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Gärtners kritisches Sonntagsfrühstück: Der Mob

Diese Kolumne hat sich vermutlich nicht den Ruf erworben, auf der Seite des alten weißen Mannes zu stehen, und deshalb wird man es nicht missverstehen, wenn sie den offenen Brief, den Autorinnen und Autoren an ihren Hausverlag Rowohlt geschrieben haben, als die Dummheit bucht, die er zweifellos ist; wenn nicht gar Schlimmeres.

„Wir sind enttäuscht über die Entscheidung des Rowohlt-Verlags, die Autobiographie von Woody Allen zu veröffentlichen. Wir haben keinen Grund, an den Aussagen von Woody Allens Tochter Dylan Farrow zu zweifeln. Ihr Bruder Ronan Farrow hat sich nachdrücklich gegen die Veröffentlichung im Verlag Hachette ausgesprochen, in dem auch seine eigenen Bücher erschienen sind … Unter anderem hat Farrow kritisiert, dass Allens Buch in den USA ohne Prüfung der darin enthaltenen Fakten erscheinen sollte. Nach gängiger Praxis müssen wir annehmen, dass ein ,fact checking’ des Buches auch in Deutschland nicht erfolgen wird. Wie Ronan Farrow sind wir der Ansicht, dass dieses Vorgehen unethisch ist und einen Mangel an Interesse für die Belange der Opfer sexueller Übergriffe zeigt … Es geht uns nicht darum, die Veröffentlichung grundsätzlich zu unterbinden. Allen mangelt es nicht an Möglichkeiten, sich mitzuteilen. Aber der Rowohlt Verlag muss ihn darin nicht unterstützen.“

Man weiß schlicht nicht, wo beginnen; beginnen wir also von vorn.

Der Streit um den Vorwurf, Woody Allen habe seine Adoptivtochter Dylan missbraucht, währt nun bald dreißig Jahre, und es ist keine obskure Auffassung, dass sich die Wahrheit nicht mehr wird ermitteln lassen. Allen, der juristisch unbelangt und durch zwei Untersuchungen entlastet ist, hat stets beteuert, seine Expartnerin Mia Farrow habe das Kind aus Sorgerechts- und Eifersuchtsgründen aufgehetzt, ähnlich (und noch deutlicher) äußert sich beider Adoptivsohn Moses, der seine Mutter für „extrem manipulativ“ hält. Ronan Farrow hält dagegen streng zur Mutter und seiner Schwester, die ihre Vorwürfe nach „Me Too“ erneuert hat. Sie war zum Zeitpunkt der Tat, die sie Allen vorwirft, sieben Jahre alt.

Dass 15 (mittlerweile: 13) deutsche Schriftsteller und Schriftstellerinnen keinen Grund sehen, an Dylans Aussage zu zweifeln, wird die Erwachsene freuen, aber die Gerichtspsychologie wird gern bestätigen, dass Aussagen (oder Erinnerungen) von Kindern nicht eben ein Vorbild an Gerichtsfestigkeit sind. Vor ein paar Jahren schloss eine Mainzer Kindertagesstätte nach angeblichen schweren sexuellen Übergriffen; später stellte sich heraus, dass nichts davon stimmte, sondern bloß aus Hysterie und Suggestivfragen zusammengesetzt war. Das heißt nicht, dass das Stereotyp der hysterischen Mutter/Frau nicht nach wie vor gern genommen wird, wenn es darum geht, Vorwürfe von Gewalt gegen Frauen zu diskreditieren; das heißt bloß, dass Verdacht und Urteil grundsätzlich zweierlei sein sollten. Das ist keine Parteinahme für Allen, sondern eine gegen den Mob, der sich, geht’s um Kindsmissbrauch, besonders leicht zusammenfindet.

„Vor allem kein Gedanke! Nichts ist kompromittierender als ein Gedanke!“ Nietzsche, 1888

Dass eine Autobiographie sich einem Faktencheck unterziehen müsse, ist mir ebenfalls neu. Eine Autobiographie ist vielleicht nicht notwendig Literatur, aber auch kein Sachbuch, und wenn ich in meine schreibe, ich sei der Don Juan der Oberstufe gewesen, kann mich das Feuilleton gern auslachen; aber es ist meine Sache, wie mindestens Profis (selbst wenn sie „enttäuscht über“ etwas sind) ja mal davon gehört haben könnten, dass autobiographische Texte nicht plan als non-fiction gebucht werden dürfen, falls das Verhältnis zu Fiktion allgemein nicht mittlerweile derart gestört ist, dass sich derlei propädeutische Hinweise erübrigen. Im übrigen darf einen doch gerade in solch unentschiedenen Fällen die Aussage des Angeklagten interessieren; wenn das Urteil nicht schon feststeht.

