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Fabian Lichters Economy Class

Im Zentrum des Wahnsinns

Neuerdings hört man wieder öfter von ihr: der Mitte. Anzustreben sei sie, zu erhalten. Persönlich, im Sinne der allgemeinen Gelassenheit, vor allem aber politisch – als gesicherter Raum eines Koordinatensystems der Werte und Anschauungen, Sphäre einer Klientel, die vernünftig und abwägend handele, stabil und friedenssichernd wirke. Anders als die "Spinnerten" (J. Gauck, neckisch über Bruder Querdenker) an den Rändern, dabei ist man in der Mitte auch nur auf seine eigene Art und Weise spinnert. Ob nun die neueste Prenzelberg-Esoterik oder akademischer, zwischen Banalität und Idiotie gelagerter Unsinn wie die Welt sei Text (Letzteres möge der derart denkende Mensch bitte einmal dem Kind in der Kobaltmine erklären, das gerade den Rohstoff für seinen nächsten Handy-Akku aus dem Boden holt) – wer will es heute schon konkret?

Als schick galt es in der Mitte lange Zeit, sich ein paar "unerklärlichen Dingen" offen gegenüber zu zeigen, um nicht kleingeistig und borniert zu wirken, Heilpraktiker und Vertreiber von Homöopathika leben nach wie vor gut davon. Man lässt sich von nach dem Burnout in der Agentur zu Heilern umgeschulten Mittvierzigern das Genick umdrehen, die Knochen knacken und die Hände auflegen, aber ist schon aus Ausgewogenheitsgründen erst mal skeptisch, wenn ein Virologe einem mit Zahlen kommt. Man meditiert für die Work-Life-Balance und wer kein Kapital hat, glaubt durch Ratgeber und das richtige Mindset – also Kraft seiner Gedanken – trotzdem noch irgendwie Millionär werden zu können.

Neben all dem Lifestylemumpitz steht eine pseudokritische und salbungsvoll raunende engagierte Mitte, heißt: Man liest Carolin Emcke und ihren neuen Jargon der Eigentlichkeit ("Ich empfinde dieses Vakuum als Dissonanz", Emcke über den Tod, was sonst?) oder lauscht Phrasenschwein Joachim Gauck, um sich noch bei der Befassung mit den Problemen dieser Zeit möglichst weit von ihnen weg zu bewegen. Dann doch lieber Knochenknacken.

Die größte Lebenslüge der Mitte, sie sei das Bollwerk gegen den Faschismus, ist historisch nicht minder unhaltbar als der verdrehte Quatsch, der den Verschwörungstheoretikern aus den Telegram-Gruppen durch die Hirne brummt. "Der Nationalsozialismus in Deutschland wurde nicht von einer bürgerlichen Mitte verhindert, sondern massgeblich von ihr mitgetragen" (Max Czollek, woz.de). Und noch heute will man vor allem die Schäfchen in die Mitte integrieren, die ihr – um im falschen Bild zu bleiben – nach rechts davonlaufen. Da kann der topintegrierte Einwanderer noch so viel Pluspunkte sammeln, es wird ihm nie das Verständnis entgegenwehen, das ein grenzpsychotischer Impfskeptiker mit Hitlerknacks erhält. Trümmerhaufen Mitte.

Laut Wolfgang Pohrt ist der Mensch modernen Zuschnitts nicht einmal mehr zur Ideologie fähig. Das Ich fragmentiert, ein heilloser Flickenteppich aus Anschauungen und Reaktionen, erschüttert und gespalten durch die gesellschaftlichen Widersprüche und Widrigkeiten. Und genau so sieht es dann auch aus: Nicht nur auf der Querdenkerdemo schaffen es die Leute heute mühelos links, rechts und liberal, Opfer, Täter, dafür und dagegen gleichzeitig zu sein. Ein Amoklauf der Rationalisierung.

Die moderne Welt formt sich die Menschen nach ihrem Anspruch. Ein Leben lang flexibel, kreativ und bereit zu sein, sich jederzeit neu zu erfinden – das kann nichts anderes heißen, als einen kompletten Dachschaden zu haben. Wie redet man mit denen, mit denen man nicht mehr reden kann? Fragen sich die, die nichts zu sagen haben. Willkommen im Vakuum.




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Briefe an die Leser

 Wurde aber auch Zeit, Niedersächsische Wach- und Schließgesellschaft!

Mit Freude haben wir die Aufschrift »Mobile Streife« auf einem Deiner Fahrzeuge gesehen und begrüßen sehr, dass endlich mal ein Sicherheitsunternehmen so was anbietet! Deine Mitarbeiter/innen sind also mobil. Sie sind unterwegs, auf Achse, auf – um es einmal ganz deutlich zu sagen – Streife, während alle anderen Streifen faul hinterm Büroschreibtisch oder gar im Homeoffice sitzen.

An wen sollten wir uns bisher wenden, wenn wir beispielsweise einen Einbruch beobachtet haben? Streifenpolizist/innen? Hocken immer nur auf der Wache rum. Streifenhörnchen? Nicht zuständig und außerdem eher in Nordamerika heimisch. Ein Glück also, dass Du jetzt endlich da bist!

Freuen sich schon auf weitere Services wie »Nähende Schneiderei«, »Reparierende Werkstatt« oder »Schleimige Werbeagentur«:

Deine besserwisserischen Streifbandzeitungscracks von Titanic

 Wenn, Sepp Müller (CDU),

Bundeskanzler Olaf Scholz, wie Sie ihm vorwerfen, in einem »Paralleluniversum« lebt – wer hat dann seinen Platz in den Bundestagsdebatten, den Haushaltsstreitgesprächen der Ampelkoalition, beim ZDF-Sommerinterview usw. eingenommen?

