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Gärtners kritisches Sonntagsfrühstück: Baden im Kakao

Vor dreißig Jahren begann in Deutschland das Zeitalter des privaten Fernsehens, und man kann nicht sagen, daß der Viertelwüchsige, dessen Oma in der Großstadt irgendwann Kabelfernsehen hatte, das nicht alles äußerst faszinierend fand, partiell sogar faszinierender als die wegen Zonenrandlage ohnehin verfügbaren, aber extrem unprivaten Sondersender des DDR-Fernsehens. In der Zeitung ist dieses Jubiläums auf ganz und gar erwartbare Weise gedacht worden, unter nämlich sentimentalem Verweis auf Hans Meiser, „Tutti Frutti“ und Harald Schmidt, weshalb es wieder so war, wie es unter den kritischen Bedingungen der Vierten Gewalt immer ist, daß nämlich einerseits alles ganz schlimm, andererseits aber auch ganz prima ist. Und ja schließlich sowieso nicht zu ändern.

Darauf, daß es nicht mehr zu ändern sein werde, zielte das Projekt Privatfernsehen von Anfang an, und die journalistische Redlichkeit gebot es meiner Morgenzeitung, auf den bloß vordergründigen Widerspruch hinzuweisen, daß es konservative Politiker waren, die die Büchse der Pandora geöffnet haben, mit voller Absicht und aus machtpolitischem Kalkül: Öffentlich-rechtliches Fernsehen galt als Rotfunk, privates Fernsehen, so wußten auch die Dümmeren (Kohl), konnte strukturell nur systemfreundlich sein. Die Rechnung ist glänzend aufgegangen, auch deshalb, weil sich das sog. Qualitätsfernsehen der öffentlich-rechtlichen Anstalten, halb wegen des sog. Grundversorgungsauftrags, halb aus Furcht vor der eigenen Marginalisierung, an jener Einschaltquote zu orientieren begann, für die Dreck, durch den viele stiefeln, keiner mehr ist: Egalweg welchen Quatsch an möglichst viele Kunden zu bringen ist jener Vulgär- als Konsumkapitalismus, dem mit Haut und Haaren zu Diensten zu sein die Dummen unter den aus Rundfunkgeld bezahlten Fernsehredakteuren (nämlich achtundneunzig von hundert) für die freiheitlich-demokratische Tat halten, die es zweifelsfrei vorstellt; denn es ist nicht allzu verwegen zu behaupten, daß sich die Ruhe im Land der Rundumbeschallung aus den audiovisuellen Volksempfängern verdankt, die das Niveau so weit heruntergebracht hat, daß alte „Derrick“-Folgen auf Youtube wie Kulturfernsehen wirken. (Deren Regisseure, man merkt das, noch Faßbinder gesehen haben.)

„Was auch immer geschieht: / Nie dürft ihr so tief sinken, / von dem Kakao, durch den man euch zieht, / auch noch zu trinken.“ Kästner, 1932

Doch Widerstand, noch auch nur gedanklicher, ist längst unmöglich geworden, wo der Lebenshöhepunkt des Normalverbrauchers in einem Auftritt als Telefonjoker bei Jauch besteht, und das Gruseln, das jene packt, die sich durch öffentlich-rechtliche Abend- und Showunterhaltung schalten, ist nicht zuerst Folge des streng formatierten Schunds aus Quiz und Quark und Scheißdreck, für den sich sichtlich überhaupt niemand mehr schämt, sondern der Kamerafahrten durch ein Publikum, das an diesen schon gar nicht mehr verbrämten KdF-Veranstaltungen die Freude des selig Enthirnten und glücklichen Opfers hat, das durch die Folter aus Nachmittagstalk, Scripted Reality und Kai Pflaume gegangen ist, um schneller, als es selbst Kohl und Schwarz-Schilling erwartet haben dürften, zu der unreflektierten, rein vegetativen Überzeugung zu gelangen, daß es geradezu verrückt wäre, den Großen Bruder nicht zu lieben. Und zwar aus übervollem, ganzem Herzen.