Dass Allen schreiben dürfe, was er wolle, aber nicht im Verlag der Unterzeichneten, berührte das Feld der Infamie selbst dann, wenn das Buch in den USA denn noch erscheinen könnte, wonach es nicht aussieht. Denn wenn er seinen unethischen Kinderschänderschund (falls es im Buch denn darum gehen sollte) anderswo veröffentlichen darf, ist der ja nicht aus der Welt; und falls er ihn, außer vielleicht bei Facebook, besser nirgends veröffentlichen soll, lautet die Übersetzung: Das Schwein, verurteilt oder nicht, soll keinen Fuß mehr auf den Boden kriegen. Das ist, ganz formal betrachtet, Selbstjustiz. Ob Allen in den USA für seine Filme noch mal einen Verleih findet, ist ja bereits fraglich, und Schauspieler und Schauspielerinnen, die sich eilfertig für ihre Zusammenarbeit entschuldigt haben, interessieren sich mehr für ihren Marktwert als dafür, wie schuldig der Beschuldigte wirklich sei. Sie kapitulieren vorauseilend vor jenem Teil des Internets, der seine Meinung immer schon hat.

Auf Ruhrbarone.de, wo sich einer der Unterzeichneten vorsichtig und teils mit den Argumenten, die ja nun wirklich auf der Hand liegen, vom Brief distanziert (er hat seine Unterschrift mittlerweile zurückgezogen), fragen sie schon: „Das Prinzip ,im Zweifel für den Angeklagten’ ist ja zunächst eines der Rechtsprechung. Es bedeutet nicht, dass nicht jeder persönlich seine Konsequenzen ziehen kann, wenn er selbst von der Schuld einer Person überzeugt ist. Denken Sie, dass dieses Prinzip im öffentlichen Diskurs überbewertet wird? Sollte es leichter sein, auch ohne Beweise oder rechtskräftige Verurteilung gesellschaftliche Konsequenzen für mutmaßliche Straftäter durchzusetzen, etwa durch Ächtung oder Boykott?“ Diese Kolumne hat sich vermutlich nicht den Ruf erworben, auf der Seite derer zu stehen, die vor linker Moraldiktatur warnen. Sie warnt aber gern vorm Größenwahn derer, die sich für links halten.




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Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Sie, Romancier Robert Habeck,

Sie, Romancier Robert Habeck,

nehmen Ihren Nebenjob als Wirtschaftsminister wohl sehr ernst! So ernst, dass Sie durch eine Neuauflage Ihres zusammen mit Ihrer Ehefrau verfassten Romans »Der Tag, an dem ich meinen toten Mann traf« versuchen, fast im Alleingang dem darniederliegenden Literaturmarkt auf die Sprünge zu helfen. Könnten Sie sich als Nächstes das Zeitschriftensterben vorknöpfen?

Fragt Titanic

 Damit hast Du nicht gerechnet, »Zeit online«!

Als Du fragtest: »Wie gut sind Sie in Mathe?«, wolltest Du uns da wieder einmal für dumm verkaufen? Logisch wissen wir, dass bei dieser einzigen Aufgabe, die Du uns gestellt hast (Z+), erstens der zweite Summand und zweitens der Mehrwert fehlt.

Bitte nachbessern: Titanic

 Ganz, ganz sicher, unbekannter Ingenieur aus Mittelsachsen,

dass Du Deine Verteidigungsstrategie nicht überdenken willst? Unter uns, es klingt schon heftig, was Dir so alles vorgeworfen wird: Nach einem Crash sollst Du einem anderen Verkehrsteilnehmer gegenüber handgreiflich geworden sein, nur um dann Reißaus zu nehmen, als der Dir mit der Polizei kommen wollte.

