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Gärtners kritisches Sonntagsfrühstück: Kunstloses Unglück

Wenn einem ein Prekariatsjugendlicher aufs Maul haut, ist das schlimm und abzulehnen, entbindet aber trotzdem nicht von der Frage, warum er’s tut oder warum er’s vielleicht häufiger tut als ein Gymnasiast. Wer sich diese Frage nicht stellen will, schreibt dann Leserbriefe des Inhalts, man solle, bitte sehr, auch mal an die Opfer denken und nicht immer so dumm gutmenschlich von der schweren Kindheit der Täter schwätzen.

„Barbarisch“, das ist wahr, ist auch die absichtliche, die zelebrierte Zerstörung von Kulturschätzen, Mausoleen und Bibliotheken im Irak durch Kämpfer des sog. Islamischen Staats: „In der Bibliothek von Mossul verbrannten sie in den vergangenen Tagen mehr als zehntausend Manuskripte und Bücher, die mehrere Jahrhunderte alt waren. Danach sprengten sie Teile der Bibliothek“ und gingen andernorts mit Preßlufthämmern gegen jahrtausendealte Statuen vor: wenn’s nicht so traurig wäre, es wäre, in seiner karikaturesken Grob- und Vernageltheit, fast zum Lachen. Einen „Anschlag auf die Geschichte“ sah die FAZ, und das ist aus Frankfurter allgemeiner Sicht so völlig zutreffend, wie es andererseits an der Sache vorbeigeht. Es ist, neben anderem, ein Anschlag auf den Luxus.

„Schönheit (und menschliche und gesellschaftliche Harmonie, welche immer mitgemeint sind) setzt voraus Überfluß an materiellen Gütern … Bekanntlich ist die Einführung der Ausbeutung einer der mächtigsten Befreiungsakte der Menschheit; sie ist Beginn der Muße, also der Produktion wissenschaftlicher und kultureller Güter.“ Hacks, 1962

Denn Kunst ist einer, mindestens insofern, als man sie sich leisten können muß. Sie benötigt Geld und, vor allem, Zeit. (Von Dietmar Dath stammt der Gedanke, gesellschaftliche Abhängigkeit sei wesentlich eine Funktion von Zeit und ihrer Verfügbarkeit.) Kunst entsteht allein da, wo es in Gesellschaften, in Teilen von Gesellschaften mehr gibt, als zum bloßen Überleben nötig, und so es sich nicht um (marxistisch) freie Assoziationen handelt, verdankt sich Kunst einem Überfluß, der kapitalistisch erwirtschaftet werden muß, und zwar von vielen für wenige. Das muß nicht gegen die Kunst sprechen, bildet sich aber in ihr ab, wo Kunst nicht von denen rezipiert wird, die für sie bezahlen: Auf dem Opernsitz, den der Arbeiter subventioniert, kommt er nicht zu sitzen. Kunst unter klassengesellschaftlichen Bedingungen ist elitär, und wer jetzt „Popkultur“ kräht, der vergesse nicht, daß es da vielleicht die Pet Shop Boys und Scorsese geben mag, aber eben auch das Phantom der Oper, und daß sich die Publika da doch grosso modo nach Klassenzugehörigkeit unterscheiden.

Für die armen Irren vom IS ist es also kein Anschlag auf „ihre“ Geschichte, denn ihre Geschichte ist eine, die von Kunst noch weniger weiß als selbst der stumpfste RTL-Kunde. Dieser weiß ja noch, was Kunst ist, weil sie ihn nämlich nicht interessiert; im Leben der Barbaren gibt es, aus schlicht materiellen Gründen, indes nicht einmal einen Begriff von Kunst, weshalb es leicht fällt, das religiöse Bilderverbot so weitgehend (und eben barbarisch) zu interpretieren. Es ist furchtbar, was da unterm Banner „absoluter Dummheit“ (ein FAZ-Leser, natürlich mit Abitur) geschieht, aber man vergesse nicht, daß im zivilisierten Frankreich zuletzt Bibliotheken im Dutzend beschmiert, verwüstet, angezündet worden sind, von Jugendlichen aus der Banlieue nämlich, die, wie selbst die Bürgerpresse einräumen mußte, ein Zentralsymbol des (bildungs-)bürgerlichen Staates attackierten, jenes Staates, der Bildung und kulturelle „Teilhabe“, trotz aller gutgemeinter Förderprojekte, erst einmal für seine Gymnasiasten vorsieht. Jenen Gymnasiasten, die zwar auf alle möglichen Ideen kommen: Atombomben werfen, Juden vergasen, Kinder foltern, aber niemals, wirklich niemals mit dem Preßlufthammer auf Michelangelos David losgehen würden.

