte auf uns arme Seelen achten, wünscht sich

Deine Titanic

 Tatütata, LKA Niedersachsen!

»Ganz viel Erfolg morgen bei der Prüfung, liebe Karin«, sagt angeblich das gesuchte ehemalige RAF-Mitglied Burkhard Garweg gut gelaunt in einem Video, das bei der Fahndung im Presseportal unter der Rubrik »Blaulicht« veröffentlicht wurde. Die Fahnder/innen erhofften sich dadurch, so heißt es, neue Hinweise, und richten sich deshalb mit den Fragen an die Bevölkerung: »Wer ist ›Karin‹ bzw. ›Carin‹?« und: »In welchem Zusammenhang steht sie zu Burkhard Garweg?«. Schön und gut, da möchten wir nach einem derartigen Cliffhanger nun aber auch die Frage hinzufügen: Wie ist Karins Prüfung denn nun eigentlich gelaufen?

Hinweise an Titanic

 Interessant, was Sie da sagten, Erling Haaland (Manchester City)!

»Die besten Spieler sind die besten in den einfachsten Dingen. Mit der rechten Hand berühren und mit der linken passen. Das ist das Wichtigste. Pep sagt das immer wieder zu mir.«

Mit welcher Hand man dann das Tor erzielt, ist egal, meint im Gedenken an Diego Maradona Titanic

 Ho ho ho, Venezuelas Präsident Nicolás Maduro!

Ho ho ho, Venezuelas Präsident Nicolás Maduro!

Mitten im Streit um das wohl von Ihnen manipulierte Wahlergebnis bei der Präsidentschaftswahl haben Sie wieder einmal tief in die politische Trickkiste gegriffen: »Es ist September, und es riecht schon nach Weihnachten«, frohlockten Sie in einer Fernsehansprache. »Als Dank an das kämpferische Volk werde ich daher Weihnachten per Dekret auf den 1. Oktober vorziehen.«

Wir haben sogar eine noch bessere Idee, Maduro: Könnten Sie nicht per Dekret Weihnachten von Anfang Oktober bis Ende Dezember stattfinden lassen? Im Gegensatz zum Kanzler in seinem kapitalistischen Schweinesystem können Sie doch sicher bestimmen, dass die planwirtschaftliche Lebkuchen-Vanillekipferl-Produktion schon im Juni anläuft. So können Sie sich nicht nur ein paar Tage, sondern ganze drei Monate Ruhe zum Fest schenken!

Rät Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Schrödingers Ruhebereich

Wenn es im Abteil so still ist, dass ein Fahrgast einschläft und dann übertrieben laut schnarcht.

Loreen Bauer

 Quo vadis, Fortschritt?

Unfassbar: Nach so vielen Jahren des Horrorfilms gruseln sich die Leute noch vor der Nosferatu-Spinne. Wann taucht in unseren Breiten endlich die Slasher- oder Zombie-Spinne auf?!

Mark-Stefan Tietze

 Reality-TV

Bei der Fernsehserie »Die Nanny« gibt es diese eine Szene, in der die Mutter der Nanny, Sylvia Fine, in einem Pariser Restaurant mit dem Kellner kommunizieren will. Da sie kein Französisch spricht, nutzt sie zum Austausch ausschließlich den Text des französischen Kinderliedes »Frère Jacques«: Mit »Frère Jacques« ruft sie den Kellner, mit »Ding-ding-dong« fordert sie einen neuen Kaffee und so weiter. In der Serie klappte das sehr gut, und als Kind fand ich es auch ausgesprochen lustig, war mir allerdings sicher, dass das in der Realität nie funktionieren würde – bis es mir selbst gelang. Das kam so: Im Fitnessstudio wartete ein junger Mann am Tresen vergeblich auf einen Trainer. Vergeblich, weil er die im Tresen eingelassene Klingel nicht betätigt hatte. Nun hatte ich ihn während des Trainings Französisch sprechen hören, sprach allerdings selbst keines. Da ich aber der Einzige war, der sein vergebliches Warten bemerkte, ging ich schließlich hin, zeigte auf die Klingel und sagte »Sonnez les matines! Sonnez les matines!« Er verstand sofort und klingelte ausgiebig. Kurz darauf erschien der Trainer und ließ ihn hinaus. Da soll noch mal einer sagen, Fernsehen würde im Leben nicht helfen.

Karl Franz

 Unangenehm

Auch im Darkroom gilt: Der Letzte macht das Licht aus.

Sebastian Maschuw

 Jeder kennt ihn

Die Romantrilogie auf der Geburtstagsfeier, das Raclettegerät auf der Taufe, die Gartenfräse zur Beerdigung: Ich bin der Typ in deinem Bekanntenkreis, der dir geliehene Sachen in den unmöglichsten Situationen zurückgibt.

Leo Riegel

Vermischtes

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Das schreiben die anderen

  • 03.10.: Der MDR kramt bei der Debatte, ob Ostdeutschland in den Medien schlechtgeredet wird, die Zonen-Gaby wieder hervor.
  • 26.09.:

    Noch-Grünenchefin Ricarda Lang retweetet "ihren" Onlinecartoon vom 25.09.

  • 18.09.: TITANIC-Zeichnerin Hilke Raddatz ("Briefe an die Leser") ist mit dem Wilhelm-Busch-Preis geehrt worden. Die SZLZ und der NDR berichten.
  • 12.09.:

    "Heute detoxe ich im Manager-Retreat im Taunus": TITANIC-Chefredakteurin Julia Mateus im Interview mit dem Medieninsider.

  • 29.08.:

    Die FR erwähnt den "Björnout"-Startcartoon vom 28.08.

Titanic unterwegs
23.10.2024 Karlsruhe, Tollhaus Max Goldt
23.10.2024 Berlin, Walthers Buchladen Katharina Greve
24.10.2024 Stuttgart, Im Wizemann Max Goldt
25.10.2024 Potsdam, Waschhaus-Arena Thomas Gsella