PS. Eben noch, wirklich zufällig, „Mona Lisa“ mitverfolgt, vor 25 Jahren das ZDF-„Frauenmagazin“ mit wenigstens vorsichtig emanzipativem Anspruch. Heute: Schicksale auf der Frühchenstation und zu Besuch bei André Rieu in seinem Schloß in Maastricht („ein Menschenfischer im besten Sinne“). Bunte-TV, Abgrund, Werbung; w.z.b.w.




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Briefe an die Leser

 Sakra, »Bild«!

Da hast Du ja wieder was aufgedeckt: »Schauspieler-Sohn zerstückelt Lover in 14 Teile. Die dunkle Seite des schönen Killers. Im Internet schrieb er Hasskommentare«. Der attraktive, stinknormal wirkende Stückel-Killer hat Hasskommentare im Netz geschrieben? So kann man sich in einem Menschen täuschen! Wir sind entsetzt. Dieses Monster!

Indes, wir kennen solche Geschichten zur Genüge: Ein Amokläufer entpuppt sich als Falschparker, eine Kidnapperin trennt ihren Müll nicht, die Giftmischerin hat immer beim Trinkgeld geknausert, und das über Leichen gehende Hetzblatt nimmt’s gelegentlich mit der Kohärenz beim Schlagzeilen-Zusammenstückeln nicht so genau.

Grüße von der hellen Seite des Journalismus Titanic

 Puh, 47jährige,

bei Euch läuft es ja nicht so rund gerade. »Nur mit Unterhose bekleidet: 47-Jähriger flippt an Trambahn-Haltestelle aus« müssen wir pfaffenhofen-today.de entnehmen. InFranken meldet: »143 Autos in vier Jahren zerkratzt – 47jähriger Verdächtiger wurde festgenommen«, und schließlich versaut Rammstein-Ekel Lindemann Euch noch zusätzlich das Prestige. Der ist zwar lang nicht mehr in Eurem Alter, aber von dem Lustgreis ist in letzter Zeit dauernd im Zusammenhang mit Euch die Rede, weil er sich als 47jähriger in eine 15jährige »verliebt« haben will.

Und wenn man sich bei so viel Ärger einfach mal einen antrinkt, geht natürlich auch das schief: »Betrunkener 47-Jähriger landet in Augustdorf im Gegenverkehr«, spottet unbarmherzig lz.de.

Vielleicht, liebe 47jährige, bleibt Ihr besser zu Hause, bis Ihr 48 seid?

Rät die ewig junge Titanic

 Du, Krimi-Autorin Rita Falk,

bist mit der filmischen Umsetzung Deiner zahlreichen Eberhofer-Romane – »Dampfnudelblues«, »Sauerkrautkoma«, »Kaiserschmarrndrama« – nicht mehr zufrieden. Besonders die allerneueste Folge, »Rehragout-Rendezvous«, erregt Dein Missfallen: »Ich finde das Drehbuch unglaublich platt, trashig, stellenweise sogar ordinär.« Überdies seien Szenen hinzuerfunden worden und Charaktere verändert. Besonders verabscheuungswürdig seien die Abweichungen bei einer Figur namens Paul: »Der Film-Paul ist einfach ein Dorfdepp.«

Platt, trashig, ordinär – das sind gewichtige Vorwürfe, Rita Falk, die zu einer vergleichenden Neulektüre Deiner Romane einladen. Da fällt uns übrigens ein: Kennst Du die Geschichte vom Dorfdeppen, der sich beschwert, dass der Nachbarsdorfdepp ihn immer so schlecht imitiert?

Wär’ glatt der Stoff für einen neuen Roman!

Finden Deine Trash-Flegel von Titanic

 Ei Gude, Nancy Faeser!

Ei Gude, Nancy Faeser!