Es ist nämlich ihrer.




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Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Sind Sie sicher, Rufus Beck?

Im Interview mit Deutschlandfunk Kultur zum 25. Jubiläum des Erscheinens des ersten deutschsprachigen »Harry-Potter«-Buchs kamen Sie ins Fantasieren: Würde Harry heutzutage und in der echten Welt leben, dann würde er sich als Klimaschützer engagieren. Er habe schließlich immer für eine gute Sache eingestanden.

Wir möchten Sie an dieser Stelle daran erinnern, dass Harry Potter ein Zauberer ist, sich folglich gar nicht für den Klimaschutz engagieren müsste, sondern ihn mit einem Schnips obsolet machen könnte. Da allerdings in sieben endlos langen »Harry Potter«-Bänden auch keine Klassenunterschiede, Armut oder gar der Kapitalismus weggezaubert wurden, fragen wir uns, warum Harry gerade bei der Klimakrise eine Ausnahme machen sollte. Aber wo Sie schon so am Fabulieren sind, kommen wir doch mal zu der wirklich interessanten Frage: Wie, glauben Sie, würde sich Ihr Kämpfer für das Gute zu Trans-Rechten verhalten?

Hat da so eine Ahnung: Titanic

 Du, Krimi-Autorin Rita Falk,

bist mit der filmischen Umsetzung Deiner zahlreichen Eberhofer-Romane – »Dampfnudelblues«, »Sauerkrautkoma«, »Kaiserschmarrndrama« – nicht mehr zufrieden. Besonders die allerneueste Folge, »Rehragout-Rendezvous«, erregt Dein Missfallen: »Ich finde das Drehbuch unglaublich platt, trashig, stellenweise sogar ordinär.« Überdies seien Szenen hinzuerfunden worden und Charaktere verändert. Besonders verabscheuungswürdig seien die Abweichungen bei einer Figur namens Paul: »Der Film-Paul ist einfach ein Dorfdepp.«

Platt, trashig, ordinär – das sind gewichtige Vorwürfe, Rita Falk, die zu einer vergleichenden Neulektüre Deiner Romane einladen. Da fällt uns übrigens ein: Kennst Du die Geschichte vom Dorfdeppen, der sich beschwert, dass der Nachbarsdorfdepp ihn immer so schlecht imitiert?

Wär’ glatt der Stoff für einen neuen Roman!

Finden Deine Trash-Flegel von Titanic

 Sakra, »Bild«!

Da hast Du ja wieder was aufgedeckt: »Schauspieler-Sohn zerstückelt Lover in 14 Teile. Die dunkle Seite des schönen Killers. Im Internet schrieb er Hasskommentare«. Der attraktive, stinknormal wirkende Stückel-Killer hat Hasskommentare im Netz geschrieben? So kann man sich in einem Menschen täuschen! Wir sind entsetzt. Dieses Monster!

Indes, wir kennen solche Geschichten zur Genüge: Ein Amokläufer entpuppt sich als Falschparker, eine Kidnapperin trennt ihren Müll nicht, die Giftmischerin hat immer beim Trinkgeld geknausert, und das über Leichen gehende Hetzblatt nimmt’s gelegentlich mit der Kohärenz beim Schlagzeilen-Zusammenstückeln nicht so genau.