Fragt die Fringe-Division der Titanic

 Mmmh, Futterparadies Frankfurt a. M.!

Du spielst in einem Feinschmecker-Ranking, das die Dichte der Michelin-Sterne-Restaurants großer Städte verglichen hat, international ganz oben mit: »Laut einer Studie des renommierten Gourmet-Magazins Chef’s Pencil teilen sich in der hessischen Metropole 77 307 Einwohner ein Sterne-Restaurant.«

Aber, mal ehrlich, Frankfurt: Sind das dann überhaupt noch echte Gourmet-Tempel für uns anspruchsvolle Genießer/innen? Wird dort wirklich noch köstlichste Haute Cuisine der allerersten Kajüte serviert?

Uns klingt das nämlich viel eher nach monströsen Werkskantinen mit übelster Massenabfertigung!

Rümpft blasiert die Nase: die Kombüsenbesatzung der Titanic

 Diese Steilvorlage, Kristina Dunz (»Redaktionsnetzwerk Deutschland«),

wollten Sie nicht liegenlassen. Die Fußballnation hatte sich gerade mit der EM-Viertelfinalniederlage gegen Spanien angefreundet, der verlorene Titel schien durch kollektive Berauschtheit an der eigenen vermeintlich weltoffenen Gastgeberleistung sowie durch die Aussicht auf vier Jahre passiv-aggressives Gemecker über die selbstverständlich indiskutable Schiedsrichterleistung (»Klarer Handelfmeter!«) mehr als wiedergutgemacht, da wussten Sie einen draufzusetzen. Denn wie es Trainer Julian Nagelsmann verstanden habe, »eine sowohl fußballerisch als auch mental starke National-Elf zu bilden«, die »zupackt und verbindet«, hinter der sich »Menschen versammeln« können und der auch »ausländische Fans Respekt zollen«, und zwar »auf Deutsch« – das traf genau die richtige Mischung aus von sich selbst berauschter Pseudobescheidenheit und nationaler Erlösungsfantasie, die eigentlich bei bundespräsidialen Gratulationsreden fällig wird, auf die wir dank des Ausscheidens der Mannschaft aber sonst hätten verzichten müssen.

Versammelt sich lieber vorm Tresen als hinter elf Deppen: Titanic

 Du, »MDR«,

gehst mit einer Unterlassungserklärung gegen die sächsische Linke vor, weil die im Wahlkampf gegen die Schließung von Kliniken plakatiert: »In aller Freundschaft: Jede Klinik zählt.« Nun drohen juristische Scharmützel nebst entsprechenden Kosten für beide Seiten. Wie wäre es, wenn die Linke ihr Plakat zurückzieht und im Gegenzug nur eine einzige Klinik schließt? Die Ersparnisse dürften gewaltig sein, wenn die Sachsenklinik erst mal dichtgemacht hat.

Vorschlag zur Güte von Deinen Sparfüchsen von Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Verabschiedungsrituale

Wie sich verabschieden in größerer Runde, ohne dass es ewig dauert? Ich halte es so: Anstatt einen unhöflichen »Polnischen« zu machen, klopfe ich auf den Tisch und sage: »Ich klopf mal, ne?«. Weil mir das dann doch etwas unwürdig erscheint, klopfe ich im Anschluss noch mal bei jeder Person einzeln. Dann umarme ich alle noch mal, zumindest die, die ich gut kenne. Den Rest küsse ich vor lauter Verunsicherung auf den Mund, manchmal auch mit Zunge. Nach gut zwanzig Minuten ist der Spuk dann endlich vorbei und ich verpasse meine Bahn.

Leo Riegel

 Reifeprozess

Musste feststellen, dass ich zum einen langsam vergesslich werde und mir zum anderen Gedanken über die Endlichkeit allen Lebens mache. Vor meiner Abreise in den Urlaub vergaß ich zum Beispiel, dass noch Bananen in meiner Obstschale liegen, und dann dachte ich zwei Wochen darüber nach, wie lange es wohl dauert, bis die Nachbarn wegen des Geruchs und der Fliegen aus meiner Wohnung die Kripo alarmieren.

Loreen Bauer

 Claims texten, die im Kopf bleiben

Ist »Preissturz bei Treppenliften« wirklich eine gute Catchphrase?

Miriam Wurster

 Krasse Segregation

Wer bestimmten Gruppen zugehört, wird auf dem Wohnungsmarkt strukturell diskriminiert. Viele Alleinstehende suchen händeringend nach einer Drei- oder Vierzimmerwohnung, müssen aber feststellen: Für sie ist dieses Land ein gnadenloser Apartmentstaat, vor allem in den Großstädten!

Mark-Stefan Tietze

 Unübliche Gentrifizierung

Zu Beginn war ich sehr irritiert, als mich der Vermieter kurz vor meinem Auszug aufforderte, die Bohr- und Dübellöcher in den Wänden auf keinen Fall zu füllen bzw. zu schließen. Erst recht, als er mich zusätzlich darum bat, weitere Löcher zu bohren. Spätestens, als ein paar Tage darauf Handwerkerinnen begannen, kiloweise Holzschnitzel und Tannenzapfen auf meinen Böden zu verteilen, wurde mir jedoch klar: Aus meiner Wohnung wird ein Insektenhotel!

Ronnie Zumbühl

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
03.08.2024 Kassel, Caricatura-Galerie Miriam Wurster: »Schrei mich bitte nicht so an!«
04.08.2024 Frankfurt/M., Museum für Komische Kunst Die Dünen der Dänen – Das Neueste von Hans Traxler
04.08.2024 Frankfurt/M., Museum für Komische Kunst »F. W. Bernstein – Postkarten vom ICH«
09.08.2024 Bremen, Logbuch Miriam Wurster