Fabian Lichters Economy Class
Achtung, AGB
"Weil er dem Bahnpersonal keinen Lichtbildausweis vorzeigen wollte, geriet Ex-'Bild'-Chefredakteur Julian Reichelt auf einer Reise nach Berlin in Konflikt mit dem Gesetz. Die Bahnfahrt endete auf einer Wache der Bundespolizei" – ein Teaser zu einem Spiegel-Artikel und doch steckt darin bereits eine ganze Dramaturgie, ein Film, der aufrüttelt und berührt. Oscarreif. Wird es dem Helden gelingen, sich aus seiner misslichen Lage zu befreien? Da schon war das Gelächter auf Twitter schnell groß, doch Bahnrebell Reichelt schoss mit einem klarstellenden Thread nach, ein paar Worten "zu dieser Kolportage im Spiegel", um genau zu sein. Es gehe in seinen Ausführungen "um Freundschaft, Politik und einen Staatskonzern, der zu einer Erziehungsanstalt auf Rädern geworden ist." Zusammenfassung: Spiegel: doof, Deutsche Bahn: verbrecherisch, Deutschland: am Ende. Nichts allzu Neues eigentlich, aber in nur zwanzig (!) Tweets noch einmal kurz und knackig zusammengefasst und mit einer Prise Wahnsinn versehen vom Meister of Schattenkampf himself – ja, warum denn eigentlich auch nicht? Man hat die Zeit als Youtube-Anchorman ohnehin und kann sie auch einmal dafür nutzen, gegen die AGB der Bahn anzustinken. Auch das ist Freiheit und die Welt will unterhalten sein. Man kann, man sollte über die Reichelts dieser Welt lachen, darüber hinaus geben sie als Witz dankenswerterweise unfreiwillig auch noch Aufschluss über weit mehr als nur die Tücken eines Online-Tickets: Darüber, dass sich schlicht Illusionen macht, wer hinter den Kampagnen-Köpfen, die, stets noch mit Rückgriff auf die edelsten Motive, von einer Verbotskultur und Zwängen warnen, die die Deutschen piesacken und drücken, anderes vermutet als Mitglieder einer Klasse, unter denen bereits die Bitte um Vorzeigen eines Personalausweises als Freiheitsberaubung gilt.
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