Grüße von der hellen Seite des Journalismus Titanic

 Puh, 47jährige,

bei Euch läuft es ja nicht so rund gerade. »Nur mit Unterhose bekleidet: 47-Jähriger flippt an Trambahn-Haltestelle aus« müssen wir pfaffenhofen-today.de entnehmen. InFranken meldet: »143 Autos in vier Jahren zerkratzt – 47jähriger Verdächtiger wurde festgenommen«, und schließlich versaut Rammstein-Ekel Lindemann Euch noch zusätzlich das Prestige. Der ist zwar lang nicht mehr in Eurem Alter, aber von dem Lustgreis ist in letzter Zeit dauernd im Zusammenhang mit Euch die Rede, weil er sich als 47jähriger in eine 15jährige »verliebt« haben will.

Und wenn man sich bei so viel Ärger einfach mal einen antrinkt, geht natürlich auch das schief: »Betrunkener 47-Jähriger landet in Augustdorf im Gegenverkehr«, spottet unbarmherzig lz.de.

Vielleicht, liebe 47jährige, bleibt Ihr besser zu Hause, bis Ihr 48 seid?

Rät die ewig junge Titanic

 Ei Gude, Nancy Faeser!

Ei Gude, Nancy Faeser!

Als Bundesinnenministerin und SPD-Spitzenkandidatin für die hessische Landtagswahl stellen Sie im Wahlkampf wöchentlich eine weitere Verschärfung des Asylrechts in Aussicht, um bei Ihren stockkonservativen hessischen Landsleuten zu punkten. Das Dumme ist nur, dass Sie damit bis jetzt bei Ihrer Zielgruppe nicht so recht ankommen. Der sind Sie einfach zu zaghaft.

Da hilft nur eins: Klotzen, nicht kleckern! Ihr Amtsvorgänger Horst Seehofer (CSU) hat es doch vorgemacht und sich über die Abschiebung von 69 Afghan/innen an seinem 69. Geburtstag gefreut! Das haben alle verstanden. Tja, Ihr 53. Geburtstag am 13. Juli ist schon rum, die Chance ist vertan! Jetzt hilft nur noch eins: gemeinsame Wahlkampfauftritte mit Thilo Sarrazin!

Und flankierend: eine Unterschriftensammlung gegen die Reform des Staatsbürgerschaftsrechts, die es Migrant/innen erleichtert, die deutsche Staatsbürgerschaft anzunehmen, ohne die eigene aufzugeben. Für Unterschriftenaktionen gegen die doppelte Staatsbürgerschaft sind die Hess/innen seit jeher zu haben (»Wo kann ich gegen die Ausländer unterschreiben?«). Und dass Sie damit gegen Ihren eigenen Gesetzentwurf agitieren – das werden die sicher nicht checken!

Darauf wettet Ihre Wahlkampfassistenz von der Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Tagtraum im Supermarkt

Irre lange Schlange vor der Kirche. Einzelne Gläubige werden unruhig und stellen Forderungen. Pfarrer beruhigt den Schreihals vor mir: »Ja, wir machen gleich eine zweite Kirche auf!«

Uwe Becker

 Backpainer-Urlaub

Eine Thailandreise ist die ideale Gelegenheit, sich bei unzähligen Thaimassagen endlich mal jene Rückenschmerzen rauskneten zu lassen, die man vom Tragen des Rucksacks hat, den man ohne die Thailandreise gar nicht gekauft hätte.

Cornelius W. M. Oettle

 Löffelchenverbot

Ich könnte niemals in einer Beziehung mit Uri Geller sein. Ich will mich einfach für niemanden verbiegen.

Viola Müter

 Brotlose Berufsbezeichnung

Ich arbeite seit Jahren erfolgreich als honorarfreischaffender Künstler.

Jürgen Miedl

 Kartoffelpuffer

Die obligatorische halbe Stunde, die deutsche Rentnerehepaare zu früh am Bahnhof erscheinen.

Fabio Kühnemuth

Vermischtes

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Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
26.09.2023 Bern, Berner Generationenhaus Martin Sonneborn
27.09.2023 Berlin, Dorotheenstädtische Buchhandlung Katharina Greve