Gärtners kritisches Sonntagsfrühstück: Die schönen Rosen
Daß es, wie DPA verbreiten ließ, in Hamburg zu „massiven Ausschreitungen“ gekommen ist, wird alle entsetzt haben, die mit leichten oder luftigen Ausschreitungen gerechnet hatten; mich trifft es doppelt. Denn nicht allein kann ich mit meinem Virusinfekt nicht im Bett bleiben, was lästig genug ist; ich muß meine Meinung nun auch noch zu ausgerechnet diesem Zirkus haben. (Die Betrachtung zu Sebastian Kurz, Arbeitstitel: „Arsch mit Ohren“, wird möglicherweise nachgereicht.)
Wer sich nicht gern auf offizielle Versionen verläßt, findet im Netz vielfache Hinweise darauf, daß die Polizei vielerorts nicht lange bis praktisch gar nicht gefackelt hat, und wer sich bei Youtube die Kommentare antut: „Ohhhh das tut so gut zu sehen wie diese dämlichen Demonstranten auf ihre Untermenschen Fresse bekommen (…) In anderen Ländern werden solche Leute hingerichtet“, mag finden, daß faschistische Fantasie und Praxis sich wieder ein Stück angenähert haben. Das hindert nicht, daß schwarze Gestalten, die Brandsätze in Kleinwagen senken und Ladenzeilen verwüsten, eher wie Hools denn politische Aktivisten wirken. Nehmen wir an, es sei dies nicht einfach Hooliganismus, sondern der Versuch, Bilder vom kommenden Bürgerkrieg zu produzieren, so ahnt mein anginöser Schädel, daß der Bürgerkrieg, sehen die Leute, wie er ausschaut, noch viel weniger kommt als eh schon. Auch mögen das Auto und die Einkaufsstraße Sinnbilder kapitalistischen Unrechts sein, und wer sie kaputtmacht, setzt ein Zeichen; aber die geborstenen Schaufenster kehrt ja nicht der CEO zusammen, und wessen gebrauchter Fiat in Flammen aufgegangen ist, den wird der revolutionäre Kampf fürs erste am Arsch lecken können.
„Tut das Unnütze, singt die Lieder, die man aus eurem Mund nicht erwartet!“ Eich, 1950
Natürlich hat eine Gruppe wie die Interventionistische Linke recht, wenn sie sagt, daß sich am Gewaltverhältnis nichts ändert, wenn man an der Alster Lieder singt. Durch Gewalt, die keine revolutionäre ist, ändert sich am Gewaltverhältnis aber erst recht nichts (im Gegenteil, es verhärtet sich noch), und wer die Puppen trotzdem tanzen läßt, setzt Wasserwerfer und Schlagstock noch da ins populäre Recht, wo sie in friedliche Demos fahren. Jetzt jammern alle, die Politik habe versagt, denn so etwas wie G20 hätte nie in einer Großstadt stattfinden dürfen. Stellen wir’s auf die Füße, ergibt sich, daß es die beste Idee aller Zeiten war, den Gipfel in Hamburg stattfinden zu lassen, denn bessere Bilder als solche, die Linke als flaschenwerfenden, brandschatzenden Mob zeigen, können herrschende Verhältnisse sich nicht wünschen.
Den Ablauf des Gipfels zu stören war erklärtes linksaktivistisches Ziel. Ich will, malad vom Schreibtisch aus, Engagement nicht denunzieren, nicht mal unter Verweis auf Adornos bekannte Worte vom Geblök und von der Pseudoaktivität; aber daß Mrs. Trump ihr Hotel nicht hat verlassen können, muß das nun als Erfolg gewertet werden? Lassen sich Zeugnisnoten verhindern, indem man den Ablauf der Zeugnisnotenkonferenz stört? Die Chefin der Interventionistischen Linken zitiert, weiß die Zeitung, Pablo Neruda: Mögen sie die Blumen abschneiden, der Frühling kommt trotzdem.
Ich will nicht unken, aber: Nein, so kommt er nicht.
◀ | Superhelden, die sich nicht durchgesetzt haben | G20 – Alle Teilnehmer im Kurzporträt | ▶ |
