Gärtners kritisches Pfingstsonntagsfrühstück: Alles gut
Es mag daran liegen, daß ich diese Zeilen, weil ich über Pfingsten müßiggehen will, vorfristig schreibe und noch nicht wieder genug passiert ist; oder daß ich meines ewigen Gemosers überdrüssig bin; oder schlicht daran, daß ich einen passenden Text für den schönen Kolumnentitel benötige.
Es gehe heute jedenfalls darum, wie gut doch alles sei; ja wie geradezu herrlich.
Der Fernseh-Wettermann Plöger z. B. kündigt Maitemperaturen von 33 Grad an und hält das nicht für ein Menetekel, sondern für „schönes Wetter“. In Koblenz waren es dann fast 35, der höchste Wert seit Beginn der Aufzeichnungen, und die Unwetter folgten prompt; und ich wohne Erdgeschoß und überlege bisweilen, ein Notfallköfferchen bereit zu halten, damit mir nicht irgendwann die mühsam erworbenen Anstreichungen im Adorno wegschwimmen; und denke mir weiters, daß es einem Fernseh-Wettermann, auch wenn ihm solche Sorgen fremd sein mögen, nicht schlecht zu Gesicht stünde, einfach mal zu sagen: Für die Jahreszeit zu warm. Aber der Wettermann, der ist halt für die guten Nachrichten da, und darüber wollen wir uns ja heute freuen.
In der druckfrischen „Konkret“ zitiert Kollege Leo Fischer aus einem Programm der Frankfurter Goethe-Universität, die einen „starken Start ins Studium“ ermöglichen will, und zwar mit Kursen wie „Bausteine der Grammatik“, „Selbstorganisation und Zielmanagement“ oder „VORbereitungskurs Literaturwissenschaften“, den z.B. Josefine glücklich absolviert hat: „Mir hat es sehr gut gefallen, daß wir über verschiedene Autoren gesprochen haben, da ich mich bisher mit deutscher Literatur nicht so viel beschäftigt habe. Mir hat es auch gefallen, daß wir auf die Unterschiede zwischen Drama, Prosa und Lyrik eingegangen sind. Ich wußte natürlich, daß es welche gibt, aber die Frage ist dann: Welche? Jetzt weiß ich es.“ Und wir für unseren Teil wissen und haben unseren Gefallen daran, daß mit der Bildungsrepublik Großdeutschland, an deren Hochschulen „die Alphabetisierung noch einmal nachgeholt“ wird (Fischer), alles zum wirklich Allerbesten steht, ja geradezu massiv zum Besten steht, wie es heute morgen in meinem geliebten Morgenblatt wieder derart massiv zuging, daß sogar der arme Sellering (Krebs) keinen Ausweg mehr sah und mitteilte, er habe sich jetzt einer „massiven Therapie“ zu unterziehen.
„... und es war alles, alles gut!“ Eichendorff, 1826
Variatio delectat? Auf die Unterschiede eingehen, ja überhaupt welche machen? Aber wo; bzw. sind wir nun alternativlos, oder sind wir es nicht? Deshalb geht auch das Plusquamperfekt seinem stillen Tod entgegen („Nachdem Männer aus dem arabischen Raum … Frauen sexuell belästigten und beklauten, herrschte in dieser Frage große Verunsicherung“, SZ, wo sonst) und es aber bei der Frühförderung heiter weiter; und hat die Deutsche Post Kinderbücher im Regal, die unter dem Reihentitel „Ich lerne“ auftreten: „Ich lerne: Spielen & Toben. Meine Freizeitgestaltung für drinnen und draußen“, und deshalb ist moderne Kindheit auch nicht mit der öden zu vergleichen, die, sagen wir, die Kinder aus Bullerbü hatten, die ganz ohne Anleitungen zur Freizeitgestaltung spielten und tobten, daß es nur so eine Art hatte, aber eben nicht die, die unsere „westliche Wertegemeinschaft“ (Dr. G. Seibt, München) immer reichlicher auszeichnet. Deren würgend komplementäre Hauptimpulse, Selbstvermarktung und Gängelung, sich nun in der Mode niederschlagen, die Kinder im Holzwagen vor dem Fahrrad spazierenzufahren. Irgendwas Holländisches und garantiert eine gute Möglichkeit, distinktionswirksam tausend Euro aus dem Fenster zu werfen.
Wo war ich? Ach ja. Daß alles gut ist. Deswegen sagen es ja auch alle immerzu. Wirklich ständig!
Es wird doch keine Beschwörung sein?
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