Als Bundesinnenministerin und SPD-Spitzenkandidatin für die hessische Landtagswahl stellen Sie im Wahlkampf wöchentlich eine weitere Verschärfung des Asylrechts in Aussicht, um bei Ihren stockkonservativen hessischen Landsleuten zu punkten. Das Dumme ist nur, dass Sie damit bis jetzt bei Ihrer Zielgruppe nicht so recht ankommen. Der sind Sie einfach zu zaghaft.

Da hilft nur eins: Klotzen, nicht kleckern! Ihr Amtsvorgänger Horst Seehofer (CSU) hat es doch vorgemacht und sich über die Abschiebung von 69 Afghan/innen an seinem 69. Geburtstag gefreut! Das haben alle verstanden. Tja, Ihr 53. Geburtstag am 13. Juli ist schon rum, die Chance ist vertan! Jetzt hilft nur noch eins: gemeinsame Wahlkampfauftritte mit Thilo Sarrazin!

Und flankierend: eine Unterschriftensammlung gegen die Reform des Staatsbürgerschaftsrechts, die es Migrant/innen erleichtert, die deutsche Staatsbürgerschaft anzunehmen, ohne die eigene aufzugeben. Für Unterschriftenaktionen gegen die doppelte Staatsbürgerschaft sind die Hess/innen seit jeher zu haben (»Wo kann ich gegen die Ausländer unterschreiben?«). Und dass Sie damit gegen Ihren eigenen Gesetzentwurf agitieren – das werden die sicher nicht checken!

Darauf wettet Ihre Wahlkampfassistenz von der Titanic

 Sind Sie sicher, Rufus Beck?

Im Interview mit Deutschlandfunk Kultur zum 25. Jubiläum des Erscheinens des ersten deutschsprachigen »Harry-Potter«-Buchs kamen Sie ins Fantasieren: Würde Harry heutzutage und in der echten Welt leben, dann würde er sich als Klimaschützer engagieren. Er habe schließlich immer für eine gute Sache eingestanden.

Wir möchten Sie an dieser Stelle daran erinnern, dass Harry Potter ein Zauberer ist, sich folglich gar nicht für den Klimaschutz engagieren müsste, sondern ihn mit einem Schnips obsolet machen könnte. Da allerdings in sieben endlos langen »Harry Potter«-Bänden auch keine Klassenunterschiede, Armut oder gar der Kapitalismus weggezaubert wurden, fragen wir uns, warum Harry gerade bei der Klimakrise eine Ausnahme machen sollte. Aber wo Sie schon so am Fabulieren sind, kommen wir doch mal zu der wirklich interessanten Frage: Wie, glauben Sie, würde sich Ihr Kämpfer für das Gute zu Trans-Rechten verhalten?

Hat da so eine Ahnung: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Tagtraum im Supermarkt

Irre lange Schlange vor der Kirche. Einzelne Gläubige werden unruhig und stellen Forderungen. Pfarrer beruhigt den Schreihals vor mir: »Ja, wir machen gleich eine zweite Kirche auf!«

Uwe Becker

 Kartoffelpuffer

Die obligatorische halbe Stunde, die deutsche Rentnerehepaare zu früh am Bahnhof erscheinen.

Fabio Kühnemuth

 Brotlose Berufsbezeichnung

Ich arbeite seit Jahren erfolgreich als honorarfreischaffender Künstler.

Jürgen Miedl

 Löffelchenverbot

Ich könnte niemals in einer Beziehung mit Uri Geller sein. Ich will mich einfach für niemanden verbiegen.

Viola Müter

 Backpainer-Urlaub

Eine Thailandreise ist die ideale Gelegenheit, sich bei unzähligen Thaimassagen endlich mal jene Rückenschmerzen rauskneten zu lassen, die man vom Tragen des Rucksacks hat, den man ohne die Thailandreise gar nicht gekauft hätte.

Cornelius W. M. Oettle

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
26.09.2023 Bern, Berner Generationenhaus Martin Sonneborn
27.09.2023 Berlin, Dorotheenstädtische Buchhandlung Katharina Greve