Die beim wackeren Rückzug geäußerten Schmähungen, für die Du nun blechen sollst, wolltest Du vor dem Amtsgericht Freiberg dann aber doch nicht auf Dir sitzen lassen. Weder »Judensau« noch »Heil Hitler« willst Du gerufen haben, sondern lediglich »Du Sau« und »Fei bitter«. Magst Du das nicht noch mal mit Deinem Rechtsbeistand durchsprechen? Hast Du im fraglichen Moment nicht vielleicht doch eher Deinen Unmut über das wenig höfische Verhalten des anderen Verkehrsteilnehmers (»Kein Ritter!«) geäußert, hattest Deinen im selben Moment beschlossenen Abschied von den sozialen Medien (»Bye, Twitter!«) im Sinn, oder hast gar Deiner verspäteten Freude über die olympische Bronzemedaille des deutschen Ruder-Achters von 1936 (»Geil, Dritter!«) Ausdruck verliehen?

Nein? Du bleibst dabei? Und würdest dafür sogar ins Gefängnis gehen (»Fein, Gitter!«)?

Davor hat fast schon wieder Respekt: Titanic

 Huhu, »HNA« (»Hessische/Niedersächsische Allgemeine«)!

Mit großer Verblüffung lesen wir bei Dir in einem Testbericht: »Frischkäse ist kaum aus einem Haushalt in Deutschland wegzudenken.«

Och, Menno! Warum denn nicht? Und wenn wir uns nun ganz doll anstrengen? Wollen wir es denn, HNA, einmal gemeinsam versuchen? Also: Augen schließen, konzentrieren und – Achtung: hui! – weg damit! Uuuund: Futschikato! Einfach aus dem eigenen Haushalt weggedacht. Und war doch überhaupt nicht schlimm, oder?

Es dankt für die erfolgreiche Zusammenarbeit und hofft, einen kleinen Denkanstoß gegeben zu haben, wenn nicht gar einen Wegdenkanstoß: Titanic

 Keine Übertreibung, Mathias Richling,

sei die Behauptung, dass die Ampel »einen desaströsen Eindruck bei jedermann« hinterlasse, denn in den vielen Jahren Ihrer Karriere, so schilderten Sie’s den Stuttgarter Nachrichten, hätten Sie es noch nie erlebt, »dass ohne jegliche pointierte Bemerkung allein die bloße Nennung des Namens Ricarda Lang ein brüllendes Gelächter auslöst«.

Aber was bedeutet das? »Das bedeutet ja aber, zu Mitgliedern der aktuellen Bundesregierung muss man sich nichts Satirisches und keinen Kommentar mehr einfallen lassen.« Nun beruhigt uns einerseits, dass Ihr Publikum, das sich an Ihren Parodien von Helmut Kohl und Edmund Stoiber erfreut, wohl immerhin weiß, wer Ricarda Lang ist. Als beunruhigend empfinden wir hingegen, dass offenbar Sie nicht wissen, dass Lang gar kein Mitglied der aktuellen Bundesregierung ist.

Muss sich dazu nichts Satirisches und keinen Kommentar mehr einfallen lassen: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Süße Erkenntnis

Für jemanden, der Pfirsich liebt, aber Maracuja hasst, hält die Welt viele Enttäuschungen bereit.

Karl Franz

 Dilemma

Zum Einschlafen Lämmer zählen und sich täglich über einen neuen Rekord freuen.

Michael Höfler

 Nachwuchs

Den werdenden Eltern, die es genau mögen, empfehle ich meinen Babynamensvorschlag: Dean Norman.

Alice Brücher-Herpel

 3:6, 6:7, 0:6

Der Volontär in der Konferenz der Sportredaktion auf die Bitte, seine Story in drei Sätzen zu erzählen.

Ronnie Zumbühl

 Hellseherisch

Morgen ist einfach nicht mein Tag.

Theo Matthies

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
05.12.2023 Frankfurt am Main, Club Voltaire »TITANIC-Peak-Preview« mit Stargast Til Mette
06.12.2023 Oldenburg, Wilhelm 13 Bernd Eilert mit Sandra Kegel und Klaus Modick
06.12.2023 Berlin, Das ERNST Hauck & Bauer mit Kristof Magnusson
07.12.2023 Bad Homburg, Kulturzentrum Englische Kirche Pit Knorr & Die Eiligen Drei Könige